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Die Berufung des Beklagen gegen das am 03.09.2015 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 129/15 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil und das des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Höhe der Sicherheit beträgt für den Tenor zu 1. des landgerichtlichen Urteils (Unterlassung) 25.000,00 € und im Übrigen für den Beklagten 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages und für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die klagende Wettbewerbszentrale wendet sich gegen die Werbung des beklagten Augenarztes als Vorstand der Augenklinik am O in L für einen unentgeltlichen Lasik Quick-Check. Dieser Test soll durch Einsatz einer sog. PentaCam und eines Autorefraktometers klären, ob eine Sehfehlerkorrektur mittels Lasik für die entsprechende Person grundsätzlich geeignet ist oder ein Ausschlusskriterium vorliegt.
4Nach erfolgloser Abmahnung hat der Kläger im vorliegenden Verfahren den Beklagten auf Unterlassung der Werbung in zwei konkreten Verletzungsformen (Schild an der Fassade der Augenklinik, Internetauftritt) in Anspruch genommen. Die Werbung verstoße gegen § 7 Abs. 1 HWG. Bei dem Lasik QuickCheck handele es sich um eine unentgeltliche Zuwendung von nicht geringem Wert, die keine handelsübliche Nebenleistung sei und auch nicht nur eine Auskunft oder einen Ratschlag darstelle. Nach einer offiziellen Abrechnungsempfehlung des Bundesverbandes für Augenärzte betrage der übliche Preis zur Prüfung der Machbarkeit eines solchen Lasik-Eingriffs mindestens 80,00 €.
5Der Beklagte hat eingewandt, der Antrag sei bereits unzulässig. Außerdem finde das HWG keine Anwendung, da der Eignungstest von Optometristen bzw. Optikern und nicht von Ärzten durchgeführt werde und es sich um eine handelsübliche Nebenleistung handele, die von zahlreichen Augenkliniken unentgeltlich angeboten werde, wie die Angebote von sieben weiteren Augenlasereinrichtungen belegten. Der Test gebe nur Aufschluss darüber, ob ein Ausschlusskriterium vorliege; die Feststellung der tatsächlichen Eignung bedürfe einer eingehenderen Untersuchung. Schließlich hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben unter Hinweis darauf, dass der Kläger – unstreitig – bereits seit 2011 um das kostenlose Angebot der Außenaugenklinik weiß.
6Das Landgericht hat mit Urteil vom 03.09.2015, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, den Beklagten antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben mit einem kostenlosen Lasik Quick-Check zu werben:
7und/oder
9(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung erstichtlich)
10.
11Mit seiner Berufung hält der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das Begehren auf Abweisung der Klage aufrecht. Der Eignungscheck stelle keine Maßnahme zur Erkennung der Fehlsichtigkeit dar, sondern zur Abklärung des anatomischen Normalzustandes des Auges innerhalb bestimmter Parameter. Er erfordere keinen besonderen organisatorischen, personellen oder sachlichen Aufwand, halte sich nach allgemeiner Auffassung im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten und sei inzwischen handelsüblich. Der Beklagte beruft sich insoweit auf zwei weitere Augenzentren, die den Test kostenlos anbieten.
12Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung
13II.
14Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
15Der Anspruch des Kläger auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung folgt aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3 UWG (a.F. und n.F.), § 4 Nr. 11 UWG a.F. bzw. § 3a UWG n.F. sowie § 7 Abs. 1 HWG als unionsrechtskonforme nationale Marktverhaltensregelung (s. BGH GRUR 2015, 813 – Fahrdienst zu Augenklinik, Tz. 10 ff.). Durch die Änderungen in § 3 UWG und die Neufassung des § 4 Nr. 11 UWG a.F. in § 3a UWG n.F. hat sich an der materiellen Rechtslage nichts geändert.
16Der Beklagte hat, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gegen das aus § 7 Abs. 1 HWG folgende Verbot des Anbietens, Ankündigens oder Gewährens von Werbeabgaben verstoßen.
