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1. Bei Verwaltungsakten, die möglicherweise von Anfang an rechtswidrig sind, kommt ein Widerruf in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW in Betracht.
Hierbei erübrigt sich eine Prüfung, ob die Behörde erst aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Entscheidend ist nur, ob die Behörde im Zeitpunkt des Widerrufs (weiterhin) zu einer Nichterteilung berechtigt ist.
2. In Fallgestaltungen, in denen ausschließlich wirtschaftliche Interessen des Begünstigten betroffen sind und außergewöhnliche Umstände, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, nicht vorliegen, ist die Ermessensentscheidung der Behörde in Richtung auf einen Widerruf intendiert.
In diesen Fällen ist einem etwaigen Vertrauensschutz des Begünstigten bereits durch die Möglichkeit der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 49 Abs. 6 VwVfG NRW ausreichend Rechnung getragen.
3. Ein in den Räumlichkeiten einer Tankstelle betriebenes Bistro ist kein „Raum“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV, da es keine hinreichende Abschirmwirkung gegen Kinder, Jugendliche und potentiell suchtgefährdete Spieler aufweist.
Gegenstand der Geeignetheitsbestätigung nach § 33c Abs. 3 GewO ist allein die Geeignetheit des Aufstellungsortes. Diese wird nicht dadurch erreicht, dass ein Geldspielgerät aufgestellt wird, das durch ein technisches Sperrsystem den Anforderungen des Jugendschutzes genügt.
Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 27.1.2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Auf Antrag des Klägers erteilte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 1.2.2010 eine Geeignetheitsbestätigung gemäß § 33c Abs. 3 GewO für die Aufstellung von Geldspielgeräten in der „Imbissstube C. . 221, 44145 E. “. Unter dieser Anschrift betreibt eine Pächterin die Tankstelle „C1. “.
3Bei einer Kontrolle der Tankstelle „C1. “ am 15.12.2011 stellte die Beklagte fest, dass dort zwei Geldspielgeräte aufgestellt waren. Im Einsatzbericht hieß es unter anderem: „Eine Geeignetheitsbestätigung liegt hier zwar vor, muss aber widerrufen werden.“
4Wenige Tage später teilte der Kläger unter Übersendung eines Plans mit, es sei beabsichtigt, die Imbissstube Anfang 2012 umzubauen. Ein Grund für einen Widerruf der Geeignetheitsbestätigung liege nicht vor.
5Mitte April 2012 wies der bisherige Pächter der Tankstelle die Beklagte schriftlich darauf hin, dass die Imbissstube inzwischen mit Sitzgelegenheiten für die Gäste ausgestattet worden sei. Diesen Hinweis nahm die Beklagte zum Anlass für eine Kontrolle der Tankstelle am 19.4.2012. Dabei stellte sie fest, dass dort unverändert zwei Geldspielgeräte des Klägers aufgestellt waren. Im Vermerk über die Kontrolle heißt es: „Die Geeignetheitsbestätigung ist zurückzunehmen.“
6Mit Schreiben vom 24.4.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, die Geeignetheitsbestätigung zu widerrufen. Der in der Bestätigung bezeichnete Aufstellungsort „Imbissstube“ sei unzutreffend, da der Betrieb keine Imbissstube, sondern eine Tankstelle sei.
7Daraufhin machte der Kläger geltend: Im Jahr 2012 werde der Aufstellort komplett umgebaut und als Bistro betrieben. Im Übrigen habe die Beklagte im Jahr 2010/2011 erklärt, bereits ausgestellte Bescheinigungen würden nicht widerrufen. In anderen Tankstellen in E. seien ebenfalls Geldspielgeräte aufgestellt.
8Mit Bescheid vom 23.7.2012 widerrief die Beklagte die Geeignetheitsbestätigung und ordnete die Entfernung der Geldspielgeräte an. Für den Fall, dass der Kläger dieser Anordnung nicht binnen einer Woche nach Bestandskraft der Ordnungsverfügung nachkommen sollte, drohte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR für den Fall der Zuwiderhandlung an. Zur Begründung führte sie aus: Der Widerruf beruhe auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW. Hiernach könne ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Dies sei hier der Fall. Bei der Bestätigung der Geeignetheit als Aufstellort sei in den Räumlichkeiten in der C. . 221 in E. ein erlaubnisfreier Gaststättenbetrieb (Betriebsart „Imbissstube“) betrieben worden. Im April 2012 sei festgestellt worden, dass der Betrieb für die Aufstellung von Geldspielgeräten ungeeignet sei. Gemäß § 1 Nr. 1 SpielV dürfe ein Geldspielgerät (u. a.) nur in Räumen von Schank- und Speisewirtschaften aufgestellt werden, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht würden, und es sich hierbei nicht nur um eine untergeordnete Leistung handle. Die Tankstelle „C1. “ weise keine eigene Betriebseigenschaft als Imbissstube auf. Der Bistrobereich befinde sich in den Räumlichkeiten des Tankstellenshops. In dem Betrieb sei kein eigenes Personal anwesend, vielmehr erfolge die Aufsicht durch das Personal der Tankstelle. Der Getränkeausschank sei gegenüber dem Verkauf von Kraftstoffen und Zubehör sowie der Erzielung von Gewinnen aus den Geldspielgeräten von untergeordneter Bedeutung. Der Kläger habe die angekündigten Umbaumaßnahmen bislang nicht durchgeführt. Der Einhaltung der ‑ insbesondere dem Spielerschutz dienenden - Rechtsordnung und dem Schutz der Konkurrenten des Klägers sei der Vorrang vor dessen wirtschaftlichen Interessen einzuräumen. Der Widerruf der Geeignetheitsbestätigung sei auch geeignet und angemessen.
