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Zu der Fragestellung, unter welchen Voraussetzungen ein in Teilen unrichtiges familienpsychologisches Sachverständigengutachten eine Sachverständigenhaftung gem. § 839a BGB begründen kann.
Die Berufung des Klägers gegen das am 23.06.2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen (Az.: 3 O 19/20) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte mit dem Vorwurf, in dem familiengerichtlichen Verfahren 5 F 34/17 AG Coesfeld als gerichtlich bestellte Sachverständige ein unrichtiges familienpsychologisches Gutachten über ihn erstattet zu haben, auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Außerdem begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten über seine Erziehungsfähigkeit ausgestellt hat und zum Ersatz des ihm daraus zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet ist. Hintergrund der Klage ist Folgender:
4Der Kläger ist mit Frau Y. O. verheiratet. Aus ihrer Ehe sind die gemeinsamen Kinder L., geboren am 00.00.2000, und B., geboren am 00.00.2006, hervorgegangen. Anlässlich der Trennung der Eheleute im Jahr 2016 kam es zwischen ihnen zu einer Vielzahl familiengerichtlicher Verfahren. Dabei stritten die Kindeseltern unter anderem in dem Verfahren Amtsgericht Coesfeld 5 F 34/17 um die elterliche Sorge für die beiden Kinder. In diesem Verfahren wurden vom AG Coesfeld mit Beschluss vom 13.04.2017 (Blatt 42 f. der Akten AG Coesfeld 5 F 34 /17 - im Folgenden „Beiakten“ genannt -) zunächst zwei schriftliche psychiatrische Gutachten des Sachverständigen C. zu der Frage eingeholt, ob eine psychiatrische Erkrankung eines Elternteils vorliegt, die Einfluss auf die Ausübung der elterlichen Sorge haben könnte, und welche Sorgerechtsregelung dem Kindeswohl am besten entspricht. Der Sachverständige C. kam in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.06.2017 betreffend die Kindesmutter zu dem Ergebnis, dass bei ihr keine psychische Erkrankung festzustellen sei und auch keine Hinweise für eine Alkoholabhängigkeit; es bestünden deshalb aus psychiatrischer Sicht keine Bedenken, wenn die Kinder in Zukunft ihren Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter hätten. Hinsichtlich des Klägers gelangte der Sachverständige C. in seinem schriftlichen Gutachten vom 16.06.2017 hingegen zu dem Ergebnis, dass sich beim Kläger deutliche Hinweise auf eine Persönlichkeitsakzentuierung im sogenannten B- oder dramatisch-emotionalen Cluster mit vor allem narzisstischen Anteilen fänden. Diese würden problematische erzieherische Verhaltensweisen begünstigen, zögen aber als solche keine unmittelbare Kindeswohlgefährdung nach sich. Wegen der Einzelheiten der beiden Gutachten wird auf Blatt 82-86 und 87-91 der Beiakten Bezug genommen
5Mit Beschluss vom 22.08.2017 (Blatt 134 f. der Beiakten) beauftragte das Amtsgericht Coesfeld sodann die Beklagte, eine promovierte Diplom-Psychologin, mit der Erstattung eines familienpsychologischen Gutachtens zu folgenden Fragen:
6„Entspricht die Übertragung des Sorgerechts oder eines Teilbereichs wie des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil dem Wohl der Kinder am besten?
7Ist eine Sorgerechtsregelung für L. O. überhaupt angezeigt?
8Entspricht es dem Kindswohl am besten, wenn das Sorgerecht oder Teile des Sorgerechts auf den Kindsvater oder die Kindsmutter übertragen werden?"
9Die Beklagte gelangte in ihrem schriftlichen Gutachten vom 08.10.2018 zu dem Ergebnis, dass die alleinige Ausübung derjenigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die seit der Elterntrennung immer wieder streitig gewesen seien bzw. die im Sinne des Kindeswohls unbedingt und zeitnah ein zuverlässig/konstant an der kindlichen Bedürfnislage ausgerichtetes elterliches Handeln erforderten (Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, schulische Belange, Beantragung von Hilfen) durch die Kindesmutter dem Wohl des Kindes B. am besten entspreche. Zur Begründung führte sie aus, dass die Erziehungsfähigkeit sowie die Erziehungs- und Förderkompetenz des Klägers im Hinblick auf das Kind B. vor dem Hintergrund einer in Richtung der eigenen Bedürfnislage/ narzisstisch verzerrten Wahrnehmungs- und Erlebnisverarbeitung, aufgrund der damit einhergehenden massiv eingeschränkten Potenziale im Bereich der elterlichen Feinfühligkeit sowie aufgrund gravierender Mängel im Bereich der Bindungstoleranz und der Kooperationsfähigkeit massiv eingeschränkt seien. Mit einer nachhaltigen Kompensation der vorgenannten psychischen Mängel können in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden, weil dem Kläger bisher eine konstruktive, selbstkritische und veränderungsmotivierte Zusammenarbeit mit fachlichen Dritten nicht habe gelingen können und auch zukünftig jegliche fachliche Maßnahmen durch das besondere Erleben und Verhalten des Klägers zwangsläufig von ihm in ihrer Wirkung blockiert werden würden. Auch bei der Kindesmutter seien eingeschränkte Potenziale ihrer Erziehungsfähigkeit bzw. ihrer Erziehungs- und Förderkompetenz festzustellen. Diese führten aber nicht dazu, ihre Erziehungsfähigkeit sowie Erziehungs- und Förderkompetenz gänzlich zu verneinen, weil sie grundlegend dazu bereit und in der Lage sei, ihr Verhalten an der besonderen Entwicklungssituation des Kindes B. auszurichten und anzupassen, bei ihr Bindungstoleranz gegeben sei und sie in der Lage sei, die gutachterlichen Befunde hinsichtlich der ihre Erziehungsfähigkeit und Erziehungskompetenz einschränkenden Faktoren einsichtig aufzunehmen und eigenmotiviert sowie in Zusammenarbeit mit fachkompetenten Dritten korrigieren zu wollen. Eine gutachterliche Stellungnahme betreffend das zwischenzeitlich volljährige gewordene Kind L. wurde von der Beklagten nicht mehr abgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 08.10.2018 (Blatt 205 bis 438 der Beiakten) Bezug genommen.
10Nachfolgend erstattete die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Coesfeld am 26.11.2018 ein ergänzendes mündliches Gutachten, mit dem sie ihr vorangegangenes schriftliches Gutachten näher erläuterte und zu vom Kläger gegen dieses erhobene Einwände Stellung nahm (BIatt 553 bis 565 der Beiakten).
11Mit Beschluss vom 26.11.2018 übertrug das Amtsgericht Coesfeld der Kindesmutter die elterliche Sorge für das Kind B. O.. Zugleich legte es dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf. Zur Begründung seiner Entscheidung bezog sich das Amtsgericht Coesfeld maßgeblich auf das von der Beklagten erstattete familienpsychologische Gutachten. Wegen der Einzelheiten der Beschlussgründe wird auf Blatt 567 bis 590 der Beiakten Bezug genommen.
12Der Kläger legte gegen den Beschluss des AG Coesfeld Beschwerde ein. Diese wurde vom Oberlandesgericht Hamm nach vorherigen Hinweiserteilung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss vom 25.03.2019 (13 UF 19/19) als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (Blatt 805 bis 822 der Beiakten). Die hiergegen vom Kläger unter dem 09.04.2019 erhobene Anhörungsrüge (Blatt 898 bis 903 der Beiakten) blieb ebenfalls ohne Erfolg und wurde vom Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 23.04.2019 (Blatt 919 bis 921 der Beiakten) zurückgewiesen.
13Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagte nunmehr auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 30.562,19 € (Klageantrag zu 1.) sowie eines angemessenen, seiner Vorstellung nach sich auf mindestens 5.000,- € belaufenden Schmerzensgeldes (Klageantrag zu 2.) in Anspruch. Weiter begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten über seine Erziehungsfähigkeit ausgestellt hat (Klageantrag zu 3.) und zum Ersatz des ihm daraus zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet ist (Klageantrag zu 4.).
14Zur Begründung seines Klagebegehrens hat der Kläger in erster Instanz vorgetragen, dass das von der Beklagten erstattete Gutachten falsch sei und nicht den Anforderungen für gerichtlich verwertbare Gutachten entsprechen würde. Entgegen den Ausführungen der Beklagten sei er vollumfänglich psychisch gesund und erziehungsfähig; insbesondere liege bei ihm keine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung vor. Ausweislich er von ihm eingeholten Privatgutachten der T. und des psychologischen Psychotherapeuten F. habe die Beklagte nicht nach den Standards bei der Erstellung psychologischer Gutachten gearbeitet und nicht die erforderlichen Mindestanforderungen an ein verwertbares Gutachten eingehalten. Das Gutachten weise sowohl formelle als auch materielle gravierende Fehler auf. Die Beklagte sei ohne entsprechende Approbation nicht berechtigt gewesen, derartige Diagnosen wie die einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu stellen und die von ihr vorgenommenen psychologischen Tests durchzuführen; letztere entsprächen zudem nicht den Gütekriterien. Zudem seien unzulässiger Weise der sog. Elternbildfragebogen und der sog. FAMOS-Test zum Einsatz gekommen. Die Beklagte habe nicht offengelegt, wie sie zu ihren Diagnosen gekommen sei. Zudem wären erziehungswissenschaftliche Kenntnisse der Beklagten, die fehlten, unerlässliche Voraussetzung für ein belastbares Gutachten gewesen. Das Gutachten leide ferner an diversen Methodikfehlern. Die Beklagte habe nicht über die Freiwilligkeit der Begutachtung aufgeklärt und die Aufklärung dokumentiert. Sie habe das Gutachten nicht in angemessener Zeit erstellt, so dass die Ergebnisse bereits veraltet und schon deshalb nicht verwertbar gewesen sein. Das Literaturverzeichnis sei veraltet, unvollständig und weise keinen Bezug zu den Ausführungen im Gutachten auf. Weiter basiere das Gutachten auf Aussagen, die er und sein Sohn L. so nicht getätigt hätten. Die Beklagte habe damit bewusst Tatsachen in ihrem Gutachten weggelassen bzw. falsch wiedergegeben, weil sie nicht objektiv gewesen sei. Hätte die Beklagte die Tatsachen in ihrem Gutachten ordnungsgemäß dargestellt, könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Begutachtungsergebnis anders ausgefallen wäre. Sie habe bezogen auf ihn, den Kläger, die Diagnose des Psychiaters C. ungeprüft übernommen. Entsprechend seien die von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerungen betreffend ihn und das Kind B. fehlerhaft und erschöpften sich in generalisierenden Betrachtungen. Durch das unrichtige Gutachten sei es bei ihm zu einem Reputationsverlust gekommen, verbunden mit psychischen und physischen Auswirkungen. Er leide infolge des Gutachtens auch heute noch unter einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des unteren Gastrointestinaltraktes sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung. Hiernach stehe ihm gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der ihm im familiengerichtlichen Verfahren auferlegten Verfahrenskosten von 16.202,29 €, der ihm dort für seine anwaltliche Vertretung entstandenen Kosten von 621,78 € und auf Erstattung der von ihm an die beiden Privatgutachter gezahlten Honorare (7.240,- € an T. und 4.800,- € an F.) zu. Ferner könne er für die von ihm erlittenen immateriellen Schäden ein Schmerzensgeld beanspruchen, welches mit mindestens 5.000,00 € anzusetzen sei. Darüber hinaus habe er einen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten über seine Erziehungsfähigkeit ausgestellt habe und sie ihm deshalb zum Ersatz des ihm daraus zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet sei.
