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Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 20.04.2023 – 81 O 70/22 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsanspruchs 25.000,00 € und im Übrigen für den Beklagten 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages und für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Gründe
2I.
3Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, nimmt den beklagten Apotheker auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten mit der Begründung in Anspruch, dieser verstoße gegen das Ladenöffnungs- und das Feiertagsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, indem er sich an einem auch sonntags tätigen Lieferdienst für Medikamente beteilige.
4Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verein, der sich der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs widmet. Er ist beim Bundesamt der Justiz in die dort geführte Liste der klagebefugten qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen. Dem Kläger gehören etwa 2.000 Mitglieder an, darunter circa 1.100 Unternehmen und circa 800 Verbände, insbesondere beinahe alle Industrie- und Handelskammern des Bundesgebietes sowie die Handwerkskammern.
5Der Beklagte ist Apotheker und als solcher Inhaber einer Apotheke im L. Stadtgebiet. Er kooperiert mit der N. Group GmbH, die einen Apotheken-Lieferservice für Verbraucher anbietet (nachfolgend „Lieferservice“). Zu diesem Zweck betreibt der Lieferservice eine Smartphone-App, über die Verbraucher Produkte bei teilnehmenden Apotheken bestellen können. Die bestellten Produkte werden bei der jeweiligen Apotheke von einem beim Lieferservice angestellten Botenfahrer abgeholt und noch am Tag der Bestellung an die im Bestellprozess angegebene Anschrift ausgeliefert. Der Beklagte lässt Kunden seiner Apotheke auch außerhalb seiner Notdienstzeiten im Großraum L. über diesen Lieferdienst an Werktagen und an Sonn- und Feiertagen beliefern. Nach Eingang der Bestellung bereitet er die bestellten Waren in nicht öffentlich zugänglichen Betriebsräumen seiner Apotheke zur Übergabe an den Boten vor und übergibt sie ihm nach dessen Ankunft in denselben Räumlichkeiten bzw. über den Notdienstschalter. Die Räumlichkeiten des Beklagten werden für den Publikumsverkehr hierzu nicht geöffnet. Bei den Bestellungen handelt es sich überwiegend um apothekenpflichtige Arzneimittel. Nach Abmahnung des Klägers vom 29.07.2022, für die Kosten in Höhe von 374,50 € entstanden (Anlage K4, Bl. 20 ff. GA), trat der anwaltlich vertretene Beklagte dem Unterlassungsbegehren mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 15.08.2022 (Anlage K5, Bl. 25 ff. GA) entgegen.
6Wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 139 ff. GA).
7Das Landgericht, dessen Urteil u.a. in PharmR 2023, 599; GewArch 2023, 348 sowie WRP 2023, 883 veröffentlicht ist, hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte verstoße durch seine Beteiligung an dem Lieferdienst gegen § 3 FeiertagsG NRW. Die Abholung und Auslieferung der Bestellung durch Fahrradboten seien ohne weiteres öffentlich bemerkbar und auch geeignet, die äußere Ruhe des Tages zu stören. Die Auslieferung der Bestellungen habe einen typisch werktäglichen Charakter und sei für Verbraucher insbesondere bei Postdienstleistungen und der Auslieferung von Lebensmitteln präsent. Sie führe zu einem stetigen Lieferverkehr in der Apotheke des Beklagten und damit einem erhöhten Verkehrsaufkommen, das den Einzelnen an werktägliche Lebensvorgänge und -zustände erinnere. Die Tätigkeit sei nicht gemäß § 7 Abs. 1 LÖG NRW zugelassen, der Apotheken an Sonn- und Feiertagen die Öffnung erlaube. Denn die zuständige Behörde habe rechtmäßig auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 S. 1 LÖG NRW eine Schließungsverfügung erlassen. Letztere Vorschrift sei nicht wegen des Vorrangs von Bundesrecht gegenüber Landesrecht gemäß Art. 31 GG nichtig. Die Vorschrift des § 23 Apothekenbetriebsordnung (im Folgenden: ApoBetrO) beinhalte keine abschließende Regelung mit Blick auf die Dienstbereitschaft. Zwar lasse sich dem Wortlaut der Vorschrift keine Befugnis zu Schließungsanordnungen entnehmen, hieraus folge aber nicht, dass diese nicht gleichwohl bestehen könne. Denn ein solcher Umkehrschluss stehe in Widerspruch zu der bundesrechtlichen Regelung in § 4 Abs. 2 LSchlG, der eine solche Befugnis ausdrücklich vorsehe und jedenfalls im