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Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.09.2021 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nikotinhaltige Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten
in einer Faltschachtel in den Verkehr zu bringen, ohne Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise im Sinne der CLP-VO zusammen auf der Faltschachtel angeordnet zu kennzeichnen, wenn das geschieht wie folgt abgebildet:
„Bilddarstellung wurde entfernt“,
und/oder
an und/oder für die breite Öffentlichkeit abzugeben, welche ein Design haben, das die aktive Neugier von Kindern weckt, wenn das geschieht wie auf einem der folgenden Bilder abgebildet:
„Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“,
und/oder
mit der Angabe „Keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben,
und/oder
mit der Angabe „kein Teer und kein Kohlenmonoxid“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben,
und/oder
mit der Angabe „keine krebserregenden Stoffe“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben,
und/oder
mit der Angabe „Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)“ zu bewerben, einschließlich zu kennzeichnen, wenn dies geschieht wie in dem Anlagenkonvolut K3 wiedergegeben.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 13.02.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird – in Abänderung der vorläufigen Wertfestsetzung durch den Senat – auf 160.000,00 € festgesetzt.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird – in Abänderung der landgerichtlichen Festsetzung – ebenfalls auf 160.000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
2A.
3Der in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eingetragene Kläger ist ein eingetragener Verein mit Sitz in X.. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Zu seinen Mitgliedern (Mitgliederliste: Anlage K1) gehört u.a. der „L. e.V.“, dem wiederum als (mittelbare) Mitglieder die Betreiber der deutschen „F.“-Supermärkte angehören. Diese vertreiben in ihren Supermärkten u.a. in nicht unerheblichem Umfang – im Verkehr vielfach als „Liquids“ bezeichnete, oftmals nikotinhaltige – Flüssigkeiten aus der Produktion verschiedener Hersteller, die zur Verdampfung in sogenannten „elektronischen Zigaretten“ bestimmt sind.
4Die Beklagte stellt u.a. nikotinhaltige „Liquids“ her und vertreibt diese – u.a. über „F.“-Supermärkte – deutschlandweit. Zum Sortiment der Beklagten gehören u.a. nikotinhaltige „Liquids“ in den Geschmacksrichtungen „Karamell“, „Beeren Mix“, „Schokolade“ und „Vanille“. Diese Flüssigkeiten werden in kleinen Kunststofffläschchen (Abbildungen in Anlage K3a sowie auf Blatt 38 der Gerichtsakte [Hinweis: In diesem Urteil bezeichnet der Begriff „Gerichtsakte“ die Gerichtsakte in Papierform]), die sich jeweils in einer Karton-Faltschachtel befinden, auf den Markt gebracht. Die Karton-Faltschachteln für die nikotinhaltigen „Liquids“ in den Geschmacksrichtungen „Karamell“, „Beeren Mix“, „Schokolade“ und „Vanille“ wiesen jedenfalls innerhalb eines nicht genau eingrenzbaren Herstellungszeitraumes vor dem 09.10.2019 die in der Anlage K3 sowie nachfolgend wiedergegebene äußere Gestaltung auf:
5„Bilddarstellung wurde entfernt“
6„Bilddarstellung wurde entfernt“
7Mit Schreiben vom 09.10.2019 (Anlage K5) mahnte der Kläger die Beklagte ab. Der Kläger machte hierbei diejenigen Unterlassungsansprüche geltend, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, und forderte die Beklagte darüber hinaus zur Erstattung von Abmahnkosten (Abmahnkostenpauschale) in Höhe von 178,50 € auf.
8Die Beklagte gab die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab. Der Kläger beantragte daraufhin unter dem 05.11.2019 beim Landgericht Dortmund den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte. Er machte in diesem Verfahren, allerdings gestützt auf das Unterlassungsklagengesetz, Unterlassungsansprüche aufgrund der auch im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Kennzeichnungen der Kunststofffläschchen und der Karton-Faltschachteln (mit Ausnahme indes der im Klageantrag zu I.4.b bezeichneten Kennzeichnung) geltend. Das Landgericht Dortmund wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 19.11.2019 – 25 O 413/19 – (Abdruck in der Anlage B21) zurück, weil es an einem Verfügungsgrund fehle.
9Mit Schreiben vom 10.01.2020 (Anlage K6) forderte der Kläger die Beklagte erneut zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.
10Der Kläger hat daraufhin mit Klageschrift vom 22.01.2020, der Beklagten zugestellt am 12.02.2020, Klage erhoben. Er verfolgt mit seiner Klage die bereits in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsansprüche, nunmehr wieder gestützt auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), sowie den ebenfalls bereits in der Abmahnung geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten weiter. Er hat hierbei gegenüber dem Landgericht die Argumentation aus seiner Abmahnung wiederholt und vertieft.
11Zu den von ihm geltend gemachten Unterlassungsansprüchen hat der Kläger im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
12Auf der Karton-Faltschachtel für das „Beeren-Mix“-Liquid seien zwar das Gefahrenpiktogramm (schwarzes Ausrufezeichen innerhalb eines auf einer Spitze stehenden weißen Quadrats mit rotem Rand) sowie das Signalwort „Achtung“ auf einer Seite der Faltschachtel „zusammen“ angeordnet. Die Gefahrenhinweise und die Sicherheitshinweise im Sinne der „Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006“ (im Folgenden: CLP-VO) seien indes nicht mit diesen beiden Kennzeichnungselementen „zusammen“ auf der Faltschachtel angeordnet, sie seien letztlich nicht einmal an anderer Stelle auf der Faltschachtel zu finden. Hierin liege ein Verstoß gegen die Regelung in Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 CLP-VO.
13Mit der Abbildung von Früchten/Beeren, Süßigkeiten, Pflanzenteilen und Speiseeis auf den Karton-Faltschachteln wecke die Beklagte die aktive Neugier von Kindern. Dies verstoße gegen Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO.
14Die Kennzeichnung von Karton-Faltschachteln mit dem Hinweis, das Liquid enthalte „keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe“, verstoße gegen das in § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 des Tabakerzeugnisgesetzes (TabakerzG) ausgesprochene Werbeverbot.
