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Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Bescheide des Beklagten vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 11. Juni 2003 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der am 6. August 1975 geborene Kläger stellte am 10. September 1996 beim Beklagten einen Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für ein Lehramtsstudium an der Universität C. . Im Vordruck Anlage A zum Formblatt 1/95, Angaben zum Einkommen und Vermögen, trug der Kläger in den Zeilen jeweils eine "0" ein bzw. machte bei der Frage nach Barvermögen und Guthaben einen Strich. Mit Bescheid vom 30. Januar 1997 bewilligte der Beklagte dem Kläger Ausbildungsförderung für die Zeit von Oktober 1996 bis September 1997 in Höhe von monatlich 905,00 DM, und zwar je zur Hälfte als Zuschuss und Darlehen.
3Auf seinen Antrag auf Ausbildungsförderung vom 30. Juni 1997 für den nachfolgenden Bewilligungszeitraum, in dem in den Zeilen zu den Angaben über Einkommen und Vermögen ebenfalls jeweils eine "0" eingetragen war, bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27. Januar 1998 Ausbildungsförderung für die Zeit von Oktober 1997 bis September 1998 in Höhe von monatlich 677,00 DM, und zwar ebenfalls zur Hälfte als Zuschuss und Darlehen. Der Förderungsbetrag wurde durch Bescheid des Beklagten vom 29. November 2000 endgültig auf 872,00 DM festgesetzt.
4Auch in der Folgezeit wurde dem Kläger vom Beklagten auf entsprechende Anträge Ausbildungsförderung für sein Studium bis März 2001 bewilligt.
5Nachdem der Beklagte aufgrund einer Datenabfrage beim Bundesamt für Finanzen im September 2002 erfahren hatte, dass der Kläger für das Jahr 2001 einen Freistellungsauftrag erteilt hatte, forderte er ihn mit Schreiben vom 15. Oktober 2002 auf, sein gesamtes Kapitalvermögen zu den jeweiligen Zeitpunkten der Stellung der Anträge auf Bewilligung von Ausbildungsförderung in den Bewilligungszeiträumen von Oktober 1996 bis März 2001 darzulegen. Mit Schreiben vom 28. November 2002 legte der Kläger dem Beklagten die Ablichtung von zwei Seiten eines Sparbuches vor, für das er 1994 einen Freistellungsauftrag erteilt habe, und teilte mit, das Sparbuch laufe zwar auf seinen Namen, enthalte aber die Adresse seiner Großmutter. Diese habe das Sparbuch festgelegt. Er habe es bis Oktober 2001 nicht in seinem Besitz gehabt. Ausweislich der beigefügten Teilkopie des Sparbuchs betrug das Sparguthaben am 22. Oktober 1996 13.560,63 DM und erhöhte sich bis zum 17. November 1998 durch Zinsgutschriften auf 14.529,38 DM. Dem Schreiben fügte der Kläger eine schriftliche Erklärung seiner Großmutter I. K. vom 28. Oktober 2002 bei, in der sie angab, das Sparbuch "bei der Kreissparkasse X. " für den Kläger angelegt zu haben, als er noch ein Schulkind gewesen sei. Sie habe dann laufend auf sein Buch eingezahlt, jedoch unter ihrer Adresse, da sie das Sparbuch bei sich aufbewahrt habe. Der Kläger habe das Sparbuch nie gesehen, jedoch gewusst, dass sie auch für ihn spare. Als die vereinbarte Frist bei der Sparkasse abgelaufen sei, habe sie ihrem Enkel endlich das Sparbuch "als kleines Startkapital" überreichen können. Das sei Ende 2001 gewesen.
6Mit zwei Bescheiden vom 26. März 2003 setzte der Beklagte unter Berücksichtigung der jeweiligen Guthaben auf dem Sparbuch die Förderungsleistungen für die Bewilligungszeiträume Oktober 1996 bis September 1997 bzw. Oktober 1997 bis September 1998 unter Abänderung der jeweiligen früheren Bewilligungsbescheide neu fest und forderte vom Kläger überzahlte Förderungsbeträge in Höhe von insgesamt 5.460,60 EUR zurück, da er bei der Antragstellung verschwiegen habe, ein nicht unwesentliches Vermögen zu besitzen.
7Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 24. April 2003 Widerspruch ein und machte zu dessen Begründung im Wesentlichen geltend: Er sei nicht Inhaber des verbrieften Sparguthabens und hierüber zu keinem Zeitpunkt verfügungsberechtigt gewesen, da sich das Sparbuch stets im Besitz seiner Großmutter befunden habe.
8Mit am 12. Juni 2003 als Einschreiben zur Post gegebenem Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2003 wies die Bezirksregierung L. den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
9Am 15. Juli 2003 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben und zu deren Begründung die Auffassung wiederholt, zu keinem Zeitpunkt über das Sparguthaben verfügungsberechtigt gewesen zu sein. An dieser Bewertung ändere auch der von ihm im Jahre 1994 unterschriebene Freistellungsauftrag nichts. Steuerrechtlich sei die Kapitalertragssteuer von demjenigen zu entrichten, der namentlich im Sparbuch eingetragen sei. Daraus ergebe sich jedoch keine zivilrechtliche Gläubigerstellung. Deshalb könne die aus dem Sparguthaben folgende Forderung gegen die Sparkasse nicht als sein Vermögen bezeichnet werden. Jedenfalls habe er, weil er nicht im Besitz des Sparbuchs gewesen sei, keine Verwertungsmöglichkeit gehabt. Da er die bewilligte Ausbildungsförderung verbraucht habe, sei die Rücknahme der Bewilligungsbescheide nur zulässig, wenn er grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hätte. Da ihm die Höhe des Sparguthabens unbekannt gewesen sei und sich das Sparbuch fortwährend in der Hand der Großmutter befunden habe, sei er hier nicht offensichtlich offenbarungspflichtig gewesen.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Bescheide des Beklagten vom 26. März 2003 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 11. Juni 2003 aufzuheben.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
15Zur Begründung der durch Beschluss des erkennenden Senates vom 3. Juni 2008 zugelassenen Berufung führt der Kläger aus: Das Verwaltungsgericht habe nicht beachtet, dass sich nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung eine eigenständige Forderungsberechtigung des Klägers nicht schon daraus ergebe, dass das Sparbuch auf seinen Namen angelegt worden sei. Entscheidend sei, wer das Sparbuch tatsächlich in seinem Besitz habe. Er sei so lange nicht als Berechtigter anzusehen, wie sich seine Großmutter, die das Sparkonto errichtet habe, den Besitz an dem Sparbuch vorbehalte. Verabredungen mit der Sparkasse über eine Forderungsberechtigung des Klägers seien nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass er einen Freistellungsauftrag unterschrieben habe, führe nicht zu einem zivilrechtlichen Anspruch gegenüber der Sparkasse und schon gar nicht zur Durchsetzbarkeit eines eventuellen Anspruchs gegenüber der Großmutter. Das Verwaltungsgericht habe ferner übersehen, dass er das Sparbuch aus rechtlichen Gründen nicht habe verwerten können. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Großmutter dem Kläger das Sparbuch auf dessen Verlangen herausgegeben hätte. Gegen seine Gläubigerstellung spreche auch, dass alle Beteiligten von der Bestimmungsberechtigung der Großmutter ausgegangen seien. Die Großmutter habe das Sparkonto im Jahre 1983 auf den Namen des Klägers angelegt. Dieses Sparkonto sei von der Großmutter unter dem 12. September 1990 mit veränderter Kündigungs- bzw. Zinsvereinbarung weitergeführt worden. Die entsprechende Erklärung trage die Unterschrift der Großmutter. Auch nach der Beantragung von Ausbildungsförderung durch den Kläger habe allein die Großmutter über das Sparkonto verfügt. So habe sie die Festschreibung unter dem 22. Oktober 1996 um fünf Jahre auf den 22. Oktober 2001 verlängert. Auch diese Erklärung trage allein die Unterschrift der Großmutter. Am 21. Februar 2000 sei als einzige Verfügung eine Auszahlung in Höhe von 3.000,00 DM vorgenommen worden. Auch diese Auszahlung sei ausschließlich von der Großmutter veranlasst und an diese geleistet worden. Schließlich sei auch die Auflösung des Sparbuchs von der Großmutter veranlasst und das Guthaben von ihr an den Kläger übertragen worden. Selbst wenn der Kläger als Gläubiger anzusehen wäre, läge in der nicht erfolgten Angabe des Sparguthabens bei Antragstellung keine grobe Fahrlässigkeit, da er sich hinsichtlich der Beurteilung seiner Rechtsposition im Einklang mit der zivilgerichtlichen Rechtsprechung befinde. Die Bescheide könnten auch deshalb keinen Bestand haben, da der Kläger sich inzwischen gemäß Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 12. September 2005 durch Zahlung des Einmalbetrages von 8.001,12 EUR von der gesamten Darlehensrückzahlungsverbindlichkeit befreit habe. Damit sei eine Tilgung in Höhe der hälftigen Beträge aus den streitgegenständlichen Bescheiden erfolgt.