Bundesland Bayern fortgelte, weil er durch Landesrecht abgelöst worden sei. Auch die Änderung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012, bei der der Verweis auf § 4 Abs. 2 LSchlG gestrichen worden sei, lasse sich hierfür nicht anführen. Vielmehr habe der Verordnungsgeber in Anbetracht der nunmehrigen Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Ladenschluss auf den Verweis verzichtet. Hieraus lasse sich indessen nicht folgern, dass nunmehr eine auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG gestützte abschließende Regelung hinsichtlich der ständigen Dienstbereitschaft der Apotheken habe erlassen werden sollen. Mangels einer solchen abschließenden Regelung seien die Länder zu Vorschriften wie § 7 Abs. 2 S. 1 LÖG NRW weiterhin befugt. Ein Fall des Art. 31 GG liege daher nicht vor. § 23 ApoBetrO sei mithin so zu verstehen, dass eine Öffnung trotz der Befreiung von der Dienstbereitschaft möglich sei, wenn dem keine anderweitigen Rechtsvorschriften entgegenstünden. Zu solchen Rechtsvorschriften zähle auch die aufgrund von § 7 Abs. 2 S. 1 LÖG NRW ergangene Schließungsanordnung. Diese Auslegung stehe auch in Übereinstimmung mit den jeweiligen Regelungszwecken der Vorschriften. Die Zuwiderhandlung des Beklagten gegen die Vorschrift sei auch geeignet, die Interessen der Mitbewerber zu beeinträchtigen, weil sich der Beklagte durch sein Handeln einen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Denn durch die Schließungsverfügung der Apothekerkammer sei der übrige Wettbewerb bis auf den Notdienst ausgeschaltet und der Beklagte stehe lediglich im Konkurrenz zu den Notdienst-Apotheken.
8Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der im Wesentlichen geltend gemacht wird: Angesichts von im Falle des Notdiensts nur vier diensthabenden Apotheken für das gesamte Stadtgebiet L. sei der von ihm angebotene Lieferdienst eine sinnvolle und kundenfreundliche Ergänzung. Die Auslegung des § 23 ApoBetrO durch das Landgericht sei fehlerhaft. Bereits der Wortlaut sei eindeutig und stelle die Grenze der Auslegung dar, nachdem die Möglichkeit zum Erlass von Schließungsanordnungen im Jahre 2012 ausdrücklich gestrichen worden sei. Die bundesrechtlich auf eine Befreiung von der Pflicht zur Dienstbereitschaft beschränkte Kompetenz der Landesbehörden und die im angefochtenen Urteil angenommene fortbestehende Schließungskompetenz mit gleichzeitigem Verbot der Dienstbereitschaft stünden in einem grundsätzlichen konzeptionellen Widerspruch. Dies ergebe sich auch aus der Neufassung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG im Rahmen der Föderalismusreform, mit dem eine umfassende Regelungsbefugnis des Bundes für das Apothekenwesen begründet worden sei. Hierunter falle auch die Frage, wann Apotheken öffnen dürften. Die Entstehungsgeschichte der Verordnung und die in diesem Rahmen eingereichte Stellungnahme der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA, Anlage B2) bestätigten diese Auslegung. Die unterbliebene Änderung von § 4 LSchlG im Zuge der Anpassung der Verordnung besage für die Auffassung des Landgerichts nichts, weil dem Bund im Jahre 2012 bereits die Gesetzgebungskompetenz für eine Änderung dieser nur noch in Bayern nach Art. 125a GG fortgeltenden Vorschrift gefehlt habe. Das Landgericht habe verkannt, dass § 23 ApoBetrO eine auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG basierende speziellere und zugleich neue Regelung gegenüber § 4 LSchlG darstelle und habe bei seiner Auslegung zudem anerkannte Grundsätze der Gesetzesauslegung missachtet. Seine Auslegung führe zudem zur Verletzung der Berufsfreiheit von Apothekern, die durch ein bereits formell verfassungswidriges Gesetz wie § 7 Abs. 2 LÖG NRW nicht eingeschränkt werden könne. Eine Gegenüberstellung von § 23 Abs. 1 ApoBetrO, der die Möglichkeit von Befreiungen vorsehe, mit § 7 Abs. 2 LÖG NRW, der eine Untersagung beinhalte, zeige, dass keine eindeutige und widerspruchsfreie gesetzliche Regelung vorliege. Das Verbot sei auch unverhältnismäßig. Ein Verstoß gegen § 3 FeiertagsG NRW liege nicht vor, weil es nicht zu störendem Publikumsverkehr komme, nachdem die Apotheke von außen betrachtet nicht als betriebsbereit erkennbar sei. In der Abgabe dringend benötigter Arzneimittel durch eine Apotheke liege bereits per se keine Störung der Sonntagsruhe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 160 ff. eA) Bezug genommen.