15Die Kennzeichnung von Karton-Faltschachteln mit dem Hinweis, das Liquid enthalte „keinen Teer und kein Kohlenmonoxid“, verstoße gegen das in § 18 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 TabakerzG ausgesprochene Verbot.
16Die Kennzeichnung von Karton-Faltschachteln mit dem Hinweis auf das Fehlen „krebserregender Stoffe“ stelle eine irreführende und damit unlautere Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar, weil Liquids nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, namentlich nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG, ohnehin nur unter Verwendung von Inhaltsstoffen, die kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellten, hergestellt werden dürften.
17Eine irreführende und damit unlautere Werbung mit einer Selbstverständlichkeit stelle auch der Hinweis auf Karton-Faltschachteln „Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)“ dar. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 TabakerzG dürften bei Herstellung von Liquids ohnehin nur Inhaltsstoffe von hoher Reinheit verwendet werden. Außerdem wolle die Beklagte mit der vorbezeichneten Angabe den Eindruck erwecken, die so gekennzeichneten Produkte seien weniger schädlich als andere Produkte, oder zum Ausdruck bringen, es sei eine Reduzierung schädlicher Bestandteile erfolgt; dies sei indes nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 TabakerzG verboten.
18Schließlich wendet sich der Kläger gegen die Kennzeichnung der Kunststofffläschchen: Auf der Außenseite des Flaschenbauchs, d.h. der bei stehender Flasche senkrecht stehenden Außenfläche der Flasche, befinde sich zwar der Warnhinweis „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff, der sehr stark abhängig macht.“ Dieser Warnhinweis befinde sich auf den Fläschchen aber jeweils nur einmal. Aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 27 der Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) folge indes, dass der vorbezeichnete Warnhinweis zweimal auf der Außenseite des Flaschenbauchs angebracht werden müsse, nämlich auf sich gegenüberliegenden Seiten der Flasche.
19Der Kläger hat behauptet, er habe von einem Beschwerdeführer am 13.09.2019 Kenntnis von den wesentlichen Eckdaten der im vorliegenden Rechtsstreit streitgegenständlichen Wettbewerbsverstöße erhalten. Er, der Kläger, habe den Entschluss gefasst, die Angelegenheit weiter zu prüfen, und habe daraufhin zunächst einen Testkauf veranlasst. Nach weiterer rechtlicher Prüfung durch seine, des Klägers, anwaltliche Vertreter sei dann die Abmahnung ausgesprochen worden. Er, der Kläger, werde in der vorliegenden Sache allein in seinem Verbandsinteresse und im Interesse der Allgemeinheit, namentlich zur Durchsetzung dem Gesundheitsschutz dienender Rechtsvorschriften, tätig und agiere nicht als „Werkzeug“ oder „Handlanger“ von Konkurrenten der Beklagten. Seine, des Klägers, Klagebefugnis für den vorliegenden Rechtsstreit ergebe sich allein schon aus dem Umstand, dass ihm über die unmittelbare Mitgliedschaft des „L. e.V.“ die Betreiber der deutschen „F.“-Supermärkte als mittelbare Mitglieder zuzurechnen seien.
20Der Kläger hat beantragt,
21I.
22die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nikotinhaltige Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten
231.
24in einer Faltschachtel in den Verkehr zu bringen, ohne Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise im Sinne der CLP-VO zusammen auf der Faltschachtel angeordnet zu kennzeichnen, wenn das geschieht wie folgt abgebildet:
25„Bilddarstellung wurde entfernt“,
262.
27an und/oder für die breite Öffentlichkeit abzugeben, welche ein Design haben, das die aktive Neugier von Kindern weckt, wenn das geschieht wie auf einem der folgenden Bilder abgebildet:
28„Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“,
29und/oder
303.
31mit der Angabe „Keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
32und/oder
334.
34a) mit der Angabe „kein Teer und kein Kohlenmonoxid“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
35und/oder
36b) mit der Angabe „keine krebserregenden Stoffe“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
37und/oder
385.
39mit der Angabe „Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)“ zu bewerben, einschließlich zu kennzeichnen,
406.
41in einer Flasche in den Verkehr zu bringen, die nicht auf der gegenüberliegenden Seite der Flasche jeweils mit dem gesundheitsbezogenen Warnhinweis „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff, der sehr stark abhängig macht“ gekennzeichnet ist,
42jeweils wenn dies geschieht wie in den Anlagenkonvoluten K3 und K3a wiedergegeben;
43II.