9Der Kläger hat Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend gemacht hat: Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW lägen nicht vor. Die Betriebsstätte in der C. . 221 sei weder umgewandelt noch seit Erteilung der Geeignetheitsbestätigung nachträglich verändert worden. Schon am 29.11.2002 habe der damalige Betreiber sein Gewerbe um eine Imbissstube erweitert. Die Beklagte habe dies dem Vorbetreiber bei der Gewerbeummeldung seinerzeit bestätigt. Die Gewerbeummeldung habe die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis vorausgesetzt. Die Imbissstube und der Shop seien die Haupteinnahmequellen und nicht nur Nebenleistungen zum Tankstellenbetrieb. Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme scheide aus. Auch sei im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids am 23.7.2012 die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW verstrichen gewesen. Die Beklagte habe schon bei Erteilung der Geeignetheitsbestätigung am 1.2.2010 gewusst, dass es sich bei dem Objekt C. . 221 um eine Tankstelle handele. Ferner könnten die Ermessenserwägungen der Beklagten im Rahmen des Widerrufs nicht auf eine Rücknahme übertragen werden.
10Bei einer Kontrolle der Betriebsstätte am 3.4.2013 stellte die Beklagte unter anderem fest, dass der Bistrobereich, der weder über einen eigenen Eingang noch über eine Kasse verfügte, unmittelbar an den Kassenbereich der Tankstelle grenzte und der Sitzbereich durch einen anderen Bodenbelag sowie halbhohe Mauerstücke vom übrigen Verkaufsbereich abgeteilt war. Ein Geldspielgerät stand nicht im Imbissbereich, sondern neben der Eingangstür der Tankstelle.
11Der Kläger hat beantragt,
12die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 23.7.2012 aufzuheben.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat unter anderem geltend gemacht: Der Gaststättenbetrieb sei lediglich eine untergeordnete Nebenleistung zum Tankstellenbetrieb. Eine hinreichende räumliche Abgrenzung beider Bereiche fehle. Die erforderliche Jahresfrist für die Rücknahme bzw. den Widerruf sei eingehalten worden. Sie, die Beklagte, habe die Geeignetheitsbestätigung vom 1.2.2010 allein aufgrund der Aktenlage und ohne Kenntnis der genauen örtlichen Verhältnisse erteilt. Sie habe erstmals bei ihrer Kontrolle am 15.12.2011 festgestellt, dass es sich bei der Betriebsstätte um eine Tankstelle handele.
16Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Aufhebung der Geeignetheitsbestätigung vom 1.2.2010 sei rechtmäßig. Zwar scheide § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW als Rechtsgrundlage aus, da die Geeignetheitsbestätigung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Der Aufstellort der Geldspielgeräte habe seit ihrer Erteilung nicht den Anforderungen des § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO i. V. m. § 1 SpielV entsprochen. Bei dem Verkaufsraum der Tankstelle handele es sich trotz des darin ebenfalls untergebrachten Bistros nicht um Räume einer Schank- oder Speisewirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV, in denen der Gaststättenbetrieb im Vordergrund stehen müsse. Dieser sei nach den gesamten Umständen als unselbständige Nebenleistung des Tankstellenbetriebs zu bewerten. Die Vorschriften der Spielverordnung dienten der Beschränkung des Spieltriebs, dem Schutz der Allgemeinheit und den Interessen des Jugendschutzes. Hiergegen könne nicht mit Erfolg eingewandt werden, Kinder und Jugendliche hätten nur eingeschränkt Zugang zu einer Tankstelle. Auch der Umsatz- und Ertragsverteilung sei kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Ebenso lasse die Gewerbeanzeige vom 29.11.2002, in der der Betrieb einer Imbissstätte angezeigt worden sei, keine Rückschlüsse auf die faktische Nutzung der Räume zu. Der Umstand, dass die Beklagte § 49 VwVfG NRW als Rechtsgrundlage herangezogen habe, mache die Ordnungsverfügung aber nicht rechtswidrig, da sich diese aus einem anderen Rechtsgrund als rechtmäßig erweise. Der Widerruf lasse sich gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG NRW in eine rechtmäßige Rücknahme umdeuten. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG NRW lägen vor. Die Ermessenserwägungen der Beklagten zum Widerruf seien auch im Rahmen der Rücknahme tragfähig. Die Beklagte habe die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW eingehalten. Die Anordnung der Entfernung der Geldspielgeräte beruhe auf § 14 Abs. 1 OBG NRW und sei ebenfalls rechtmäßig. Auch die Zwangsgeldandrohung begegne keinen rechtlichen Bedenken.
17Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend: Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt. Weitere Ermittlungen hätten ergeben, dass das Bistro aufgrund seiner optischen Absonderung ein eigenständiger gastronomischer Betrieb sei und nicht nur eine unselbständige Nebenleistung darstelle. Das Geldspielgerät befinde sich zudem nicht im Eingangsbereich, sondern links neben der Bistrotheke. Auch habe die im Jahr 2002 erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis zwingend zur Folge, dass die Betriebsstätte C. . 221 in E. als Aufstellort für Geldspielgeräte geeignet sei. Eine weitere Beweiserhebung hätte zudem gezeigt, dass die Beklagte mehr als ein Jahr vor Erlass der Ordnungsverfügung Kenntnis von den tatsächlichen Gegebenheiten der streitgegenständliche Betriebsstätte gehabt haben müsse. Die Entscheidung über die Geeignetheitsbestätigung sei nicht lediglich nach Aktenlage erfolgt. Aber auch bei Annahme einer unwesentlichen Nebenleistung komme ausnahmsweise die Zulassung von Geldspielgeräten in einer Tankstelle in Betracht. Das Spielangebot stelle hier, vergleichbar mit Gaststätten, nur einen Annex zum Verzehr von Speisen und Getränken dar. Da der Spielautomat direkt neben dem Tresen aufgestellt sei, stehe dieser unter unmittelbarer Kontrolle des Personals. Konkrete Gefährdungen des Jugendschutzes seien damit ausgeschlossen. Auch sei die Beklagte selbst davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse im Sinne des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW ohne den Widerruf nicht gefährdet sei. Dies folge schon aus der Zusage eines ihrer Mitarbeiter, bereits ausgestellte Geeignetheitsbestätigungen nicht zu widerrufen. Im Übrigen sei § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW auf den Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit nicht anwendbar. Eine Umdeutung im Sinne des § 47 VwVfG NRW scheide wegen der ausdrücklichen Bezeichnung der Ordnungsverfügung als Widerruf und wegen ihrer inhaltlichen Begründung aus. Eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG NRW wäre auch ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte nicht auf seinen, des Klägers, Vertrauensschutz eingegangen sei. Auch sei die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW nicht eingehalten worden.
18Der Kläger beantragt,
19das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 27.1.2014 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 23.7.2012 aufzuheben.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie hält an der angefochtenen Ordnungsverfügung fest und macht geltend: In ihrer Widerrufsentscheidung habe sie Ermessenserwägungen vorgenommen. Sie habe ausgeführt, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Rechtsnormen der Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an einem wirtschaftlichen Vorteil eingeräumt werde. Dies sei für die Berücksichtigung des Vertrauensinteresses nach § 48 Abs. 3 VwVfG NRW ausreichend.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
26Die Anfechtungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 23.7.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
27I. Der auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW gestützte Widerruf der dem Kläger unter dem 1.2.2010 erteilten Bestätigung, dass die Betriebsstätte C. . 221, 44145 E. , für die Aufstellung von Geldspielgeräten geeignet sei, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Einer Umdeutung des ausgesprochenen Widerrufs in eine Rücknahme (vgl. § 47 VwVfG NRW) bedurfte es daher nicht.
281. Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Die Möglichkeit des Widerrufs besteht über den Wortlaut des § 49 Abs. 1 und 2 VwVfG NRW hinaus auch bei rechtswidrigen Verwaltungsakten. Trotz der unterschiedlichen Regelungen der Rücknahme und des Widerrufs in §§ 48 f. VwVfG NRW im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit des in Frage stehenden Verwaltungsakts bestehen keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 49 Abs. 1 und 2 VwVfG NRW auch auf rechtswidrige Verwaltungsakte, die nach § 48 VwVfG NRW nicht zurückgenommen werden können oder sollen, für die aber jedenfalls die Voraussetzungen des Widerrufs gegeben sind. Einem rechtswidrigen Verwaltungsakt kann kein höherer Bestandsschutz zugemessen werden als einem rechtmäßigen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 – 9 C 12.00 –, BVerwGE 112, 80 (85) = juris, Rn. 13, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 31.5.2016 – 4 B 1360/15 –, juris, Rn. 14, sowie Urteile vom 13.6.2002 – 12 A 693/99 –, NVwZ-RR 2003, 803 = juris, Rn. 15, m. w. N., und vom 10.12.1990 – 4 A 2423/89 –, GewArch 1991, 224 = juris, Rn. 2, m. w. N.
30Für die Zulässigkeit des Widerrufs ist deshalb unerheblich, ob die Voraussetzungen des § 33c GewO bereits bei der Erteilung der Geeignetheitsbestätigung nicht vorgelegen haben und der Verwaltungsakt damit von Anfang an rechtswidrig war.