9Der Beklagte beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
10die Klage abzuweisen.
11Der Kläger beantragt,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
14II.
15Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Prozessuale Mängel stehen der Wirksamkeit des angefochtenen Urteils nicht entgegen (dazu 1.). In der Sache besteht der Unterlassungsanspruch des Klägers, wie das Landgericht mit Recht und mit zutreffender Begründung angenommen hat (dazu 2.).
161. Das Verkündungsprotokoll ist fehlerhaft. Das steht einer wirksamen Verkündung indes nicht entgegen, wie der Senat zu einer vergleichbaren Fallgestaltung bereits entschieden hat (Urteil vom 08.09.2023, 6 U 32/23, nicht veröffentlicht).
17Im Verkündungsprotokoll vom 20.04.2023 (Bl. 138 GA) ist lediglich festgehalten, dass bei Aufruf niemand erschienen ist, so dass hieraus nicht hervorgeht, was bzw. ob überhaupt etwas verkündet worden ist. Die Einhaltung der Vorschriften der § 310 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., § 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, wonach das Urteil in einem gesondert anberaumten Termin durch Verlesung der Urteilsformel verkündet wird, ist damit entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO, der dies zu den im Protokoll festzustellenden Förmlichkeiten rechnet, nicht durch das Protokoll bewiesen (§ 165 S. 1 ZPO). Ohne eine solche Verkündung bleibt ein Urteil grundsätzlich Entwurf (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 160 Rn. 11). Der Verkündungsvermerk (§ 315 Abs. 3 ZPO, Bl. 153 GA) ersetzt das Protokoll nicht (vgl. OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 356, 357).
18Gleichwohl liegt eine wirksame Verkündung vor. Verkündungsmängel stehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht. Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (BGH NJW 2012, 1591, 1592 Rn. 13 m.w.N.).
19Gemessen hieran liegt ein wirksames Urteil vor, weil die Gesamtumstände eine gewollte Verlautbarung des Urteils belegen. Das Landgericht hatte ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2023 (dort S. 2, Bl. 94 GA) Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 20.04.2023 anberaumt. Das angefochtene Urteil ist von dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen unterzeichnet und mit einem Verkündungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Bl. 153 GA) versehen. Auf der Grundlage dieser Verkündung hat die Geschäftsstelle die Zustellung des Urteils an die Parteivertreter verfügt. Diesen ist das Urteil am 20.04.2023 jeweils mit dem (wenn auch fehlerhaften) Verkündungsprotokoll zugestellt worden. Die Zustellung des Urteils haben beide Parteivertreter mit Empfangsbekenntnis bestätigt. Diese Umstände lassen für die Parteien keinen Zweifel daran, dass am 20.04.2023 das angefochtene Urteil tatsächlich verkündet worden ist (vgl. zu diesen Kriterien BGH NJW 2012, 1591, 1592 Rn. 15).
202. Das Landgericht ist auf Grundlage einer zutreffenden Interpretation des Verhältnisses zwischen § 23 ApoBetrO einerseits und dem LÖG NRW andererseits zu dem richtigen Ergebnis gelangt, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 3a UWG zusteht.
21a) Die Berufung stellt mit Recht nicht infrage, dass der Kläger aktivlegitimiert sowie der Beklagte durch seine Teilnahme an dem Lieferdienst passivlegitimiert ist sowie dass der Verstoß gegen das LÖG NRW bzw. das FeiertagsG NRW, die jeweils Marktverhaltensnormen darstellen, geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
22b) Soweit im angefochtenen Urteil angenommen worden ist, dass der Beklagte gegen § 7 Abs. 2 LÖG NRW bzw. die auf dieser Grundlage erlassene Schließungsverfügung der zuständigen Apothekerkammer und gegen § 3 FeiertagsG NRW verstoßen hat, hält dies den Angriffen der Berufung stand.