16Der Kläger beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und die Bescheide des Beklagten vom 26. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 11. Juni 2003 aufzuheben.
18Der Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Er ist der Auffassung, das Sparguthaben im Zeitpunkt der Beantragung von Ausbildungsförderung sei dem Kläger als sein Vermögen zuzurechnen. Dabei sei entscheidend, dass der Kläger der Sparkasse im Jahre 1994 einen Freistellungsauftrag für seine bei diesem Institut anfallenden Zinseinnahmen erteilt habe. Er habe damit eine steuerliche Freistellung seiner Kapitalerträge beantragt, die aus seinem Vermögen stammten. Einkommensteuerrechtlich könne nur der Gläubiger der Kapitalerträge einen solchen Freistellungsauftrag rechtswirksam erteilen. Dementsprechend dürfe sich der Freistellungsauftrag nur auf Konten beziehen, bei denen Kontoinhaber und Gläubiger der Forderung identisch seien. Die Erteilung des Freistellungsauftrages im Jahre 1994 lasse nach dem objektiven Erklärungsgehalt nur den Schluss zu, dass alle Beteiligten zumindest ab diesem Zeitpunkt übereinstimmend den Kläger und nicht mehr dessen Großmutter als Gläubiger der auf dem Sparkonto verbrieften Forderung angesehen hätten. Da die steuerrechtliche Zuordnung von Vermögen der zivilrechtlichen Beurteilung nachfolge, spiele auch die Tatsache, dass die Großmutter des Klägers im Besitz des Sparbuchs geblieben sei, für die Frage der Vermögenszurechnung keine entscheidende Rolle. In jedem Falle verstoße das Verhalten des Klägers gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es sei widersprüchlich, sich einerseits steuerrechtlich als Gläubiger einer Guthabenforderung zu gerieren, andererseits diese Gläubigerstellung im Hinblick auf die Vermögensanrechnung im Rahmen des Ausbildungsförderungsrechts aber nicht gegen sich gelten zu lassen. Für den Kläger als Gläubiger des Sparguthabens habe auch kein rechtliches Verwertungshindernis bezüglich des in Rede stehenden Vermögens bestanden, da das Eigentum an einem Sparbuch als einem qualifizierten Legitimationspapier dem Recht aus dem Papier folge, also dem Gläubiger der darin verbrieften Forderung zustehe. Hier liege auch grobe Fahrlässigkeit vor. Der Kläger hätte spätestens aufgrund des im Jahre 1994 im eigenen Namen erteilten Freistellungsauftrages wissen müssen, dass ihm die Forderung aus dem Sparbuch zugestanden habe.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Berufung ist insgesamt zulässig. Insbesondere steht dem nicht die zwischenzeitlich erfolgte Rückforderung der erhaltenen Darlehensleistungen und die inzwischen erfolgte Zahlung des gesamten Betrages entgegen. Weder sind dadurch die hier streitigen Bescheide aufgehoben oder geändert worden noch sind Erstattungen auf Überzahlungen wegen zu Unrecht erhaltener Förderungsleistungen an die Kasse der Beklagten erfolgt.
24Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25Als Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bescheide über die Bewilligung von Ausbildungsförderung für die Bewilligungszeiträume Oktober 1996 bis September 1997 und Oktober 1997 bis September 1998 sowie die Erstattung der Leistungen kommen § 45 Abs. 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001, BGBl I, S. 130, und § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen hier nicht vor.
26Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass hier ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt vorliegt. Die Bewilligung von Ausbildungsförderung durch den Beklagten für die Zeiträume Oktober 1996 bis September 1997 und Oktober 1997 bis September 1998 war vielmehr rechtmäßig. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass wegen des Guthabens auf dem Sparkonto bei der Kreissparkasse L. (Geschäftsstelle X. ), das auf den Namen des Klägers lief, die Höhe des anzurechnenden Vermögens des Klägers in diesen Zeiträumen seinen monatlichen Bedarf für seine Ausbildung zum Teil sicherstellte. Dem Kläger stand Ausbildungsförderung für das Lehramtsstudium insoweit nur nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) zu. Danach sind auf den Bedarf im Sinne des § 11 Abs. 1 BAföG u.a. Einkommen und Vermögen des Auszubildenden anzurechnen. Der Kläger verfügte in den nach § 28 Abs. 2 BAföG jeweils maßgeblichen Zeitpunkten der Antragstellungen nicht über Vermögen im Sinne der §§ 26 ff. BAföG in einer den Förderungsanspruch auch nur teilweise ausschließenden Höhe, denn er war nicht Inhaber des Sparkontos Nr. bei der Kreissparkasse L. . Die daraus resultierenden Forderungen gegen die Kreissparkasse L. gelten deshalb nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG nicht als Vermögen des Klägers.
27Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BAföG gelten als Vermögen im ausbildungsförderungsrechtlichen Sinne bewegliche und unbewegliche Sachen (Nr. 1) sowie Forderungen und sonstige Rechte (Nr. 2). Einschränkungen des Vermögensbegriffs ergeben sich lediglich aus § 27 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BAföG. Forderungen, die nicht unter den abschließenden Katalog des § 27 Abs. 2 BAföG und nicht unter die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG ausgenommenen Gegenstände fallen, zählen damit ungeachtet ihrer spezifischen Rechtsnatur, ihres Ursprungs und Inhalts zum Vermögen im förderungsrechtlichen Sinne.
28Vgl. Humborg in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Auflage, Stand Januar 2008, § 27 Rdnr. 4 und 6.
29Der Kläger war nicht Inhaber des auf seinen Namen errichteten Sparkontos. Ihm standen zu den genannten Zeitpunkten Forderungen zivilrechtlich als Gläubiger gegenüber der Kreissparkasse L. als Schuldnerin aus dem Sparkonto nicht zu.
30Für die Beurteilung der Gläubigereigenschaft des Klägers ist nach der hierfür einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage, wann die Errichtung eines Sparkontos auf den Namen eines Anderen auf einen Vertrag zugunsten Dritter schließen lasse, nicht entscheidend, dass das Sparkonto auf den Namen des Klägers errichtet worden ist. Entscheidend ist vielmehr, wer gemäß der Vereinbarung mit der Sparkasse Kontoinhaber werden sollte. Fehlen ausdrückliche schriftliche Vereinbarungen zwischen den bei der Errichtung des Kontos Beteiligten, so ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Gläubigerstellung des im Sparbuch Benannten oder eines Dritten vorliegen. Ein wesentliches Indiz kann dabei sein, wer das Sparbuch in Besitz nimmt, denn gemäß § 808 BGB wird die Sparkasse durch die Leistung an den Inhaber des Sparbuchs auf jeden Fall dem Berechtigten gegenüber frei. Typischerweise ist, wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, aus diesem Verhalten zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will.
31Vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2005 - X ZR 264/02 -; FamRZ 2005, 510.
32Ausgehend von diesen Grundsätzen, die der erkennende Senat der Entscheidung des vorliegenden Falles zugrunde legt, hat der Kläger die aus dem Sparbuch folgende Forderung des Sparguthabens gegen die Kreissparkasse L. nicht erworben, obwohl das Sparkonto auf seinen Namen lief.
33Eine über den Namenseintrag hinausgehende ausdrückliche Vereinbarung, wonach der Kläger und nicht seine Großmutter Inhaber des Guthabens ab Errichtung des Kontos oder später geworden ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es ist auch nach den gesamten Umständen nicht feststellbar, dass der Kläger in der fraglichen Zeit Inhaber des Guthabens auf dem Konto war.