15Die Beklagte hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 3) bereits unzulässig und der Feststellungsantrag zu Ziff. 4) nicht hinreichend genug bestimmt sei. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil ihr Gutachten weder unrichtig sei, noch ihr grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Eine Approbation sei für die erforderliche Sach- und Fachkunde zur Erstellung des familiengerichtlichen Gutachtens nicht notwendig und nach § 163 Abs. 1 FamFG auch nicht rechtlich erforderlich gewesen. Sie habe sich hinsichtlich des gesundheitlichen Zustands des Klägers an den Feststellungen des zuvor beauftragten psychiatrischen Sachverständigen C. orientiert. Die Privatgutachterin T. habe ihre vermeintlich anderweitigen Feststellungen zu einem anderen Erhebungszeitpunkt getroffen und ohne Heranziehung objektiver Datenquellen allein auf die Aussagen des Klägers und des betroffenen Kindes gestützt. Zudem genüge der Vortrag des Klägers nicht zur Begründung eines vermeintlich eingetretenen Schadens. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass ihr Gutachten zu einer unrichtigen Gerichtsentscheidung geführt habe. Jedenfalls scheitere der geltend gemachte Anspruch gemäß § 839a BGB i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB daran, dass der Kläger in dem familiengerichtlichen Verfahren nicht sämtliche ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Rechtsmittel, zu denen in der Beschwerdeinstanz auch die Beantragung ihrer mündlichen Anhörung sowie der Antrag auf Einholung eines Obergutachtens gehört hätten, eingelegt habe. Weiter hat die Beklagte mit näheren Ausführungen die vom Kläger geltend gemachten materiellen und immateriellen Schäden bestritten.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil sowie ergänzend auf die zwischen den Parteien im Verfahren erster Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
17Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Psych. K. vom 22.03.2021 (Blatt 169 ff. der LG-Akten), welches dieser in der mündlichen Verhandlung am 19.05.2022 (Blatt 287 ff. der LG-Akten) gegenüber dem Landgericht mündlich weiter erläutert hat. Anschließend hat das Landgericht mit Urteil vom 23.06.2022 die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 3.) bereits als unzulässig zurückgewiesen und im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
18Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die vom Kläger behauptete Unrichtigkeit des Gutachtens kein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO, sondern eine reine, nicht feststellungsfähige Tatsache sei. Hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 4.) sei die Klage hingegen zulässig, weil der Klageantrag bei verständiger Würdigung dahin auszulegen sei, dass mit ihm das Gutachten der Beklagten vom 08.10.2018 nebst mündlicher Erläuterung aus dem Verfahren AG Coesfeld 5 F 34/17 gemeint sei. In der Sache sei die weitergehende Klage aber unbegründet, weil dem Kläger kein Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte aus der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 839a BGB (i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB) zustehe.
19Das Gutachten sei in Teilen bereits nicht unrichtig. Aus der fehlenden Approbation könne die Unrichtigkeit des Gutachtens nicht folgen, denn die Approbation sage allein über die fachliche Qualifikation eines gerichtlich zu bestellenden Gutachters nichts aus. Entsprechend habe der Gesetzgeber ausdrücklich in § 163 Abs. 1 S. 1 FamFG, der die Anforderungen an die Qualifikation eines gerichtlich zu bestellenden Gutachters regele, auf dieses Erfordernis verzichtet. Auch der Einwand des Klägers zur fehlenden Freiwilligkeit gehe fehl, weil das Amtsgericht Coesfeld ausweislich Seite 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2018 in einem vorherigen Verhandlungstermin ausdrücklich auf die Freiwilligkeit hingewiesen und mit den Verfahrensbeteiligten das weitere Vorgehen abgestimmt habe. Diese Abstimmung habe auch beinhaltet, dass die Beklagte ihrer Begutachtung die Ergebnisse der psychiatrischen Begutachtung durch C. habe zugrunde legen sollen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte Tatsachen falsch wiedergegeben habe. Dies hätte der Kläger beweisen müssen. Stattdessen sei – wie das Amtsgericht und Oberlandesgericht im Vorprozess ausführlich ausgeführt hätten – eine Transkription der Audioaufnahmen der Explorationsgespräche durch die Beklagte erfolgt und ausreichend. Die Unrichtigkeit des Gutachtens könne auch nicht auf die lange Dauer der Gutachtenerstattung gestützt werden. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung des Amtsgericht Coesfeld am 26.11.2018 auf Nachfrage ausdrücklich bekräftigt, dass ihre Ausführungen noch Gültigkeit hätten, und erläutert, welche ergänzenden Informationen in die Befundwürdigung noch eingeflossen sein. Bei dem Vorwurf des Klägers, die Beklagte sei nicht objektiv gewesen, handele es sich nicht um eine Frage der Unrichtigkeit des Gutachtens; diesbezügliche Bedenken hätten in dem familiengerichtlichen Verfahren mit einem Befangenheitsantrag geltend gemacht werden können und ggf. müssen. Ob und inwieweit das Gutachten der Beklagten im Übrigen tatsächlich unrichtig ist, könne dahinstehen, weil der Kläger ein mindestens grob fahrlässiges Verschulden der Beklagten nicht mit dem Beweismaß des § 286 ZPO zur Überzeugung des Gerichts bewiesen habe. Vielmehr sei im Gegenteil davon auszugehen, dass die Beklagte gerade nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Der Sachverständige K. habe in seinem schriftlichen Gutachten zwar einige Mängel des Gutachtens der Beklagten feststellen können. So fänden sich danach in dem Gutachten teils spekulative, zu wenig begründete Schlussfolgerungen und werte die Sachverständige nicht ganz neutral; auch würden die „Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht" der Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten 2015 hinsichtlich des äußeren Rahmens nur eingeschränkt eingehalten. Auf der anderen Seite sei den Kernbestandteilen der Begutachtung angemessen entsprochen worden und seien die Mindestanforderungen an einzelne Schritte der Begutachtung weitgehend erfüllt. Vorgeschriebene zwingende Tests gebe es gerade nicht. Soweit der Sachverständige K. kritisch betrachtet habe, dass die Beklagte die Diagnose aus dem Gutachten von C. ungeprüft übernommen habe, könne dies schon deshalb nicht grob fahrlässig sein, weil dies der zwischen allen Beteiligten mit dem Amtsgericht abgestimmten Vorgehensweise entsprochen habe. Hinsichtlich der übrigen festgestellten Mängel habe der Sachverständige ausgeführt, dass die Beklagte die psychologischen Standards der Begutachtung nicht in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen habe. Der Sachverständige habe insoweit dargestellt, dass eine entsprechende Beurteilung schwierig sei, weil es keine Skala gebe, auf der der Schweregrad von Fehlern abzulesen sei. Wenn er weitere ihm bekannte Gutachten von in der N. (N.) (Institut für Gutachten, Anmerkung der Redaktion) zusammengeschlossenen Sachverständigen betrachte, wiesen diese durchgehend derartige Mängel auf. Insofern sei das vorliegende Gutachten der Beklagten durchschnittlich. Auch kämen andere Studien zu dem Ergebnis, dass bei familienrechtspsychologischen Begutachtungen im Allgemeinen die Datenerhebung zu 35 % über „methodisch problematische Verfahren" erfolge. Dies hänge aber auch damit zusammen, dass die Möglichkeiten der Erforschung in familienrechtlichen Verfahren begrenzt seien. Insgesamt handele es sich um Bereiche, bei denen die Schlussfolgerungen häufig von der sozialwissenschaftlichen Theorie abhingen, der man sich anschließe. Je nach angewendetem Ansatz komme man daher zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine subjektive Unentschuldbarkeit der Fehler habe der Sachverständige unter anderem unter Bezugnahme auf die umfangreichen Nachforschungen der Beklagten eindeutig verneint.
20Danach komme nicht mehr darauf an, dass der Kläger nicht konkret dazu vortragen habe, wie die gerichtliche Entscheidung im Vorprozess richtigerweise hätte ausfallen müssen. Ebenso könne offenbleiben, ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch an § 839a Abs. 2 BGB i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB scheitere. Mangels Haupt-anspruchs bestünde auch kein Anspruch auf Zinsen und keine Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Schäden aus der Gutachtenerstattung.
21Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen vom 23.06.2022 (Blatt 292-305 der LG-Akten) Bezug genommen.
22Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter.
23Er rügt, dass der Feststellungsantrag zu 3.) nicht unzulässig sei, weil mit seiner Begutachtung durch die Beklagte ein Rechtsverhältnis entstanden sei. Außerdem sei unter dem Begriff der Urkunde auch ein Gutachten zu subsumieren.
24Entgegen den Ansicht des Landgerichts sei das von der Beklagten erstellte Gutachten auch aus mehreren Gründen unrichtig gewesen.
25Die Beklagte habe wegen fehlender Approbation nicht die Berechtigung zu den von ihr durchgeführten Testverfahren besessen. Psychologische Tests dürfen entsprechend dem Psychotherapeutengesetzes nur von approbierten Psychologen durchgeführt werden. Der Beklagten habe damit die notwendige Qualifikation gefehlt und ihre Aussagen seien infolge der Kompetenzüberschreitung und der damit einhergehenden Unkenntnis der Fachgebiete unverwertbar. Dies habe letztlich auch der gerichtlich bestellte Sachverständige K. auf Seite 26 seines Gutachtens bestätigt. Außerdem wäre es für die Gutachtenerstattung unabdingbar gewesen, dass die Beklagte auch erziehungswissenschaftliche Kenntnisse besitzt, da die Erziehungsfähigkeit alleine aus psychologischer Perspektive nicht zu beurteilen sei.
26Des Weiteren habe die Beklagte in ihrem Gutachten teilweise die von ihm getätigten Aussagen falsch wiedergegeben. Das Landgericht habe ihm hierfür zu Unrecht die Beweislast auferlegt. Die Beklagte wäre insoweit verpflichtet gewesen, ihre Tonbandaufnahmen offenzulegen. Da sie diese – wie unstreitig ist – bereits gelöscht habe, trage sie die Beweislast für die Richtigkeit ihrer Angaben.