171. Der Anwendungsbereich des HWG ist eröffnet. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG findet das HWG Anwendung auf die Werbung für Verfahren und Behandlungen, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beim Menschen bezieht. Verfahren und Behandlungen i.S.d. § 1 Abs.1 Nr. 2 HWG sind jegliche Dienstleistungen, die am oder im Menschen durchgeführt werden. Ob sie heilmittelwerberelevant sind, ergibt sich allein aus der sie im Absatz fördernden Werbeaussage. Maßgeblich ist, ob die Werbeaussage bei einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalls gesundheits/krankheitsbezogen oder unternehmensbezogen ist (s. Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 1 Rn. 3, 134, § 7 Rn. 11 ff.).
18Der Lasik Quick-Check unterfällt § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG nicht. Er ist weder auf die Erkennung der Fehlsichtigkeit gerichtet, noch auf deren Beseitigung oder Linderung.
19In den beiden angegriffenen Verletzungsformen wird allerdings auch nicht der Lasik Quick-Check als solcher beworben, sondern es wird – mit dem Lasik Quick-Check – für Lasik als „effiziente und schonende Augenlaserbehandlung“ bzw. „effiziente und schonende Sehkorrektur“ geworben. Bei der Lasik-Augenoperation handelt es sich um einen § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG unterfallenden ärztlichen Eingriff unter Anwendung heilkundlicher Erkenntnisse. Das konkrete Operationsverfahren wird in der Werbung ausdrücklich benannt („LASIK“, „Femto-LASIK“ bzw. „lasik“, „refraktive Chirurgie … zur Korrektur von Fehlsichtigkeit“). Es ist das – für die angesprochene Gruppe der fehlsichtigen Verbraucher, zu der auch Mitglieder des Senats zählen, erkennbare – Ziel der Werbung, den Absatz dieser konkreten medizinischen Dienstleistung beim Beklagten zu fördern. Die Bewerbung der Laserbehandlung ist leistungsbezogen und nicht nur unternehmensbezogen.
20Der Klageantrag, dessen hinreichende Bestimmtheit in zweiter Instanz zu Recht nicht mehr in Streit steht, umfasst gerade auch die Bewerbung des Lasik-Verfahrens. Er ist auf die Untersagung der Werbung „mit“ einem kostenlosen Lasik Quick-Check in den konkreten Verletzungsformen gerichtet, nicht auf Unterlassung der Werbung für den Schnelltest.
212. Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es grundsätzlich unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Werbegaben sind alle tatsächlich unentgeltlich gewährten geldwerten Vergünstigungen, insbesondere Leistungen, die akzessorisch oder abstrakt zum Zwecke der Absatzförderung von Heilmitteln gewährt werden (s. Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 7 Rn. 16). Der Lasik-Quick-Check ist eine solche absatzfördernde Leistung, unabhängig davon, welchen konkreten Wert er hat.
22§ 7 Abs. 1 HWG ist, auch vor dem Hintergrund der Vollharmonisierung durch die UPG-Richtlinie, als Gefährdungsdelikt auszulegen (s. Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 7 Rn. 8 ff.). Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des angesprochenen Verbrauchers ist hier nicht von der Hand zu weisen. Erscheint der Interessent nach dem Schnelltest als für die Laser-Augenbehandlung geeignet, wird die Wahrscheinlichkeit, dass er diese von der Augenklinik des Beklagten durchführen lässt, erheblich erhöht. Die erste Hemmschwelle zur Augenoperation ist durch die Untersuchung bereits überschritten, und bei der Wahl des Arztes greift zusätzlich der Faktor Dankbarkeit für eine unentgeltliche Leistung.
23Die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 HWG sowie des § 7 Abs. 2 HWG sind im vorliegenden Fall ersichtlich nicht erfüllt; insbesondere übersteigt der Wert der Untersuchung den zulässigen Grenzwert, der bei max. 5,00 € liegt (s. BGH GRUR 2015, 813 – Fahrdienst zu Augenklinik, Tz. 21; Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 7 Rn. 56 ff.). Auch der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG ist nicht einschlägig; die Mitteilung eines Untersuchungsergebnisses geht über eine Auskunft oder einen Ratschlag hinaus.