34Der Vortrag des Klägers zu den Umständen, unter denen seine Großmutter dieses Konto bereits im Jahre 1983 angelegt hat, wird durch die Erklärung der Großmutter in ihrem Schreiben an den Beklagten vom 28. Oktober 2002 bestätigt und vom Beklagten auch nicht bestritten. Danach sprechen insbesondere die Tatsachen, dass die Großmutter zwar den Namen des Klägers in das Sparbuch hat eintragen lassen, um es dem Kläger im Unterschied zu einem seinem Bruder zugedachten Buch zuordnen zu können, jedoch ihre eigene Adresse angegeben hat, weil von vornherein allein sie das Sparbuch aufbewahren und deshalb den Geschäftsverkehr mit ihrer heimischen Sparkasse über ihre eigene Adresse abwickeln lassen wollte und abgewickelt hat, dafür, dass die Großmutter selbst Inhaberin des Kontos und der damit verbrieften Forderung gegen die Sparkasse werden wollte und geworden ist.
35Dass die Großmutter, und zwar auch aus der Sicht der Sparkasse, Vertragspartner der Kasse und Inhaberin des Sparkontos war, zeigt sich auch daran, dass die jeweiligen Änderungen der dem Sparbuch zugrunde liegenden Konditionen in den Jahren 1990, 1994 und 1996 nicht durch den Kläger, sondern durch seine Großmutter veranlasst und die entsprechenden Vereinbarungen mit der Sparkasse allein von ihr ohne einen Zusatz etwa hinsichtlich einer rechtsgeschäftlichen Vertretung getroffen worden sind. Auch die Bestätigung der Sondervereinbarung vom 18. Oktober 1994, die im Gegensatz zu den sonstigen Schreiben u.a. die Anschrift des Klägers in L1. enthält, ist ohne jeden Zusatz nur von dessen Großmutter unterschrieben worden. Auch die Auflösung des Sparbuchs ist nach dem vom Beklagten nicht angegriffenen Vortrag des Klägers allein durch die Großmutter in der Form vorgenommen worden, dass sie sich das Sparguthaben zunächst auf ihr eigenes Konto hat auszahlen lassen, bevor sie es an den Kläger überwiesen hat.
36Auch der Umstand, dass die während der Laufzeit des Sparbuchs einzig vorgenommene Auszahlung durch die Großmutter des Klägers verfügt worden und das ausgezahlte Geld von ihr nicht an den Kläger weitergeleitet, sondern von ihr selbst verwandt worden ist, zeigt deutlich auf, dass die Großmutter des Klägers als Kontoinhaberin auftrat und handelte.
37Entscheidend kommt hinzu, dass die Großmutter des Klägers das Sparbuch nach dem vom Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des Klägers von Anfang an, nämlich seit der Errichtung des Sparkontos im Jahre 1983 bis zur Fälligkeit des Sparguthabens im Jahre 2001 nicht aus der Hand gegeben, sondern stets bei sich aufbewahrt hat.
38Eine Gesamtwürdigung all dieser Umstände rechtfertigt nach der Überzeugung des Senates allein den Schluss, dass das Sparkonto der Großmutter des Klägers zuzurechnen ist und der Kläger zu keiner Zeit über die sich aus dem Sparguthaben gegen die Sparkasse ergebende Forderung auf Auszahlung des Sparguthabens verfügen konnte.
39Die hier festzustellende Art und Weise des Umgangs mit dem Sparbuch entspricht dem von der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes typischerweise angenommenen Verhalten, aus dem in der Regel zu schließen ist, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten will. Ein solches Verhalten wird entgegen der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung offensichtlich nicht nur von der praktischen Erwägung gesteuert, das Sparbuch in der Hand zu halten, um regelmäßig Einzahlungen vornehmen zu können. Abgesehen davon, dass im fraglichen Zeitraum solche Einzahlungen nicht, sondern nur Zinsgutschriften erfolgt sind, wäre hierfür nämlich der Besitz des Buches nicht zwingend erforderlich gewesen. Mit dem Besitz sollte vielmehr die Verfügungsberechtigung erhalten bleiben.