27Darüber hinaus habe sich das Landgericht nicht mit den weiteren von ihm angeführten und vom Sachverständigen K. festgestellten formellen und materiellen Fehlern des Gutachtens auseinandergesetzt, sondern diese mit Hinweis auf das vorgeblich fehlende grobfahrlässige Handeln der Beklagten dahinstehen lassen. Dies sei deshalb fehlerhaft, weil sich aus der Schwere der jeweiligen Fehler auch wiederum Anhalte für die grobe Fahrlässigkeit ergeben würden.
28Der Sachverständige K. habe in seinem Gutachten anschaulich deutlich gemacht, wie ungenügend und falsch das Gutachten der Beklagten sei und dass es eben gerade nicht wissenschaftlichen Kriterien genüge. Die Beklagte hätte danach nicht ungeprüft die Aussagen des Vorgutachters C. übernehmen dürfen. Der Sachverständige K. habe festgestellt, dass die Beklagten ihm, dem Kläger, ein „psychiatrisches Interpretationsmodell untergeschoben“ habe und ihre Erkenntnisse jegliche Differenzialdiagnostik entbehrten. Weiter habe der Sachverständige ausgeführt, dass allgemeine Persönlichkeitsdiagnostik grundsätzlich nicht zur Aufgabe eines familienpsychologischen Sachverständigen gehöre, sondern er sich auf die Auswirkungen real beobachteter Verhaltensweisen auf die Bewertungsdimension zu beschränken habe. Weiter habe der Sachverständige unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der Beklagten die Befähigung fehle, sie für differenzial-diagnostische Aufgaben nicht zugelassen sei und ihre ungeprüfte Übernahme des Gutachtens C. zu einer inhaltlichen Fehlbegutachtung geführt habe. Die Behauptung der Beklagten, dass bei ihm, dem Kläger, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung bzw. eine verzerrte narzisstische Wahrnehmung bestünde und B. von einer tiefgreifenden Störung/Persönlichkeitsstörung bedroht wäre, stellten solchermaßen von der Beklagten unzulässig gestellte Diagnosen dar, zumal es an deren notwendiger Erläuterung fehle. Entgegen der Auffassung des Landgerichts betreffe sein Einwand, dass die Beklagte nicht objektiv gewesen sei, auch durchaus die Frage der Unrichtigkeit des Gutachtens, weil die Objektivität Ausfluss der Mindestanforderungen zur Qualitätssicherung von Sachverständigengutachten im Familienrecht sei. Der Sachverständige K. habe hierzu ausgeführt, dass das Gutachten der Beklagten durch reine Spekulationen geprägt sei, die sich durch das gesamte Gutachten hindurchziehen würden, und in Bezug auf das Kriterium der Bindung von der Beklagten nicht die Mindestanforderungen gewahrt worden seien. Sie habe sich von subjektiven Empfindungen leiten lassen und ihm, dem Kläger, nicht nachprüfbar eine nicht vorhandene Bindungsintoleranz bescheinigt und es an der notwendigen Neutralität fehlen lassen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen K. würden die mehrfachen ihn betreffenden Ungleich- und Falschbewertungen von Sachverhalten durch die Beklagte auf eine mehr als versehentliche parteiliche Grundhaltung der Beklagten hindeuten. Damit habe der Sachverständige den Beweis dafür erbracht, dass die Beklagte hier infolge ihrer Parteilichkeit bewusst ein falsches Gutachten über ihn erstattet habe. Des Weiteren habe der Sachverständige K. ausgeführt, dass auch die Ausführungen der Beklagten, dass das Kind B. durch Widersprüchlichkeiten in der Erlebniswelt der Gefahr einer Persönlichkeitsstörung ausgesetzt sei und ihm, dem Kläger, die notwendige Feinfühligkeit fehle, auf vom Kind vorgebrachte Wünsche einzugehen, rein spekulativ und die insoweit von ihr gezogenen Schlussfolgerungen „unangebracht“ seien. Insgesamt sei der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass für die Feststellung, dass er nicht die alleinige Sorge ausüben könne, nach allgemein anerkannten Kriterien für Sorgerechtsfragen keine Hinweise bestünden. Die Beklagte sei damit zu einem völlig falschen Ergebnis gelangt.
29Darüber hinaus habe die Beklagte frei unsystematische Gespräche ohne Ge-sprächsleitfaden geführt. Bei einer solchen Vorgehensweise würden beobachterabhängige Variablen nicht hinreichend kontrolliert, weshalb von fehlender Objektivität der Feststellungen auszugehen sei. Ebenso führe die fehlende Gesprächsstrukturierung zu einer mangelhaften Objektivität. Zu diesem Ergebnis sei auch der Sachverständige K. gelangt. Ebenso habe dieser bestätigt, dass es an der erforderlichen transparenten und nachvollziehbaren Aktenanalyse fehle. Weiter habe die Beklagte Literatur in Bezug genommen, die es gar nicht gebe. Nach den Ausführungen des Sachverständigen erfülle der äußere Rahmen des Gutachtens nur eingeschränkt die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht der Arbeitsgruppe familienrechtliche Gutachten 2015. Weiter beinhaltete danach das Gutachten erhebliche Mängel hinsichtlich der Anwendung medizinischer Standards; insbesondere liege eine Überschätzung der eigenen klinischen Kompetenzen der Erhebungsmethodik (Leitfaden, Bindungsuntersuchung), ferner eine deutliche Einschränkung der Neutralität vor.
30Unter Berücksichtigung all dessen sei der Beklagten aber entgegen dem Landgericht grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Sie hätte ihre fehlende Qualifikation und die ihr unterlaufenen Fehler erkennen können. Geradezu vorsätzlich sei, dass sie keine Aktenanalyse durchgeführt und sich nicht existenter Literatur bedient habe. Die Vielzahl der ihr unterlaufenen gravierenden Fehler lasse keinen anderen Schluss zu, als dass sie nicht nur grob fahrlässig gehandelt, sondern es billigend in Kauf genommen habe, ein falsches Gutachten zu erstellen, auf dem dann eine falsche gerichtliche Entscheidung basiere. Dem stehe auch nicht entgegen, dass nach der Aussage Sachverständigen K. auch die anderen Gutachten der N. ebenso durchgehend derartige Mängel aufweisen würden. Dies befreie die Beklagte nicht von der Pflicht, selbst die notwendige Sorgfalt zu wahren. Zudem habe das Landgericht nicht gewürdigt, dass der Sachverständige K. den Beweis dafür erbracht habe, dass die Beklagte infolge ihrer Parteilichkeit bewusst und wissentlich ein falsches Gutachten über ihn, den Kläger, erstattet habe.
31Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe er, der Kläger, auch sehr wohl dazu vorgetragen, dass es ohne die unrichtige Gutachtenerstattung durch die Beklagte nicht zu der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge gekommen und ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für B. übertragen worden wäre. Auch habe er von den ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln Gebrauch gemacht, nämlich gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Coesfeld Beschwerde eingelegt. Ein Antrag auf Anhörung der Beklagten hätte in der Beschwerdeinstanz keinen Sinn gemacht, weil das Oberlandesgericht Hamm schon keine mündliche Verhandlung anberaumt gehabt habe. Aus diesem Grunde sei von ihm gerade die Anhörungsrüge erhoben worden, die aber auch nicht zu einer Nachholung der mündlichen Verhandlung geführt habe.
32Der Kläger beantragt,
33unter Abänderung des am 23.06.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen, Az.: 3 O 19/20,
341. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.562,19 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
352. die Beklagte ferner zu verurteilen, an ihn auf Grund der am 08.10.2018 erfolgten Erstellung eines falschen Gutachtens über ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
363. festzustellen, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten über seine Erziehungsfähigkeit ausgestellt hat,
374. ferner festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden aus der unrichtigen Erstellung eines Gutachtens über seine Erziehungsfähigkeit zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
38Die Beklagte beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts als richtig. Sie meint, dass die Berufung des Klägers schon deshalb aussichtslos sei, weil sich die Berufungsbegründung nicht vollumfänglich mit der erstinstanzlichen Urteilsbegründung auseinandersetze. Der Kläger zeige mit seiner Berufung auch keine Rechtsfehler im Rahmen der erstinstanzlichen Beweiswürdigung auf, sondern halte der gerichtlichen Würdigung lediglich seine eigene verfehlte Auffassung zur Überzeugungsbildung entgegen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
42Der Senat hat die Akten 5 F 34/17 AG Coesfeld (= II-13 UF 19/19 OLG Hamm) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Ferner hat der Senat in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2023 beide Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren ergänzenden mündlichen Gutachtens des Sachverständigen K.. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird den Berichterstattervermerk vom 06.10.2023 (Blatt 77 bis 86 der OLG-Akten) Bezug genommen.
43II.
44Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
45Das Landgericht hat zu Recht die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 3.) bereits als unzulässig zurückgewiesen und im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
46A.Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 3.) bereits unzulässig. Die mit ihm vom Kläger begehrte Feststellung, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten über seiner Erziehungsfähigkeit ausgestellt hat, kann nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann mit der Feststellungsklage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines zwischen den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses oder der Echtheit einer Urkunde begehrt werden.
47Ob das von der Beklagten gegenüber dem Amtsgericht Coesfeld schriftlich und mündlich erstattete Gutachten eine Urkunde in diesem Sinne ist, kann dahinstehen. Denn der Kläger begehrt mit dem Feststellungsantrag zu 3.) nicht die Feststellung der Echtheit der Urkunde. Denn für diese kommt es allein darauf an, ob die Urkunde von dem aus ihr hervorgehenden Aussteller stammt. Dass das schriftliche Gutachten vom 08.10.2018 und das am 26.11.2018 mündlich erstattete Gutachten von der Beklagten stammen, steht indes außer Streit. Die inhaltliche Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Urkunde, deren Beurteilung der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 3.) begehrt, kann hingegen nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein.
48Das mit dem Klageantrag zu 3.) verfolgte Feststellungsbegehren betrifft auch nicht die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines zwischen den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses. Zwar könnte aufgrund der erfolgten Gutachtenerstattung zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis in Gestalt eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zustande gekommen sein, dass die Beklagte dem Kläger gemäß § 839a Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist. Diese vom Kläger begehrte Feststellung ist aber Gegenstand des Feststellungsantrages zu 4.). Soweit er mit dem Klageantrag zu 3.) darüber hinaus die isolierte Feststellung begehrt, dass die Beklagte ein unrichtiges Gutachten über seine Erziehungsfähigkeit ausgestellt hat, handelt es sich hierbei um eine bloße Vorfrage bzw. ein Element der Schadensersatzverpflichtung aus § 839a BGB, die nicht Gegenstand einer Feststellungklage sein kann.