44die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
45Die Beklagte hat beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger fehle für den vorliegenden Rechtsstreit die erforderliche Klagebefugnis. Zu den Mitgliedern des Klägers zähle kein einziges Unternehmen aus ihrer, der Beklagten, Branche. Auf die (mittelbare) Mitgliedschaft der Betreiber der deutschen „F.“-Supermärkte könne sich der Kläger zur Begründung seiner Klagebefugnis nicht berufen, weil deren Interessen durch ihr, der Beklagten, Verhalten gar nicht berührt seien, weil diese Supermarktbetreiber die streitgegenständlichen Liquids in ihren Einzelhandelsgeschäften selbst vertrieben. Das Vorgehen des Klägers sei darüber hinaus auch rechtsmissbräuchlich. Dies folge bereits daraus, dass der Kläger die Betreiber der deutschen „F.“-Supermärkte, also seine eigenen mittelbaren Mitglieder, nicht wegen des Vertriebs der hier streitgegenständlichen Produkte lauterkeitsrechtlich in Anspruch nehme, sondern nur gegen sie, die Beklagte, die nicht Mitglied des Klägers sei, vorgehe. Der Kläger handele überdies nicht im Allgemein- oder Verbandsinteresse, sondern agiere als „Werkzeug“ und „Handlanger“ ihrer, der Beklagten, beiden Hauptkonkurrentinnen, der „H. GmbH“ und der „O. GmbH & Co. KG“. Diese hätten den Kläger „vor die Karre gespannt“, um sie, die Beklagte, und ihre Geschäftstätigkeit größtmöglich zu behindern. Dies dränge sich aufgrund eines Gespräches zwischen dem Geschäftsführer ihrer, der Beklagten, Muttergesellschaft und dem „CFO“ der „O. GmbH & Co. KG“, der zugleich Vorstandsvorsitzender eines Vereins namens „T. e.V.“ sei, auf, das am 15.11.2019 in R. stattgefunden habe und in dem dieser sinngemäß geäußert habe, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werde zurückgenommen, falls es ihr, der Beklagten, gelinge zu beweisen, dass die „O. GmbH & Co. KG“ oder der Verein „T. e.V.“ „hinter dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stecke“. Zudem habe die Justiziarin der „H. GmbH“ gegenüber dem Geschäftsführer ihrer, der Beklagten, Muttergesellschaft telefonisch geäußert, die „H. GmbH“ werde die Beklagte „bekämpfen, wo sie könne“. Der Umstand, dass der Kläger trotz des enormen Haftungsrisikos nach § 945 ZPO zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung gegen sie, die Beklagte, vorgegangen sei, spreche überdies unzweifelhaft dafür, dass die beiden genannten Konkurrenzunternehmen den Kläger von etwaigen Haftungsrisiken freigestellt hätten. Der Kläger verwende im vorliegenden Rechtsstreit in seinen Schriftsätzen sogar teilweise Textpassagen, welche bereits im Jahre 2019 in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Landgericht Frankfurt am Main zwischen der „H. GmbH“ und ihr, der Beklagten, von der „H. GmbH“ verwendet worden seien. Mit umfangreichen Ausführungen hat sich die Beklagte auch jeweils in der Sache gegen die vom Kläger im Einzelnen erhobenen lauterkeitsrechtlichen Vorwürfe gewandt; der Senat geht auf diese Ausführungen, soweit dies geboten ist, im Rahmen der rechtlichen Prüfung der streitgegenständlichen Ansprüche ein. Schließlich hat die Beklagte gegenüber allen streitgegenständlichen Ansprüchen die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger habe in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Dortmund „zugestanden“, zum damaligen Zeitpunkt „bereits seit mehreren Monaten“ Kenntnis von den streitgegenständlichen geschäftlichen Handlungen gehabt zu haben. Darüber hinaus müsse der Kläger sich die Kenntnis der beiden Konkurrenzunternehmen, deren „Werkzeug“ er sei, zurechnen lassen. Insbesondere die „H. GmbH“ habe bereits seit März 2019 Kenntnis von den hier streitgegenständlichen geschäftlichen Handlungen.
48Mit dem angefochtenen, am 15.09.2021 verkündeten Urteil (Urschrift Blatt 285-304 der Gerichtsakte) hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen die Klage abgewiesen.
49Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.
50Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,
51das angefochtene Urteil abzuändern und
52I.
53die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nikotinhaltige Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten
541.
55in einer Faltschachtel in den Verkehr zu bringen, ohne Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise im Sinne der CLP-VO zusammen auf der Faltschachtel angeordnet zu kennzeichnen, wenn das geschieht wie folgt abgebildet:
56„Bilddarstellung wurde entfernt“,
572.
58an und/oder für die breite Öffentlichkeit abzugeben, welche ein Design haben, das die aktive Neugier von Kindern weckt, wenn das geschieht wie auf einem der folgenden Bilder abgebildet:
59„Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“ „Bilddarstellung wurde entfernt“,
60und/oder
613.
62mit der Angabe „Keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
63und/oder
644.
65a) mit der Angabe „kein Teer und kein Kohlenmonoxid“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
66und/oder
67b) mit der Angabe „keine krebserregenden Stoffe“ zu kennzeichnen und in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen
68und/oder
695.
70mit der Angabe „Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)“ zu bewerben, einschließlich zu kennzeichnen,
716.
72in einer Flasche in den Verkehr zu bringen, die nicht auf den gegenüberliegenden Seiten der Flasche jeweils mit dem gesundheitsbezogenen Warnhinweis „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff, der sehr stark abhängig macht“ gekennzeichnet ist,
73jeweils wenn dies geschieht wie in den Anlagenkonvoluten K3 und K3a wiedergegeben;
74II.
75die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
76Die Beklagte beantragt,
77die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
78Die Beklagte ist der Auffassung, die Berufung des Klägers sei bereits unzulässig, weil die Berufungsbegründung den an sie zu stellenden inhaltlichen Anforderungen nicht genüge. Jedenfalls sei die Berufung aber unbegründet, die Beklagte verteidigt insofern das angefochtene Urteil unter Wiederholung und weiterer Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
79Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.
80B.
81Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
82I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere genügt die Berufungsbegründung den an sie nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu stellenden inhaltlichen Anforderungen. Der Kläger setzt sich in seiner Berufungsbegründung mit den das angefochtene Urteil tragenden Erwägungen des Landgerichts auseinander. Dass er auf Gesichtspunkte, die das Landgericht ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht als entscheidungserheblich angesehen und daher nicht weiter geprüft hat (namentlich die Klagebefugnis bzw. Aktivlegitimation des Klägers und den von der Beklagten erhobenen Rechtsmissbrauchseinwand), nicht näher eingeht, ist unschädlich; insofern genügt die in der Berufungsbegründung enthaltene ausdrückliche Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers.
83II. Die Berufung ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Die Klage ist zulässig und in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist die Klage unbegründet.
841. Die Klage ist zulässig.
85a) Der Kläger ist insbesondere nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Dem in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragenen Kläger gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Beklagte vertreiben. Dies ergibt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – bereits daraus, dass dem Kläger über den ihm als unmittelbares Mitglied angehörenden „L. e.V.“ die Betreiber der deutschen „F.“-Supermärkte als mittelbare Mitglieder zuzurechnen sind und dass zum Warenangebot dieser Supermärkte unstreitig auch sogenannte „Liquids“ gehören.
