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Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Dezember 1992 verkündete Grund- und Teilurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 10 O 364/91 - wird zu-rückgewiesen. Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstrekkung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 40.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand:
2Die Kläger sind die Eltern und Erben des ursprünglichen Klägers A. B., geboren am 16. Januar 1985 und verstorben am 19. Juli 1992.
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Der Beklagte zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks S.-Straße 9 in W., das er zusammen mit der Beklagten zu 2), seiner Ehefrau, und seinem Sohn T. bewohnt.
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Zur Straße hin wird das Grundstück durch ein Rolltor und einen Gitterzaun abgeschlossen. Von diesem Eingang gelangt man am Wohnhaus und an einer Werkhalle vorbei auf das rückwärtige Grundstück. Dort befindet sich ein in den Boden eingelassenes Schwimmbecken von einer Gesamtlänge von 8,55 m, dessen oberer Rand etwa 20 cm über den Boden hin-ausragt. Am 6. März 1991 war das Becken 1,10 m hoch mit Wasser gefüllt und die Beckenabdeckung war ent-fernt worden, um das Wasser zu ersetzen.
7Zum Nachbargrundstück der Zeugen T. hin ist das Grundstück des Beklagten zu 1) durch einen etwa 1,60 m hohen Zaun begrenzt.
8Am 6. März 1991 spielten auf dem Grundstück des Beklagten zu 1) dessen Sohn T., geboren am 4. März 1988 und das Kind C. T., geboren am 19. Dezember 1987. Zu ihnen gesellte sich A. B.. Gegen 16.00 Uhr fiel A. in das Schwimmbecken. Im Ermittlungsverfahren hat C. T. gegenüber dem vernehmenden Polizeibeamten angegeben, er habe A. in das Wasser gestoßen. A. wurde dort kurze Zeit später - die genaue Zeitspanne ist streitig - unter anderem von der Beklagten zu 2) gefunden, aus dem Wasser gezogen, nach Reanimationsmaßnahmen in das Krankenhaus E. verbracht und am nächsten Tag in das A. Klinikum verlegt, von wo er am 1. Juni 1991 entlassen wurde. Am 2. Januar 1992 wurde er in eine Rehabilitationsklinik aufgenommen, wo er am 19. Juli 1992 verstarb.
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Mit der Klage haben die Kläger Zahlung eines Schmerzensgeldes und Feststellung der zukünftigen Ersatzpflicht der Beklagten mit der Begründung verlangt, diese hätten die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil der Zugang zu dem Schwimmbecken durch das zur Unfallzeit geöffnete Rolltor ungehindert möglich gewesen sei. Auf diesem Wege sei auch A. zu dem Schwimmbecken gelangt.
11Durch den Unfall habe A. ein apallisches Syndrom erlitten. Seine Gehirnzellen seien zerstört gewesen, dennoch habe er Schmerzen gefühlt und seine Hilflosigkeit empfinden können. Er habe ständig betreut werden müssen. Eine Besserung seines Zustandes habe nicht erwartet werden können.
12Die Kläger haben beantragt,
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14die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen mit 4 % Zinsen seit dem 23. Dezember 1991,
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16festzustellen, daß die Beklagten als Gesamt-schuldner verpflichtet sind, ihnen jeglichen Schaden zu ersetzen, der dem Verstorbenen an-läßlich des Unfalls vom 6. März 1991 entstan-den ist und noch entsteht.
17Die Beklagten haben beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie haben behauptet, A. sei nicht durch das Rolltor auf das Grundstück gelangt, sondern über den Zaun zum Grundstück der Zeugen T. geklettert. Andern-falls hätte die Beklagte zu 2) ihn sehen müssen, da sie sich ständig im Wohnzimmer aufgehalten und Blickkontakt zu den im Torbereich spielenden Kin-dern T. und C. gehabt habe.
20A. sei in der Vergangenheit ausdrücklich verboten worden, das Grundstück des Beklagten zu 1) zu betreten, da er wahrheitswidrig behauptet habe, schwimmen zu können.
21Schließlich müßten sich die Kläger eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht entgegenhalten lassen.
22Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung hat das Landgericht durch das angefochtene Teil- und Grundurteil den Klägern ein Schmerzensgeld von 30.000,00 DM zugesprochen, im übrigen den Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Feststellungs-antrag abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, die Beklagten hätten die ihnen obliegende Verkehrssiche-rungspflicht verletzt, da sie keine hinreichenden Schutzvorkehrungen gegen die von dem Schwimmbecken ausgehenden Gefahren für Dritte getroffen hätten. Auszugehen sei davon, daß A. durch das geöffnete Rolltor auf das Grundstück gelangt sei. Eine etwaige Aufsichtspflichtverletzung brauche sich A. nicht anrechnen zu lassen. Unabhängig von einer noch durchzuführenden Beweisaufnahme stehe fest, daß ein Schmerzensgeldanspruch i.H.v. jedenfalls 30.000,00 DM bestehe. Den Feststellungsantrag hat die Kammer wegen der Möglichkeit, bereits entstandene Schäden zu beziffern, abgewiesen und wegen der Zukunftsschäden als gegenstandslos angesehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidung Bezug genommen.
23Mit der Berufung begehren die Beklagten vollständige Klageabweisung. Sie machen weiterhin geltend, die Grundstücksumzäunung sei ausreichend, zumal fremde Kinder sich ohne Erlaubnis nie auf dem Grundstück des Beklagten zu 1) aufgehalten oder dort gespielt hätten. Ihrem Sohn T. und C. T. sei ausdrücklich eingeschärft worden, den hinteren Teil des Grundstücks nie allein zu betreten. Daran hät-ten diese sich auch gehalten. Andere Kinder hätten nur unter Aufsicht auf dem Grundstück gespielt, A. bis zum Unfall überhaupt noch nicht.
24Im Sommer 1990 sei A., als er in Begleitung des Klägers auf das Grundstück gekommen sei, ausdrücklich erklärt worden, er dürfe nicht auf den hinteren Wiesenteil des Grundstücks gehen. Danach habe er das Grundstück nicht wieder betreten.
25Die Beklagte zu 2) habe aus dem Wohnzimmerfenster die Kinder T. und C. stets im Auge gehabt. Sie hät-te sehen müssen, wenn A. durch das einen Spalt of-fene Rolltor auf das Grundstück gelangt sei. Daraus sei der Schluß zu ziehen, daß er über den 1,60 m hohen Maschendrahtzaun geklettert sei.
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Jedenfalls hätten die Kläger ihre Aufsichtspflicht gegenüber A. verletzt, was gegenüber dem Schadensersatzanspruch zu berücksichtigen sei. Das Schmerzensgeld sei mit 30.000,00 DM schon wesentlich zu hoch bemessen.
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Die Beklagten beantragen daher, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
30Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
31Sie bestreiten, daß die Beklagte zu 2) vom Wohnzimmerfenster des Hauses aus ständig den Eingangsbereich des Grundstücks im Auge gehabt habe und vertreten die Auffassung, die Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Partei-en und die zu den Akten gereichten Unterlagen ver-wiesen. Die Akten 22 Js 396/91 StA Aachen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
36Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1, 840 Abs. 1, 847 Abs. 1, 1922 BGB zur Zahlung ei-nes Schmerzensgeldes verurteilt zum Ausgleich der Körper-verletzung, die der verstorbene Sohn A. der Kläger, durch den Unfall am 6. März 1991 erlitten hat.
37Der Unfall hat sich dadurch ereignet, daß A. auf dem Grundstück des Beklagten zu 1) in das dort befindliche Schwimmbecken gefallen oder gestoßen worden ist. Die Haf-tung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrs-sicherungspflicht trifft deshalb den Beklagten zu 1) als Grundstückseigentümer. Sie trifft aber auch die Beklagte zu 2), dessen Ehefrau, als unmittelbare Mitbesitzerin des Grundstücks. Als solche war sie nämlich in der Lage, die von dem Grundstück ausgehenden Gefahren für Dritte tun-lichst abzuwenden.
38Die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht haben bei-de Beklagten schuldhaft verletzt.
