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Die Frage, wann es sich um „handwerklich hergestellte Güter“ i.S. der Ausnahmeregelung des Art. 3 Buchst. aa) Unterbuchst. ii) der VO (EG) 561/2006 handelt, ist weder in der Verordnung noch in den weiteren Verweisungsvorschriften näher geregelt. Eine Übertragung der deutschen Regelungen zu Handwerksbetrieben, insbesondere der Handwerksordnung, ist aufgrund der gemeinschafts- und unionsrechtlichen Prägung des Tatbestandes nicht ohne weiteres möglich. Der Umstand, dass der Betrieb der Handwerksordnung unterliegt und als Meisterbetrieb in der Handwerksrolle eingetragen ist, ist daher kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Maßgeblich sind vielmehr die allgemeinen Auslegungsregeln, wozu insbesondere die Zielsetzung des Normgebers zählt. Als Ausnahmevorschrift ist der Tatbestand grundsätzlich eng auszulegen.
2.
Eine überwiegend automatisierte Fertigung und eine ausgeprägte Arbeitsteilung durch auf einzelne Arbeitsschritte spezialisierte Arbeitskräfte sprechen eher für eine industrielle Fertigung. Manuelle Handarbeit durch umfassend handwerklich ausgebildete Mitarbeiter – wenn auch unter Mithilfe von Maschinen - und die Mitarbeit und Begleitung des gesamten Arbeitsprozesses durch den Inhaber legen eher eine handwerkliche Fertigung nahe.
Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung der mitunterzeichnenden Richterin am Landgericht A als Einzelrichterin).
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenommen sind die Feststellungen zu den tatsächlichen Gegebenheiten der Kontrolle des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen BC-DE 00 am 00.00.20XX gegen 09:02 Uhr auf der F-Straße in G.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Arnsberg zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Arnsberg hat den Betroffenen unter Anwendung der Vorschriften § 8 Abs. 1 Nr. 1b FPersG und § 23 Abs. 1 Nr. 2 FPersVo wegen vorsätzlichen Unterlassens, für die ordnungsgemäße Benutzung des Schaublatts zu sorgen, zu einer Geldbuße von 750 € verurteilt.
4Nach den tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils ist der Betroffene Geschäftsführer der H Verwaltung GmbH, welche Komplementärin der H – I GmbH & Co. KG ist. Am 00.00.20XX wurde ein Fahrzeug der H - I GmbH & Co. KG, welches ein zulässiges Gesamtgewicht von 6.600 kg hatte, im Rahmen einer Verkehrskontrolle mit Backwaren, die zum Teil vom Stammsitz an andere Filialen ausgeliefert wurden, an der aus dem Tenor ersichtlichen Stelle angetroffen. Teilweise handelte es sich auch um Retouren. Ein EG-Kontrollgerät war bei dem Fahrzeug eingebaut. Die Verwendung von Schaublättern erfolgte bewusst nicht.
5Das Amtsgericht würdigte dies als Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 b) Fahrpersonalgesetz (FPersG) i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Fahrpersonalverordnung (FPersV). Der Fahrtenschreiber und die Benutzung des Schaublatts seien gemäß Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 165/2014 des europäischen Parlaments und des Rates erforderlich gewesen. Für das Fahrzeug habe Art. 2 der VO (EG) Nr. 561/2006 gegolten. Eine Ausnahme nach Art. 3 der VO (EG) Nr. 561/2006 habe nicht vorgelegen. Insbesondere habe es sich bei den Backwaren nicht um handwerklich hergestellte Güter im Sinne von Art. 3 Bucht. aa) Unterbuchst. ii) der Verordnung gehandelt. Nach eigener Einlassung des Betroffenen würden täglich ca. 70.000 Brötchen und 3.000 Brote gefertigt und auf ca. 50 Filialen ausgeliefert. Aufgrund des Umfangs der hergestellten Waren liege unzweifelhaft keine handwerkliche Herstellung im Sinne der Vorschrift vor, sondern es handele sich um industriell hergestellte Backware.
