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Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Heinsberg vom 17.01.2018 – 31 F 13/18 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des vorbezeichneten Beschlusses in seinem ersten Satz dahingehend berichtigt wird, dass das Geburtsdatum von O der xx.xx.2014 ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe:
2I.
3Die zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis –bis auf eine Korrektur einer Unrichtigkeit im Tenor, die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch dem Senat von Amts wegen möglich ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 26.05.1992 – Breg 1 Z 71/91, FamRZ 1992, 1326) - ohne Erfolg.
4Die das einstweilige Anordnungsverfahren begründende besondere Eilbedürftigkeit hat das Amtsgericht, auf dessen Begründung verwiesen wird, dargetan. Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich.
5Zu Recht hat das Amtsgericht weiter das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Kindsvater übertragen, da dies nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
6Nach § 1671 Abs. 1, 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Nach § 1671 Abs. 3 BGB ist dem Antrag nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge aufgrund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss, was insbesondere wegen der – hier ersichtlich nicht einschlägigen - Gefährdung des Kindeswohls nach § 1666 BGB der Fall sein kann (BGH, Beschl. v. 28.04.2010 - XII ZB 81/09, FamRZ 2010, 1060).
7Maßstab der Entscheidung ist nach § 1671 Abs. 1 BGB das Kindeswohl. Bei der hiernach gebotenen zweistufigen Prüfung hat das Amtsgericht zu Recht auf derersten Stufe angenommen, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge in dem Teilbereich Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Kindeswohl entspricht. Die Eltern können hier das gemeinsame Sorgerecht nur dann weiterhin ausüben, wenn sie – als unverzichtbare Voraussetzung hierfür – auch Kooperationsbereitschaft zeigen, also den Willen, die Verantwortung für das Kind auch nach der Trennung zusammen zu tragen (BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 – 1 BvL 25/80, FamRZ 1982, 1179; BVerfG, Beschl. v. 18.12.2003 - 1 BvR 1140/03, FamRZ 2004, 354). Ein gemeinsames Sorgerecht scheidet daher aus, wenn – wie hier – die Eltern über das Aufenthaltsbestimmungsrecht streiten (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.04.2002 – 11 UF 682/01, FamRZ 2003, 163 (164); Senat, Beschl. v. 07.09.2016 – 10 UF 66/16;Beschl. v. 15.11.2016 – 10 UF 130/16).
8Der Senat ist mit dem Amtsgericht der Meinung, dass es in der vorliegenden Situation dem Kindeswohl am besten entspricht, das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Kindsvater zu übertragen. Hierfür spricht zunächst der Grundsatz der Kontinuität, nicht nur in Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Erziehung, sondern auch im örtlichen Setting. Der Kindesvater ist, was auch die beteiligten Fachkreise durchweg haben bestätigen können, für O eine Bezugs- und Betreuungsperson. O lebte bis zum Umzug der Kindesmutter ins Frauenhaus (03.11.2017) überwiegend in der Ehewohnung der Kindeseltern. Der Kindergartenbesuch ist in die Wege geleitet.
9Der Senat verkennt hierbei nicht, dass O naturgemäß und erfreulicherweise eine starke Bindung an die Kindesmutter hat und diese ihn während seiner ersten Lebensjahre überwiegend versorgt und betreut hat. Für die vorliegende summarische Prüfung im Eilverfahren bleibt aber ausschlaggebend, dass der Kindsvater im Vergleich zur Kindesmutter ein deutlich höheres Maß an Bindungstoleranz in einer Zeit bietet, in welcher O – sicherlich ohnehin verstört durch die Trennung der Eltern – Anbindung an und Kontakt zu beiden Elternteilen ebenso benötigt wie Stabilität und Sicherheit auch im örtlichen Rahmen. Dass die emotionale Bindung an die Kindesmutter um ein derartiges stärker als zum Vater wäre, dass ein Verbleib beim Kindsvater nicht mehr kindeswohlzuträglich wäre, ist hierbei nicht ersichtlich.
10Im Gegenteil erscheint es dem Senat befremdlich, dass bei einer noch recht frischen räumlichen Trennungssituation und einer bereits in der Wohnungsfrage nicht endgültig geklärten Lage der Kindesmutter diese derart nachhaltig den Umgang mit dem Kindesvater ablehnt.
11Das Umgangsrecht soll dem Berechtigten die Möglichkeit geben, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des Kindes zu überzeugen und die bestehenden natürlichen Bande zu pflegen, d.h. einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Dem Kind soll das Umgangsrecht ermöglichen, die Beziehung zu dem nicht mit ihm zusammen lebenden Elternteil aufrechtzuerhalten, sie durch Begegnungen und gegenseitige Ansprache zu pflegen. Denn es ist für eine gedeihliche seelische Entwicklung des Kindes bedeutsam, nicht nur einen sorgenden Elternteil als ständigen Bindungspartner zu haben, sondern auch den anderen als Elternteil nicht faktisch zu verlieren. In der Kommunikation mit beiden Elternteilen kann das Kind Zuneigung erfahren, von diesen lernen und Impulse wie Ratschläge erhalten, was ihm Orientierung gibt, zu seiner Meinungsbildung beiträgt und ihm dazu verhilft, sich zu einer selbständigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln (so schon BVerfG, Beschl. v. 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93, FamRZ 1995, 86; BVerfG, Beschl. v. 26.09.2006 - 1 BvR 1827/06, FamRZ 2007, 105; BVerfG, Beschl. v. 29.11.2007 - 1 BvR 1635/07, FamRZ 2008, 494; BGH, Urt. v. 23.05.1984 - IVb ZR 9/83, FamRZ 1984, 778; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.07.2008 - 7 UF 208/08, FamRZ 2009, 133; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.10.2009 - 9 UF 61/09, NJW-RR 2010, 148).