23Kern des Streits der Parteien ist die Interpretation des § 23 ApoBetrO, der Apothekerinnen und Apotheker zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet, zugleich aber der zuständigen Behörde (hier der jeweiligen Apothekerkammer) die Befugnis einräumt, einen Teil der Apotheken u.a. an Sonn- und Feiertagen von der Pflicht zur Dienstbereitschaft zu befreien (§ 23 Abs. 1 S. 1 und 2 ApoBetrO) sowie die Wirksamkeit der Regelung des § 7 Abs. 2 Ladenöffnungsgesetz (LÖG) NRW, wonach die zuständige Apothekerkammer regelt, dass an Sonn- und Feiertagen abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss.
24Die Auslegung des Zusammenspiels dieser Regelungen durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Es kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung sind folgende Ausführungen veranlasst:
25aa) Es kann entgegen der Auffassung der Berufung nicht davon ausgegangen werden, dass der Bundesverordnungsgeber mit der Neufassung des § 23 ApoBetrO im Jahr 2012 eine abschließende Regelung auch für die Befugnis der Apotheken, an Sonn- und Feiertagen unabhängig von den Ladenöffnungszeiten der Länder zu öffnen, treffen wollte.
26Auch das Landgericht hat nicht verkannt, dass der Wortlaut des § 23 ApoBetrO im Vergleich zur vor 2012 geltenden Fassung keine ausdrückliche Befugnis zum Erlass von Schließungsanordnungen mehr vorsieht. Hieraus lässt sich indes entgegen der Berufung, die sich allerdings auf Befürworter im apothekenrechtlichen Schrifttum stützen kann (Wesser A&R 2019, 252 = Anlage B3, Bl. 114 ff. GA; Cyran/Rotta, Kommentar zur ApoBetrO, Stand Januar 2017, § 23 Rn. 11 ff. = Anlage B2, Bl. 101 ff. GA; Krämer, in: Rixen/Krämer, ApoG, 2014, § 23 Rn. 2 = Anlage B4, Bl. 119 ff. GA), nicht schließen, dass die Vorschrift den Apotheken die uneingeschränkte Befugnis verleiht, an Sonn- und Feiertagen ihre Dienstbereitschaft auch unabhängig von ihrer Notdiensteinteilung und ungeachtet der Vorschrift des § 7 Abs. 2 LÖG NRW zu versehen.
27Denn dem Umstand allein, dass der Verordnungsgeber § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 ApoBetrO in der ab dem 12.06.2012 geltenden Fassung dahin gefasst hat, dass er lautet:
28„Apotheken sind zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Die zuständige Behörde befreit einen Teil der Apotheken ganz oder teilweise zu folgenden Zeiten von der Pflicht zur Dienstbereitschaft“
29kann in der gebotenen Gesamtschau zwischen Wortlaut und Systematik nicht die vorgenannte Aussage entnommen werden.
30Die zwischen dem 01.01.2004 und dem 11.06.2012 geltende Fassung der Vorschrift lautete:
31„Die Apotheke muss außer zu den Zeiten, in denen sie auf Grund einer Anordnung nach § 4 Abs. 2 des Ladenschlussgesetzes geschlossen zu halten ist, ständig dienstbereit sein. Die von einer Anordnung betroffene Apotheke ist zu folgenden Zeiten von der Verpflichtung zur Dienstbereitschaft befreit“.
32Soweit die Berufung und die vorgenannten Literaturstimmen meinen, der Wortlaut stelle in diesem Fall die Grenze der Auslegung dar, trifft das nicht zu. Denn nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen ist zwar der in einer Gesetzesvorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung ergibt. Daneben und gleichrangig ist aber auch der Sinnzusammenhang zu berücksichtigen, in den die Vorschrift hineingestellt ist (BGH GRUR 2017, 1281, 1285 Rn. 40 – Großhandelszuschläge m.w.N.).