6Der Betroffene habe vorsätzlich gehandelt, da er die den Tatbestand erfüllenden Umstände gekannt und sich bewusst gegen die Nutzung der Fahrtenschreiber entschieden habe. Soweit er irrig angenommen habe, dass er sich auf die „Handwerkerregelung“ berufen könne, sei dies mit Blick auf die umfangreiche Produktion vermeidbar gewesen. Es verurteilte den Betroffenen im Hinblick auf seine Einkommensverhältnisse zu einer Geldbuße von 750 €.
7Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er die Aufhebung des Urteils und einen Freispruch, hilfsweise die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts begehrt. Gerügt wird die Verletzung sachlichen Rechts. Bei dem Betrieb handele es sich nicht um einen Industriebetrieb, sondern um einen Handwerksbetrieb. Alleine der Umfang der Produktion vermöge die Qualifizierung als Industriebetrieb nicht zu begründen. Die Backwaren würden in handwerklicher Fertigung hergestellt und verarbeitet. Maßgeblich sei hierbei der Schwerpunkt der Tätigkeiten, die bei dem Betrieb in der eigenhändigen und handwerklich vorgenommenen Verarbeitung liege. Außerdem unterliege der Handwerksbetrieb der Handwerksordnung und sei in die Handwerksrolle eingetragen. Auch nach der gesetzlichen Definition gem. § 1 Abs. 2 Handwerksordnung läge ein handwerklicher Betrieb vor. Schließlich stelle das Lenken des Fahrzeugs nicht die Haupttätigkeit des Fahrers dar, die vielmehr im Verladen, Koordinieren und Organisieren der Auslieferungen sowie der Kontrolle der Backwaren bestünde.
8Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
9II.
10Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben. Sie hat auch in der Sache – zumindest vorläufig – im Wesentlichen Erfolg. Die Urteilsgründe sind hinsichtlich der Feststellungen, ob der Betroffene die Ausnahmeregelung nach Art. 3 Buchst. aa) Unterbuchst. ii) der VO (EG) Nr. 561/2006 für handwerklich hergestellte Güter für sich in Anspruch nehmen kann und des objektiven Pflichtverstoßes des Betroffenen, lückenhaft (§ 267 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 71 OWiG).
111.
12Die Bußgeldregelung in §§ 8 Abs. 1 Nr. 1b FPersG i.V.m. 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV ist im Sinne von § 3 OWiG, Art. 104 Abs. 2 GG hinreichend bestimmt.
13Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass die Tragweite und der Anwendungsbereich der Strafnorm zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95 – juris Rn. 15 unter Verweis auf BVerfGE 75, 329 [341]). Diese Verpflichtung gilt nach ganz herrschender Meinung auch für Bußgeldvorschriften (Epping/Hillgruber, in: BeckOK Grundgesetz, Stand: 15.08.2022, GG Art. 103, Rn. 19 m.w.N.). Sie dient zum einen der Vorhersehbarkeit einer Strafbarkeit für den Normadressaten und zum anderen dem Grundsatz, dass der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit eines Verhaltens entscheiden soll (BVerfG in NJW 2010, 3209 [3211]). Beides ist hier gewährleistet.
14a)
15Die Verweisung von § 8 Abs. 1 Nr. 1b FPersG auf 23 Abs. 1 FPersV und VO (EU) Nr. 165/2006 genügt den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen.
16Die Verwendung solcher sog. „Blankettnormen“ ist grundsätzlich auch bei einem Verweis auf Rechtsverordnungen (BVerfG in NVwZ-RR 2002 22) und auf Rechtsakte der EU (BVerwG NVwZ-RR 1992, 521 [522]) zulässig. Voraussetzung ist, dass die Verordnung auf einer Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügenden gesetzlichen Ermächtigung – hier § 2 Nr. 1 FPersG – beruht und die ausfüllende Verordnung ihrerseits dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügt. Das ist hier der Fall. Nach der Gesetzessystematik sind – mit Ausnahme des Unternehmers als Adressaten und weiteren Ausnahmen in § 18 FPersV – alle inhaltlichen Voraussetzungen des Bußgeldtatbestandes in der in Bezug genommenen Verordnung (EG) Nr. 561/2006 geregelt. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck des Fahrpersonalgesetzes, das seit seinem Erlass wesentlich gemeinschafts- und unionsrechtlich geprägt ist (BT-Drs. VI/1060 Vorblatt und S. 5; BT-Drs. 18/3254 S. 1, 6). Nachdem die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 ohne nähere Konkretisierung auf die gesamte EG-Verordnung verweist, ist für den Normadressaten damit hinreichend klar, dass die zum Tatzeitpunkt jeweils gültige Fassung Geltung beansprucht (a.A. AG Tübingen, Urteil vom 29.09.2021 – 16 OWi 16 Js 16761/21 – juris Rn. 208). Auch im Übrigen erweisen sich die Verweisungsvorschriften nicht als so komplex, dass sie von einem durchschnittlichen Normadressaten nicht durchdrungen werden könnte.