312. Ausgehend hiervon lagen die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW vor.
32a) Unabhängig davon, ob die Geeignetheitsbestätigung vom 1.2.2010 von Anfang an rechtswidrig war, entsprach der darin bezeichnete Aufstellungsort jedenfalls zum Zeitpunkt des Widerrufs am 23.7.2012 nicht den für die Aufstellung von Geldspielgeräten maßgeblichen Voraussetzungen.
33Nach § 33c Abs. 3 Satz 1 GewO darf der Gewerbetreibende Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt hat, dass der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33f Abs. 1 Nr. 1 GewO erlassenen Durchführungsvorschriften entspricht. Gemäß § 1 Abs. 1 SpielV dürfen Geldspielgeräte unter anderem nur – was hier allein in Betracht kommt – in Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, aufgestellt werden (Nr. 1). Ein Gaststättenbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV ist nur dann gegeben, wenn die gewerblichen Räume durch den Schank- und Speisebetrieb geprägt sind und nicht überwiegend einem anderen Zweck dienen.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1991 – 1 B 30.91 –, GewArch 1991, 225 = juris, Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 10.12.1990 – 4 A 2423/89 –, GewArch 1991, 224 = juris, Rn. 5, und Beschluss vom 3.1.2014 – 4 B 1053/13 –, m. w. N.; Marcks in: Landmann/Rohmer, GewO, Loseblatt-Kommentar, Stand: März 2016, § 1 SpielV, Rn. 2.
35Siehe nunmehr auch § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV.
36Die Regelungen des § 1 SpielV dienen der Eindämmung der Betätigung des Spieltriebs, dem Schutz der Allgemeinheit und der Spieler sowie dem Interesse des Jugendschutzes (vgl. § 33f Abs. 1 GewO). Zur Erreichung dieser Regelungsziele hat der Verordnungsgeber die Aufstellung von Geldspielgeräten in § 1 Abs. 1 SpielV auf solche Orte beschränkt, in denen – wie bei Spiel- und Wettannahmestellen – das Spielen den Hauptzweck bildet und die deshalb bestimmten Zulässigkeitsanforderungen unterliegen, oder bei denen die Zulassung einer begrenzten Anzahl von Geldspielgeräten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV) unter Wahrung des Jugendschutzinteresses aus anderen Gründen vertretbar erscheint. Der Annahme, dass Letzteres für Schank- und Speisewirtschaften bejaht werden kann, liegt erkennbar die Erwägung zugrunde, dass derartige Betriebe nicht in erster Linie zur Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses aufgesucht werden und eine Ausbreitung des Spieltriebs deshalb nicht zu befürchten ist.
37Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31.5.2016 – 4 B 1360/15 –, juris, Rn. 11 f., und vom 3.1.2014 – 4 B 1053/13 –, m. w. N., sowie Urteil vom 10.12.1990 – 4 A 2423/89 –, GewArch 1991, 224 = juris, Rn. 7 ff.
38Ein „Raum“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV liegt daher nur vor, wenn er eine hinreichende Abschirmwirkung gegen Kinder, Jugendliche oder potentiell suchtgefährdete Spieler aufweist.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.4.2016 – 4 A 136/16 –, juris, Rn. 3; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.4.1997 – 14 S 1920/06 –, GewArch 1997, 294 = juris, Rn. 20.
40Hiervon ausgehend handelte es sich zum maßgelichen Zeitpunkt des Widerrufs beim Verkaufsraum der Tankstelle in der C. . 221, 44145 E. , nicht um eine Gaststätte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV. Das Getränke- und Speiseangebot des Bistros stand nicht im Vordergrund, sondern wurde lediglich als Nebenleistung zum Tankstellenbetrieb angeboten.
41Als Betriebsstätte ist hier der gesamte Verkaufsraum der Tankstelle und nicht allein der Bistrobereich anzusehen. Der Bistrobereich stellte keine (eigenständige) Gaststätte dar, weil er gegenüber dem übrigen Verkaufsraum der Tankstelle nicht ausreichend (räumlich) abgeschirmt, sondern lediglich optisch abgegrenzt war. Sowohl nach sämtlichen Ermittlungen der Beklagten als auch nach dem vom Kläger Ende 2011 eingereichten Plan, in dem geplante Änderungen handschriftlich eingetragen sind, sind der Verkaufsraum der Tankstelle und das Bistro über einen gemeinsamen Eingang zu erreichen. An den Kassenbereich der Tankstelle grenzt der Bistrotresen. Dieser verfügte bei einer behördlichen Überprüfung am 3.4.2013 über keine eigene Kasse. Auf der linken Seite des Verkaufsraums der Tankstelle befand sich nach den Feststellungen in Übereinstimmung mit den aktenkundigen Bildern von September 2012 der Sitzbereich des Bistros, der (nur) durch einen anderen Bodenbelag und halbhohe Mauerstücke von dem übrigen Bereich des Verkaufsraums abgeteilt war. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass diese baulichen Maßnahmen nur der optischen Abgrenzung des Bistrobereichs vom übrigen Verkaufsbereich der Tankstelle dienten und nicht den Zusammenhang zwischen Bistro- und sonstigem Verkaufsbereich aufhoben.