39Auf dem Grundstück des Beklagten zu 1) bildete das im rückwärtigen Teil befindliche Schwimmbecken eine Gefah-renquelle. Der Rand des Beckens ragte nur etwa 20 cm über den Erdboden hinaus. Es war zur Unfallzeit ca. 1,10 m hoch mit Wasser gefüllt. Die Abdeckung des Beckens war entfernt.
40Es liegt auf der Hand, daß ein solches Schwimmbecken eine Gefahrenquelle für die Personen bildet, die sich auf dem Grundstück aufhalten. Denn ein Sturz in das Becken, etwa infolge Unaufmerksamkeit ist ohne weiteres möglich, wenn die Umrandung nur etwa 20 cm hoch ist.
41Allerdings besteht die Verkehrssicherungspflicht nicht gegenüber Personen, die sich unbefugt auf das Grundstück begeben. Das gilt aber wiederum nicht gegenüber Kindern. Bei diesen müssen deren Spieltrieb, Unerfahrenheit, Bewegungsdrang und Neugier berücksichtigt werden. Denn ein Schwimmbecken auf einem Grundstück bietet gerade für Kinder einen erheblichen Anreiz, wie die Lebenserfahrung zeigt.
42Die Beklagten wußten, daß auf dem Grundstück Kinder spielten. Nicht nur ihr eigener Sohn T. spielte dort, sondern auch das Kind C. T.. Sie wußten auch, daß der Sohn der Kläger in der Nachbarschaft lebte und dieser von dem Schwimmbecken wußte. Denn A. war im Sommer 1990 auf dem Grundstück gewesen und hatte dort das Becken gesehen.
43Mußten die Beklagten damit davon ausgehen, daß in der Nachbarschaft wohnende Kinder von dem Schwimmbecken wußten, mußten sie in Rechnung stellen, daß die Kinder aufgrund der oben dargelegten Motivation das Grundstück aufsuchten, um zu dem Schwimmbecken zu gelangen. Dagegen mußten sie deshalb zumutbare Sicherungsvorkehrungen er-greifen. Das haben sie unterlassen.
44Gesichert war das Grundstück durch einen seitlichen 1,60 m hohen Zaun zum Nachbargrundstück T. und zur Straße hin durch einen Metallgitterzaun mit einem 3 m breiten Rolltor. Dieses Rolltor stand tagsüber häufig offen, weil der auf dem Grundstück des Beklagten zu 1) vorhandene Gewerbebetrieb dieses Tor als Zugang benutzen mußte. Es stand auch zur Unfallzeit jedenfalls so weit offen, daß Kinder durch die Öffnung auf das Grundstück gelangen konnten. Das hat die Beklagte zu 2) im Ermittlungsverfahren 22 Js 396/91 StA Aachen eingeräumt und ergibt sich ferner daraus, daß am Unfalltag die Kinder T. und C. während ihres gemeinsamen Spiels durch die Öffnung das Grundstück verließen. Nach Passieren des Rolltors war der Zugang zum Schwimmbecken im rückwärtigen Teil ungehindert möglich, denn es befand sich keine zusätzliche Sicherung, etwa in Form eines Zaunes auf dem Grundstück, die den Zugang zum Schwimmbecken jedenfalls für Kinder unmöglich machte oder doch erheblich erschwerte.
45Der Senat geht davon aus, daß auch A. am Unfalltag durch das offene Rolltor auf das Grundstück und dann zum Schwimmbecken gelangte. Das ergibt sich einmal daraus, daß die Kinder T. und C. diesen Zugang bei ihrem Spiel benutzten. A. hat offenbar diese beiden Kinder begleitet oder ist ihnen nachgefolgt, als diese auf das Grundstück zurückgingen. Dafür spricht die Aussage der Zeugin K. T., wonach A. sich zu T. und C. gesellte, als diese auf dem Grundstück der Familie T. spielten. Warum A., wie die Be-klagten vortragen, über den 1,60 m hohen Zaun geklettert sein sollte, ist nicht ersichtlich, da sich ihm ein hin-dernisfreier Zugang bot, den auch die beiden anderen Kin-der benutzten. Damit steht in Einklang, daß auch die Zeu-gin K. T. weder A. noch die Kinder T. und C. jemals dabei beobachtete, daß diese über den Zaun kletterten.