49Ein Rechtsverhältnis wird durch die aus einem konkreten Lebenssachverhalt entstandenen Rechtsbeziehungen von Personen zu Personen oder Sachen gebildet. Einzelne Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, deren Vorliegen allein zu keinen bestimmten Rechtsfolgen führt, stellen kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO dar. Unzulässig ist daher etwa die Feststellung eines Schuldnerverzuges oder die isolierte Feststellung eines Annahmeverzuges, sofern er nicht dazu dient, bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung durch den erforderlichen Nachweis des Annahmeverzuges bereits im Erkenntnisverfahren die Vollstreckung zu erleichtern. Gegenstand eines Feststellungsurteils können zwar auch einzelne sich aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis ergebende Beziehungen oder Folgen eines Rechtsverhältnisses sowie der Umfang und der Inhalt einer Leistungspflicht sein. Auch dabei muss sich aber das Feststellungsbegehren auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht, insbesondere auch auf einen streitigen Teil des Vertragsinhalts, beziehen (BGH, Urteil vom 19.11. 2014, VIII ZR 79/14 –Rn. 23 - 24, juris).
50Vorliegend begehrt der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 3.) aber nicht die Feststellung einzelner sich aus der - nach seinem Behaupten - unrichtigen Gutachtenerstattung der Beklagten ergebenden Folgen eines Rechtsverhältnisses oder des Umfangs oder Inhalts einer Leistungspflicht, sondern die isolierte Feststellung, dass das von der Beklagten über ihn erstattete Gutachten unrichtig gewesen ist. Dabei handelt es sich nach den zutreffenden Ausführungen des Landesgerichts aber um eine bloße Tatsache und Vorfrage, ob zwischen den Parteien infolge der Gutachtenerstattung ein gesetzliches Schuldverhältnis dergestalt zustande gekommen ist, dass die Beklagte dem Kläger nach § 839a BGB schadensersatzpflichtig ist. Auf die Frage, ob der Kläger ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat, kommt es damit nicht mehr an.
51B.Hinsichtlich der Zahlungsanträge zu 1.) und 2.) und des Feststellungsantrages zu 4.) ist die Klage hingegen unbegründet.
52I.Dem Kläger stehen gegen die Beklagte wegen des von ihr in dem Verfahren 5 F 34/17 AG Coesfeld erstatteten familienpsychologischen Sachverständigengutachtens weder ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz noch ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu.
531.Dahingehende Ansprüche des Klägers aus § 839a Abs. 1 BGB als der insoweit vorrangig zu prüfenden Anspruchsgrundlage kommen nicht in Betracht.
54Zwar ist die Beklagte in dem familiengerichtlichen Verfahren 5 F 34/17 AG Coesfeld vom Familiengericht zur Sachverständigen ernannt worden und hat dort unter dem 08.10.2018 ein schriftliches familienpsychologisches Sachverständigengutachten erstattet, das sie nachfolgend am 26.11.2018 gegenüber dem Amtsgericht Coesfeld mündlich näher erläutert hat. Allerdings hat das Gutachten der Beklagten keine schwerwiegenden Unrichtigkeiten aufgewiesen, die den Vorwurf einer vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen unrichtigen Gutachtenerstattung durch die Beklagte rechtfertigen könnten.
55Unrichtig ist ein Sachverständigengutachten dann, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht, also die vom Sachverständigen festgestellten Tatsachen nicht existieren oder die Befunderhebung, soweit nicht vom Gericht vorgegeben, fehlerhaft oder unvollständig ist, oder wenn der Sachverständige aus dem festgestellten Sachverhalt falsche, unhaltbare Schlüsse zieht (Berkemann, Haftung des Sachverständigen nach § 839 a BGB – Rechtsprechung im Überblick (BGH/OLG), Juris-Mitteilungen 2021, 65 ff, 68; Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB 8. Auflage 2020 § 839 a Rn. 19 m.w.Nw.; BGH, Urteil vom 10.10.2013, III ZR 345/12 – Rz. 17 juris; Senatsurteil vom 12.01.2022, I-11 U 21/21 – Rz. 50 juris).
56Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss vom Sachverständigen dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es muss eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Für die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen nach § 839a BGB bedeutet dies, dass der Sachverständige in objektiver Hinsicht bei der Erstellung des Gutachtens die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige unbeachtet gelassen haben muss, was jedem Sachverständigen hätte einleuchten müssen; seine Pflichtverletzung muss mithin schlechthin unentschuldbar sein. Auch in subjektiver Hinsicht muss den Sachverständigen ein besonders schweres Verschulden treffen, wobei es freilich im Einzelfall gerechtfertigt sein kann, von einem bestimmten äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des damit einhergehenden objektiven Pflichtenverstoßes auf innere Vorgänge und eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit zu schließen (BGH, Urteil vom 10.10.2013, III ZR 345/12 –Rz. 27 f. juris; OLG Hamm, Urteil vom 22.10.2013, I-9 U 135/12 – Rz. 30 juris).
57Gemessen hieran erweist sich das von der Beklagten erstattete familienpsychologische Gutachten nach dem Ergebnis der vom Landgericht erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme sowie der vom Senat ergänzten Beweisaufnahme nur in wenigen der vom Kläger angeführten Punkte als in dem vorgenannten Sinne unrichtig. Soweit sich das von der Beklagten erstattete Gutachten hinsichtlich einzelner von ihr gezogener Schlussfolgerungen als unrichtig erweist, rechtfertigen diese Befundwürdigungsfehler nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Gleiches gilt für die aus Sicht des Sachverständigen K. gegebene unzureichende Neutralität der Beklagten.
58Mit der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen K. durch den Senat war die Beweisaufnahme im vorliegenden Rechtsstreit abzuschließen. Eine weitergehende Begutachtung – die auch von keiner Partei nach der Anhörung des Sachverständigen im Senatstermin beantragt wurde – würde nach der Überzeugung des Senats zu keinen weiteren Erkenntnissen führen, die für die rechtliche Beurteilung des Rechtsstreits von Bedeutung wären.
59Im Einzelnen:
60a)Das von der Beklagten erstattete Gutachten ist nicht schon deshalb unrichtig, weil es der Beklagten an der erforderlichen Qualifikation gefehlt hat.
61(1)Die Beklagte bedurfte für die Erstellung des Gutachtens keiner Approbation. Denn der Gesetzgeber hat in § 163 Abs. 1 S. 1 FamFG die in Verfahren nach § 151 Nr. 1 bis 3 FamFG an die Qualifikation eines gerichtlich zu bestellenden Gutachters zu stellenden Anforderungen dahingehend geregelt, dass der Sachverständige mindestens über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen soll und er in dem Fall, dass er (nur) über eine pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügt, den Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen hat. Auf das Erfordernis einer Approbation hat der Gesetzgeber damit bewusst verzichtet (BGH, Beschluss vom 26.09.2018, XII ZA 10/18 - Rz. 4 juris). Mit der Regelung wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass es derzeit entsprechend zusätzlich ausgebildete und berufserfahrene Sachverständige noch nicht flächendeckend in ausreichender Anzahl gibt (Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 163 FamFG Rn. 9b m.w.Nw.).
62Auch die vom Sachverständigen K. seiner gutachterlichen Bewertung der Tätigkeit der Beklagten zugrunde gelegten „Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht“ der Arbeitsgruppe Familienrechtlichen Gutachten aus dem Jahr 2015 (im Folgenden „Mindestanforderungen 2015“ genannt – die überarbeitete Auflage der Mindestanforderungen aus dem Jahr 2019 ist vorliegend nicht einschlägig, weil das streitgegenständliche Gutachten von der Beklagte bereits im Jahr 2018 erstattet wurde) sehen nicht das Erfordernis einer Approbation vor. Die Mindestanforderungen haben zwar keine Gesetzeskraft und binden das Gericht nicht. Sie sind aber vom Sachverständigen K. zu Recht als wichtige Orientierung bei der Beurteilung des Gutachtens der Beklagten zugrunde gelegt worden (vgl. auch Hammer, a.a.O. § 163 FamFG Rn. 29a Fn. 244).
63Nach Ziffer C. I der Mindestanforderungen 2015 sollen als Sachverständige in erster Linie Personen benannt werden, die über ein abgeschlossenes Studium der Psychologie oder Medizin und über eine Sachkunde verfügen, die weit über die üblichen Studieninhalte der Psychologie hinausreicht. Weiter sind in Ziffer C.II. der Mindestanforderungen 2015 je nach Fallgestaltung in bestimmten, dort im einzelnen aufgeführten Teilbereichen weitere psychologische bzw. ggfls. klinische Kenntnisse notwendig. Diese Anforderungen werden von der Beklagten erfüllt. Die Beklagte verfügt als promovierte Diplom-Psychologin über ein abgeschlossenes Studium der Psychologie. Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben im Senatstermin am 06.10.2023 gehörte zu ihrem Studium auch klinische Psychiatrie. Außerdem hatte sie eine Ausbildung zur Psychotherapeutin begonnen, die sie aber im Hinblick die von ihr ab Ende des Jahres 2008 aufgenommene Tätigkeit als Sachverständige nicht beendet hat. Seitdem hat die Beklagte als gerichtlich bestellte Sachverständige bereits mehrere hundert Gerichtsgutachten erstellt, in denen sie sich überwiegend mit Fragen des § 1666 BGB sowie des Aufenthaltsbestimmungs- und Sorgerechts befasst hat. Des Weiteren hatte die Beklagte parallel zu ihrer Gutachtenerstattung im vorliegenden Fall bereits eine weitere Ausbildung zur Fachpsychologin für Rechtspsychologie mit dem Schwerpunkt Familienpsychologie gemacht und die Abschlussprüfung hierzu bereits einen Monat nach der mündlichen Verhandlung bei dem Amtsgericht Coesfeld vom 26.11.2018 erfolgreich abgelegt. Vor dem Hintergrund dieser ergänzenden Angaben der Beklagten hat auch der Sachverständige K. bei seiner ergänzenden mündlichen Befragung durch den Senat letztlich keinen Zweifel mehr daran gehabt, dass die Beklagte grundsätzlich über die von Ziffer C.I der Mindestanforderungen 2015 und die von ihm auf Seite 29 seines schriftlichen Gutachtens angeführten, seiner Ansicht nach in der vorliegenden Fallkonstellation erforderlichen weiteren Kenntnisse verfügte. Vielmehr hat der Sachverständige K. insoweit auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt, dass die Kompetenz und Qualifikation der Beklagten für die ursprüngliche Fragestellung des Amtsgerichts Coesfeld genügte. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass die Beklagte bei der Auftragsannahme ihre aus Ziffer D.I.1. der Mindestanforderungen 2015 folgende Pflicht zur Prüfung ihrer eigenen Sachkunde verletzt hat.
64(2)Die Beklagte hat auch dadurch nicht gegen Ziffer B.II.2.d) der Mindestanforderungen 2015 verstoßen, dass sie ihrer Begutachtung die vom Vorgutachter C. getroffenen Feststellungen zugrunde gelegt hat.