33(1) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht (ebenso auch das Landgericht Berlin in dem Parallelverfahren, das der Kläger gegen den Lieferdienst angestrengt hat, Urteil vom 22.06.2023 = PharmR 2023, 598, überreicht auch als Anlage BK1, Bl. 250 ff. eA) mit Recht angenommen, dass sich der Streichung des Verweises auf Ladenschlussvorschriften des Bundes nicht entnehmen lässt, dass nunmehr die Ländervorschriften über den Ladenschluss durch § 23 Abs. 1 S. 1 ApoBetrO verdrängt werden sollten.
34In der Begründung zu der Verordnungsänderung (BR-Drs. 61/12) finden sich weder bei den Zielen der Verordnung noch bei der Begründung im Allgemeinen Teil spezifische Aussagen zu einer solchen Zielrichtung. Vielmehr heißt es zu den Gesetzesfolgen ausdrücklich:
35„Die Rechtsverordnung beschränkt sich auf die grundlegenden Bestimmungen, die für die Herstellung, Prüfung und Lagerung der Arzneimittel und deren sichere Abgabe in der Apotheke erforderlich sind.“ (BR-Drs. 61/12, S. 34).
36Wenn der Bundesverordnungsgeber jedoch einen Wechsel des zuvor bestehenden Systems des Zusammenspiels von Dienstbereitschaft und Ladenschlussregelung unter Inanspruchnahme seiner seit der Föderalismusreform I (von 2006) bestehenden Kompetenz zur Regelung des Rechts des Apothekenwesens (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) hätte herbeiführen wollen, wäre es zu erwarten gewesen, dass dies als hervorgehobenes oder zumindest ausdrücklich erwähntes Ziel erwähnt worden wäre.
37Dies ergibt sich bereits aus den verfassungsrechtlich maßgeblichen Auslegungsmaßstäben: Denn nach Art. 72 Abs. 1 GG tritt eine Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber nur ein, solange und soweit der Bund auf einem Gebiet der konkurrierenden Zuständigkeit von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Der Erlass eines Bundesgesetzes (bzw. hier einer Verordnung) über einen bestimmten Gegenstand rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von einer Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrigbleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen sind. Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist oder jedenfalls nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Für die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (BVerfG NJW 2004, 750, 755). Dabei stellen Vorbehalte zugunsten des Landesgesetzgebers ein Indiz für eine nicht erschöpfende Regelung dar (vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 72 Rn. 27).
38Gemessen hieran zeigt bereits die Verordnungsbegründung, dass der tragende Grund für das Entfallen des Verweises auf die Anordnungen nach dem LSchlG war, dass den Ländern seit der Föderalismusreform die Gesetzgebungszuständigkeit für das Ladenschlussrecht zugewiesen war. Auf S. 57 der Begründung heißt es:
39„Die Neuregelung ist notwendig, weil durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz für das Ladenschlussrecht erhielten. Für Länder, in denen seitdem keine eigenen Ladenschlussregelungen getroffen wurden, gilt bis auf weiteres das Ladenschlussgesetz.“
40Mithin ging der Verordnungsgeber selbst davon aus, dass die Länder mit ihren Ladenschlussgesetzen weiterhin befugt sein sollten, die zur Dienstbereitschaft verpflichteten Apotheken in den Geltungsbereich ihrer (eigenen oder als Bundesrecht fortdauernden) Regelungen über die Schließung an Sonn- und Feiertagen einzubeziehen. Hierin ist ein Vorbehalt zugunsten der Legislativen der Länder im erwähnten Sinne zu sehen, auch wenn er nicht im (insofern offenen) Normtext selbst, sondern in der Begründung enthalten ist, die indes, wie oben ausgeführt, ebenfalls heranzuziehen ist. Hierzu fügt es sich, dass sich der Verordnungsgeber zur Begründung der Streichung auf die Überlegung beschränkt hat, dass der „Verweis auf § 4 Absatz 2 des Ladenschlussgesetzes […] nicht mehr für alle Bundesländer relevant ist.“ und gerade nicht ausgeführt hat, dass der Verweis nunmehr deshalb hinfällig sei, weil der Bund insofern eine abschließende Regelung des Rechts der Apothekenöffnung durch die Neufassung des § 23 ApoBetrO herbeiführen wollte.