86Die Auffassung der Beklagten, die streitgegenständlichen lauterkeitsrechtlichen Vorwürfe des Klägers berührten die Interessen der „F.“-Supermarktbetreiber nicht, weil diese die streitgegenständlichen Produkte der Beklagten unstreitig selbst vertreiben, vermag nicht zu überzeugen. Im Rahmen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist (lediglich) ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis erforderlich (BGH, Urteil vom 24.11.1999 – I ZR 189/97 – [Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge], juris, Rdnr. 40). Beruht die Klagebefugnis eines Verbandes – wie im vorliegenden Fall – auf der Mitgliedschaft von Handelsunternehmen, kann es für das Bestehen eines solchen abstrakten Wettbewerbsverhältnisses nicht entscheidend sein, welche konkreten Warenhersteller bei diesen Handelsunternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger zufällig als Lieferanten „gelistet“ sind (gerade bei den großen Supermarktketten ist die Stellung als Lieferant ohnehin oftmals nur eine sehr „flüchtige“ Position: Wer heute noch liefern darf, kann morgen schon aus Preisgründen oder anderen Gründen wieder „ausgelistet“ werden). Anderenfalls würde die Prüfung der den Verbänden im Allgemeininteresse zugebilligten Klagebefugnis massiv und unsachgemäß überfrachtet. Im Übrigen ist auch grundsätzlich davon auszugehen, dass Handelsunternehmen ein Interesse daran haben, dass die von ihnen an ihre Kunden weitervertriebenen Produkte den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften entsprechen.
87b) Das Vorgehen des Klägers erweist sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 Satz 1 a.F., § 8c Abs. 1 UWG).
88Dass der Kläger seine eigenen mittelbaren Mitglieder, die „F.“-Supermarktbetreiber, nicht wegen des Vertriebs der Produkte der Beklagten in Anspruch nimmt, vermag den Rechtsmissbrauchsvorwurf nicht zu begründen. Einen Grundsatz, dass ein Wirtschaftsverband im Falle der Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes zunächst gegen seine eigenen Mitglieder vorgehen muss, bevor er außenstehende Unternehmer in Anspruch nimmt, gibt es nicht. Zudem betrifft der vorliegende Rechtsstreit mittelbar auch die Supermarktbetreiber, weil die Beklagte im Falle des Ausspruches von Unterlassungsgeboten keine Produkte mehr an diese liefern darf, die den aus diesen Unterlassungsgeboten folgenden Anforderungen nicht entsprechen. Dass der Kläger bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen systematisch eigene Mitglieder verschont, was gegebenenfalls als Indiz für rechtsmissbräuchliches Verhalten gewertet werden kann, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
89Das Vorbringen der Beklagten, der Kläger agiere als „Werkzeug“ oder „Handlanger“ zweier Konkurrenzunternehmen, der „H. GmbH“ und der „O. GmbH & Co. KG“, geht über bloße Spekulationen nicht hinaus. Der Senat kann zu Gunsten der Beklagten unterstellen, dass der Kläger von diesen Unternehmen auf die hier in Rede stehenden geschäftlichen Handlungen aufmerksam gemacht worden ist. Dass ein Wirtschaftsverband aufgrund einer Beschwerde eines Dritten, bei dem es sich auch um einen Konkurrenten des in Anspruch zu nehmenden Unternehmers handeln kann, Kenntnis von Wettbewerbsverstößen erhält, ist ein üblicher und nicht zu beanstandender Vorgang. Die von der Beklagten behaupteten Äußerungen von Vertretern der beiden Konkurrenzunternehmen mögen zwar, sofern die Behauptungen der Beklagten zutreffen, dafür sprechen, dass diese beiden Unternehmen das Vorgehen des Klägers gegen die Beklagte begrüßen und sogar der (Fehl-)Vorstellung unterliegen, dass der Kläger (aufgrund einer von diesen Unternehmen beim Kläger angebrachten Beschwerde) als ihr „Werkzeug“ handele. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hier nicht im Verbands- bzw. Allgemeininteresse handelt, sondern lediglich die Partikularinteressen der beiden Konkurrentinnen der Beklagten vertritt oder sogar kollusiv mit diesen beiden Unternehmen zusammenarbeitet, existieren indes nicht. Dass der Kläger die Beklagte zunächst im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtlich in Anspruch genommen hat, ist insbesondere kein Indiz dafür, dass der Kläger in einem wie auch immer gearteten Innenverhältnis von Haftungsrisiken freigestellt worden ist. Das Vorbringen der Beklagten, der Kläger verwende im vorliegenden Rechtsstreit in seinen Schriftsätzen sogar teilweise Textpassagen aus Schriftsätzen der „H. GmbH“, bleibt ohne nähere Angaben zu diesen Textpassagen und ohne entsprechende Belege substanzlos.
902. Die Klage ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
91a) Klageantrag zu I.1.
92Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. den – als Marktverhaltensregelungen zu qualifizierenden – Bestimmungen in Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 CLP-VO.
93aa) Nach der Antragsformulierung und dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens zur Begründung dieses Antrages beanstandet der Kläger mit diesem Unterlassungsantrag nicht das Fehlen von Gefahren- und Sicherheitshinweisen auf der Karton-Faltschachtel für das „Beeren-Mix“-Liquid; aus diesem Grunde ist es unerheblich, dass sich auf dieser Faltschachtel – entgegen der Auffassung des Klägers – mit den Aufschriften „Gesundheitsschädlich bei Verschlucken!“ und „Bitte außer Reichweite von Kindern aufbewahren! Darf nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen.“ durchaus Gefahren- und Sicherheitshinweise befinden. Der Kläger beanstandet mit seinem Unterlassungsantrag auch nicht, dass es sich hierbei nicht um die von der CLP-VO vorgeschriebenen Hinweise handele oder dass diese Hinweise inhaltlich unrichtig seien.
94Der Kläger beanstandet vielmehr – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 32 Abs. 1 CLP-VO – allein, dass die vier in der CLP-VO genannten Kennzeichnungselemente „Gefahrenpiktogramme“, „Signalwörter“, „Gefahrenhinweise“ und „Sicherheitshinweise“ nicht zusammen auf der Karton-Faltschachtel für das „Beeren-Mix“-Liquid angeordnet sind.