46Der Vortrag der Beklagten, die Beklagte zu 2) habe die Straße vor dem Grundstück und das Rolltor zur Unfallzeit ständig im Blick gehabt, zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, also müsse A. über den 1,60 m hohen Zaun geklettert sein. Die Beklagte zu 2) beschäftigte sich im Wohnzimmer mit einer Strickarbeit. Schon deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe ihren Blick ununterbrochen und unverwandt auf die Straße und das Rolltor gerich-tet gehabt. Die Lichtbilder in der Ermittlungsakte 22 Js 396/91 StA Aachen zeigen zudem, daß vom straßensei-tigen Wohnzimmerfenster aus das Rolltor jedenfalls nicht ohne weiteres im Blickfeld liegt. Man muß vielmehr entwe-der nahe an das Fenster herantreten oder sich sogar aus dem Fenster herausbeugen, um ungehindert auf den Zugangs-bereich mit dem Rolltor sehen zu können.
47Damit haben die Beklagten schuldhaft einen hindernisfrei-en Zugang zu dem Schwimmbecken geschaffen und unterhal-ten, der auch am Unfalltag von A. benutzt wurde.
48Sie haben ihre Verkehrssicherungspflicht auch nicht auf andere Weise erfüllt. Es stellte keine hinreichende Sicherungsmaßnahme dar, A. eindringlich vor den Gefahren des Schwimmbeckens zu warnen und ihm das Betreten des Grundstücks zu verbieten. Diese Belehrung ist nach dem Vortrag der Beklagten ein einziges Mal im Sommer 1990 erfolgt, als A. etwa 5 1/2 Jahre alt war. Die Beklagten konnten und durften nicht davon ausgehen, eine solche Warnung halte ein Kind vom zukünftigen Betreten des Grundstücks und vom Aufsuchen des Schwimmbeckens ab. Denn der Verkehrssicherungspflichtige muß auch dem typischen kindlichen Ungehorsam Rechnung tragen und außerdem beachten, daß Warnungen gerade bei Kindern nach einem längeren Zeitraum in Vergessenheit geraten.
49Die Beklagte zu 2) hatte auch zur Unfallzeit den Grundstücksbereich mit dem Schwimmbecken nicht ständig im Auge und unter Kontrolle. Vorstehend ist bereits dargelegt, daß nicht davon ausgegangen werden kann, sie habe den Zugangsbereich hinreichend überwacht, um Kinder am Betre-ten des Grundstücks hindern zu können. Ihr Vortrag, etwa 5 Minuten, nachdem sie die Rückkehr der Kinder T. und C. auf das Grundstück des Beklagten zu 1) bemerkt habe, sei sie aufgestanden, um nach den Kindern zu sehen, weil es etwas ruhig geworden sei, belegt anschaulich, daß sie keine ausreichende Kontrolle über den Schwimmbeckenbereich hatte. Denn sie sah sich veranlaßt, nach den beiden Kindern zu schauen, weil sie eben nicht wußte, wo sie sich aufhielten.
50Danach steht fest, daß die Beklagten ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt haben, weil sie unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht dafür gesorgt haben, daß Kinder vor den Gefahren des Schwimmbeckens ausreichend geschützt wurden.
51Ein Mitverschulden mindert den dem Grunde nach festste-henden Schmerzensgeldanspruch nicht. A. selbst war im Un-fallzeitpunkt noch keine 7 Jahre alt. Ein Mitverschulden der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der el-terlichen Aufsichtspflicht ist nicht zu berücksichtigen. §§ 254, 278 BGB kommen als Zurechnungsgrundlage nicht in Betracht. Die Anwendung dieser Bestimmungen setzt eine Sonderverbindung zwischen Gläubiger und Schädiger voraus. Daran fehlt es bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung. Ein Mitverschulden seiner gesetzlichen Vertreter brauchte sich danach das geschädigte Kind nicht entgegenhalten zu lassen.
