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Das am 29.11.2022 verkündete Teilversäumnis- und Teilschlussurteils des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich die Kostenentscheidung nach diesem Urteil richtet.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten seiner Säumnis trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten um Pflichtteilsansprüche nach dem am 00.00.0000 verstorbenen Erblasser U. S. V., geb. 00.00.0000.
4Der Kläger (geb. 00.00.0000) ist der Sohn des Erblassers aus dessen erster Ehe. Die Mutter des Klägers und erste Ehefrau des Erblassers ist im Jahr 2010 vorverstorben. Aus dieser Ehe stammt noch das weitere Kind K. F. (geb. 00.00.0000).
5Die Beklagte ist die zweite Ehefrau des Erblassers, die ebenfalls in zweiter Ehe verheiratet war. Aus ihrer ersten Ehe stammt der Sohn G. C. (geb. 00.00.0000). Der Erblasser und die Beklagte errichteten am 16.07.2015 ein gemeinschaftliches Testament, in dem der Erblasser die Beklagte zur alleinigen, befreiten Vorerbin einsetzte. Nacherben zu je ½ sind die beiden Kinder des Erblassers. Zugleich vermachte der Erblasser der Beklagten den Hausrat sowie Barvermögen, Wertpapieranlagen und Kontoguthaben.
6Der wesentliche Teil des Nachlasses besteht aus einem ½ Miteigentumsanteil an der Immobilie J.-straße ## in O., Gemarkung X. (insgesamt 630 m²). Der weitere hälftige Miteigentumsanteil stand ursprünglich im Eigentum der ersten Ehefrau des Erblassers. Die Immobilie, ein Zweifamilienhaus, wurde zu Lebzeiten des Erblassers von den Eheleuten V. bewohnt. Die Beklagte lebt dort auch heute noch. Es existiert ein Wertgutachten des Sachverständigen Z., das auf den Todestag des Erblassers einen Wert des Grundstücks in Höhe von 340.000,00 EUR beziffert. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Kopie des Gutachtens, Bl. 51-85 GA, verwiesen. Nach ihrem Tod wurde die Mutter des Klägers vom Erblasser und den beiden ehegemeinschaftlichen Kindern beerbt. Diese Erbengemeinschaft war bis zum Tod des Erblassers nicht auseinandergesetzt.
7Der Kläger schlug nach dem Tod des Erblassers die Nacherbschaft durch notarielle Erklärung vom 26.11.2020 gegenüber dem Nachlassgericht aus. Mit Schreiben vom 08.12.2020 machte er Pflichtteilsansprüche geltend und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zum 29.12.2020 auf, sowohl Auskunft zu erteilen als auch Zahlung zu leisten. Mit Schreiben vom 21.01.2021 übersandte der Kläger die Ausschlagungserklärung der Beklagten. Mit Schreiben vom 04.02.2021 bestätigte das Amtsgericht der Beklagten den Eingang der Ausschlagungserklärung. Mit Schreiben vom 10.03.2021 erteilte die Beklagte die erbetene Auskunft und legte ein Nachlassverzeichnis vor. Mit anwaltlichen Schreiben vom 18.05.2021 ergänzte die Beklagte die erteilten Auskünfte.
8Der Kläger hat im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche geltend gemacht und dazu vorgetragen, ein Abschlag in der Bewertung des Miteigentumsanteils sei nicht vorzunehmen. Jeder Miteigentümer könne die Auseinandersetzung im Wege der Teilungsversteigerung beantragen. Die Bewertung von Miteigentumsanteilen erfolge auf der Grundlage des Verkehrswertes.
9Nachdem die Beklagte das Nachlassverzeichnis nebst Ergänzung vorgelegte hatte, hat der Kläger den Auskunftsanspruch für erledigt erklärt und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 31.891,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.12.2020 zu zahlen. Die Beklagte hat sich der teilweisen Erledigung angeschlossen, die Klageforderung i.H.v. 20.924,00 EUR anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage i.H.v. 10.967,63 EUR nebst Zinsen abzuweisen und den verbleibenden Pflichtteilsanspruch gem. § 2331 a BGB zu stunden.