95bb) Die CLP-VO ist auf das streitgegenständliche Liquid und dessen Verpackung anwendbar. Die Beklagte stellt nicht ernsthaft in Abrede, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden nikotinhaltigen Liquid grundsätzlich um ein Gemisch im Sinne der CLP-VO handelt. Die CLP-VO wird in der vorliegenden Fallkonstellation auch nicht durch tabakrechtliche Vorschriften verdrängt: Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 2 TabakerzG, die wiederum auf Art. 20 Abs. 1 der „Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG“ (im Folgenden: Tabak-RL) beruht, der ebenfalls ausdrücklich anordnet, dass elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie der vorgenannten Richtlinie und allen anderen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union genügen. Aus Art. 24 Abs. 1 Tabak-RL folgt lediglich, dass die Tabak-RL im Hinblick auf tabakrechtliche Fragestellungen eine abschließende Regelung ist. Die von der Beklagten benannte Ausnahmevorschrift des Art. 1 Abs. 2 lit. b) CLP-VO greift hier nicht ein, weil es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um Produkte geht, die sich „in vorübergehender Verwahrung oder in Freizonen oder in Freilagern zur Wiederausfuhr oder im Transitverkehr befinden“, sondern um Produkte, die sich im Großhandel, in stationären Einzelhandelsgeschäften oder in Online-Shop-Lagern zur Weitergabe an Endkunden (Verbraucher) befinden.
96cc) Die Kennzeichnung der Karton-Faltschachtel für das „Beeren-Mix“-Liquid genügt den Anforderungen des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO nicht.
97(1) Art. 32 Abs. 1 CLP-VO bestimmt, dass die Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise zusammen auf dem Kennzeichnungsetikett angeordnet werden. Ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlautes („werden zusammen […] angeordnet“) handelt es sich um eine zwingende Bestimmung, deren Einhaltung nicht im Ermessen des Herstellers oder Lieferanten steht. Aus Art. 31 Abs. 1 CLP-VO folgt, dass es sich bei einem Kennzeichnungsetikett zunächst einmal um einen von der (eigentlichen) Verpackung zu unterscheidenden Gegenstand handelt, der allerdings auf der Verpackung fest angebracht werden muss; aus Art. 31 Abs. 5 CLP-VO ergibt sich allerdings, dass auch die Möglichkeit besteht, die erforderlichen Informationen unmittelbar auf der Verpackung anzubringen (namentlich aufzudrucken), die Vorschriften für das Kennzeichnungsetikett gelten dann für die unmittelbar auf der Verpackung angebrachten Informationen entsprechend. Besteht die Verpackung aus mehreren Verpackungs-„Schichten“ (äußere Verpackung, Zwischenverpackungen, innere Verpackungen), ordnet Art. 33 Abs. 2 Satz 1 CLP-VO für die hier in Rede stehende Fallkonstellation an, dass alle Verpackungs-„Schichten“ nach den Bestimmungen der CLP-VO zu kennzeichnen sind.
98(2) Bei der Karton-Faltschachtel für das „Beeren-Mix“-Liquid handelt es sich um eine „Verpackung“ im Sinne der CLP-VO. Dies ergibt sich aus den Begriffsbestimmungen in Art. 2 Nrn. 36 und 37 CLP-VO. Bei der Faltschachtel handelt es sich um ein „Gefäß“ mit Umschließungsfunktion. Der Auffassung der Beklagten, ein „Gefäß“ könne nur ein Gegenstand aus hartem, festem Material sein, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine derartige Beschränkung ist dem Begriff nicht immanent. Überdies würde die Auffassung der Beklagten zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis führen, dass z.B. die Pappkartons, in denen regelmäßig pulverförmiges Waschmittel an Verbraucher abgegeben wird, keine „Verpackungen“ im Sinne der CLP-VO wären. Aus Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 4 CLP-VO ergibt sich, dass sogar „auflösbare“ Umhüllungen „Verpackungen“ im Sinne der CLP-VO sein können. Aus der Verwendung der Begriffe „Zwischenverpackung“ und „Außenverpackung“ in Art. 2 Nr. 37 CLP-VO folgt schließlich, dass auch diese weiteren „Verpackungs-Schichten“ begrifflich zu den Verpackungen im Sinne der CLP-VO zählen.
99(3) Die Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise sind auf der Karton-Faltschachtel nicht zusammen angeordnet. Gefahrenpiktogramm und Signalwort befinden sich zwar unmittelbar nebeneinander, die als Gefahren- und Sicherheitshinweise anzusehenden Aufschriften „Gesundheitsschädlich bei Verschlucken!“ und „Bitte außer Reichweite von Kindern aufbewahren! Darf nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen.“ befinden sich indes auf einer anderen Fläche der Schachtel. Art. 31 Abs. 1 CLP-VO erlaubt zwar, dass sich das Kennzeichnungsetikett auch über mehrere Flächen der Verpackung erstrecken darf. Um dem Schutzzweck des Art. 32 Abs. 1 CLP-VO zu genügen, ist aber auch in einem solchen Fall zu fordern, dass zwischen den einzelnen Kennzeichnungselementen ein Kennzeichnungszusammenhang (z.B. durch einen Rahmen um alle Kennzeichnungselemente oder einen gleichfarbigen Hintergrund für alle Elemente) besteht. Ein derartiger Zusammenhang fehlt hier.
100(4) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung in Art. 33 Abs. 2 Satz 2 CLP-VO berufen. Befindet sich das Kunststofffläschchen mit dem Liquid in der Karton-Faltschachtel, sind die Kennzeichnungen auf und an dem Fläschchen (siehe hierzu insbesondere die Abbildung auf Blatt 38 der Gerichtsakte) nicht erkennbar. Art. 33 Abs. 2 Satz 2 CLP-VO greift, worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat, letztlich nur bei transparenten äußeren Verpackungen ein.
101(5) Auch auf die Ausnahmeregelung in Anhang I Ziffer 1.5.2.1.1. lit. b) Nr. 11 CLP-VO kann sich die Beklagte nicht berufen: Die Kunststofffläschchen enthalten zwar jeweils weniger als 125 ml Liquid; das Liquid wird indes an die „breite Öffentlichkeit“ abgegeben (zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insofern auf die diesbezüglichen Ausführungen nachfolgend unter b) verwiesen).