42Der danach als einheitlicher Raum zu beurteilende Verkaufsbereich der Tankstelle diente nach den gesamten Umständen nicht als Hauptzweck einer Speisewirtschaft, sondern in erster Linie einer Tankstelle, in der die Möglichkeit zum Erwerb unterschiedlicher Waren und (daneben) auch die Möglichkeit des Verzehrs von Getränken und Speisen vor Ort bestand.
43Vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall: OVG Bremen, Beschluss vom 12.7.2012 – 1 B 139/12 –, GewArch 2012, 401 = juris, Rn. 11.
44Ausweislich des Einsatzberichts der Beklagten vom 9.4.2013 und der zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder nahm der Bistrobereich nur einen kleinen Teilbereich des Verkaufsraums der Tankstelle in Anspruch, in dem im begrenzten Umfang Speisen und Getränke angeboten wurden. Der überwiegende Teil des Tankstellenshops war mit zahlreichen Verkaufs- und Kühltresen bestückt.
45Es steht fest, dass die Räumlichkeiten im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs nicht anders beschaffen waren. Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend klar gestellt, dass die (beschriebene) Abtrennung des Bistros nach Erteilung der Geeignetheitsbestätigung vorgenommen worden ist und den heutigen Verhältnissen entspricht. Letzteres ergibt sich auch aus den von den Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung überreichten Lichtbildern. Mit Blick darauf liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einsatzberichte, die Pläne und die Lichtbilder als Erkenntnisgrundlage für die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse im Verkaufsraum der Tankstelle nicht ausreichen könnten. Ebensowenig ist dem im Berufungsverfahren zunächst noch erhobenen (allgemeinen) Einwand des Klägers nachzugehen, weitere Ermittlungen hätten den Beweis dafür erbracht, dass es sich bei dem Bistro um einen eigenständigen gastronomischen Betrieb handele.
46Mit Blick darauf, dass als Aufstellungsort für Geldspielgeräte auf den Verkaufsbereich der Tankstelle als einheitlicher Raum abzustellen ist, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob sich das Geldspielgerät rechts neben dem Eingang der Tankstelle befand oder ob es neben dem Bistrotresen aufgestellt wurde und daher dem (als Nebenleistung angebotenen) Bistrobereich zuzuordnen war.
47Auch ist angesichts der festgestellten tatsächlichen Verhältnisse im Verkaufsbereich der Tankstelle unerheblich, ob der Betrieb am 29.11.2002 um den Bereich „Imbissbetrieb“ erweitert wurde und insoweit eine gaststättenrechtliche Erlaubnis erteilt wurde. Die vom gaststättenrechtlichen Gaststättenbegriff abweichenden Voraussetzungen des oben näher erläuterten engeren Gaststättenbegriffs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV können hierdurch nicht einmal indiziell belegt werden. Entsprechend hat das Verwaltungsgericht den in der dortigen mündlichen Verhandlung gestellten und auf die Beiziehung der für die Gaststättenerlaubnis notwendigen Unterlagen gerichteten Beweisantrag zu Recht abgelehnt.
48b) Auch die übrigen – bei der Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW auf möglicherweise von Anfang an rechtswidrige Verwaltungsakte noch zu prüfenden – Voraussetzungen waren im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung vom 23.7.2012 erfüllt.
49aa) Mit Blick darauf, dass § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW auf den (hier nicht auszuschließenden) Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Geeignetheitsbestätigung (nur) entsprechende Anwendung findet, erübrigt sich eine Prüfung, ob die Beklagte erst aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen zur Nichterteilung der Geeignetheitsbestätigung berechtigt war. Das Tatbestandsmerkmal einer erst nachträglich eingetretenen Berechtigung zur Nichterteilung kann (denknotwendig) nur erfüllt sein, wenn ein ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Sachlage rechtswidrig wird und deshalb eine Widerrufsbefugnis der Behörde in Betracht kommt. Um im Falle der anfänglichen Rechtswidrigkeit keinen höheren Bestandsschutz einzuräumen, ist dann nur zu prüfen, ob die Behörde im Zeitpunkt des Widerrufs weiterhin berechtigt ist, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Das ist hier der Fall. Aufgrund des im April und Oktober 2013 ermittelten Sachverhalts hätte die Geeignetheitsbestätigung – wie ausgeführt – nicht erteilt werden dürfen.
50Ungeachtet dessen haben sich die tatsächlichen Verhältnisse vorliegend (sogar) nachträglich geändert, weil die optische Abtrennung des Bistrobereichs erst Anfang 2012 und damit nach Erteilung der Geeignetheitsbestätigung erfolgt ist.