41Die Deutung in dem von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 30.11.2023 (dort S. 9 f., Bl. 276 f. eA sowie Anlage BK2, Bl. 265 ff. eA) nicht vollständig vorgelegten Gesetzentwurf des Hamburgischen Senats, aus dem entnommen werden könnte, dass dieser der im Schrifttum teilweise ebenfalls vertretenen Auffassung war, wonach der Bund mit der Regelung der Dienstbereitschaft in § 23 ApoBetrO eine abschließende Regelung treffen wollte, überzeugt demgegenüber nicht und kann auch die gebotene Auslegung nicht präjudizieren. Vielmehr verbleibt es bei dem vom Bundesverwaltungsgericht bereits 2011 auf Grundlage der Vorgängervorschrift herausgearbeiteten Verständnis, wonach die Öffnungszeiten der Apotheken einschließlich der Notdienstbereitschaften sich aus einem Zusammenwirken apothekenrechtlicher Vorschriften und solcher der Ladenschlussgesetze ergeben (vgl. BVerwG NVwZ-RR 2011, 819 Rn. 13). Auf die zwischen den Parteien diskutierte Frage, ob der Bundesgesetzgeber § 4 LadSchlG bei Änderung der ApoBetrO im Jahr 2012 überhaupt noch hätte ändern können, kommt es bei dieser Sachlage nicht an, weil sich bereits aus den dargestellten Erwägungen ergibt, dass die Verknüpfung zwischen Dienstbereitschaft und Ladenschlussrecht nicht aufgegeben werden sollte.
42Vor diesem Hintergrund einer ausdrücklichen Anerkennung der weiter bestehenden Regelungsbefugnis der Länder kann auch nicht von der Inanspruchnahme einer Annexkompetenz des Bundes für das Recht der Apothekenöffnungszeiten gesprochen werden. Soweit der Bund ein Recht zur Gesetzgebung in einem bestimmten Sachbereich hat, kann er zwar auch punktuelle Annexregelungen zu einem der Zuständigkeit der Länder unterfallenden Regelungsbereich treffen, sofern diese in einem notwendigen Zusammenhang zu der in der Zuständigkeit des Bundes liegenden Materie stehen und daher für den wirksamen Vollzug der Bestimmungen erforderlich sind (vgl. BVerfG NJW 2004, 750, 751 f. m.w.N.). Der Annahme einer Annexkompetenz stehen jedoch die oben genannten Gesichtspunkte, wonach dies von einem Regelungswillen des Verordnungsgebers erkennbar nicht gedeckt war, ebenso entgegen.
43Aus der Stellungnahme des ABDA im Zuge der Änderung der ApoBetrO im Jahre 2012 (Anlage B5, Bl. 129 ff. GA) lässt sich Gegenteiliges nicht herleiten. Diese hat zwar die Aufnahme einer ausdrücklichen Regelung zur Schließung der Apotheken befürwortet, um klarzustellen, dass das Entfallen der Dienstbereitschaft auch mit einer Schließung einhergeht. Ziel dieses Vorschlages war es jedoch (S. 58 der Stellungnahme, Bl. 132 GA) „an der bewährten Struktur des § 23 ApoBetrO festzuhalten, dass von der generellen Dienstbereitschaft durch die zuständige Behörde Befreiungen erteilt werden“. Dass dies nicht ausdrücklich Eingang in die Verordnung gefunden hat, lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass die Aufnahme dieser Passage entweder vom Verordnungsgeber als überflüssig angesehen wurde, weil das angestrebte Ziel (Apotheken müssen geschlossen bleiben, wenn sie von der Pflicht zur Dienstbereitschaft befreit sind) schon aus der fortbestehenden Länderkompetenz folgte oder weil diese Länderkompetenz für den Ladenschluss aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch die Inanspruchnahme einer Annexkompetenz, wie vom ABDA befürwortet (Bl. 131 GA), hätte überspielt werden können.
44(2) Soweit die Berufung meint, aus dem Konzept der Schließungsanordnungen des § 7 Abs. 2 LÖG NRW bzw. dem „Verbot der Dienstbereitschaft“ einerseits und dem Terminus der „Befreiung“ in § 23 Abs. 1 S. 2 ApoBetrO andererseits ergebe sich ein unauflöslicher Widerspruch, überzeugt auch dies nicht. Denn im Ausgangspunkt stellt die Pflicht zur Dienstbereitschaft der Apotheken eben dies dar: eine den Apotheken im Allgemeininteresse zur Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auferlegte Belastung (vgl. OVG NRW NJW 1990, 2951; siehe auch VGH Mannheim NJW 1995, 1631, 1632). Dies spiegelt sich in Wortlaut und Normstruktur des § 23 ApoBetrO wider, der in Abs. 1 S. 1 eine Pflicht begründet, von der nach Maßgabe des Abs. 1 S. 2 sowie unter bestimmten Voraussetzungen weitergehend nach Abs. 2 Befreiungen erteilt werden können. Hiervon geht auch die Stellungnahme des ABDA aus, wenn sie ohne Regelung einer Schließungsanordnung befürchtet, „dass einem Teil der Apotheken eine Öffnungspflicht auferlegt wird“ (Anlage B5, S. 57, Bl. 131 GA). Es handelt sich, anders als die Berufung es offenbar vertritt, daher bereits im Ausgangspunkt nicht um ein subjektives Recht des Apothekers, sich nach Belieben „in Dienst versetzen zu dürfen“. Dem entspricht es rechtssystematisch, wenn Befreiungen von der Dienstpflicht als (zumindest auch) begünstigende Verwaltungsakte angesehen werden (vgl. VG München PharmR 2019, 196, 198). Für den vorliegenden Zusammenhang kann es offenbleiben, ob der Befreiung in Gestalt der Schließungsverfügung auch belastende Momente innewohnen können, wenn Apotheker – wie der Beklagte – sich aus wirtschaftlichen Gründen gegen die Schließung wenden. Denn für die grundsätzliche Einordnung der Dienstbereitschaft als Pflicht und nicht als subjektives Recht kommt es hierfür nicht an. Insofern stellt es keinen Widerspruch dar, wenn § 23 ApoBetrO von „Befreiung“ spricht, während § 7 Abs. 2 LÖG NRW eine Befugnis zum Erlass von Schließungsanordnungen ausspricht, weil es sich in der Sache um Befreiungen von der „Last“ des § 23 ApoBetrO handelt, die systematisch auf § 23 Abs. 1 S. 2 ApoBetrO beruhen. Dass sich dieses Verständnis von der Dienstbereitschaft im Zuge weitergehender Kommerzialisierung des Berufsbilds des Apothekers in den Augen mancher Angehöriger dieser Berufsgruppe im Sinne einer möglichen zeitlichen Erweiterung der Geschäftstätigkeit gewandelt haben mag, ändert an dieser systematischen Einordnung nichts.
45bb) Damit steht zugleich ein Verstoß gegen den – unstreitig – bestandskräftigen Notdienstplan in Form der Allgemeinverfügung der zuständigen Apothekerkammer fest, der bereits ausreicht, um den Verstoß gegen eine Marktverhaltensnorm zu begründen.
46Soweit die Berufung sich auch gegen die Annahme eines Verstoßes gegen § 3 FeiertagsG NRW durch das Landgericht wendet und hierfür teilweise neue Details zu den Liefervorgängen vorträgt, kann sie damit nicht durchdringen:
47Dabei hat bereits das Landgericht zu Gunsten des Beklagten zugrunde gelegt, dass eine Abholung (nur) per Fahrradboten erfolge. Gleichwohl liegt eine öffentlich bemerkbare Arbeit im Sinne der Vorschrift vor. Dazu reicht es aus, wenn sie die Aufmerksamkeit einer unbestimmten Anzahl von Personen auf sich ziehen kann. Auf die Art der Wahrnehmung kommt es dabei nicht an. Es ist insbesondere nicht entscheidend, ob der Arbeitsvorgang gerade als solcher optisch oder akustisch wahrgenommen werden kann. Es genügt, wenn die ohne weiteres erkennbaren Umstände den Schluss nahelegen, dass Arbeiten durchgeführt werden. Es bedarf insbesondere keiner ruhestörenden Tätigkeit (vgl. OVG Münster NJW-RR 1989, 431). Hiernach hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass der durch das Angebot des Lieferdiensts entstehende Verkehr, sei es auch mit Fahrrädern, einen typisch werktäglichen Charakter hat. Dem kann die Berufung auch nicht die Existenz anderer (Gastronomie-)Lieferdienste am Sonntag entgegenhalten, weil diese über eine gesonderte Befugnis auf Grundlage des § 18 GaststättenG verfügen, so dass deren Tätigwerden den Ausnahmecharakter solcher Lieferdienste in der Verbraucherwahrnehmung bestärkt und nicht schwächt. Auch kann entgegen der Berufung nicht auf den sonstigen sonntäglichen Verkehr in einer Großstadt abgestellt werden, weil es schon im Interesse der Rechtssicherheit nicht maßgeblich auf die Verkehrsverhältnisse im Einzelfall, sondern auf eine abstrakt-generalisierende Betrachtung ankommt, die auch in einer Kleinstadt Gültigkeit beanspruchen kann.
