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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gründe:
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 64 Abs. 2 LDG NRW i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt auf Grundlage seiner Darlegungen (§ 64 LDG NRW i.V.m. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht vor (§ 64 Abs. 2 LDG NRW i. V. m. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
3Ernstliche Zweifel im Sinne der genannten Vorschrift bestehen dann, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 526 (527), Rn. 17.
5Dies ist hier nicht der Fall.
6I.Der Einwand des Klägers, die Disziplinarkammer habe unberücksichtigt gelassen, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, mit den in Rede stehenden Film- und Fotoaufnahmen gegen gesetzliche Bestimmungen zu verstoßen, begründet keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
7Erkennt der Beamte - was der Kläger nicht in Abrede stellt - zutreffend den Sachverhalt, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, glaubt er aber gleichwohl, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben, so beruft er sich auf einen so genannten Verbotsirrtum. Ein solcher Rechtsirrtum über das Bestehen, den Umfang oder den Inhalt dienstlicher Pflichten kann das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit (Unrechtsbewusstsein) entfallen lassen. Wenn dem Beamten nicht widerlegt werden kann, die Pflichtverletzung unter einem Verbotsirrtum begangen zu haben, schließt ein solcher Irrtum die Schuld - und damit das Dienstvergehen - nur dann aus, wenn er unvermeidbar war (vgl. § 17 Satz 1 StGB). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten gemäß seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst. Davon ist im Regelfall auf Grund der Ausbildung der Beamten und der Praxis dienstzeitbegleitender Belehrungen über Rechte und Pflichten im Dienstverhältnis auszugehen. Im Zweifel wird von einem Beamten - im eigenen Interesse - erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt. So kann er verhindern, dass ihm gegebenenfalls entgegengehalten wird, er habe zwar in einem Verbotsirrtum gehandelt, der jedoch vermeidbar gewesen sei; ein solcher vermeidbarer Irrtum, der die Vorsatzschuld nicht ausschließt, "kann" bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden (vgl. § 17 Satz 2 StGB).
8Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 – 2 C 11.05 –, Rn. 30, juris; Beschluss vom 21. Februar 2008 – 2 B 1.08 –, Rn. 6, juris.
9Hiernach liegt, ausgehend von den Feststellungen der Disziplinarkammer, kein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor, der den Kläger durchgreifend entlasten könnte.
10Unerheblich ist, ob der Kläger die in dem angefochtenen Urteil im Einzelnen genannten Bestimmungen der Verordnung über die zur Verarbeitung zugelassenen Daten von Schülerinnen, Schülern und Eltern (VO-DV I) vom 14. Juni 2007 (GV. NRW. 2007, 223) sowie des Datenschutz- und des Schulgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen kannte oder der Schulleiter ihn auf diese Rechtsgrundlagen ausdrücklich hingewiesen hat. Ein Verbotsirrtum scheidet schon dann aus, wenn der Kläger es jedenfalls für möglich hielt, durch sein Verhalten gegen Rechtsnormen zu verstoßen.
11Hieran besteht mit Blick auf die Fotoaufnahmen der Schüler im Chemieunterricht kein Zweifel. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts fehlte eine Einwilligung der Erziehungsberechtigten. Zudem widersprach auch ein Teil der Schüler den Aufnahmen. Einer der Schüler wies darauf hin, dass die Fotoaufnahmen „nicht erlaubt“ seien. Bereits diese Umstände mussten dem Kläger Anlass geben, die Rechtswidrigkeit seines Handelns in Betracht zu ziehen. Die Annahme, es sei einem Lehrer erlaubt, Schüler der 7. Klasse gegen ihren erklärten Willen und ohne Einwilligung ihrer Erziehungsberechtigten zu fotografieren und die Bilddateien auf einem privaten Datenträger zu speichern, liegt auch aus der Sicht eines juristischen Laien fern. Hinzu kommt, dass der Kläger die Fotoaufnahmen fertigte, nachdem sich bereits Schülerinnen wegen der früheren Filmaufnahmen im Sportunterricht beschwert und der Schulleiter ihn auf die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens hingewiesen hatte. Dabei musste sich dem Kläger aufdrängen, dass die rechtlichen Gründe, die den ihm ausdrücklich untersagten Filmaufnahmen entgegenstanden, es gleichfalls ausschlossen, Schüler im Unterricht gegen ihren Willen zu fotografieren. Nachvollziehbare Gründe, die ihn zu der Annahme hätten veranlassen können, das Fotografieren sei im Gegensatz zum Anfertigen von Filmaufnahmen erlaubt, sind weder dargetan noch erkennbar. Der behauptete Zweck, sich die Namen besser einprägen zu können, rechtfertigte es erkennbar nicht, hierbei Rechtsverstöße zu begehen. Die These, es handele sich um einen „gänzlich anderen Gegenstand“, bleibt ohne jede Begründung.
12Auch in Bezug auf die Videoaufnahmen im Sportunterricht rechtfertigen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Annahme, dass der Kläger einen Verstoß gegen Rechtsnormen zumindest für möglich hielt. Nach den Feststellungen der Disziplinarkammer hat sich der Kläger bei den Videoaufnahmen über den erklärten Willen dreier Schülerinnen, nicht gefilmt werden zu wollen, hinweggesetzt. Für die Einsicht, dass das Anfertigen und Speichern von Bildaufnahmen gegen den Willen der Betroffenen grundsätzlich der Rechtsordnung widerspricht, bedurfte er keiner besonderen Rechtskenntnisse. Es sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die den Kläger zu der unzutreffenden Annahme hätten veranlassen können, dass es ihm als Lehrer mit Blick auf den nach seinem Vortrag verfolgten Zweck, die tänzerischen Leistungen der Schülerinnen besser bewerten zu können, erlaubt sein könnte, sich über den erklärten Willen der Schülerinnen hinwegzusetzen.
13Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellte, dass er beim Anfertigen der Videoaufnahmen trotz des Widerspruchs der Schülerinnen einen Verstoß gegen die Rechtsordnung nicht in Betracht gezogen hätte, würde ihn dies nicht durchgreifend entlasten. Denn einen derartigen Irrtum hätte er leicht vermeiden können. Der Widerspruch der betroffenen Schülerinnen konnte und musste dem Kläger Veranlassung geben, die rechtliche Zulässigkeit seines Verhaltens zumindest in Frage zu stellen und erforderlichenfalls Rechtsrat einzuholen. Dieser wäre ihm, was die spätere Belehrung durch den Schulleiter belegt, auch zutreffend erteilt worden.
14Auch die Einwendungen des Klägers gegen die Bemessung der Disziplinarmaßnahme greifen nicht durch. Dass das Verwaltungsgericht trotz des Ausscheidens der in der Disziplinarverfügung mit den Ziffern 1, 4 und 7 bezeichneten Vorwürfe nach § 55 LDG NRW eine Geldbuße für angemessen erachtet hat, die der Höhe nach der bereits mit der Disziplinarverfügung verhängten entspricht, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Nach § 59 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW prüft das Gericht bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Daraus folgt, dass das Gericht nicht auf die Prüfung der Frage beschränkt ist, ob das dem Kläger mit der Disziplinarverfügung vorgeworfene Verhalten (Lebenssachverhalt) tatsächlich vorliegt und als Dienstvergehen zu würdigen ist. Das Gericht hat unter Beachtung des Verschlechterungsverbots eigenständig darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung ggf. teilweise aufzuheben; es trifft in Anwendung der in § 13 Abs. 1 und Abs. 2 LDG NRW niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Obergrenze vielmehr eine eigene Ermessensentscheidung.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 – 2 C 1.13 –, Rn. 73, juris; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2007 – 21d A 3600/06.O –, Rn. 10, juris, und Urteil vom 7. März 2012 – 3d A 317/11.O –, Rn. 262, juris.
16Hiernach war das Verwaltungsgericht nicht gehindert, die o. g. Vorwürfe auszuscheiden. Dies setze nach § 55 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW bereits voraus, dass diese für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht oder voraussichtlich nicht ins Gewicht fielen, und für die verbleibenden Dienstpflichtverletzungen aufgrund eigener Ermessensentscheidung die bereits mit der Disziplinarverfügung verhängte Disziplinarmaßnahme aufrechtzuerhalten.
17Es ist nicht dargelegt, dass die Disziplinarkammer ihr Ermessen nicht unter Beachtung der in § 13 Abs. 1 und 2 LDG NRW niedergelegten Grundsätze ausgeübt hat. Die Einwände des Klägers begründen keine Zweifel an der Fehlerfreiheit der Ermessensausübung. Soweit er darauf hinweist, dass er mit Ausnahme der hier in Rede stehenden Vorwürfe straf- und disziplinarrechtlich nicht Erscheinung getreten sei, handelt es sich um einen Gesichtspunkt seines Persönlichkeitsbildes (§ 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW). Ihm hat das Verwaltungsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in den Blick genommen und zugunsten des Klägers (vertretbar) in die Abwägung eingestellt.
18Der weitere Einwand im Hinblick darauf, dass er sich in einem Verbotsirrtum befunden habe, sei ein geringerer Schuldvorwurf gerechtfertigt als von der Disziplinarkammer zugrunde gelegt, greift aus den bereits dargelegten Gründen nicht durch.
19Nicht zu folgen ist dem Vorbringen, ein Sanktionsbedürfte bestehe schon deshalb nicht, weil es sich um „einmalige Verstöße“ gehandelt habe, die im Nachgang nicht mehr vorgekommen seien. Der Kläger hat wiederholt gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen. Zudem war er nach der ersten Verfehlung durch den Schulleiter ermahnt worden. Die Disziplinarkammer hat hieraus zu Recht den Schluss gezogen, es bedürfte, auch ohne dass es zu weiteren Pflichtverletzungen des Klägers gekommen ist, einer disziplinaren Ahndung.
20Den Pflichtverletzungen war auch nicht mit der Erwägung geringeres Gewicht beizumessen, dass es sich lediglich um „Formalverstöße“ gehandelt habe. Es bestand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Verpflichtung der Schüler oder der Erziehungsberechtigten, den Bildaufnahmen zuzustimmen. Soweit der Kläger annehmen will, dass die Eltern der betroffenen Schüler in die Bildaufnahmen eingewilligt hätten, wenn sie über die von ihm verfolgten Zwecke unterrichtet worden wären, handelt es sich um eine Vermutung. Für ihre Richtigkeit sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Der Umstand, dass jedenfalls ein Teil betroffenen Schüler bereits von sich aus den Aufnahmen widersprochen hatte, lässt die Zustimmung ihrer Eltern vielmehr als durchaus fraglich erscheinen.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
22Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es mit Blick auf § 75 LDG NRW nicht.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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