51bb) Ferner wäre ohne den Widerruf der Geeignetheitsbestätigung das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Jugend- und Spielerschutzes gefährdet. Bei den streitgegenständlichen Räumlichkeiten handelt es sich um eine Tankstelle mit Bistrobereich, die für jeden, und damit auch für suchtgefährdete Spieler, Kinder und Jugendliche, frei zugänglich ist, ohne dass die für einen Raum nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV erforderliche Abschirmwirkung gegeben ist. Dies ist angesichts des Schutzzwecks des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV, der insbesondere der Eindämmung des Spieltriebs und dem Interesse des Jugendschutzes dient (§ 33f Abs. 1 GewO), nicht hinnehmbar. Mit Blick auf die fehlende Kanalisierung und Kontrolle des Spielverhaltens in der Tankstelle „C1. “ hat die Beklagte zutreffend angenommen, dass das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Aufstellung von Geldspielgeräten einschlägigen Bestimmungen das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand des rechtswidrigen Zustandes und seine wirtschaftlichen Interessen überwiege.
52Vgl. auch: OVG NRW, Urteil vom 10.12.1990 – 4 A 2423/89 –, GewArch 1991, 224 = juris, Rn. 11.
53Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Geldspielgerät (selbst) durch ein „gerätegebundenes spielerungebundenes“ Sperrsystem die Einhaltung des Jugendschutzes im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV sicherstelle und sogar künftige strengere Sicherungsanforderungen erfülle. Denn Gegenstand der Geeignetheitsbestätigung nach § 33c Abs. 3 GewO bildet allein die Geeignetheit des Aufstellungsortes, an der es hier (gerade) fehlt. Die Geeignetheit des Aufstellungsortes wird nicht dadurch erreicht, dass ein Geldspielgerät aufgestellt wird, das den Jugendschutz beachtet. Mit Blick darauf kann auch dahingestellt bleiben, ob die im Bistrobereich eingesetzte Bedienung die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV (auch) erforderliche ständige Aufsicht sicherstellen kann. Unerheblich ist zudem der Einwand des Klägers, dass es bislang nicht zu konkreten Gefährdungen des Jugendschutzes gekommen sei. Unter Berücksichtigung der Schutzrichtung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV und des Interesses des Jugendschutzes reicht es bereits aus, dass die Tankstelle aufgrund ihrer Lage jedenfalls auch von Jugendlichen aufgesucht wird. Die Beklagte hat (unwidersprochen) dargelegt, dass sich die Tankstelle in unmittelbarer Nähe zu einem großen Einkaufszentrum (mehrere große Lebensmittelläden, Fitnessstudio, Schuhladen) befindet. Mit Blick darauf ist eine Frequentierung der nahe gelegenen Tankstelle durch Jugendliche sehr wahrscheinlich.
54Vgl. insoweit auch: OVG Bremen, Beschluss vom 12.7.2012 – 1 B 139/12 –, GewArch 2012, 401 = juris, Rn. 12.
55c) Der Widerruf der Geeignetheitsbestätigung ist im Ergebnis ermessensfehlerfrei. Die Verfügung der Beklagten vom 23.7.2012 lässt erkennen, dass sie sich des ihr in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW eingeräumten Widerrufsermessens („darf“) bewusst war (vgl. Seite 3 des Bescheids, erster Absatz) und dieses auch ausgeübt hat. Die Beklagte hat die widerstreitenden Interessen gegeneinander abgewogen und dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Rechtsnormen – auch mit Blick auf den Schutz der Spieler vor der Ausnutzung des Spieltriebs – den Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen des Klägers eingeräumt. Ferner hat sie die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs geprüft und bejaht.
56Die Entscheidung der Beklagten ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil der Vertrauensschutz des Klägers in den Bestand der Geeignetheitsbestätigung nicht ausreichend berücksichtigt worden wäre. Zwar enthält der Widerrufsbescheid vom 23.7.2012 keine Ausführungen zum Vertrauensschutz. Solche waren hier jedoch nicht erforderlich. In Fallgestaltungen, in denen – wie vorliegend – ausschließlich wirtschaftliche Interessen des Begünstigten betroffen sind und außergewöhnliche Umstände, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind, ist die Ermessensentscheidung der Behörde in Richtung auf einen Widerruf „intendiert“.
57Der Regelung des § 49 Abs. 2 VwVfG NRW liegt der Gedanke zugrunde, dass in den Widerrufsfällen der Nrn. 1 bis 5 das öffentliche Interesse an der Beseitigung oder Änderung des Verwaltungsakts im Allgemeinen schwerer wiegt als das Interesse des Betroffenen am Bestand des Verwaltungsakts und das entsprechende Vertrauensinteresse. Dieses prinzipielle Übergewicht des öffentlichen Interesses liegt – soweit es um die in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 getroffenen Regelungen geht – darin begründet, dass dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hier bereits vom Gesetzgeber insofern Rechnung getragen worden ist, als dieser in § 49 Abs. 6 VwVfG NRW einen Entschädigungsanspruch des Betroffenen für etwaige im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts erlittene Vermögensnachteile geschaffen bzw. einen Widerruf für den Fall des Gebrauchmachens von der Vergünstigung ausgeschlossen hat (Nr. 4). Der Gesetzgeber hat mit anderen Worten den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bereits in die Widerrufsregelungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 i. V. m. § 49 Abs. 6 VwVfG NRW „eingearbeitet“. Das der Behörde in § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5 VwVfG NRW eingeräumte Ermessen ist deshalb im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einem Widerruf der Vergünstigung in Richtung auf einen Widerruf „intendiert“. Aus diesem Grund können Vertrauensschutzgesichtspunkte im Rahmen des der Behörde obliegenden Widerrufsermessens nur dann zugunsten des Betroffenen zu Buche schlagen, wenn der ihm ohnehin bereits unmittelbar kraft Gesetzes zustehende Vertrauensschutz aus besonderen Gründen nicht ausreichend erscheint.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.1.1992 – 7 C 38. 90 – , NVwZ 1992, 565 = juris, Rn. 15, m. w. N.; BT-Drs. 7/910, S. 71 und 73; OVG NRW, Beschluss vom 31.5.2016 – 4 B 1360/15 –, juris, Rn. 22, sowie Urteil vom 13.6.2002 – 12 A 693/99 –, NVwZ-RR 2003, 803 = juris, Rn. 43, m. w. N. ; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.8.2007 – 5 LA 123/06 –, juris, Rn. 12, m. w. N.