52An dieser Rechtslage hat sich nichts dadurch geändert, daß die Kläger nunmehr den auf sie im Wege der Erbfolge übergegangenen Anspruch ihres Sohnes geltend machen. Richtig ist allerdings, daß sie im Falle einer schuld-haften Aufsichtspflichtverletzung grundsätzlich als Ge-samtschuldnern mit den Beklagten ihrem Sohn auf Scha-densersatz haften würden. Würde nunmehr der mögliche Aus-gleichsanspruch der Beklagten aus § 421 BGB den Klägern entgegengehalten werden können, so würde das letztlich dazu führen, daß der in der Hand der Kläger befindliche Schadensersatzanspruch ihres Sohnes gemindert würde. Da-durch würde aber die ansonsten bestehende Rechtslage, wo-nach der deliktische Anspruch des geschädigten Kindes gegenüber dem Schädiger nicht gemindert wird, wenn den El-tern eine Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen ist, in ihr Gegenteil verkehrt. Dazu besteht kein hinreichender Anlaß, weil sich der Schadensersatzanspruch infolge der Rechtsnachfolge nicht in seiner Rechtsnatur geändert hat.
53Im übrigen ist der Senat der Auffassung, daß die Beklag-ten eine Aufsichtspflichtverletzung durch die Kläger nicht hinreichend vorgetragen haben. Selbst wenn A. zur Unfallzeit unbeaufsichtigt war, folgt daraus keine Ver-letzung der den Klägern obliegenden Aufsichtspflicht. Ein Kind von damals etwas mehr als 6 Jahren bedarf nicht der ständigen elterlichen Aufsicht, wenn es in einem Dorf wie W. nachmittags allein spielt. Daß aufgrund der persönli-chen Veranlagung von A. etwas anderes zu gelten hätte, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.
54Keiner Entscheidung bedarf danach mehr, ob nicht im Hin-blick auf §§ 1664, 277 BGB den Klägern kein Mitverschuldensvorwurf angelastet werden kann.
55Infolge seines Sturzes in das Wasser ist das Gehirn von A. nicht hinreichend mit Sauerstoff versorgt worden, so daß er ein apallisches Syndrom, also einen Funktionsausfall der Großhirnrinde erlitten hat. Das hat dazu geführt, daß A. zum Pflegefall geworden war. Er war zu eigenständigen Reaktionen nicht mehr in der Lage und ist etwa 1 1/4 Jahr nach dem Unfall an dessen Folgen verstorben. Der Senat geht davon aus, daß infolge des Funktions-ausfalls des Gehirns die Persönlichkeit von A. zerstört worden war. Der hierin liegende immaterielle Schaden ist durch eine Geldentschädigung auszugleichen, wobei ein möglicher weitgehender Wegfall der Empfindungsfähigkeit nicht ohne weiteres bei der Bemessung des Schmerzensgel-des mindernd zu berücksichtigen ist. Vielmehr ist eine eigenständige Bewertung vorzunehmen, die der Würde des Kindes gerecht wird und die Zerstörung dessen Persönlich-keit hinreichend berücksichtigt (vgl. BGH NJW 1993, 781). Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das Land-gericht noch Beweis erhebt über die körperliche und gei-stige Behinderung von A., ist der Senat der Auffassung, daß ein Schmerzensgeld von jedenfalls 30.000,00 DM zu Recht festgesetzt worden ist und daß auch darüber hinaus noch mit großer Wahrscheinlichkeit ein weiteres Schmerzensgeld in Betracht kommt. Ein zur Unfallzeit etwas mehr als 6 Jahre alter Junge ist durch den Unfall zum Pflegefall geworden und mußte in diesem Zustand etwa 1 1/4 Jahre leben, bis der Tod eintrat. Während dieses Zeitraums konnte er an all den Dingen, die das Leben auch für Kinder erst lebenswert machen, nicht mehr teilnehmen. Lediglich seine vitalen Funktionen waren noch intakt.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58Streitwert der Berufung und Beschwer der Beklagten: 150.000,00 DM.