10Sie hat vorgetragen, der Auskunftsanspruch sei erst mit Eingang der Bestätigung des Amtsgerichts fällig geworden. Die Immobilie könne nicht verkauft werden, da noch die Erbengemeinschaft nach der ersten Ehefrau des Erblassers im Grundbuch eingetragen sei. Die Bewertung von Miteigentumsanteilen sei mit erheblichen Abschlägen verbunden. Ein Abschlag von lediglich 10 % sei zu niedrig. Wesentlich höher sei der Abschlag bei der Bewertung des ererbten Erbteiles nach der ersten Ehefrau des Erblassers. Es sei daher allenfalls die Hälfte des darauf entfallenden Anteils in Ansatz zu bringen. Ein weiterer Abschlag sei gerechtfertigt, da die Beklagte lediglich Vorerbin sei. Schließlich sei ein Betrag von 15.000 EUR anzurechnen, den der Kläger vom Erblasser erhalten habe.
11Das Landgericht hat die Beklagte durch das angefochtene Teil-Anerkenntnis- und Teil-Endurteil unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 26.985,38 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2020 zu zahlen. Ferner hat es der Beklagten die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass vorbehalten. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht zu 85 % der Beklagten und zu 15 % dem Kläger auferlegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage sei unter dem Vorbehalt der sich aus § 780 ZPO ergebenden Beschränkung überwiegend begründet. Der pflichtteilsberechtigte Kläger habe einen Anspruch auf Zahlung von 26.985,38 EUR. Der Pflichtteil betrage 1/8 des Nachlasswertes, denn der Erblasser habe mit der Beklagten im gesetzlichen Güterstand gelebt. Der Wert des Nachlasses betrage 215.883,00 EUR. Es sei im Zeitpunkt des Erbfalls von Aktiva i.H.v. 228.198,72 EUR auszugehen. Bei der Ermittlung des Werts der ererbten Miteigentumsanteile sei der unstreitige Verkehrswert der Immobilie i.H.v. 340.000 EUR zugrunde zu legen. Da es sich um Miteigentumsanteile an einer von der Beklagten genutzten Immobilie handele, sei ein Wertabschlag von 15 % vorzunehmen. Dieser sei aufgrund der sehr eingeschränkten Verwertungsmöglichkeit auf dem freien Markt gerechtfertigt. Ein Abschlag sei nur dann nicht vorzunehmen, wenn der Alleinerbe bereits Eigentümer des anderen Miteigentumsanteils sei. Dies sei hier aber nicht der Fall, denn der Erbfall habe nicht zum Alleineigentum der Beklagten an der Immobilie geführt. Der volle Ansatz des anteiligen Wertes sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte die Möglichkeit habe, die übrigen Anteile zu erwerben. Der hälftige Miteigentumsanteil sei nach alledem nur mit 144.500,00 EUR zu bewerten. Darüber hinaus sei noch der Anteil an der Immobilie nach der verstorbenen Mutter des Klägers abzüglich eines Abschlages von 15 % anzusetzen, so dass auf die ererbten Miteigentumsanteile insgesamt ein Betrag von 216.750,00 EUR entfalle. Zuzüglich der unstreitigen Aktivpositionen ergäben sich Aktiva i.H.v. 228.198,72 EUR. Nach Abzug der unstreitigen Passiva errechne sich ein Nachlasswert von 215.883,00 EUR. Der Pflichtteilsanspruch betrage mithin 26.985,38 EUR. Der Einwand, darauf sei eine Schenkung von 15.000 EUR anzurechnen, greife nicht durch. Der Kläger habe die Schenkung bestritten, ohne dass die Beklagte hinreichend substantiiert dazu vorgetragen habe. Die Voraussetzungen für eine Stundung des Pflichtteils seien von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt worden. Bei der Kostenentscheidung könne nicht von einem sofortigen Anerkenntnis der Beklagten ausgegangen werden. Die Beklagte habe zur Erhebung der Stufenklage Veranlassung gegeben. Dass sie den Auskunftsanspruch anerkannt habe, reiche nicht aus. Vielmehr müsse die Auskunft auch erteilt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, Bl. 141 ff. GA, Bezug genommen.
12Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die zur Begründung vorträgt, es seien beim Erbteilskauf Abschläge von mindestens 50 % gerechtfertigt. Der Kläger sei für die Bewertung des Erbteils beweispflichtig. Unter Zugrundelegung eines Abschlages von 30 % sei die Klage in Höhe eines weiteren Betrages von 1.593,75 EUR abzuweisen. Die Kostenentscheidung sei unrichtig, da entgegen der Auffassung des Landgerichts das Anerkenntnis sofort abgegeben worden sei. Sie habe sich auch zu keinem Zeitpunkt geweigert, die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Die Auskunftserteilung sei am 10.03.2021 erfolgt, nachdem das Amtsgericht am 04.02.2021 mitgeteilt habe, dass die Ausschlagungserklärung dort am 02.12.2020 eingegangen sei.
13Die Beklagte hat zunächst beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage i.H. eines weiteren Betrages von 1.593,75 EUR nebst Zinsen abzuweisen und die Kosten des sofortigen Anerkenntnisses dem Kläger aufzuerlegen.
14Der Kläger hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen und dazu vorgetragen, ein Abschlag von 15 % sei angemessen. Es sei unzutreffend, dass die Beklagte sofort anerkannt habe. Zudem habe die Beklagte Anlass zur Klage gegeben.
15Der Senat hat aufgrund der Säumnis des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2022 ein Teilversäumnis- und Teilschlussurteil erlassen, durch das das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen sowie unter Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung verurteilt worden ist, an den Kläger 25.391,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2020 zu zahlen. Wegen der angefochtenen Kostenentscheidung hat der Senat die Berufung der Beklagten ohne Rücksicht auf die Säumnis des Klägers durch „unechtes Versäumnisurteil“ zurückgewiesen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das Teilversäumnis- und Teilschlussurteil vom 29.11.2022, Bl. 278 GA, Bezug genommen.
16Gegen dieses am 13.12.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.12.2022, eingegangen am 22.12.2022, Einspruch eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die Berufung sei unbegründet, denn die Beklagte habe am 29.11.2021 ein Kaufangebot i.H.v. 85.000 EUR gemacht. Daraus folge, dass die Beklagte selbst von einem Wert des Anteils des Klägers an der Erbengemeinschaft nach der vorverstorbenen Mutter i.H.v. 58.014,62 EUR ausgehe. Deshalb bestehe kein Bedürfnis, den Wert dieses Miteigentumsanteils um 30 % zu kürzen. Im Rahmen der Kostenentscheidung sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit ihrer Berufung gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts unterlegen sei.
17Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Teilversäumnis- und Teilschlussurteils vom 29.11.2022 die Berufung zurückzuweisen.
18Die Beklagte trägt ergänzend vor, das Kaufangebot, das schon vor Einleitung des Rechtsstreits zur Bereinigung der Auseinandersetzungen gemacht worden sei, habe der Kläger – was insoweit unstreitig ist – nicht angenommen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
20Der Senat hat mit Zustimmung beider Parteien das schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und eine Schriftsatzfrist bis zum 16.02.2023 bestimmt.
21II.
22Die Berufung der Beklagten ist in dem aus dem Tenor des Teilversäumnis- und Teilschlussurteil des Senats vom 29.11.2022 ersichtlichen Umfang begründet.
23Durch den zulässigen Einspruch des Klägers ist der Rechtsstreit in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden, § 342 ZPO.