48cc) In dieser Auslegung liegt auch kein Verstoß gegen die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Berufsfreiheit des Beklagten als Apotheker. Die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit des Beklagten erfolgt durch ein formell wirksames Gesetz, hier § 7 Abs. 2 LÖG NRW, wie aus den obigen Ausführungen zum Verhältnis dieser Norm zu § 23 ApoBetrO hervorgeht. Die Regelungen über den Ladenschluss verfolgen – wie das BVerfG bereits entschieden hat - auch anerkannte Gemeinwohlbelange, wie es für den hier in Rede stehenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beklagten erforderlich ist. Sowohl die Spezialregelungen für Apotheken als auch das Ladenschlussgesetz dienen hiernach dem Arbeitszeitschutz, insbesondere dazu, dem Personal möglichst weitgehend den arbeitsfreien Abend und ein zusammenhängendes freies Wochenende zu sichern. Im Verhältnis zu anderen Apotheken oder sonstigen Verkaufsstellen kann unter bestimmten Bedingungen auch noch der Wettbewerbsschutz als Gemeinwohlbelang hinzutreten (vgl. dazu BVerfG NJW 2002, 666, 667). Eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsausübung des Beklagten liegt bei Abwägung seiner wirtschaftlichen Interessen an einer zeitlichen Erweiterung seiner Geschäftstätigkeit mit den vorgenannten Gemeinwohlbelangen nicht vor, da ihm – wie das Landgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat – lediglich ein potenzieller Einnahmeverlust an Sonn- und Feiertagen außerhalb des Notdienste entsteht. Insoweit geht es nicht um den Entzug einer dem Beklagten bereits zustehenden Erwerbschance. Vielmehr erstrebt der Beklagte eine Erweiterung seines Freiheitsraumes in Form einer Privilegierung gegenüber anderen sonntags geschlossenen Geschäften, was sich bei der Abwägung zu seinen Lasten auswirkt und der Annahme eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot entgegensteht. Der Beklagte bringt zwar mit nicht von der Hand zu weisenden Argumenten vor, dass die von der Apothekerkammer Nordrhein getroffene Notdienst-Regelung für das Stadtgebiet L. aus seiner Sicht defizitär ist; dies gibt ihm indes nicht das Recht, sich über die getroffenen Anordnungen, soweit diese bestandskräftig sind, bzw. Gesetzesvorschriften hinwegzusetzen.
493. Gegen seine Verpflichtung, die Abmahnkosten des Klägers zu ersetzen, wendet sich die Berufung des Beklagten bereits nicht ausdrücklich, so dass es auch insoweit bei den zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verbleibt.
50III.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
52IV.
53Der Senat lässt die Revision für den Beklagten zu, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Denn auch wenn die Frage nach der Reichweite des § 23 ApoBetrO aus Sicht des Senats eindeutig zu beantworten ist, liegt insoweit keine gefestigte höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung vor. Das einschlägige Schrifttum vertritt, wie bereits ausgeführt, eine zur Auffassung des Senats gegenteilige Auslegung, was die Grundsatzbedeutung nahelegt (vgl. BGH NJW-RR 2010, 978). Die Frage kann sich zudem in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen. Für den betroffenen Berufsstand der Apothekerinnen und Apotheker kommt der Frage eine jedenfalls nicht unerhebliche tatsächliche und wirtschaftliche Bedeutung zu, was ebenfalls die Annahme der Grundsatzbedeutung rechtfertigt (BGH, Beschluss vom 18.09.2003, V ZB 9/03, BeckRS 2003, 9054).