17b)
18Soweit einzelne Begrifflichkeiten in § 8 Abs. 1 Nr. 1b) FPersG und in den Bezug genommenen Verordnungen auslegungsfähig- und bedürftig sind, nimmt dies der Norm noch nicht ihre Bestimmtheit. Insoweit ist nur erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können (BVerwG, Urteil vom 16.10.2013 – 8 CN 1/12 – juris Rn. 16, 21). Das ist hier der Fall, was im folgenden (2.) näher ausgeführt wird.
192.
20Bei der aufgrund der erhobenen Sachrüge durchzuführenden sachlich-rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils erweisen sich die Feststellungen zur Unternehmereigenschaft des Betroffenen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 b) FPersG als noch ausreichend.
21a)
22Nach § 8 Abs. 1 Nr .1b) FPersG handelt u.a. ordnungswidrig, wer als Unternehmer der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung – hier § 23 Abs. 1 FPersV – für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Wer Unternehmer im Sinne der Vorschrift ist, ist im Fahrpersonalgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Auch in den folgenden Verweisungsvorschriften findet sich keine Legaldefinition. Der Begriff muss daher nach seinem Wortlaut und unter Rückgriff auf weitere Normen ausgelegt werden. Aufgrund der gemeinschafts- und unionsrechtlichen Prägung der Vorschrift, liegt es nahe, den Begriff im Sinne der europarechtlichen Bestimmungen zu verstehen, wenn der nationale Gesetzgeber nichts abweichend regelt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 06.10.2020 – 13 A 1221/18 – BeckRS 2020, 27718 Rn. 25 ff. für § 1 Abs. 2 Nr. 2 FPersV).
23Aus Art. 3 Abs. 1 VO (Eu) Nr. 165/2014, auf den § 8 Abs. 1 Nr. 1b) FPersG verweist, ergibt sich, dass Fahrtenschreiber in solche Fahrzeuge einzubauen und zu benutzen sind, die (…) der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen. Unterlässt der Unternehmer dies pflichtwidrig, handelt er nach § 8 Abs. 1 Nr. 1b FPersG ordnungswidrig. Daraus folgt, dass sich die Norm jedenfalls an solche Unternehmer richtet, die Transporte von Personen oder Gütern selbst durchführen (so auch BVerwG, Urteil vom 17.06.2020 – 8 C 2/19 – juris Rn. 13 für den Unternehmerbegriff in § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FPersG).
24b)
25Gemessen daran hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil noch ausreichende Feststellungen zur Unternehmereigenschaft des Betroffenen getroffen. Zwar finden sich in den eigentlichen Feststellungen zum Sachverhalt keine Ausführungen zum Gegenstand des Geschäftsbetriebs der H - I GmbH & Co. KG, insbesondere nicht dazu, ob zum Betrieb auch der Transport der Güter zählt. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Amtsgericht jedoch die Aussage des Betroffenen zu Grunde gelegt, wonach täglich 70.000 Brötchen und 3.000 Brote gefertigt und ausgeliefert würden. Daraus wird hinreichend deutlich, dass auch der Transport der hergestellten Waren zum Geschäftsfeld des von dem Betroffenen vertretenen Unternehmens zählt. Aufgrund der Einheit der schriftlichen Urteilsgründe (BGH, Urteil vom 21.03.2017 – 1 StR 486/16 – juris Rn. 14) genügen die Urteilsgründe bei einer Gesamtbetrachtung daher noch den Anforderungen an eine vollständige tatsächliche Darstellung. Als Geschäftsführer der H Verwaltung GmbH, welche Komplementärin der H - I- GmbH & Co. KG ist, ist der Betroffene nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG auch vom Adressatenkreis der Vorschrift erfasst.
263.
27Keine ausreichenden Feststellungen enthält das angefochtene Urteil zu der Frage, ob zugunsten des Betroffenen die Ausnahmeregelung des Art. 3 Buchst. aa) Unterbuchst. ii) der VO (EG) 561/2006 eingreift.
28a)
29Nach dieser Ausnahmevorschrift gilt die Pflicht zum Einbau und der Benutzung der Schaublätter unter anderem nicht
30„für Beförderungen im Straßenverkehr mit folgenden Fahrzeugen:
31(..)
32aa) Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 Tonnen, die
33(…)
34ii) zur Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern, ausschließlich in einem Umkreis von 100 km vom Standort des Unternehmens, und unter der Bedingung, dass das Lenken des Fahrzeugs für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit darstellt und dass die Beförderung nicht gewerblich erfolgt.“
35Die nicht-gewerbliche Beförderung bezieht sich hierbei nicht auf eine Beförderung durch den Unternehmer, sondern durch Dritte. Dies ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes, wonach die Beförderung gerade zum Betrieb des Unternehmers gehören muss (s. o.) und dem Wortlaut der französischen („le transport ne soit pas effectué pour le compte d’autrui“) und der englischen („transport is not carried out for hire or reward“) Fassung der Verordnung.
36b)
37Die hier streitgegenständliche Frage, wann es sich um „handwerklich hergestellte Güter“ handelt, ist weder in der Verordnung noch in den weiteren Verweisungsvorschriften näher geregelt. Auch insoweit ist daher eine Auslegung der Begriffe vorzunehmen. Eine Übertragung der deutschen Regelungen zu Handwerksbetrieben, insbesondere der Handwerksordnung, ist dabei – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat – aufgrund der gemeinschafts- und unionsrechtlichen Prägung des Tatbestandes nicht ohne weiteres möglich, da eine Vielzahl nationaler Rechtsordnungen in Europa zulassungspflichtige Tätigkeiten im Handwerk nicht kennen (vgl. § 9 HwO). Der Umstand, dass der Betrieb der Handwerksordnung unterliegt und als Meisterbetrieb in der Handwerksrolle eingetragen ist, ist daher kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Maßgeblich sind vielmehr die allgemeinen Auslegungsregeln, wozu insbesondere die Zielsetzung des Normgebers zählt (BVerwG, Urteil vom 17.06.2020, a.a.O., Rn. 11, 16). Als Ausnahmevorschrift ist der Tatbestand grundsätzlich eng auszulegen (OVG Münster, Urteil vom 06.10.2020, a.a.O., Rn. 30).
38aa)
39Nach dem Wortlaut sind handwerklich hergestellte Güter solche, die – jedenfalls überwiegend – von Hand hergestellt werden. Dies deckt sich auch mit den Formulierungen in der englischen („goods which are produced on a craft basis“) und der fanzösischen („marchandises fabriquées de manière artisanale“) Fassung der Verordnung. Aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklung ist dabei die unterstützende Verwendung von Maschinen unschädlich, solange der Schwerpunkt der Arbeit eigenhändig durchgeführt wird.
40Bereits dazu finden sich in dem angefochtenen Urteil keine ausreichenden Feststellungen. Alleine der Umfang der hergestellten Waren mit 70.000 Brötchen und 3.000 Broten täglich legt zwar eine Unterstützung durch technische Geräte nahe. Gesicherte Feststellungen zu den konkreten Arbeitsabläufen ergeben sich daraus jedoch nicht. So würde eine überwiegend automatisierte Fertigung der Backwaren und eine ausgeprägte Arbeitsteilung durch auf einzelne Arbeitsschritte spezialisierte Arbeitskräfte eher für eine industrielle Fertigung sprechen. Manuelle Handarbeit durch umfassend handwerklich ausgebildete Mitarbeiter und die Mitarbeit und Begleitung des gesamten Arbeitsprozesses durch den Inhaber legt eher eine handwerkliche Fertigung nahe.