59Ist das Ermessen intendiert und liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis von selbst, so bedarf es insoweit nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG NRW auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falls bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen und die von der Behörde nicht erwogen worden sind, liegt ein rechtsfehlerhafter Gebrauch des Ermessens vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.6.1997 – 3 C 22. 96 –, BVerwGE 105, 55 = juris, Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 31.5.2016 – 4 B 1360/ 15 –, juris, Rn. 24, sowie Urteil vom 13.6.2002 – 12 A 693/99 –, NVwZ-RR 2003, 803 = juris, Rn. 45.
61Hiervon ausgehend war die Ermessensentscheidung der Beklagten in Richtung auf einen Widerruf intendiert und es bedurfte keiner näheren Begründung in Auseinandersetzung mit Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes. Der Kläger hat keine außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht, die ein Absehen vom Widerruf hätten begründen können. Mit seinem Vorbringen, ihm entstehe ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, weil er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung Vermögensdispositionen getroffen habe und vertragliche Verpflichtungen eingegangen sei, die ihn schadensersatzpflichtig machten, macht er keine Gesichtspunkte geltend, die nicht bereits im Rahmen eines Entschädigungsanspruchs nach § 49 Abs. 6 VwVfG NRW zu berücksichtigen wären. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die behauptete Zusage eines Mitarbeiters der Beklagten berufen, wonach bereits erteilte Geeignetheitsbescheinigungen nicht widerrufen würden. Eine solche Äußerung stellte schon mangels Schriftlichkeit keine (rechts-)verbindliche Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG NRW dar.
62d) Entgegen der Auffassung des Klägers war die Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW bei Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung am 23.7.2012 auch noch nicht abgelaufen.
63Nach dem Normzweck des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW handelt es sich bei der Jahresfrist nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr Zeit eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Aufhebungsbefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht. Daher setzt der Fristbeginn zum einen voraus, dass die zuständige Behörde zu der Erkenntnis gelangt, dass der begünstigende Verwaltungsakt, der wegen seiner Rechtswidrigkeit aufgehoben werden soll, rechtswidrig ist. Es ist unerheblich, ob sie sich zuvor in einem Irrtum über den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Tatsachenirrtum) oder über dessen rechtliche Bedeutung (Rechtsirrtum) befunden hat. Auch wenn der Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts darauf beruht, dass die Behörde den ihr vollständig bekannten Sachverhalt rechtsfehlerhaft gewürdigt oder das anzuwendende Recht verkannt hat, beginnt die Jahresfrist erst mit Kenntnis des Rechtsfehlers zu laufen. Zum anderen muss sich die zuständige Behörde darüber im Klaren sein, dass sich aus der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts die Befugnis zu dessen Rücknahme oder zum Widerruf ergibt. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass die weiteren Voraussetzungen des § 48 VwVfG NRW oder des § 49 VwVfG NRW gegeben sind. Dies ist anzunehmen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung imstande ist, diese gesetzlichen Voraussetzungen zutreffend zu beurteilen, und daraus die richtigen Schlüsse zieht.
64Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.6.2012 – 2 C 13.11 –, BVerwGE 143, 230 = juris, Rn. 27 bis 29, m. w. N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 19.5.2016 – 4 B 1329/15 –, juris, Rn. 14, und vom 31.5.2016 – 4 B 1360/15 –, juris, Rn. 28.
65Die Jahresfrist wird daher nur dann überschritten, wenn die Behörde für ihre Entscheidung trotz Kenntnis der Rechtswidrigkeit und aller für die Rücknahme- bzw. Widerrufsverfügung erforderlichen Umstände mehr als ein Jahr benötigt.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.1.2013
67– 2 B 62.12 –, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2016 – 4 B 1329/15 –, juris, Rn. 16.