65Besteht der Verdacht der psychischen Erkrankung eines Elternteils bedarf es je nach Einzelfall gegebenenfalls einer Begutachtung durch einen Erwachsenenpsychiater oder Psychotherapeuten zur Feststellung der Erkrankung bei dem jeweiligen Elternteil und zu eventuellen Behandlungsmöglichkeiten, als auch die Begutachtung durch einen Psychologen, der die Auswirkungen der Erkrankung auf die Erziehungsfähigkeit würdigen kann. Denn maßgeblich ist in Kindschaftssachen nicht die sichere Diagnose einer psychischen Erkrankung, sondern sind die Auswirkungen psychischer Auffälligkeiten auf das Kind (Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 163 FamFG Rn. 9g m.w.Nw.).
66In Anerkenntnis dessen hatte das Amtsgericht Coesfeld in dem familiengerichtlichen Verfahren 5 F 34/17 zunächst durch Einholung von Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie C. darüber Beweis erhoben, ob bei einem der beiden Elternteile eine psychiatrische Erkrankung vorliegt, die Einfluss auf die Ausübung des Sorgerechts für die Kinder hat. Dabei ist der Vorgutachter C. in seinem den Kläger betreffenden Gutachten vom 16.06.2017 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei diesem keine psychische Erkrankung im klinisch-psychiatrischen Sinne, wohl aber eine Cluster-B-Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen Anteilen vorliegt, die zwar keine unmittelbare Kindeswohlgefährdung nach sich ziehe, aber problematische erzieherische Verhaltensweisen begünstige.
67Diese vom Vorgutachter C. erhobenen psychiatrischen Befunde durfte die Beklagte ihrer Begutachtung zugrunde legen. Die Beklagte hatte ihrer Begutachtung und der dabei von ihr vorzunehmenden Aktenanalyse, welche auch nach Ansicht des Klägers zu den Aufgaben der Sachverständigen gehörte, den gesamten Akteninhalt zur Kenntnis zu nehmen und auf seine Relevanz für das von ihr zu erstattende Gutachten hin zu überprüfen. Dazu gehörten auch die beiden vom Vorgutachter C. erstellten Gutachten vom 10.06.2017 und 16.06.2017 sowie das Schreiben des Amtsgerichts Coesfeld vom 09.08.2017 (Blatt 130 der Beiakten). Aus Letzterem ergab sich für die Beklagte, dass das Familiengericht mit den Kindeseltern abgestimmt hatte, dass sich im Anschluss ihre psychiatrische Begutachtung durch den Vorgutachter C. die psychologische Begutachtung der Beklagten anschließen soll, und das Amtsgericht Coesfeld keinerlei Zweifel an der Objektivität und der Qualität der bereits eingeholten psychiatrischen Gutachten des Vorgutachters C. hatte. Dieses konnte und durfte die Beklagte mangels anderslautender Weisung des Amtsgerichts Coesfeld nur dahin verstehen, dass sie ihrer psychologischen Begutachtung auch die vom Vorgutachter C. erhobenen Befunde zugrunde legen darf und soll. Dass dies auch tatsächlich dem seinerzeitigen Willen des Amtsgerichts Coesfeld entsprach, wird zudem durch dessen Ausführungen auf Seite 9 des Beschlusses vom 26.11.2018 bestätigt, wonach es selbstverständlich vom Auftrag der Beklagten umfasst gewesen sei, die gesamte Gerichtsakte und damit auch die Feststellungen C. aus dessen fachpsychiatrische Gutachten vom 10.06.2017 und 16.06.2017 zugrunde zu legen und zu verwerten.
68(3)Nach dem Ergebnis der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte dadurch gegen Ziffer B.II.2.d) der Mindestanforderungen 2015 verstoßen hätte, dass sie ohne die dafür erforderliche fachliche Qualifikation über die vom Vorgutachter C. getroffenen Feststellungen hinaus noch weitergehende klinische psychiatrische Diagnosen in Bezug auf den Kläger getroffen hätte.
69Zu den der Beklagten im Rahmen der Gutachtenerstattung obliegenden Aufgaben gehörte gerade auch, zu untersuchen, ob und, wenn ja, wie sich die vom Vorgutachter C. beim Kläger festgestellte Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen Anteilen konkret auf dessen Erziehungsfähigkeit auswirkt, zumal bereits der Vorgutachter C. in seinem Gutachten ausgeführt hatte, dass die beim Kläger vorliegende Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen Anteilen problematische erzieherische Verhaltensweisen begünstige. Bei der insoweit von ihr als Familienpsychologin vorzunehmenden Untersuchung und Bewertung, bei der es vorrangig um die Auswirkungen der psychischen Auffälligkeiten des Klägers auf das Kind B. und weniger um die sichere Diagnose der psychischen Auffälligkeiten des Klägers ging, stand der Beklagten als Sachverständigen ein Bewertungsspielraum zu. Dass dieser vorliegend von ihr überschritten wurde, vermag der Senat indes nicht festzustellen.
70Soweit der Sachverständige K. in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.03.2021 diesbezüglich noch die Auffassung vertreten hatte, dass die Beklagte ohne die dafür erforderliche klinische Berufserfahrung in Bezug auf den Kläger und das Kind B. über den Vorgutachter C. hinausgehend differentialdiagnostisch tätig geworden sei, wurde dieses vom Sachverständigen bei seiner ergänzenden Anhörung durch den Senat relativiert. Zwar hat der Sachverständige K. auch im Senatstermin insoweit kritisch angemerkt, dass die Beklagte mit ihrem Gutachten über die von C. aufgestellten Feststellungen hinausgegangen und von ihr zahlreiche klinische Begriffe verwendet worden seien, wofür eine weitergehende Qualifikation erforderlich wäre. Die Beklagte habe seiner Ansicht nach die vom C. festgestellte Persönlichkeitsakzentuierung „ausgewalzt“ und beim Kläger weitergehend eine narzisstische Persönlichkeitsstörung angenommen.
71Allerdings lässt weder dem schriftlichen noch dem ergänzenden mündlichen Gutachten der Beklagten eine von der Beklagten gestellte klinische Diagnose einer beim Kläger gegebenen narzisstischen Persönlichkeitsstörung entnehmen. Auf Seite 188 des schriftlichen Gutachtens der Beklagten heißt es allein, dass es bei dem Kläger offenbar zu einer „massiven narzisstischen Kränkung“ gekommen sei, in der er völlig gefangen zu einer selbstkritischen Reflektion eigener Anteile an den problematischen familiären Entwicklungen nicht in der Lage sei, sondern er die Situation ausschließlich im Sinne von proklamierten Fehlverhaltensweisen der Kindesmutter einseitig uminterpretieren, das Vorhandensein des elterlichen Konflikts negieren bzw. die Kindesmutter sogar pathologisieren müsse. Weiter heißt es auf Seite 189 des Gutachtens, dass die vom Kläger in „narzisstisch verzerrter Wahrnehmung“ deklarierte Notsituation ihm dann wieder Raum gebe, sein idealisiertes Selbstbild aufpolieren zu können, und er in verzerrter Wahrnehmungs- und Erlebnisverarbeitung, in übersteigerter Empfindlichkeit gegen jede Form der Kritik und verminderter Empathie auch gegenüber der Rolle von Gerichten, Beratern und Helfern bzw. fachlichen Dritten dann auch jegliche Personen und Systeme, die sich nicht von ihm in Sinne seiner Bedürftigkeit manipulieren lassen, in ihrer Wirksamkeit blockieren, abwerten oder gar als Beteiligte eines Komplotts der Kindesmutter gegen ihn abtun müsse. Auf Mitte Seite 190 des schriftlichen Gutachtens wird von der Beklagten weiter ausgeführt, dass der Kläger, deutlich sichtbar anhand der zuvor ausgeführten Daten, aus seiner stark verzerrten Wahrnehmungs- und Erlebnisverarbeitung heraus für seine Person auch „fachärztlich“ festgestellte Besonderheiten im Erleben und Verhalten nicht zulassen und selbstkritisch reflektieren könne. Aus seiner verzerrten Wahrnehmungs- und Erlebnisverarbeitung heraus und aufgrund im Elternkonflikt permanent verspürter Kränkung/Zurückweisung könne dem Kläger auch weder eine im Sinne der weiteren Entwicklungsmöglichkeiten seines Sohnes konstruktive Zusammenarbeit mit der Schule gelingen, noch könne er im mütterlichen Umfeld etablierte ergänzende Fördermaßnahmen mittragen/unterstützen oder eine (familien-)therapeutische Anbindung/Behandlung des Kindes B. finden und somit faktisch seine elterliche Verantwortung nicht vorrangig orientiert an der gegenwärtig gegebenen Bedürfnislage des Kindes B. ausrichten. Auf Seite 212 des schriftlichen Gutachten wurde schließlich von der Beklagten zusammenfassend ausgeführt, dass die Erziehungsfähigkeit sowie die Erziehungs-/Förderkompetenz des Klägers vor dem Hintergrund einer stark in Richtung der eigenen Bedürfnislage/narzisstisch verzerrten Wahrnehmungs- und Erlebnisverarbeitung, aufgrund damit einhergehender massiv eingeschränkter Potentiale im Bereich der elterlichen Feinfühligkeit, sowie aufgrund gravierender Mängel im Bereich der Bindungstoleranz und der Kooperationsfähigkeit als massiv eingeschränkt angesehen werden müssen und gegenwärtig oder in absehbarer Zukunft nicht mit nachhaltigen Kompensationen in den vorgenannten psychischen Mängeln gerechnet werden könne, weil dem Kläger bisher eine konstruktive, selbstkritische und veränderungsmotivierte Zusammenarbeit mit fachlichen Dritten nicht gelingen konnte und auch zukünftig jegliche fachliche Maßnahmen durch sein besonderes Erleben und Verhalten zwangsläufig blockiert würden.