40Soweit der Beklagte vorträgt, die Großmutter des Klägers habe mit der Formulierung, sie habe ihm nach Ablauf der vereinbarten Frist "endlich sein Buch überreichen" können, ausdrücklich erklärt, dass der Kläger Inhaber des Sparbuchs gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn dabei wird insbesondere außer Acht gelassen, dass die Großmutter als juristische Laiin hier im Nachhinein, nachdem dem Kläger das Guthaben zugeflossen war, den Vorgang der Übertragung des Vermögens an den Kläger schildert und deshalb vom Überreichen "seines Buches" sprechen konnte, ohne damit eine Aussage über die bis dahin geltenden Vermögensverhältnisse zu treffen bzw. treffen zu müssen. Schließlich ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit Erreichen der Volljährigkeit Kontoinhaber geworden ist. Die zur Begründung hierfür vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, nach Erreichen der Volljährigkeit habe die Bank den Geschäftsverkehr an den Kläger adressiert, findet in den Akten keine Stütze. Danach enthält lediglich die oben dargestellte Sondervereinbarung vom 18. Oktober 1994 auch die Anschrift des Klägers in L1. , während z.B. in der später erfolgten Vereinbarung vom 22. Oktober 1996 wiederum die Anschrift seiner Großmutter in X. aufgeführt ist. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen, dass auch die Vereinbarung aus 1994 allein von der Großmutter des Klägers unterschrieben worden ist.
41Dass der Bundesgerichtshof in der oben genannten Entscheidung auch darauf abgestellt hat, dass es sich um einen Fall handelt, in dem typischerweise der Vorbehalt des Verfügungsrechts sich bis zum Tode des Zuwendenden erstrecken soll, während hier die Großmutter von Anfang an an ein "Kleines Startkapital" für den Berufseinstieg gedacht hatte, lässt den Schluss auf ein früheres Verfügungsrecht des Klägers nicht zu. Denn abgesehen davon, dass hier nur wegen des von der Großmutter erreichten Alters ein Übergang der Inhaberschaft an dem Konto schon zu ihren Lebzeiten erfolgen konnte, handelt es sich um einen Fall, in dem typischerweise, wie in dem Fall der Zuwendung von Todes wegen anzunehmen ist, dass der Zuwendende sich das Verfügungsrecht über das Sparguthaben bis zum geplanten Zeitpunkt der Zuwendung vorbehalten will.
42Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger im Jahre 1994 einen Freistellungsauftrag für das Sparkonto unterschrieben hat. Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung ist allein durch die Unterschrift unter diesen Auftrag eine neue Vereinbarung über den Inhaber des Sparkontos nicht getroffen worden. Dass eine solche Vereinbarung in der zur Freistellung abgegebenen konkreten Erklärung nicht enthalten war, ist offensichtlich. Auch für eine konkludente Vereinbarung sind hinreichende Anhaltspunkte nicht vorgetragen worden und vor allem deshalb nicht ersichtlich, weil die Großmutter auch nach Erteilung dieses Freistellungsauftrages durch den Kläger das Sparbuch weiterhin allein aufbewahrt und die danach folgenden Geschäfte im Zusammenhang mit dem Sparkonto selbst vorgenommen hat. Schließlich kann auch der Umstand, dass der Kläger spätestens seit diesem Freistellungsauftrag objektiv von der Existenz des Sparkontos wusste, für sich allein noch nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Begründung seiner Gläubigerstellung führen. Ein objektiver Erklärungsgehalt, der nur den Schluss zuließe, dass alle Beteiligten zumindest ab diesem Zeitpunkt den Kläger und nicht mehr dessen Großmutter als Gläubiger der auf dem Sparkonto verbrieften Forderung ansahen, ist deshalb entgegen der vom Beklagten vertretenen Ansicht hier auch nicht erkennbar.
43Auch der Umstand, dass nach § 44 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nur der Gläubiger der Kapitalerträge einen Freistellungsauftrag erteilen kann, kann eine Gläubigerstellung des Klägers nicht begründen. Denn abgesehen davon, dass sich das Recht zur Erteilung eines Freistellungsauftrages nach der Gläubigerschaft richtet und die Gläubigerschaft nicht durch einen solchen Auftrag erst entstehen kann, stellt sich hier die Frage, ob der Kläger den Freistellungsauftrag nicht zu Unrecht erteilt hat, da er, wie oben dargestellt, entgegen der irrtümlichen Ansicht der Sparkasse nicht Gläubiger des Sparkontos war, obwohl das Konto auf seinen Namen lief. Auch dies zeigt, dass jedenfalls allein die mit der Erteilung des Freistellungsauftrages verbundene Erklärung des Klägers ihn nicht zum Gläubiger des Sparkontos machen konnte.
44War der Kläger damit zivilrechtlich nicht Inhaber der Forderung aus dem Sparbuch, galt diese Forderung auch förderungsrechtlich nicht als sein Vermögen.
45Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
46Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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