24Das Urteil des Landgerichts war teilweise abzuändern, denn die Klage ist nur in Höhe von 25.391,63 EUR nebst gesetzlicher Zinsen begründet. Von dem vom Landgericht im Übrigen zutreffend berechneten Pflichtteilsanspruch des Klägers ist nach Auffassung des Senats ein weiterer Abzug von 1.593,75 EUR gerechtfertigt. Das beruht auf folgenden Erwägungen:
251.) Der Kläger ist gem. §§ 2303 Abs. 1 BGB, 2142 Abs. 2 BGB pflichtteilsberechtigt, nachdem er die Nacherbschaft nach dem Erblasser ausgeschlagen hat. Der Pflichtteil beträgt gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 1924, 1931 Abs. 1, 3, 1371 BGB 1/8 des Wertes des Nachlasses.
262.) Gem. § 2311 Abs. 1 BGB wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. Dieser ist im Wesentlichen zwischen den Parteien unstreitig. Uneinig sind sich die Parteien lediglich hinsichtlich der Bewertung des Anteils des Erblassers an der Immobilie.
27a) Bei der Ermittlung der jeweiligen Werte der Miteigentumsanteile an dem Zweifamilienhaus J.-straße ## in O. ist das Landgericht zutreffend von einem aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Z. unstreitigen Verkehrswert der gesamten Immobilie i.H.v. 340.000 EUR ausgegangen. Der Erblasser hatte an dieser Immobilie einen Miteigentumsanteil i.H.v. 50 %. Die andere Hälfte stand im Eigentum der Eigentümergemeinschaft nach der Mutter des Klägers, an der der Erblasser ebenfalls zu 50 % beteiligt war.
28b) Dass das Landgericht von dem Miteigentumsanteil des Erblassers (50 %) einen Abschlag von 15 % vorgenommen und dementsprechend einen Wert von 144.500,00 EUR angenommen hat (340.000 / 2 = 170.000 – 15 % (25.500,00) = 144.500,00 EUR), hat die Beklagte nicht beanstandet.
29c) Von der Beteiligung des Erblassers an der Erbengemeinschaft nach seiner verstorbenen ersten Ehefrau, an der der Erblasser zu 50 % beteiligt war, hat das Landgericht ebenfalls 15 % in Abzug gebracht (340.000 / 2 = 170.000 / 2 = 85.000 – 15 % (12.750,00) = 72.250,00 EUR.
30Diesen Abschlag von nur 15 % hält der Senat indessen für zu gering. Rechtliche Hindernisse für eine Verwertbarkeit durch Übertragung des Erbteils im Wege des Erbschaftsverkaufs bestehen zwar nicht. Davon zu unterscheiden sind jedoch die tatsächlichen Verwertungsmöglichkeiten, d.h. wie die konkreten Möglichkeiten der Veräußerung eines Erbteils, der im Wesentlichen aus einem entsprechenden Anteil am Hausgrundstück besteht, einzuschätzen sind.
31Konkrete Vorgaben dazu, wie ein Erbanteil zu bewerten ist, lassen sich der Rechtsprechung und Literatur – soweit ersichtlich - nicht entnehmen. Der Bundesgerichtshof betont für den Fall des Verkaufs eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück, dass sich allgemeine Grundsätze dazu, ob und wann dafür wegen der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit und Verwertbarkeit Wertabschläge vorzunehmen sind, nicht aufstellen lassen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2016 - IV ZR 342/15, NJW-RR 2016, 457 Rn. 12). Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch überzeugend dargelegt, dass der Wert eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück in der Regel unter dem entsprechenden Anteil am Wert des gesamten Grundstücks liegt. Der Miteigentümer sei den aus dem Miteigentumsverhältnis sich ergebenden Beschränkungen unterworfen und müsse ständig mit einem Wechsel des oder der anderen Miteigentümer rechnen (Urteil vom 2. Mai 1969 – V ZR 32/66 –, juris). Auch in der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass für den Verkehrswert eines zum Nachlass gehörenden Miteigentumsanteils ein deutlicher Abschlag von dessen prozentualem Anteil am Verkehrswert des Grundstücks vorgenommen werden müsse, weil ein Miteigentumsanteil unter marktwirtschaftlichen Bedingungen in der Regel kaum veräußerlich sei (Birkenheier in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2311 BGB (Stand: 25.06.2021) Rn. 60; Staudinger/Herzog (2021) BGB § 2311 Rn. 240 jeweils m.w.Nw.).