72Keiner der vorgenannten Ausführungen lässt sich eine von der Beklagten in Bezug auf den Kläger gestellte klinische Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung entnehmen. Soweit der Sachverständige K. bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat am 06.10.2023 ausgeführt hat, dass die von der Beklagten aufgestellten Hypothesen seiner Ansicht nach die „Annahme“ nahelegen würden, dass die Beklagte eigentlich bei dem Kläger von einer Persönlichkeitsstörung und nicht nur von einer Persönlichkeitsakzentuierung ausgehe und dieses für ihn schon eine klinische Einfärbung habe, reicht dies dem Senat für die Feststellung eines den Beurteilungsspielraum der Beklagten überschreitenden psychiatrischen Tätigwerdens der Beklagten nicht aus. Vielmehr lassen die Ausführungen der Beklagten ab Seite 189 des Gutachtens für den Senat deutlich werden, dass es sich bei vorstehend genannten Ausführungen der Beklagten nicht um eine weitergehende psychiatrische Beurteilung des Klägers handeln soll, sondern allein um eine psychologische Bewertung der Auswirkungen der von C. getroffenen Feststellungen auf die Erziehungsfähigkeit des Klägers. Denn sämtliche vorstehend zitierten, den Kläger betreffenden Aussagen bzw. Bewertungen wurde von der Beklagten aus konkreten von ihr im Rahmen der Befunderhebung gewonnenen und auf den Seiten 187 ff. des Gutachtens von ihr im Einzelnen nochmals auszugsweise in Kleinschrift eingerückten erhobenen Daten hergeleitet. Dass es sich den Ausführungen der Beklagten nach Ansicht des Sachverständigen K. um eine Interpretation auf der Grundlage einer Einschätzung der Beklagten handelt, reicht für die Feststellung einer Überschreitung des der Beklagten als Diplom-Psychologin zustehenden Beurteilungsspielraums nicht aus, zumal auch der Sachverständige K. letztlich betont hat, dass die Grenzziehung schwierig sei und auch er sich auf konkrete Nachfrage des Senats letztlich nicht festlegen wollte, ob die Beklagte mit ihren Ausführungen die Grenze zu einer weitergehenden psychiatrisch diagnostischen Tätigkeit überschritten hat.
73b)Nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten und vom Senat ergänzten Beweisaufnahme sind von der Beklagten die mit den Mindestanforderungen 2015 aufgestellten formellen Qualitätsanforderungen an ein Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht erfüllt worden.
74(1)Insoweit kann zunächst nicht festgestellt werden, dass die Beklagte – wie der Kläger behauptet – versäumt hat, entsprechend Ziffer B.I.2 a) der Mindestanforderungen 2015 zu Beginn ihrer Begutachtung auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Begutachtung hinzuweisen. Die Beklagte hat mit ihrer Klageerwiderung behauptet, alle Beteiligten vor der Begutachtung auf deren Freiwilligkeit hingewiesen und nur diesen Hinweis nicht in ihrem Gutachten schriftlich dokumentiert zu haben. Beweis für seine gegenteilige Behauptung hat der insoweit beweisbelastete Kläger nicht angetreten. Dass die Beklagte den von ihr behaupteten Hinweis nicht schriftlich dokumentiert hat, rechtfertigt keine Beweislastumkehr zugunsten Klägers. Schon die Mindestanforderungen 2015 sehen eine Dokumentation des Hinweises nicht vor. Auch der Sachverständige K. hat in seinem schriftlichen Gutachten die fehlende Dokumentation des Hinweises auf die Freiwilligkeit für irrelevant erachtet. Soweit er angemerkt hat, dass die Aufklärung jedoch in den Unterlagen der Sachverständigen vermerkt sein „sollte“, handelt es sich hierbei um eine bloße Empfehlung des Sachverständigen und nicht eine zwingend einzuhaltende Mindestanforderung an das Gutachten.
75Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist jedenfalls dem Kläger die Freiwilligkeit seiner Begutachtung durch die Beklagte aber auch deshalb bekannt gewesen, weil er über diese zuvor vom Amtsgericht Coesfeld belehrt worden war. Denn ausweislich des vom Amtsgericht Coesfeld in dem Verfahren 5 F 34/17 auf Seite 5 der Sitzungsniederschrift vom 26.11.2018 aufgenommenen Hinweises hatte das Amtsgericht Coesfeld in einer früheren mündlichen Verhandlung mit den beiden Kindeseltern „einschließlich der Freiwilligkeit“ abgesprochen, dass zunächst ihre psychiatrische Begutachtung vorgeschaltet und dann eine familienpsychologische Begutachtung erfolgen soll (Blatt 556 der Beiakten).
76(2)Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass die Beklagte dadurch gegen Ziffer D.II.1. der Mindestanforderungen 2015 verstoßen hat, dass sie – wie der Kläger behauptet – ihrer Begutachtung vom Kläger und seinem mittlerweile volljährigen Sohn L. nicht oder nicht so getätigte Aussagen zugrunde gelegt hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers auf Seiten 13 und 14 der Klageschrift wurden von der Beklagten mit der Klageerwiderung vollumfänglich bestritten, ohne dass der insoweit beweisbelastete Kläger dies zum Anlass genommen hätte, für seine eigene Sachdarstellung Beweis anzutreten. Dass die Beklagte nach ihrer Gutachtenerstattung ihre Tonbandaufzeichnungen von den mit dem Kläger und seinem Sohn L. geführten Explorationsgesprächen gelöscht hat, vermag entgegen der Ansicht des Klägers keine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten zu begründen. Die Beklagte hat ihrer Verpflichtung zur Dokumentation der von ihr durchgeführten Datenerhebung dadurch genügt, dass sie die Tonbandaufzeichnungen transkribiert und die Transkription den Beteiligten mit dem Gutachten zur Verfügung gestellt hat. Dass sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften zusätzlich dazu verpflichtet gewesen wäre, die Tonbandaufnahmen für einen bestimmten Mindestzeitraum aufzubewahren, ist weder vom Kläger dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Es besteht auch keinerlei Anhalt dafür, dass die Beklagte die Tonbandaufnahmen gelöscht hat, um die Beweisführung durch den Kläger vereiteln. Denn ausweislich des bei den Beiakten befindlichen Schreibens der Beklagten vom 12.04.2019 (Blatt 917 f. der Beiakten) sowie des Schreibens des Amtsgerichts Coesfeld vom 19.04.2019 (Blatt 916 der Beiakten) war die Beklagte seinerzeit nicht vom Amtsgericht Coesfeld über die vom Kläger gegen den Beschluss vom 26.11.2018 eingelegte Beschwerde informiert worden und hatte deshalb die Tonbandaufzeichnungen in der irrigen Annahme, dass sie nicht mehr benötigt werden, drei Monate nach der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2018 gelöscht.
77(3)Auch soweit der Kläger die Fehlerhaftigkeit des von der Beklagten dem Gutachten beigefügten Literaturverzeichnisses rügt, lässt sich eine Unrichtigkeit des Gutachtens nicht feststellen. Denn wie der Sachverständige K. auf Seite 25 unten seines schriftlichen Gutachtens ausgeführt hat, geht die Zahl der möglichen einschlägigen Bücher, Dissertationen und Zeitschriftenartikel ins Unendliche. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes die von der Beklagten vorgenommene Reduktion des Literaturverzeichnisses bis auf wenige Grundwerke ausdrücklich als angemessen angesehen. Dem schließt sich der Senat an.
78(4)Eine Nichteinhaltung der von Ziffer B.II.2.b) der Mindestanforderungen 2015 an die wissenschaftliche Methodik der Gutachtenerstattung gestellten Anforderungen lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
79An den von der Beklagten durchgeführten Testverfahren gibt es nichts zu erinnern. Insbesondere bedurfte es für diese, wie der Sachverständige K. bereits bei seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht ausgeführt hat, nicht zwingend einer Approbation der Beklagten. Der von der Beklagten zum Einsatz gebrachte FAMOS-Test ist zwar, wie der Sachverständige K. in seinem schriftlichen Gutachten unter Randziffer 47 ausgeführt hat, eigentlich für Therapieziele entwickelt worden. Andererseits hielt der Sachverständige seine Anwendung im vorliegenden Fall aber auch nicht für gänzlich ungeeignet, weil es grundsätzlich eine Sache der Interpretation sei, wie die Testdimensionen mit den Bewertungskriterien im Bezug gesetzt würden. Auch den von der Beklagten angewandten EBF-KJ-Fragenbogen hat der Sachverständige K. nicht als für die von der Beklagten zu beantwortende Fragestellung ungeeignete Erkenntnisquelle angesehen, sondern lediglich die von der Beklagten vorgenommene Bewertung der Testergebnisse kritisiert. Hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung des Tests durch die Beklagte hat der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat ausdrücklich bestätigt, dass diese nicht zu beanstanden sei. Weiter hat er dabei seine noch unter Randziffer 48 seines schriftlichen Gutachtens geäußerte Kritik an der von der Beklagten vorgenommenen Bewertung der erhöhten Werte auf der Skala „emotionale Vereinnahmung“ dahin, dass diese auf „unzureichende Generationengrenzen“ hindeuten würden, dahin relativiert, dass dieses der Fall, aber auch anders sein könne.
80Auch die von der Beklagten für die Befunderhebung gewählte Gesprächsmethode in Form eines teilstrukturierten narrativen Interviews beinhaltet keinen Verstoß gegen Ziffer B.II.2.b) der Mindestanforderungen 2015. Zwar hat der Sachverständige K. insoweit ausgeführt, dass diese Form der Datenerhebung zur Erzeugung großen Mengen Datenmaterials in dem schriftlichen Gutachten geführt habe, von dem nur ein Teil von der Beklagten verwertet worden sei; insoweit wäre seiner Ansicht nach die Verwendung eines Gesprächsleitfadens sinnvoller und geboten gewesen. Andererseits hat der Sachverständige K. auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass die von der Beklagten gewählte Methode der Befunderhebung durchaus zulässig sei. Dem schließt sich der Senat ausdrücklich an, da Ziffer B.II.2.b) der Mindestanforderungen 2015 dem Sachverständigen gerade keine konkreten Vorgaben macht, welcher methodischen Mittel er sich bei der Datenerhebung zu bedienen hat. Erforderlich ist nur, dass sie dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand ihres Fachgebietes gerecht werden. Dass dies hinsichtlich des von der Beklagten als Untersuchungsmethode gewählten teilstrukturierten narrativen Gesprächs nicht der Fall, hat der Sachverständige K. nicht ausgeführt.
81Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Privatsachverständigen T. moniert, dass die Beklagte ihm und die Kindesmutter getrennt voneinander befragt hat, hat der Sachverständige K. diesen Einwand bereits in seinem schriftlichen Gutachten als unbegründet erachtet und ausgeführt, dass ein solches Vorgehen im Gegenteil wichtige Hinweise für die Exploration geben könne, weil psychodynamisch Negatives gerne verschwiegen werde.
82Ebenso hat der Sachverständige K. auf Seite 21 f. unter Randziffer 49 seines schriftlichen Gutachtens ausgeführt, dass entgegen der Ansicht des Klägers nicht generell von einem Störeffekt der von der Beklagten während der semi-strukturierten Verhaltens- und Interaktionsbeobachtungen gefertigten Videoaufnahme ausgegangen werden könne und solche Störeffekte seiner langjährigen Erfahrung nach vielmehr stark überschätzt würden.
83(5)Die in Ziffer B.II.1.c. der Mindestanforderungen 2015 gestellten Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und Transparenz sind nach den Ausführungen des Sachverständigen K. ebenfalls von der Beklagten erfüllt worden. Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten diesbezüglich noch beanstandet hatte, dass die Beklagte in ihrem Gutachten nicht den von ihr verwendeten Akteninhalt dargestellt hat, hat er bei seiner mündlichen Befragung durch den Senat klargestellt, dass auch dieses letztlich nicht außerhalb des zulässigen Rahmens liege, zumal in der Praxis viele Gerichte dem Sachverständigen vorgeben würden, von einer Darstellung des Akteninhalts abzusehen. Soweit der Sachverständige auf Nachfrage der Klägervertreterin ausgeführt hat, dass fehlende Aktenkenntnis natürlich die Qualität des Gutachtens beeinträchtige, vermag dies für sich allein gesehen keine Unrichtigkeit des Gutachtens zu begründen, da weder vom Kläger dargelegt worden noch sonst ersichtlich ist, welche für das Ergebnis der Gutachtenerstattung relevanten Informationen vorliegend infolge unzureichender Kenntnisnahme der Beklagten von dem Akteninhalt bei der Gutachtenerstattung unberücksichtigt geblieben sein sollen.
84c)Auch die mit den Mindestanforderungen 2015 aufgestellten inhaltlichen Anforderungen an Gutachten in Kindschaftssachen sind mit dem Gutachten der Beklagten weitestgehend erfüllt.
85(1)Die nach Ziffer D.I.3.-5. der Mindestanforderungen 2015 an die einzelnen Schritte der Begutachtung zu stellenden Mindestanforderungen sind, wie der Sachverständige K. auf S. 29 seines schriftlichen Gutachtens ausgeführt hat, mit dem Gutachten der Beklagten erfüllt.
86(2)Auch die mit Ziffer D.II.1.-6. sowie die mit Ziffer B.II.2.c) der Mindestanforderungen 2015 gestellten Anforderungen an das (schriftliche) Gutachten und die psychologischen Fragestellungen sind nach den Ausführungen des Sachverständigen K. mit dem Gutachten der Beklagten weitgehend erfüllt. Insoweit wurden vom Sachverständigen allein Bedenken daran geäußert, ob die familiären Beziehungen und Bindungen und das Kriterium der Bindung von der Beklagten mit angemessener Methode erfasst, beurteilt und dargestellt worden sind, weil sie bei ihren Untersuchungen nicht den seiner Ansicht nach maßgeblichen klinischen Bindungsbegriff verwendet hat. Ob dieses zutreffend ist oder aber der Beklagten, wie diese im Senatstermin geltend gemacht, im Rahmen der Erstellung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens eine Untersuchung der Bindungen anhand des klinischen Bindungsbegriffs gar nicht möglich und deshalb von ihr ein anderer – der familienpsychologische – Bindungsbegriff zugrunde zu legen gewesen ist, kann letztlich dahinstehen. Denn wie der Sachverständige K. bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat diesbezüglich weiter ausgeführt hat, ist die Nichtverwendung des klinischen Bindungsbegriffs in familienpsychologischen Gutachten massenhaft verbreitet, weshalb in dem Nichtgebrauch des klinischen Bindungsbegriffs durch die Beklagte nach Auffassung des Senats jedenfalls kein schwerwiegender und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbarer Gutachtenfehler zu sehen ist, der den Vorwurf einer grob fahrlässigen unrichtigen Gutachtenerstattung durch die Beklagten rechtfertigen könnte. Dies entspricht letztlich auch der Bewertung des Sachverständigen K.. Denn auf Nachfrage des Senats, welche der der Beklagten unterlaufenden Gutachtenfehler er als schwerwiegend und in subjektiver Hinsicht unentschuldbar ansehen wurden, wurde vom Sachverständigen allein der von ihm gesehene Verstoß der Beklagten gegen die nach Ziffer B.I.1. der Mindestanforderungen 2015 zu wahrende Neutralität benannt.
87(3)Das Gutachten der Beklagten weist auch keine schwerwiegenden und subjektiv unentschuldbaren Fehler bei der gutachterlichen Würdigung der erhobenen Befunde auf (Ziffer D.II.5. der Mindestanforderungen 2015).
88Ein (Befund-)Würdigungsfehler des Sachverständigen liegt nur dann vor, wenn vom Sachverständigen aus dem festgestellten Sachverhalt falsche, unhaltbare Schlüsse gezogen werden (Berkemann, Haftung des Sachverständigen nach § 839 a BGB – Rechtsprechung im Überblick (BGH/OLG), Juris-Mitteilungen 2021, 65 ff, 68; Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB 8. Auflage 2020 § 839 a Rn. 19 m.w.Nw.; BGH, Urteil vom 10.10.2013, III ZR 345/12 – Rz. 17 juris; Senatsurteil vom 12.01.2022, I-11 U 21/21 – Rz. 50 juris).
89(a)Ausgehend hiervon sowie unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen K. bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat ergänzend gemachten Angaben sind die meisten der vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten von 22.03.2021 beanstandeten Schlussfolgerungen der Beklagten aus den nachfolgenden Gründen nicht als Befundwürdigungsfehler zu bewerten.
90Soweit der Sachverständige unter Randziffer 23 seines schriftlichen Gutachtens es als spekulativ angesehen hat, ob die Abwertungen der Kindesmutter durch den Kläger für die vom Kind B. gezeigten Auffälligkeiten verantwortlich seien und anhaltende Elternkonflikte das Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserleben des Kindes B. beeinträchtigten würden, hat der Sachverständige bei seiner ergänzenden Anhörung durch den Senat hierzu ergänzend ausgeführt, dass das so sein könne, aber auch nicht. Weiter hat er klargestellt, dass sich die Schlussfolgerungen der Beklagten noch im zulässigen und vertretbaren Rahmen halten würden.
91Hinsichtlich der von ihm unter Randziffer 25 seines schriftlichen Gutachtens ebenfalls als spekulativ bezeichneten Schlussfolgerung der Beklagten, dass das vom Kind B. gezeigte Anpassungsverhalten seine weitere Persönlichkeitsentwicklung schädigen würde, hat der Sachverständige im Senatstermin ausgeführt, dass man das als Risikobewertung natürlich benennen könne. Danach kann aber nicht festgestellt werden, dass es sich den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten um eine falsche, unhaltbare Schlussfolgerung handelt.
92Gleiches gilt für die vom Sachverständigen unter Randziffer 26 seines schriftlichen Gutachtens monierte „unklar“ bleibende Relevanz der Ausführungen der Beklagten auf S. 184 ihres Gutachtens, dass im Loyalitätskonflikt Kinder eventuell zu Überidentifizierung oder sogar „Entfremdung“ neigen würden. Insoweit hat der Sachverständige im Senatstermin ergänzend ausgeführt, dass es sich bei den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten seiner Ansicht nach um eine Trivialität handele, man im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Konflikts als Sachverständiger aber auch Risiken benennen könne und die insoweit von der Beklagten vorgenommene Bewertung nicht falsch sei.
93Auch seine auf Seite 14 seines schriftlichen Gutachtens geübte Kritik an den Schlussfolgerungen der Beklagten hat der Sachverständige K. im Senatstermin deutlich relativiert. In seinem schriftlichen Gutachten hatte der Sachverständige noch ausgeführt, dass, wenn die Interpretation der Beklagten auf den Seiten 187 f. ihres Gutachtens richtig wäre, dass der Kläger mit seinem Verhalten sein „verzerrtes Selbst“ aufrechterhalte und für sich ein Idealbild vom Vater deklariere, er nach der Trennung von der Kindesmutter vor Minderwertigkeitsgefühlen und wegen fehlendem Glanz hätte zusammenbrechen müssen, wofür kein Anhalt bestehe; selbst wenn der Kläger sich idealisiert darstelle, folge hieraus kein Missbrauch des Kindes B.. Bei seiner ergänzenden mündlichen Anhörung durch den Senat hat der Sachverständige zwar weiterhin ausgeführt, dass er die von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerungen für nicht überzeugend halte. Zugleich hat der Sachverständige aber auch erklärt, dass man zu diesen Schlussfolgerungen natürlich kommen könne und mit ihnen die Bandbreite des Zulässigen noch nicht überschritten sei. Danach lässt sich aber auch insoweit nicht feststellen, dass die von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerungen falsch und unhaltbar gewesen sind.
94Gleiches gilt für die vom Sachverständigen K. unter Randziffer 30 seines schriftlichen Gutachtens geübte Kritik, dass nicht erkennbar sei, worin die vom Kläger gegenüber den Kindern gespielte, nicht wirklich gelebte Rolle bestehen soll. Insoweit hat der Sachverständige im Senatstermin ebenfalls auf Nachfrage des Senats ausgeführt, dass man die von der Beklagten auf S. 195 ihres Gutachtens angestellten Überlegungen natürlich anstellen könne und diese noch in der zulässigen Bandbreite liegen würden.
95Auch seine Ausführungen unter Randziffer 31 seines schriftlichen Gutachtens, mit denen er die Schlussfolgerung der Beklagten, dass der Kläger mit seinen von ihr auf Seite 196 ihres Gutachtens wiedergegebenen Äußerungen bei dem Kind B. zwangsläufig das Bild einer inkompetenten Kindesmutter verfestige, als spekulativ bezeichnet hat, hat der Sachverständige K. im Senatstermin dahingehend klargestellt, dass er hier die von der Beklagten dargestellten Befunde im Prinzip anders bewerte und er den Begriff der Bindungstoleranz anders gebrauchen würde als die Beklagte. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass der von der Beklagten verwendete Bindungstoleranzbegriff aber vertretbar ist und bei seiner Zugrundelegung keine fehlerhafte Bewertung der erhobenen Befunde durch die Beklagte vorliege, sondern ihre Ausführungen vertretbar sein.
96In gleicher Weise verhält es sich schließlich hinsichtlich der vom Sachverständigen unter den Randziffern 32, 34 und 36 bis 38 seines schriftlichen Gutachtens geübten Kritik an den von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerungen betreffend die Bindungstoleranz, Erziehungsfähigkeit und Förderkompetenz sowie Kooperationsbereitschaft des Klägers sowie der Bindungstoleranz der Kindesmutter und der ihr zumutbaren Kooperationsfähigkeit mit dem Kläger. Auch insoweit hat der Sachverständige K. bei seiner ergänzenden mündlichen Befragung durch den Senat ausgeführt, dass es sich hierbei sämtlich um abweichende Beurteilungen der Beklagten handele, die er nicht teile, zu denen man aber kommen könne bzw. die zumindest vertretbar sein.