12Entsprechend besitzt bei der Prüfung der Erziehungseignung die Bindungstoleranz, also die Frage, inwieweit das Elternteil in der Lage ist, einen spannungsfreien Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil zuzulassen und aktiv zu fördern, erhebliche Bedeutung (OLG Köln, Beschl. v. 15.04.2009 – 4 UF 7/09, FamRZ 2009, 1762). Der betreuende Elternteil muss ohne jeden Vorbehalt bereit sein, den persönlichen Umgang mit dem anderen Elternteil zuzulassen und aktiv auf Umgangskontakte hinzuwirken, so dass umgekehrt von einer ausreichenden Erziehungseignung einesinsoweit intoleranten Elternteils nicht ausgegangen werden kann (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 29.08.2002 – 10 UF 229/02, FamRZ 2003, 397; OLG Hamm, Beschl. v. 14.05.2009 – 2 UF 63/09, FamRZ 2009, 1763; OLG Köln, Beschl. v. 16.04.2010 –4 UF 47/10, FamRZ 2010, 1747).
13Daher steht die – im Maßstab des Eilverfahrens hinreichend nachgewiesene – unzureichende Bindungstoleranz der Kindesmutter, wie das Amtsgericht richtig erkannt hat, einer Übertragung der Teilsorge auf sie derzeit entgegen. Auf die ausführlichen und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Amtsgerichts zur Abwehrhaltung der Kindesmutter, zur Abwertung des Kindesvaters durch verbales und nonverbales Verhalten und zu ihrer wenig kooperativen Beeinflussung von O kann Bezug genommen werden. Dass sich dies bereits im Beschwerdeverfahren gebessert hätte, ist entgegen ihrer Behauptung weder ausreichend belegt noch sonst ersichtlich; so erschöpft auch ihre mit Schriftsatz vom 26.02.2018 überreichte eigene Stellungnahme sich überwiegend in der Schilderung eigener Befindlichkeiten (und nicht: des Kindes) und enthält keine Aussagen dazu, wie sich die Kindesmutter in der Situation eines betreuenden Elternteils den künftigen Umgang des Kindesvaters vorstellt.
14Der Senat weist abschließend dringend darauf hin, dass – unabhängig vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens - ein regelmäßiges, verlässlich gewährtes Umgangsrecht mit dem nicht betreuenden Elternteil für das Kindeswohl unabdingbar und damit weiterhin zu gewährleisten ist, um der engen Beziehung von O auch und gerade zum anderen Elternteil angemessen Rechnung tragen zu können. Für O ebenso wichtig wird indes werden, dass auch die Kindesmutter den jedenfalls aktuellen Verbleib von O beim Kindesvater akzeptiert und dies klar kommuniziert. Fortdauernde Loyalitätskonflikte, die durch das Gefühl eines nur vorläufigen und unsicheren Verbleibs bei einem Elternteil zwangsläufig weiter bestehen würden, sind vor diesem Hintergrund im Interesse von O von beiden Elternteilen nicht nur bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren, sondern auch und gerade nach dessen Abschluss – mit welchem Ergebnis auch immer - tunlichst zu vermeiden.
15Einer Anhörung des Kindes bedurfte es schon deshalb nicht, weil eine solche nur erforderlich wäre, wenn es für die Entscheidung auf den persönlichen Eindruck von dem Kind und dessen Willen ankäme (BGH, Beschl. v. 11.07.1984 - IVb ZB 73/83, FamRZ 1985, 169; BGH, Beschl. v. 28.04.2010 - XII ZB 81/09, FamRZ 2010, 1060), was indes vorliegend nicht der Fall ist. Die positive Beziehung von O zu beiden Kindeseltern steht nicht in Streit und war daher kein ausschlaggebender Faktor für die hier getroffene Entscheidung, die sich maßgebend am bisherigen Verhalten der Kindesmutter ausgerichtet hat.
16Auch sonstige Verfahrensverstöße sieht der Senat – ungeachtet dessen, dass trotz der mit der Beschwerde vorgebrachten Bedenken ein Befangenheitsantrag nicht gestellt worden ist – nicht, da in Umgangsverfahren ein Teilsorgerechtsentzug sogar von Amts wegen möglich ist (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 29.08.2002 – 10 UF 229/02, FamRZ 2003, 397; OLG Frankfurt, Beschl. v. 05.03.2008 – 4 UF 95/07, NJW-RR 2009, 4), umso eher also einem diesbezüglichen Eilantrag des Kindesvaters auch im Rahmen eines Umgangsverfahrens Rechnung getragen werden kann. Dass die Richterin im Termin auf die Gefahr eines solchen Sorgerechtsentzuges von Amts wegen hingewiesen hat (Bl. 4 d.A.), stellt sich daher lediglich als zulässiges und nicht zu beanstandendes Mittel der rechtlichen Verhandlungsführung dar.
17II.
18Entsprechend kommt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Satz 1 ZPO.
19III.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
21Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.500,00 € (§§ 40 Abs. 1, 41 S. 2, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG)