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Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Oktober 1991 und des Widerspruchsbescheides des Regie-rungspräsidenten vom 27. Januar 1992 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin betreibt ein Transportunternehmen mit ca. 30 Fernlastzügen, die regelmäßig im Italienverkehr eingesetzt werden. Sie befördert Lebensmittel und allgemeine Stückgüter.
3In den Jahren 1990 und 1991 nutzte die Klägerin für den Transport über die Alpen Züge der Deutschen Bundesbahn; dabei werden die Lastwagen komplett auf Bahnhöfen im süddeutschen Raum verladen. Für diesen Zeitraum hatte der Beklagte der Klägerin jeweils Dauerausnahmegenehmigungen von dem Sonntagsfahrverbot gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) erteilt. Die Genehmigungen ermöglichten es der Klägerin, die Verladebahnhöfe jeweils am frühen Montagmorgen zu den Abfahrtzeiten der Züge zu erreichen bzw. bei Rückkehr aus Italien am Samstag noch im Laufe der Nacht wieder nach zu gelangen.
4Unter dem 19. September 1991 beantragte die Klägerin eine Dauerausnahmegenehmigung für die Folgezeit. Zur Begründung führte sie aus, daß sich in einer Entfernung bis zu 200 km von ihrem Standort kein geeigneter Verladebahnhof befinde. Um konkurrenzfähig zu bleiben, sei sie auf die Bahnanschlüsse im süddeutschen Raum angewiesen. Die Bahnanschlüsse seien für sie aber nur dann von Interesse, wenn die Lastkraftwagen die Züge zum Wochenanfang erreichen bzw. bei Rückkehr am Wochenende noch ihren Standort anfahren könnten. Träfen die Lastkraftwagen nicht am frühen Montagmorgen in den Verladebahnhöfen ein, könnten sie erst am Dienstag verladen werden. Durch diese Verzögerung nehme der Italienumlauf statt der üblichen 5 bzw. 6 Tage mindestens 7 bis 8 Tage in Anspruch. Dies führe zu Auftragsverlusten. Des weiteren seien die Fahrer versucht, die verlorene Zeit in den verbleibenden Tagen wieder hereinzuholen, um nicht über das Wochenende in Italien bleiben zu müssen. Daraus könnten sich Fahrzeitverstöße und Geschwindigkeitsübertretungen ergeben, welche die Verkehrssicherheit gefährdeten. Auch unter Umwelt- und verkehrspolitischen Aspekten sei die Erteilung der Ausnahmegenehmigungen sinnvoll, da die Ausnutzung des Schienentransports die überfüllten Straßen entlaste.
5Mit Bescheid vom 28. Oktober 1991 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Er führte zur Begründung aus: Die Einhaltung des Sonn- und Feiertagsfahrverbots liege im öffentlichen Interesse. Eine Ausnahmegenehmigung setze deshalb zwingend voraus, daß die Klägerin durch das entgegenstehende Verkehrsverbot in ganz besonderem Maße belastet werde und diese Belastung ein Abweichen von der Regel rechtfertige. Allein wirtschaftliche oder wettbewerbliche Gründe rechtfertigten eine Ausnahmegenehmigung nicht, wie sich aus der Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO ergebe. Deshalb könne die Klägerin aus den Wettbewerbsnachteilen gegenüber solchen Unternehmen, die im süddeutschen Raum ansässig seien, keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung herleiten.
6Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend: Die Regelung des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StVO, wonach solche Unternehmen, die ihren Standort innerhalb einer Entfernung von 200 km zum Verlade- oder Entladebahnhof hätten, für Fahrten im kombinierten Güterverkehr Schiene-Straße vom Sonntagsfahrverbot ausgenommen seien, sei verfassungswidrig. Diese Befreiung sei ohne sachlichen Grund erfolgt, zumal der Transportwirtschaft im norddeutschen Raum derartige Huckepack-Bahnhöfe nicht zur Verfügung stünden.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1992 wies der Regierungspräsident den Widerspruch im wesentlichen aus den Gründen des Bescheides des Beklagten zurück.
8Die Klägerin hat am 2. März 1992 Klage erhoben.
9Sie hat vorgetragen: In anderen Bundesländern würden Dauerausnahmegenehmigungen bei vergleichbaren Sachverhalten ohne Probleme erteilt. Deshalb verstoße die Verwaltungspraxis in Nordrhein-Westfalen gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), weil sie zu einem Wettbewerbsnachteil der in Norddeutschland ansässigen Transportwirtschaft führe. Des weiteren sei das Sonntagsfahrverbot im April 1992 geändert worden; die vormalige Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot für den Berlinverkehr sowie im Verkehr mit der ehemaligen DDR sei weggefallen und stattdessen sei gemäß der Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO die Erteilung einer Dauerausnahmegenehmigung für Fahrten von und nach Berlin, Fahrten innerhalb der neuen Länder sowie Fahrten zwischen den alten und neuen Ländern jederzeit möglich; dies zeige, daß auch wirtschaftliche und wettbewerbliche Gründe eine Dauerausnahmegenehmigung rechtfertigen könnten.
10Die Klägerin hat beantragt,
11den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Oktober 1991 sowie des Widerspruchsbescheids desRegierungspräsidenten vom 27. Januar 1992 zu verpflichten, ihr gemäß ihrem Antrag vom 20. September 1991 eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Stv0 vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot nach § 30 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StVO zu erteilen.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, da das dem Beklagten eingeräumte Ermessen weder im Sinne des Anspruchsbegehrens reduziert noch dem Beklagten bei seiner Entscheidung ein Ermessensfehler unterlaufen sei. Der Beklagte habe alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte erkannt und in seine Abwägung eingebracht. Dies gelte sowohl für das wirtschaftliche Interesse der Klägerin als auch für das öffentliche Interesse daran, an Sonn- und Feiertagen den Schwerlastverkehr zugunsten des Personenverkehrs und des gleichmäßigen Verkehrsflusses sowie aus Umweltschutzgründen einzuschränken. Der Beklagte habe dargelegt, daß nach der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO wirtschaftliche und wettbewerbliche Gründe allein die Genehmigungserteilung nicht trügen. Die Verwaltungsvorschrift sei für den Beklagten bindend und inhaltlich nicht zu beanstanden, da sie sich am Gesetzeszweck orientiere. Die Auffassung der Klägerin, die Regelung in § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StVO sei verfassungswidrig und führe deshalb zu einem Anspruch ihrerseits, treffe nicht zu. § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StVO diene der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn, der Verkehrssicherheit und dem Umweltschutz. Diese Zielrichtung sei nur dann zu realisieren, wenn tatsächlich nur ein geringer Teil der Fahrstrecke auf der Straße, der Großteil der Strecke aber auf der Schiene zurückgelegt werde. Auch aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes lasse sich ein Anspruch der Klägerin nicht herleiten. Die bislang erteilten Ausnahmegenehmigungen begründeten kein "Vertrauen" im Sinne einer schutzwürdigen Rechtsposition für die Klägerin, daß sie auch in Zukunft entsprechende Ausnahmegenehmigungen erhalten würde. Daß in anderen Bundesländern bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen großzügiger vorgegangen werde, könne den Beklagten bei seiner Entscheidung nicht binden. Auch auf die zum April 1992 in Kraft getretene Änderung des § 30 StVO könne die Klägerin ihr Begehren nicht stützen. Diese Rechtsänderung beziehe sich ausschließlich auf die besondere Situation des Güterverkehrs mit den neuen Bundesländern und mit Berlin. Das Urteil wurde der Klägerin am 28. September 1992 zugestellt.
15Sie hat am 26. Oktober 1992 Berufung eingelegt und macht geltend: Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung die positiven Abwägungskriterien wie den Umweltschutz, die Minimierung des Unfallrisikos, die Entlastung der Straßen sowie die soziale Komponente für das Fahrpersonal nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Darüber hinaus sei die im Land Nordrhein-Westfalen gewählte, einseitig und im Bundesgebiet einzig praktizierte "Andersbehandlung" bei der Erteilung von Dauerausnahmegenehmigungen nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Vielmehr werde dem verfassungsrechtlich verankerten Gedanken der Schaffung einheitlicher Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse im Bundesgebiet nicht hinreichend Rechnung getragen.
16Die Klägerin beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Er verweist auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang verwiesen.
22Entscheidungsgründe
23Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
24Das Verwaltungsgericht hat zu Recht erkannt, daß die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung hat. Indessen hat die Klägerin einen Anspruch auf erneute Bescheidung, da der ablehnende Bescheid des Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen, vgl. §§ 113 Abs. 5 Satz 2, 114 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
25Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO. Danach können die Straßenverkehrsbehörden (nach Ermessen) in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot gemäß § 30 Abs. 3 StVO genehmigen. Unter welchen Voraussetzungen die Ausnahmegenehmigung nach § 46 erteilt werden kann, ist in der Vorschrift nicht ausdrücklich geregelt. Allein ihr Charakter als Ausnahmebestimmung macht jedoch deutlich, daß die Klägerin nur dann einen Rechtsanspruch hat, wenn die Gründe für die Ausnahmegenehmigung diejenigen überwiegen, die das öffentliche Interesse an dem gesetzlichen Verbot begründen. Die von der Klägerin angeführten Gründe für ihr Begehren überwiegen das öffentliche Interesse an dem Fahrverbot jedoch nicht.
26Schutzgut des Sonn- und Feiertagsfahrverbots ist u. a. die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Das öffentliche Straßennetz ist an Sonn- und Feiertagen erfahrungsgemäß durch allgemeinen Personen- und Ausflugsverkehr besonders stark belastet; kommt zu dem allgemeinen Fahrverkehr, wie er an Werktagen herrscht, noch der Ausflugsverkehr hinzu, sind die Straßen extremen Verkehrsbelastungen ausgesetzt, die wiederum Gefahren für die Ordnung auf den Straßen und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer mit sich bringen. Wie die Erfahrungen an Werktagen zeigen, stünde zu erwarten, daß sich etwa vor Steigungen hinter den langsam fahrenden Lastkraftwagen kilometerlange Stauungen bilden, die den Verkehr erheblich stören, zeitweise zum Erliegen bringen und Unfallsituationen schaffen. Das Fahrverbot für Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 7,5 t ist geeignet, dieser Gefahrenlage zu begegnen. Daneben entspricht es der Intention des Verbots, an Sonn- und Feiertagen wenigstens teilweise den durch Lastkraftwagen verursachten Lärm und die Abgase zu vermeiden. Soweit in § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StVO für den kombinierten Güterverkehr Schiene-Straße innerhalb eines Radius von 200 km Entfernung zum nächstgelegenen geeigneten Verlade- bzw. Entladebahnhof eine Ausnahme von dem Fahrverbot normiert ist , wird hiermit berücksichtigt, daß die Wirtschaftlichkeit dieser, unter umweltpolitischen Gesichtspunkten wünschenswerten Verkehrsart in Frage gestellt wäre, würde auch sie an Sonn- und Feiertagen von einem uneingeschränkten Sonn- und Feiertagsfahrverbot für Lastkraftwagen betroffen.
27Gegen diese Regelung ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nichts einzuwenden. Eine Verletzung der gemäß Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit bzw. Wettbewerbsgleichheit
28vgl. zu letzterem Scholz, in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Kommentar, Art. 12 RdNr. 136 -
29kommt nicht in Betracht. Denn nicht in der gesetzlichen Regelung liegt eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber ihren süddeutschen Konkurrenten, sondern allein in dem Umstand, daß die Deutsche Bundesbahn nicht in der gesamten Bundesrepublik, sondern lediglich im süddeutschen Raum die Verlademöglichkeit kompletter Lastzüge anbietet.
30Ebensowenig verstößt § 30 Abs. 3 Satz. 2 Nr. 1 StVO gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zunächst ist drauf hinzuweisen, daß der Gleichheitssatz allein kein Teilhaberecht, d.h. keinen Anspruch auf Ausdehnung derjenigen Vergünstigungen vermittelt, die der Gesetz-/Verordnungsgeber einem bestimmten Personenkreis gewährt; dem Gesetz-/Verordnungsgeber bleibt es nämlich selbst in dem Fall, daß seine bisherige Vergünstigungen den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen, überlassen, entweder die Vergünstigung auf weitere Personen auszuweiten oder aber ganz zu streichen.
31Vgl. Rüfner, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand März 1993, Art. 3 RdNr. 125 - 130 m.w.N.
32Dem würde es jedoch widersprechen, wollte man aus dem Gleichheitssatz die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde ableiten, einem Antragsteller im Wege der Ausnahmegenehmigung die vom Gesetz-/Verordnungsgeber nicht eingeräumte Vergünstigung zu gewähren. Schließlich - und dies ist entscheidend - gilt auch für die Prüfung anhand des Art. 3 Abs. 1 GG, daß nicht die gesetzliche Regelung des § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StVO die Klägerin von der Befreiung vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot ausschließt, sondern der Umstand, daß die Deutsche Bundesbahn für den Standort der Klägerin keine Verlademöglichkeit anbietet.
33Die Gründe, die die Klägerin für ihr Begehren vorträgt, überwiegen das öffentliche Interesse am Sonn- und Feiertagsfahrverbot für Lastkraftwagen nicht. Soweit die Klägerin sich auf ihre faktische Benachteiligung gegenüber Mitkonkurrenten aus dem süddeutschen Raum, d. h. auf wirtschaftliche und wettbewerbliche Gründe beruft, begründet dies kein das Fahrverbot überwiegendes privates Interesse. Der Beklagte hat unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO zutreffend ausgeführt, daß wirtschaftliche und/oder wettbewerbliche Gründe allein eine Ausnahmegenehmigung nicht rechtfertigen. Wären die Straßenverkehrsbehörden verpflichtet, wirtschaftliche und/oder wettbewerbliche Gründe für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen ausreichen zu lassen, so wäre das Fahrverbot praktisch wirkungslos, da sich wirtschaftliche und/oder wettbewerbliche Gründe für einen an Sann- oder Feiertagen notwendigen Transport mit Lastkraftwagen regelmäßig finden lassen; die gesetzliche Beschränkung der Ausnahmen von dem Fahrverbot auf die in § 30 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 StVO angeführten Fälle wäre ohne Bedeutung.
34Auch die Ausführungen der Klägerin zum Umweltschutz, zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und zu den sozialen Belangen der Fahrer, sind nicht geeignet, ihr überwiegendes privates Interesse zu begründen. Der Umweltschutz und die Verkehrssicherheit sind allgemeine Belange, die gerade nicht als private Interessen der Klägerin anzusehen, im übrigen in die gesetzliche Wertung schon einbezogen sind und deshalb das öffentliche Interesse an dem Fahrverbot nicht überwinden können. Dies gilt auch für die sozialen Belange der Fahrer, denen die Klägerin durch innerbetriebliche Organisation des Arbeitsablaufs Rechnung zu tragen hat.
35Die von der Klägerin behauptete Genehmigungspraxis von Straßenverkehrsbehörden anderer Bundesländer läßt ihre Interessen ebenfalls nicht in einem anderen Licht erscheinen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß die Straßenverkehrsbehörden aus anderen Bundesländern mehrheitlich und entgegen der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Stv0 allein wirtschaftliche und/oder wettbewerbliche Gründe für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ausreichen lassen. Die von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Senators für Inneres und Sport der stadt , des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr sowie des Verkehrsministeriums Baden-Würtemberg geben jedenfalls keinen Anlaß dazu, eine derartige Praxis in anderen Bundesländern zu vermuten. Mithin kann die Argumentation der Klägerin, eine "besonders strenge" Handhabung der Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StVO in Nordrhein-Westfalen würde dem Gebot des Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG widersprechen, dahinstehen.
36Steht der Klägerin somit kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Dauerausnahmegenehmigung zu, so hat sie allerdings einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Begehrens, da der Beklagte nicht alle den Rechtstreit kennzeichnenden Belange in seine Ermessenserwägungen eingestellt hat.
37Als Ermessensentscheidung unterliegt die Erteilung einer Dauerausnahmegenehmigung nur einer eingeschränkten verwaltungsrichterlichen Kontrolle. Das Gericht prüft nach § 114 VwGO lediglich, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dazu ist festzustellen, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat, ob sie dabei von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ihre sodann vorgenommene Gewichtung der widerstreitenden Interessen sachgerecht und vertretbar sowie das gewonnene Abwägungsergebnis nicht schlechterdings unzumutbar ist. Hält die Entscheidung der Behörde einer dahingehenden Überprüfung stand, ist sie allseits zu akzeptieren, d.h. auch vom Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden, selbst wenn sie dessen Wertung nicht entspricht. Denn das Verwaltungsgericht ist nicht befugt, seine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle, derjenigen der Behörde zu setzen.