102dd) Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG. Die nicht den einschlägigen Vorschriften entsprechende Anordnung der Kennzeichnungselemente, der im Ergebnis eine geringere Abschreckungswirkung innewohnt als der gesetzlich vorgeschriebenen Anordnung, ist dazu geeignet, die Motivation von Verbrauchern zu einem Erwerb oder Nachkauf des Produktes zu erhöhen.
103ee) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
104ff) Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist schließlich auch nicht verjährt.
105Die sechsmonatige Verjährungsfrist nach § 11 Abs. 1 UWG begann nach § 11 Abs. 2 UWG frühestens am 13.09.2019. Dass der Kläger bereits vorher Kenntnis von den hier streitgegenständlichen geschäftlichen Handlungen hatte oder hätte haben müssen, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat dies insbesondere auch nicht in dem Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Dortmund „zugestanden“: Ausweislich des dortigen Sitzungsprotokolls (Abdruck in der Anlage B21) hat sich der dortige Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Umstände der Kenntnisnahme durch den Kläger auf seine Schweigepflicht berufen und keine konkreten Angaben gemacht; Auswirkungen auf den vorliegenden Rechtsstreit hat dieses Verhalten nicht, auch eine Indizwirkung für eine gegebenenfalls schon zu einem früheren Zeitpunkt bestehende Kenntnis kommt diesem Prozessverhalten nicht zu. Der Kläger muss sich, weil er nicht als „Werkzeug“ oder „Handlanger“ der beiden Konkurrenzunternehmen der Beklagten anzusehen ist, auch nicht die etwaige frühere Kenntnis dieser beiden Konkurrenzunternehmen zurechnen lassen.
106Der Kläger hat noch vor dem Ablauf der Verjährungsfrist Klage erhoben und hierdurch eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB herbeigeführt.
107b) Klageantrag zu I.2.
108Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO.
109aa) Das Design der vier in den Klageantrag „eingeblendeten“ Faltschachteln widerspricht der in Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO enthaltenen Bestimmung, nach der Verpackungen eines gefährlichen Stoffes oder Gemisches, der/das an die breite Öffentlichkeit abgegeben wird, keine Form und kein Design haben dürfen, die/das die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnte.
110(1) Dass die CLP-VO hier anwendbar ist und dass es sich bei den Karton-Faltschachteln um „Verpackungen“ im Sinne der CLP-VO handelt, hat der Senat bereits oben unter a) dargelegt. Die Auffassung der Beklagten, Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO sei im vorliegenden Zusammenhang nicht anwendbar, weil tabakrechtlich nach § 18 Abs. 4 TabakerzG Informationen über Aromastoffe zulässig seien, verkennt, dass der Unterlassungsantrag nicht darauf gerichtet ist, der Beklagten jedwede Information ihrer Kunden über Aromastoffe in den Liquids zu untersagen, sondern sich nur gegen die in den Klageantrag eingeblendeten bildlichen Darstellungen zu den Aromastoffen (und kerngleiche bildliche Darstellungen) richtet.
111(2) Die hier streitgegenständlichen Liquids werden an die „breite Öffentlichkeit“ abgegeben. Jede volljährige Person in Deutschland kann diese Liquids erwerben. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Unser wichtigstes Cigarettenpapier“ (BGH, Urteil vom 18.11.2010 – I ZR 137/09 – [Unser wichtigstes Cigarettenpapier], juris) – wenn auch in einem anderen rechtlichen Zusammenhang –bereits den „Mitgliederbestand einer großen Volkspartei“ als „breite Öffentlichkeit“ angesehen (BGH, Urteil vom 18.11.2010 – I ZR 137/09 – [Unser wichtigstes Cigarettenpapier], juris, Rdnr. 14). Es ist kein Grund ersichtlich, dies im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO anders zu bewerten. Wenn bereits der Mitgliederbestand einer großen Volkspartei eine „breite Öffentlichkeit“ darstellt, muss dies erst recht für einen Abnehmerkreis gelten, der jeden Volljährigen umfasst. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten läuft letztlich darauf hinaus, eine „breite Öffentlichkeit“ nur dann zu bejahen, wenn zum angesprochenen Personenkreis nicht nur alle Volljährigen, sondern auch alle Minderjährigen gehören, d.h. letztlich den Begriff der „breiten Öffentlichkeit“ mit dem Begriff „jedermann“ gleichzusetzen. Abgesehen davon, dass eine solche Auslegung den Anwendungsbereich des Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO in nicht gerechtfertigtem Ausmaß einengen würde, hat der Verordnungsgeber der CLP-VO gerade nicht den Begriff „jedermann“, sondern einen engeren Begriff verwendet.
112(3) Die bildlichen Darstellungen zu den Aromastoffen auf den Faltschachteln stellen Designs dar, die die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnten.
113Bei der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals ist die Verpackung isoliert, d.h. ohne Berücksichtigung des üblichen Präsentations- oder Verkaufsumfeldes, zu betrachten. Zweck der CLP-VO ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit. Diese Zielsetzung gebietet es, Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO dahin auszulegen, dass die Vorschrift Kinder auch dann schützen soll, wenn diese im Umfeld (z.B. im Privathaushalt) einer Person, die das Produkt legal erworben hat, mit der Produktverpackung in Kontakt kommen. Dass eine derartige Situation für die hier in Rede stehenden Produkte und deren Verpackungen ausgeschlossen ist, ist nicht ersichtlich.