24Der allein ernsthaft in Betracht kommende Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG greift ebenfalls nicht. Der Lasik Quick-Check stellt keine handelsübliche Nebenleistung dar. Der Eignungstest, mit dem für die Laser-Behandlung geworben wird, ist zwar eine abtrennbare Dienstleistung mit Bezug zur Hauptleistung und mithin eine Nebenleistung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG (s. Bülow/Ring/Arzt/Brixius, HWG, 4. Aufl., § 7 Rn. 101), es fehlt jedoch an der Handelsüblichkeit dieser Leistung. Handelsüblich sind Nebenleistungen, wenn sie sich nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Verkehrskreise im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten halten (s. BGH NJW-RR 1991, 1191 – Rückfahrkarte, Juris-Tz. 16). Die Angesprochenen dürfen die Leistung aber nicht als eine Besonderheit ansehen, sondern sie muss ihren Erwartungen entsprechen. Eine Leistung, die von dem Werbenden gerade als eine Besonderheit seines Angebots herausgestellt wird, kann daher nicht als handelsüblich angesehen werden (s. BGH, GRUR 1991, 329 – Family-Karte, Juris-Tz. 12; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 130 – Kostenloser Shuttleservice, Juris-Tz. 36; Senat, Urteil vom 29.04.2016, 6 U 91/13). Hier wirbt der Beklagte in herausgestellter Weise mit der Kostenlosigkeit des Quick-Checks (Boller „kostenlos“, fett hervorgehobene Schrift „Gratis, ohne Voranmeldung“), so dass sich dieser aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verbraucher und potentiellen Patienten gerade nicht als handelsüblich darstellt, sondern als eine besondere Leistung des Beklagten. Gerade im Heilmittelbereich sind kostenlose Leistungen unüblich, und die Fassung des § 7 HWG lässt insgesamt erkennen, dass nur in einem sehr engen Bereich Ausnahmen vom Verbot der Wertreklame zuzulassen sind. Ob sich aus Sicht der Augenärzte bei wirtschaftlicher Betrachtung die unentgeltliche Durführung des Tests z.B. aufgrund tatsächlich minimaler Kosten anbietet, ist für die Beurteilung der Handelsüblichkeit ohne Belang, so dass es auch keiner Klärung des organisatorischen, personellen und sachlichen Aufwands bedarf.
25Aus den vom Beklagten vorgelegten Angeboten seiner Wettbewerber kann kein anderes Verkehrsverständnis hergeleitet werden. Nach den Angaben des Beklagten im Verhandlungstermin vor dem Senat gibt es bundesweit rund 100 Einrichtungen, davon 50 nennenswerte, die eine Lasik-Behandlung anbieten. Der Beklagte hat lediglich neun Einrichtungen benannt, die ebenfalls mit einem kostenlosen Eignungstest werben (Augenklinik T, Laserzentrum X, Augenlaserzentrum S, Ärzte für Augenheilkunde W W in L, Lasik E, Augen Laser Q, Augenlaserklinik T2, T3 Augenzentrum L, F I). Dass diese Einrichtungen zu den führenden zählen, ist bereits weder dargetan noch sonst ersichtlich. Außerdem befinden sich nur zwei dieser Einrichtungen in L. Dem Senat ist bekannt, dass es im Ler Raum neben diesen beiden Einrichtungen und der vom Beklagten geleiteten Klinik noch mehrere andere Augenärzte gibt, die ebenfalls Lasik-Behandlungen anbieten. Insoweit wird das Angebot einer kostenlosen Untersuchung auch regional als Besonderheit empfunden. Dass der Beklagte bereits seit 2011 mit dem kostenlosen Test wirbt, ändert hieran nichts.
263. Der Verjährungseinwand ist unbegründet. Dies steht in zweiter Instanz nicht mehr in Streit.
27III.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
29Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
30Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 25.000,00 €