97(b)Als eindeutig falsch wurden von dem Sachverständigen K. in dem Senatstermin nur die von der Beklagten vorgenommene Bewertungen/Schlussfolgerungen angesehen, dass aufgrund der von ihr erhobenen Befunde von einer „massiv“ eingeschränkten Bindungstoleranz des Klägers auszugehen, das Kind B. von einer tiefgreifenden psychischen Störung bedroht sei, der Kläger das Kind B. nicht als eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen wahrnehme und insoweit die Gefahr eines emotionalen Missbrauchs bestehe. Insoweit hat der Sachverständige im Senatstermin seine Ausführungen unter Randziffer 39 und 50 f. seines schriftlichen Gutachtens dahingehend klarstellend erläutert, dass man die von der Beklagten aufgezeigten Aspekte zwar als Einschränkung der Bindungstoleranz bewerten könne, er selbst die Befunde aber nur als leichte Einschränkung der Bindungstoleranz gewichten würde; die von der Beklagten vorgenommene Beurteilung halte er für eindeutig falsch. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass sich seiner Ansicht nach nicht aus Tatsachen herleiten lasse, dass das Kind B. von einer tiefgreifenden, psychischen Störung bedroht sei, und er auch die Einschätzung zu den beiden letzten unter Randziffer 51 genannten Punkten, nämlich, dass der Kläger das Kind B. nicht als eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen wahrnehme und insoweit die Gefahr einer psychischen/emotionalen Misshandlung des Kindes bestehe, für falsch halte. Die von der Beklagten auf den Seiten 193 ff. dargestellten Befunde würden seiner Ansicht nach den verwendeten Begriff der Misshandlung nicht rechtfertigen; es wäre insoweit eine andere Begrifflichkeit angebrachter gewesen.
98Auch wenn das von der Beklagten erstattete Gutachten damit wegen der vorgenannten Befundwürdigungsfehler im Sinne von § 839a BGB als unrichtig zu bewerten ist, sind die der Beklagten unterlaufenen Befundwürdigungsfehler aber nicht solchermaßen schwerwiegend und in subjektiver Hinsicht unentschuldbar gewesen, dass dies den Vorwurf einer grob fahrlässigen Gutachtenerstattung durch die Beklagte rechtfertigen könnte. Denn auf die Frage des Senats hin, welche der seiner Auffassung nach vorliegenden Gutachtenfehler in objektiver Hinsicht schwerwiegend und in subjektiver Hinsicht nicht mehr entschuldbar sind, ist der Sachverständige K. ausdrücklich bei seiner bereits gegenüber dem Landgericht geäußerten Einschätzung geblieben, dass hier kein schwerwiegender und unentschuldbarer Fehler der Beklagten vorliege.
99d)Als einzig schwerwiegenden Punkt bzw. Gutachtenfehler hat der Sachverständige K. im Senatstermin die seiner Ansicht nach fehlende bzw. unzureichende Neutralität der Beklagten benannt. Auch eine solche könnte zwar entgegen der Auffassung des Landgerichts grundsätzlich zu einer Haftung des Sachverständigen nach § 839a BGB führen und hätte nicht zwingend vom Kläger bereits in dem familiengerichtlichen Verfahren mit einem gegen die Beklagte gerichteten Befangenheitsantrag geltend gemacht werden müssen. Dies folgt bereits aus Ziffer D.I.1. der Mindestanforderungen 2015, wonach die Prüfung seiner Neutralität zu den Pflichten des Sachverständigen bei der Auftragsannahme gehört, sowie auch aus Ziffer B.I.2.b) der Mindestanforderungen 2015, wonach ein Sachverständigengutachten auch ohne förmliches Befangenheitsverfahren (§ 406 ZPO) als unbrauchbar anzusehen sein kann, wenn der Sachverständige die gebotene Unvoreingenommenheit gegenüber den von ihm zu begutachtenden Personen und deren Wertvorstellungen vermissen lässt.
100Allerdings vermag der Senat vorliegend weder einen Verstoß der Beklagten gegen Ziffer D.I.1. noch einen solchen gegen Ziffer B.I.2.b) der Mindestanforderungen 2015 festzustellen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Sachverständige K. in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.03.2021 wie auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch den Senat die Auffassung vertreten hat, dass die Beklagte in ihrem schriftlichen Gutachten die negativen Seiten beim Kläger herausgestellt, hingegen die Probleme bei der Kindermutter zwar aufgeschrieben, aber nicht entsprechend bewertet habe und damit ihr Gutachten die Tendenz aufweise, den Kindesvater zu pathologisieren und stigmatisieren, die Defizite bei der Kindesmutter hingegen zu bagatellisieren. Ebenso verkennt der Senat nicht, dass der Sachverständige auf Seite 32 seines schriftlichen Gutachtens ausgeführt hat, dass die nach seiner Ansicht nach vorliegenden, von ihm auf den Seiten 30 und 31 seines schriftlichen Gutachtens im Einzelnen dargestellten mehrfachen Ungleich- und Falschbewertung von Sachverhalten beim Kläger und der Kindesmutter auf eine „mehr als versehentliche parteiliche Grundhaltung“ der Beklagten hindeuten würden.
101Auch in Ansehung dieser gutachterlichen Ausführungen vermag der Senat indes eine gegen Ziffer B.I.2.b) und Ziffer D.I.1. der Mindestanforderungen 2015 verstoßende Parteilichkeit oder Voreingenommenheit der Beklagten nicht festzustellen. Die vom Sachverständigen K. aufgezeigten Gesichtspunkte rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Beklagte ihr Gutachten mit der vorgefassten Absicht erstattet hat, die Kindesmutter zu begünstigen, oder die Beklagte sich bei ihrer Gutachtenerstattung sonst von sachfremden Erwägungen leiten ließ. Davon ist auch der Sachverständige K. letztlich nicht ausgegangen. Vielmehr hat er im Senatstermin seine auf Seite 32 oben seines schriftlichen Gutachtens getätigte Aussage dahingehend klargestellt, dass er nicht sagen könne, dass die Beklagte mit einer vorgefassten Meinung an das Gutachten herangegangen sei, für ihn aber die fehlende Objektivität aus den von der Beklagten vorgenommenen unterschiedlichen Bewertungen folge. Der Umstand, dass die Beklagte in Bezug auf den Kläger und die Kindesmutter zu unterschiedlichen Bewertungen gelangt ist und dabei in ihrem Gutachten umfangreichere Ausführungen zum Kläger als zur Kindesmutter gemacht hat, reicht für die Feststellung einer unzureichenden Neutralität der Beklagten nicht aus. Eine solche könnte allenfalls angenommen werden, wenn die von der Beklagten hinsichtlich der Kindesmutter und dem Kläger vorgenommenen Bewertungen in einem solchem Maße einseitig zu Lasten des Klägers unzutreffend wären, dass sich dies nur noch mit fehlender Unvoreingenommenheit der Beklagten erklären ließe. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Denn wie vorstehend dargelegt, sind unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin der Beklagten allein die vorstehend unter lit. c) (3) (b) genannten Befundwürdigungsfehler unterlaufen, die zudem vom Sachverständigen auch nicht als schwerwiegend und in subjektiver unentschuldbar bewertet wurden.
102e)Ausgehend von dem vorstehend dargestellten Beweisergebnis hat das Landgericht danach im Ergebnis zu Recht eine Haftung der Beklagten aus § 839a Abs. 1 BGB mit der Begründung verneint, dass sich nicht feststellen lässt, dass die Beklagte ihr Gutachten grob fahrlässig unrichtig erstattet hat.
103Für eine vorsätzlich unrichtige Gutachtenerstattung besteht aus den vorstehend unter lit. 1.d) dargelegten Gründen kein Anhalt. Auch eine grob fahrlässige unrichtige Gutachtenerstattung kann nicht festgestellt werden. Nach dem Ergebnis der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme lassen sich allein die unter lit. c) (3) (b) festgestellten Befundwürdigungsfehler der Beklagten feststellen. Diese allein vermögen den Vorwurf grob fahrlässiger Gutachtenerstattung indes schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil sie nach den Ausführungen des Sachverständigen K. nicht als schwerwiegender und schlechthin unentschuldbarer Fehler zu bewerten sind. Dass der Sachverständige auf Nachfrage der Klägervertreterin im Senatstermin erklärt hat, dass solche Mängel einem sorgfältig arbeitenden Sachverständigen nicht unterlaufen sollten, reicht für die Feststellung grober Fahrlässigkeit nicht aus. Hierzu ist, wie eingangs ausgeführt, vielmehr notwendig, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige unbeachtet gelassen haben muss, was jedem Sachverständigen hätte einleuchten müssen; die Pflichtverletzung muss mithin schlechthin unentschuldbar sein. Daran fehlt es hier.
1042. Die Klageanträge zu 1.) und 2.) sind auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen begründet.
105Der Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 12.01.2022 (I-11 U 21/21), die ebenfalls die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen zum Gegenstand hatte, eingehend mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen der gerichtlich bestellte Sachverständige für durch ihn verursachte materielle und immaterielle Schäden haftet. An seinen diesbezüglichen Ausführungen (Senatsurteil a.a.O. – Rz. 45 ff. juris) hält der Senat unverändert fest.
106Danach stellt auch vorliegend die Vorschrift des § 839a BGB für die vom Kläger mit dem Klageantrag zu 1.) geltend gemachten materiellen Schäden die die Haftung der Beklagten abschließend regelnde Sondervorschrift dar, neben der eine analoge Anwendung des § 839a BGB oder die allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften nicht in Betracht kommen, weil das familiengerichtliche Verfahren 5 F 34/17 AG Coesfeld, in dem die Beklagte ihr Gutachten erstattet hat, nicht durch urteils- bzw. beschlussersetzende Prozesshandlungen wie etwa einem Vergleich beendet worden ist.
107Hinsichtlich des vom Kläger mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachten Schmerzensgeldes wäre aus den im Senatsurteil vom 12.01.2022 unter Randziffer 85 f. dargelegten Gründen zwar demgegenüber noch an einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu denken, weil der Kläger nach seiner Darstellung im Senatstermin den von ihm als immateriellen Schaden geltend gemachten Reputationsverlust, der als Persönlichkeitsrechtsverletzung zu werten sein könnte, sowie die von ihm behaupteten körperlichen Beeinträchtigungen bereits infolge der Gutachtenerstattung der Beklagten und nicht erst durch die nachfolgenden familiengerichtlichen Entscheidungen des Amtsgerichts Coesfeld vom 22.08.2018 und des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.03.2019 erlitten haben will und diese auch nicht als bloßer Begleitschaden der Gutachtenerstattung zu werten wären. Allerdings würde auch eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB aus den im Senatsurteil vom 12.01.2022 im Einzelnen unter Randziffer 90 ff. der Entscheidung dargelegten Gründen voraussetzen, dass die vom Kläger geltend gemachten immateriellen Schäden auf einer vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen falschen Begutachtung der Beklagten beruhen, an der es vorliegend aber aus den bereits dargelegten Gründen fehlt.
108C.Mangels Haftung der Beklagten dem Grunde nach erweist sich damit auch der Feststellungsantrag zu 4.) als unbegründet.
109III.
110Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10 S.1 und 2, 711 ZPO.
111IV.
112Die Zulassung der Revision war nicht geboten, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.