41bb)
42Neben den hergestellten Gütern ist – entgegen den Ausführungen des Betroffenen in der ergänzenden Stellungnahme vom 26.10.2022 – auch der herstellende Betrieb in den Blick zu nehmen. Dafür spricht der Sinn und Zweck des Fahrpersonalgesetzes einerseits und der Ausnahmeregelung in Art. 3 Buchst. aa) Unterbuchst. ii) der VO (EG) 561/2006 andererseits. Das Fahrpersonalgesetz soll für den gewerblichen Güter- und Personenverkehr auf den Straßen Mindestarbeitsbedingungen festlegen (BT-Drs. VI/1060 S. 1). Davon ausgenommen sind u.a. solche Betriebe, bei denen aufgrund der Struktur das Missbrauchsrisiko von vornherein gering ist. Deshalb stellt die Ausnahmevorschrift in Art. 3 Buchst. aa) Unterbuchst. ii) der VO (EG) 561/2006 neben der Art der beförderten Güter auch auf das Gewicht des Fahrzeugs bis 7,5 t, den Radius der Auslieferung bis 100 km und den Tätigkeitskreis des Fahrers ab. All dies trifft in der Regel auf kleinere regionale Handwerksbetriebe zu, für die eine weitere Bürokratisierung vermieden werden soll. Dies deckt sich mit der für Fahrer inhaltlich an Art. 3 der VO (EG) Nr. 561/2006 angelehnten Ausnahmevorschrift in § 1 Abs. 2 Nr. 3 a FPersV, die solche Fahrzeuge ausnimmt, die „zur Beförderung von Gütern, die im Betrieb, dem der Fahrer angehört, in handwerklicher Fertigung oder Kleinserie hergestellt wurden“.
43Der Umfang der hergestellten Waren ist für die Abgrenzung somit auch hier ein wichtiges Indiz. Daneben sind aber auch weitere Faktoren relevant. Für einen Industriebetrieb sprechen z.B. ein großer Personaleinssatz, hohe Umsätze und eine überregionale Ausrichtung. Handwerkliche Prägung liegt etwa bei der Mitarbeit von Familienmitgliedern, persönlicher Kenntnis der Abnehmer und überwiegend regionaler Verhaftung nahe. Auch dazu wird in dem angefochtenen Urteil nichts näher ausgeführt.
44cc)
45Insgesamt hat das Amtsgericht weder zu den Arbeitsabläufen in dem von dem Betroffenen vertretenen Betrieb noch zu dessen Arbeitsfeld und Betriebsgröße ausreichende Feststellungen getroffen. Der Senat kann damit nicht beurteilten, ob der Betroffene die Ausnahmeregelung des Art. 3 Bucht. aa) Unterbuchst. ii) VO (EG) 561/2006 für sich in Anspruch nehmen kann und damit von der Verpflichtung der Verwendung der Schaublätter befreit war.
464.
47Ebenfalls lückenhaft sind die Feststellungen des angefochtenen Urteils zu der Frage des objektiven Pflichtverstoßes durch den Betroffenen. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 FPersV handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig (…) einen Fahrtenschreiber nicht einbaut oder nicht benutzt. Mit welchem Handeln oder Unterlassen der Betroffene vorliegend dagegen verstoßen hat, insbesondere, ob er die Anweisung zur Nutzung unterlassen oder die Nicht-Nutzung der eingebauten Fahrtenschreiber gegenüber den Fahrern angewiesen hat, ergibt sich aus den Feststellungen nicht.
48Auf den Darstellungsmängeln (§ 267 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 71 OWiG) beruht die Entscheidung.
49III.
50Da das angefochtene Urteil auf den Darstellungsmängeln beruht, war es mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, § 353 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG. Davon ausgenommen sind die Feststellungen zu den tatsächlichen Gegebenheiten der Kontrolle des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen BC-DE 00 am 00.00.20XX um 09:01 Uhr auf der F- Straße in G Insoweit sind die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei getroffen.
51Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen, § 79 Abs. 6 OWiG. Für eine Verweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts bestand keine Veranlassung.
52IV.
53Die Sache war wegen der Auslegung der Ausnahmeregelung in Art. 3 Bucht. aa) Unterbuchst. ii) der VO (EG) Nr. 561/2006 zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80a Abs. 3 OWiG durch die Einzelrichterin auf den Senat zu übertragen.