38Der Beklagte hat den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht hinreichend gewürdigt und die rechtlichen Grenzen, innerhalb derer er seine Entscheidung zu treffen hatte, unzulässig verkürzt. Zu den Belangen, die der Beklagte in seine Erwägungen hätte einstellen müssen, zählt auch der Umstand, daß die Klägerin die Dauerausnahmegenehmigungen für den grenzüberschreitenden Verkehr begehrt. Für diese Verkehrsart bestimmt die Verwaltungsvorschrift Nr. 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e) zu § 46 StVO, daß eine Ausnahmegenehmigung vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot erteilt werden kann, wenn die deutschen und ausländischen Grenzzollstellen zur Zeit der voraussichtlichen Ankunft an der Grenze Lastkraftwagenladungen abfertigen können. Diese, die Grenzen der Entscheidung bildende und gleichzeitig das Ermessen des Beklagten bindende Verwaltungsvorschrift besagt also nichts anderes, als daß derjenige Transportunternehmer, der wegen der u. U. längeren Wartezeiten bei der Zollabfertigung ohnehin schon wirtschaftliche Einbußen erleidet, eine Ausnahmegenehmigung erhalten kann, um nicht zusätzlich durch das Sonn- und Feiertagsfahrverbot behindert zu werden. Hier stehen mithin wirtschaftliche und wettbewerbliche Interessen des Unternehmers der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht schlechthin entgegen. Der Fall der Klägerin ist dieser Konstellation weitgehend vergleichbar. Der einzige nennenswerte Unterschied ist der, daß eine Zeitgebundenheit nicht hinsichtlich der Ankunft an der Grenze, sondern hinsichtlich der Ankunft am Verladebahnhof besteht. Unter diesem Blickwinkel mußte sich dem Beklagten aufdrängen, daß die Erteilung der Ausnahmegenehmigung umso eher mit dem Schutzzweck des § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO zu vereinbaren ist, als die Klägerin das umweltfreundliche Huckepack-Verfahren praktizieren will. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß eine solche Genehmigung praktisch die Begrenzung des Radius von 200 km um die Verladebahnhöfe im süddeutschen Raum aufhebt, wie sie in § 30 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StVO angeordnet ist. Der Radius behält seinen Sinn dadurch, daß er für sämtliche Verladebahnhöfe der Deutschen Bundesbahn gilt, also auch für diejenigen, über die kein grenzüberschreitender Verkehr abgewickelt wird oder über die ausschließlich Lastwagenaufbauten/Container ohne Zugmaschienen transportiert werden.
39Auch mit Blick auf die besonderen Voraussetzungen einer Dauerausnahmegenehmigung kann sich Beklagte diesen Überlegungen nicht entziehen. Gemäß der Verwaltungsvorschrift Nr. 7 Abs. I Nr. 2 zu § 46 StVO setzt die Erteilung einer Dauerausnahmegenehmigung in Erweiterung der Einzelausnahmegenehmigung lediglich voraus, daß die Notwendigkeit regelmäßiger Beförderung feststeht. Hieran besteht angesichts des Vortrags der Klägerin kein Zweifel, zumal der Beklagte das Vorliegen dieser Voraussetzung schon bei der früheren Erteilung der Dauerausnahmegenehmigungen geprüft und als vorliegend angenommen hat.
40Schließlich wird der Beklagte - auch dies hat er bislang unterlassen - zu berücksichtigen haben, daß die Klägerin die Ausnahmegenehmigung nach ihren Angaben nicht für die gesamte Zeitdauer des Sonn- und Feiertagsfahrverbots, sondern nur für wenige Stunden, bspw. am Sonntagabend für drei bis vier Stunden, benötigt. Auch dieser Umstand ist in die Abwägung einzubringen und könnte eine zeitliche eingeschränkte Genehmigung rechtfertigen. Auf diese Weise könnte weiterhin dem Vortrag der Klägerin Rechnung getragen werden, daß sich häufig erst am Freitagmittag die Notwendigkeit eines Transportes zum frühen Montagmorgen ergibt, die Erteilung einer Einzelausnahmegenehmigung wegen des behördlichen Dienstschlusses gegen 12.30 Uhr aber nicht mehr möglich ist. Schließlich wird der Beklagte zu erwägen haben, ob seine Verwaltungspraxis in Bezug auf die anderen Ausnahmen der Verwaltungsvorschrift eine Selbstbindung zugunsten der Klägerin bewirkt.
41Da die Klägerin nur teilweise obsiegt hat, ergibt sich die Kostenfolge aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711, 713 Zivilprozeßordnung.
42Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.