32Die verbreitete Auffassung, der Erbschaftskauf an Dritte habe keine praktische Bedeutung (vgl. jurisPK-BGB/Hau § 2371 Rn. 8.; Münch-Komm-Musielak, BGB, § 2371 Rn. 15), trifft nach Einschätzung des Senats im vorliegenden Fall zu und spricht für die Vornahme eines erheblichen Abschlags. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 30. Juni 2015 – I-3 U 11/14 –, juris) hat im Falle des Verkaufs eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Hinweis auf die Internetseite www.einfacherben.de, auf der Erben ihre Erbanteile an Immobilien mit einem Preisabschlag bis zu 50 % verkaufen, einen deutlichen Preisabschlag von mehr als 15 % für möglich erachtet. Dementsprechend hält der Senat vorliegend einen Abschlag von 30 % für den Erbanteil des Erblassers gerechtfertigt.
33Dem stehen – worauf auch das Landgericht schon zutreffend hingewiesen hatte, die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 13. Mai 12015 (IV ZR 138/14) nicht entgegen. Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze finden auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall entsprach der im Rahmen des Pflichtteilsanspruchs zu bestimmende Wert einer nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück deshalb uneingeschränkt dem hälftigen Wert des Gesamtgrundstücks, weil dort der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Miteigentumshälfte war, so dass eine Verwertung des Miteigentums an der Immobilie mit dem Erbfall problemlos möglich war.
34Schließlich kommt es nach Auffassung des Senats auch nicht darauf an, dass die Beklagte den hier in Rede stehenden Erbanteil des Erblassers in ihrem Vergleichsvorschlag offenbar mit einem höheren Wert als vom Kläger selbst veranschlagt bemessen hat. Ob die Beklagte sich bei ihrem Vorschlag an dem für die Entscheidung des Senats allein maßgeblichen Verkehrswert des Erbanteils orientiert hat oder andere Kriterien wie etwa die schnelle und gütliche Beilegung des Streits mit dem Kläger die entscheidende Rolle für die Höhe ihres Vergleichsangebots gespielt haben, ist nicht erkennbar.
35d) Unter Zugrundelegung eines Abschlages von 30 % ist die Beteiligung des Erblassers an der Erbengemeinschaft nach dessen verstorbener erster Ehefrau nur mit 59.500,00 EUR (85.000 – 30 %) einzuschätzen. Das hat zur Folge, dass der Wert des Nachlasses um 12.750,00 EUR geringer zu bewerten ist und sich der Pflichtteilsanspruch des Klägers um 1.593,75 EUR reduziert.
36III.
37Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 344, 92 ZPO. Entgegen der Auffassung des Klägers war der Umstand, dass die Berufung der Beklagten im Hinblick auf die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts ohne Erfolg geblieben ist, bei der Kostenverteilung nicht zu berücksichtigen. Verteilungsmaßstab für die Kostenentscheidung nach § 92 ZPO ist nicht die wirtschaftliche Bedeutung der Sache, sondern allein der Gebührenstreitwert (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 92 Rn. 2). Bei der Bemessung des Gebührenstreitwertes werden die Kosten des Rechtsstreits jedoch nicht berücksichtigt, § 43 Abs. 1 GKG.
38Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
39Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche - über den Streitfall hinausgehende - Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf einer Rechtsanwendung im konkreten Fall und auf der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen beruht.