114Das in Art. 35 Abs. 2 Unterabsatz 1 CLP-VO ausgesprochene Designverbot ist darüber hinaus vergleichsweise weit gefasst: Verboten ist bereits ein Design, das lediglich die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnte. Dies ist hier der Fall. Der Senat kann dabei die hier in Rede stehenden bildlichen Darstellungen ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen bewerten. Die erkennenden Senatsmitglieder sind sämtlich mehrfache Familienväter und aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen als Elternteile in der Lage zu beurteilen, ob die hier streitgegenständlichen bildlichen Darstellungen die aktive Neugier von Kindern wecken oder anziehen könnten. Diese letztgenannte Frage ist zu bejahen: Die auf den Faltschachteln in ansprechenden Arrangements und in ansprechender Farbgebung abgebildeten Süßigkeiten (Karamell, Schokolade, Vanilleeis) und sonstigen Lebensmittel (frisch und appetitlich aussehende Beeren) gehören zu den Gegenständen, die für Kinder, insbesondere kleinere Kinder, typischerweise besonders interessant sind. Kinder, insbesondere kleinere Kinder, unterliegen einem besonderen Reiz, sich mit diesen Gegenständen aktiv näher zu befassen. Dass die Faltschachteln neben diesen Abbildungen noch weitere Design- und Kennzeichnungselemente aufweisen, die für Kinder unverständlich und unattraktiv sind, ist ohne Belang, denn diese Elemente sind nicht derart „abschreckend“, dass Kinder in jedem Falle von einer näheren Befassung mit der Verpackung und dem darin befindlichen Produkt Abstand nehmen würden. Ebenso ohne Belang ist, dass die Kunststofffläschchen keine Designelemente aufweisen, die für Kinder interessant sind. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine einmal – durch die Aufmachung der Faltschachtel – geweckte kindliche Neugier stets „verfliegt“, sobald das Kind die Faltschachtel öffnet und die als solche uninteressante Kunststoffflasche sieht.
115Dass auf dem Markt zahlreiche Produkte – insbesondere im Kosmetika- und Reinigungsmittelbereich – existieren, die durchaus gefährliche Inhaltsstoffe haben und gleichwohl mit auf Kinder interessant wirkenden Designelementen aufgemacht sind, ist für den vorliegenden Rechtsstreit ebenfalls ohne Bedeutung. Der Senat hat über die Zulässigkeit der Aufmachungen dieser anderen Produkte nicht zu entscheiden, auf eine „Gleichheit im Unrecht“ kann sich die Beklagte nicht berufen. Es mag im Übrigen durchaus sein, dass bei Kindern mittlerweile ein gewisser Gewöhnungseffekt im Hinblick auf derartige Produktgestaltungen eingetreten ist, dieser Gewöhnungseffekt ist aber zum einen umso geringer, je jünger Kinder sind; zum anderen trifft es sicher nicht zu, dass Kinder im heutigen Konsumumfeld derart „abgestumpft“ sind, dass die hier konkret streitgegenständlichen bildlichen Darstellungen auf den von der Beklagten in Verkehr gebrachten Faltschachteln auf sie nicht mehr interessant wirken.
116bb) Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG. Die streitgegenständlichen bildlichen Darstellungen stellen auch gegenüber Volljährigen einen besonderen Blickfang dar. Die Beklagte verschafft sich hierdurch gegenüber Mitbewerbern, die auf Aromastoffe in ihren Liquids nur in sprachlicher Form ohne Abbildungen hinweisen, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Zudem besteht die Gefahr, dass Kinder in einem Einzelhandelsgeschäft die streitgegenständlichen Abbildungen sehen (gegebenenfalls auch nur aus weiterer Entfernung), ihre Eltern auf die Produkte der Beklagten aufmerksam machen und das auf diese Weise bei den Eltern geweckte Interesse an dem Produkt schlussendlich zu einer Kaufentscheidung führt.
117cc) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
118dd) Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist schließlich auch nicht verjährt. Es gelten die diesbezüglichen Ausführungen oben unter a).
119c) Klageantrag zu I.3.
120Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 TabakerzG.
121aa) Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 TabakerzG sind bei der Werbung für Liquids werbliche Informationen, die sich auf Zusatzstoffe oder deren Fehlen beziehen, untersagt. Gegen dieses Verbot verstößt die Werbeaussage, das Liquid enthalte „keine suchtverstärkenden Zusatzstoffe“.
122bb) Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG. Die unzulässige Werbeaussage ist geeignet, die Hemmschwelle gegenüber einem Kauf des Produkts herabzusetzen.
123cc) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
124dd) Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist schließlich auch nicht verjährt. Es gelten die diesbezüglichen Ausführungen oben unter a). Die Behauptung der Beklagten in ihrer Klageerwiderungsschrift vom 25.03.2020, sie verwende diese Werbeaussage bereits „seit mindestens einem Jahr“ nicht mehr, vermag der erhobenen Verjährungseinrede nicht zum Erfolg zu verhelfen. Für den Verjährungsbeginn nach § 11 Abs. 2 UWG ist diese Behauptung ohne jede Relevanz; überdies können auch noch längere Zeit nach einer Änderung der Verpackungsaufmachung durch die Beklagte Produkte mit dem bisherigen Verpackungsdesign bei Groß- und Einzelhändlern im Umlauf sein. Dass ein Fall der absoluten Verjährung nach § 11 Abs. 4 UWG vorliegt, lässt sich den Ausführungen der Beklagten nicht entnehmen.
125d) Klageantrag zu I.4.a)
126Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 18 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 TabakerzG.
127aa) Indem die Beklagte auf den Faltschachteln angibt, das Liquid enthalte „keinen Teer und kein Kohlenmonoxid“, wirbt sie – anders ausgedrückt – mit einen Teer- und Kohlenmonoxidgehalt von „Null“ und verstößt damit gegen das in § 18 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 TabakerzG ausgesprochene Verbot.
128bb) Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG. Die unzulässige Werbeaussage ist geeignet, die Hemmschwelle gegenüber einem Kauf des Produkts herabzusetzen.
129cc) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
130dd) Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist schließlich auch nicht verjährt. Es gelten die diesbezüglichen Ausführungen oben unter a).
131e) Klageantrag zu I.4.b)
132Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 a.F., § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 n.F. UWG.
133aa) Bei der streitgegenständlichen Werbeaussage handelt es sich um eine lauterkeitsrechtlich unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG dürfen bei der Herstellung von Liquids grundsätzlich nur Inhaltsstoffe verwendet werden, die in erhitzter und nicht erhitzter Form kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen. Genau dahin – bezogen auf das Gesundheitsrisiko „Krebs“ – versteht indes der angesprochene Verkehr die hier streitgegenständliche Werbeaussage.
134Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Werbeaussage vollständig „keine krebserregenden Stoffe gemäß REACH Verordnung EG 1907/2006“ lautet, und schließt hieran die rechtliche Argumentation an, mit dem Verzicht auf alle krebserregenden Stoffe im Sinne der sogenannten „REACH-Verordnung“ gehe sie über die Vorgaben des § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG hinaus, worauf sie auch hinweisen dürfe. Ob die Beklagte bei der Herstellung ihrer Liquids tatsächlich in dem vorgenannten Sinne „überobligationsmäßig“ handelt, kann dahinstehen. Denn im vorliegenden Zusammenhang kommt es (allein) darauf an, wie der angesprochene Verkehr – hier die Verbraucher – die streitgegenständliche Werbeaussage versteht. Der durchschnittlich informierte Verbraucher hat indes keine vertieften Kenntnisse über den Inhalt der sogenannten „REACH-Verordnung“. Er versteht die streitgegenständliche Werbeaussage vielmehr (lediglich) dahin, dass in dem Liquid in erhitzter und nicht erhitzter Form keine Stoffe in einer Menge oder Konzentration enthalten sind, die für ihn ein Gesundheitsrisiko im Hinblick auf eine Krebserkrankung darstellen; und genau dies ist der Regelungsgehalt des § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG.
135bb) Die Irreführung ist auch geschäftlich relevant. Sie ist geeignet, die Hemmschwelle gegenüber einem Kauf des Produkts herabzusetzen.
136cc) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
137dd) Der Unterlassungsanspruch ist schließlich auch nicht verjährt. Dabei ist es unschädlich, dass der Kläger den hier in Rede stehenden Unterlassungsantrag erst mit seinem Klageerweiterungsschriftsatz vom 12.05.2020 gestellt hat. Der Kläger hat angegeben, bei den streitgegenständlichen geschäftlichen Handlungen handele es sich um Dauerhandlungen, die Beklagte verwende also Faltschachteln mit der hier streitgegenständlichen Werbeaussage trotz Abmahnung und Klageerhebung auch weiterhin als Verpackung für die von ihr vertriebenen Liquids. Dieser Behauptung ist die Beklagte im Hinblick auf die Verwendung der hier streitgegenständlichen Werbeaussage nicht entgegengetreten. Damit war die Verjährung zum Zeitpunkt der Klageerweiterung noch nicht einmal in Lauf gesetzt worden.
138f) Klageantrag zu I.5.
139Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage jedenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 TabakerzG.
140aa) Der angesprochene Verkehr, zu dem die erkennenden Senatsmitglieder als Verbraucher ebenfalls gehören, versteht die Werbeaussage „Nikotinkonzentrat in gereinigter Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)“ dahin, dass es sich bei dem von der Beklagten verwendeten Nikotinkonzentrat um ein besonders reines Nikotinkonzentrat handelt, das in besonderem Maße frei von möglicherweise schädlichen Beimengungen oder Rückständen anderer Stoffe ist. Den Umstand, dass die Beklagte auf die „gereinigte Arzneimittelqualität (Ph. Eur. Qualität)“ besonders hinweist und sich nicht darauf beschränkt, in der Zutatenliste des Produktes das Wort „Nikotinkonzentrat“ aufzuführen, wertet der angesprochene Verkehr dahin, dass es sich bei dem von der Beklagten verwendeten Nikotinkonzentrat im Vergleich zu dem Nikotinkonzentrat anderer Hersteller um einen qualitativ besonders hochwertigen, besonders reinen Stoff handelt. Im Ergebnis wirbt die Beklagte mit der streitgegenständlichen Werbeaussage also damit, dass ihr Produkt wegen der besonderen Reinheit des von ihr verwendeten Nikotinkonzentrates weniger schädlich als die Liquids anderer Hersteller ist, und verstößt damit gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 TabakerzG.
141bb) Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG. Die unzulässige Werbeaussage ist geeignet, die Hemmschwelle gegenüber einem Kauf des Produkts herabzusetzen.
142cc) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
143dd) Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist schließlich auch nicht verjährt. Es gelten die diesbezüglichen Ausführungen oben unter a).
144g) Klageantrag zu I.6.
145Der mit diesem Klageantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht nicht. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 27 Abs. 3 Satz 1 TabakerzV in Betracht. Ein Verstoß gegen die letztgenannte Vorschrift liegt indes nicht vor.
146§ 27 Abs. 3 Satz 1 TabakerzV schreibt vor, dass der Warnhinweis „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff, der sehr stark abhängig macht.“ auf den zwei größten Flächen der Packung angebracht wird. Der Kläger möchte dieser Regelung entnehmen, dass der Warnhinweis zweimal auf der Außenseite des Flaschenbauchs angebracht werden müsse, nämlich auf sich gegenüberliegenden Seiten der Flasche. Die von der Beklagten verwendeten Fläschchen sind indes zylindrisch, die Außenseite des Flaschenbauchs ist nach den Grundsätzen der Elementargeometrie nur eine Fläche; der Kläger möchte also erreichen, dass eine Fläche zweimal mit dem vorbezeichneten Warnhinweis gekennzeichnet wird. Dies lässt sich der Regelung in § 27 Abs. 3 Satz 1 TabakerzV indes nicht entnehmen.
147h) Klageantrag zu II.
148Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten findet seine Grundlage in § 12 Abs. 1 Satz 2 a.F. UWG. Bedenken gegen die Höhe der Abmahnkostenpauschale bestehen nicht.
149Der Zinsanspruch beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
150III. Dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag, ihr eine Schriftsatzfrist zu den Ausführungen des Senats in der mündlichen Verhandlung zu gewähren, war nicht zu entsprechen. Die Erörterung der Sach- und Rechtslage durch den Senat bewegte sich im Rahmen der vorherigen schriftsätzlichen Argumentation der Parteien.
151Die Beklagte hat gleichwohl nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung noch schriftsätzlich Stellung genommen. Der Senat hat diese Ausführungen zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.
152C.
153Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 712 ZPO hat die Beklagte nicht dargetan.
154Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO.
155D.
156Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2 GKG. Der Senat bewertet den Klageantrag zu I.2. aufgrund seiner besonderen Bedeutung mit 40.000,00 € und die übrigen sechs Unterlassungsanträge mit jeweils 20.000,00 €.