68Hiervon ausgehend hat die Beklagte die angefochtene Ordnungsverfügung vom 23.7.2012 (jedenfalls) innerhalb der Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW erlassen, da diese frühestens im Dezember 2011 begann. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs hat die Beklagte erstmals im Rahmen einer Überprüfung am 15.12.2011 erkannt, dass es sich bei dem Aufstellungsort für die beiden Geldspielgeräte um eine Tankstelle handelt und insoweit der Widerruf der Bestätigung in Betracht kommt. Auch ist weder (substantiiert) vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten die tatsächlichen Verhältnisse in der streitgegenständlichen Betriebsstätte schon vorher bekannt waren und dieser bereits zu diesem Zeitpunkt die ihm zustehende Befugnis zur Aufhebung der Geeignetheitsbestätigung erkannt haben könnte. Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Beklagte habe die tatsächlichen Verhältnisse schon bei Erteilung der Bestätigung gekannt, konnte er hierfür in der mündlichen Verhandlung schon keine tatsächlichen Anhaltspunkte benennen. Hiergegen spricht schon, dass die Beklagte nach der in der mündlichen Verhandlung von ihrer Vertreterin mitgeteilten eigenen Erinnerung Geeignetheitsbestätigungen seinerzeit generell ausschließlich nach Aktenlage erteilt habe. Dass die Beklagte diese Praxis inzwischen aufgegeben hat und andere Behörden schon damals anders vorgegangen sein mögen, stellt die Glaubhaftigkeit dieser Aussage nicht in Frage. Im Übrigen ist der Einwand, die Beklagte habe die tatsächlichen Verhältnisse schon bei Erteilung der Bestätigung gekannt, unerheblich und veranlasst auch deshalb keine weitere Beweiserhebung durch Vernehmung des die Ordnungsverfügung erlassenden Mitarbeiters der Beklagten als Zeugen. Selbst wenn die Beklagte am 1.2.2010 nicht nach Aktenlage, sondern in Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten entschieden haben sollte, begann zu diesem Zeitpunkt nicht zugleich die Frist zur Aufhebung der Bestätigung. Allein der Umstand der Erteilung der Bestätigung zeigt, dass sich die Beklagte weder der Rechtswidrigkeit der Bestätigung noch – und zwar erst recht nicht – einer etwaigen Aufhebungsbefugnis bewusst war. Mit Blick darauf rechtfertigt es auch die unzureichende Aktenführung der Beklagten hier nicht, im Wege einer Umkehr der Beweislast zu Lasten der Beklagten von einem Verstreichen der Jahresfrist auszugehen. Für die Erteilung der Geeignetheitsbestätigung in Kenntnis ihrer Rechtswidrigkeit und der behördlichen Aufhebungsbefugnis spricht selbst nach dem Vorbringen des Klägers nicht einmal eine gewisse Wahrscheinlichkeit.
69Die Annahme des Klägers, es sei sehr zweifelhaft, dass nach Erteilung der Geeignetheitsbestätigung am 1.2.2010 keine weitere, vor dem 23.7.2011 liegende Überprüfung der Betriebsstätte stattgefunden habe, stellt eine bloße Mutmaßung dar. An eine solche Überprüfung konnte sich der Kläger auf Befragen in der mündlichen Verhandlung selbst nicht erinnern. Sein Hinweis auf seine Schreiben vom 18.12.2011 und 3.5.2012, in denen er auf nicht näher belegte schriftliche Aussagen der Beklagten verweist, wonach bereits erteilte Genehmigungen nicht widerrufen würden, rechtfertigt nicht die Annahme, dass (tatsächlich) für eine rechtssichere Aufhebung erforderliche Kontrollen vor dem 15.12.2011 stattgefunden haben und sich die Beklagte schon vor diesem Zeitpunkt ihrer Aufhebungsbefugnis bewusst war. Angesichts dessen besteht auch insoweit kein Anlass zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung.
70Da die Jahresfrist danach jedenfalls eingehalten wurde, kann dahingestellt bleiben, ob sie tatsächlich schon am 15.12.2011 oder – mit Blick darauf, dass der Fristbeginn auch die Erkenntnis der Beklagten voraussetzte, die weiteren Widerrufsvoraussetzungen zutreffend beurteilen zu können – möglicherweise später begann.
71Da der auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG NRW gestützte Widerruf der Geeignetheitsbestätigung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, bedurfte es auch keiner Umdeutung der Entscheidung der Beklagten in eine Rücknahme nach § 48 VwVfG NRW (vgl. § 47 VwVfG NRW). Dementsprechend sind die gegen die Umdeutung gerichteten Einwände des Klägers unerheblich, die Beklagte habe ihre Aufhebungsentscheidung ausdrücklich als „Widerruf“ bezeichnet und kein Rücknahmeermessen ausgeübt.
72II. Die auf § 14 Abs. 1 OBG NRW beruhende Anordnung der Entfernung der aufgestellten Geldspielgeräte ist ebenfalls rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorliegen. Das Aufstellen der Geldspielgeräte ohne die nach § 33c Abs. 3 GewO erforderliche Bestätigung verletzt als Verstoß gegen das geschriebene Recht die öffentliche Sicherheit. Die Ermessenserwägung der Beklagten, die Entfernung der Spielgeräte diene der schnellen und wirksamen Verhinderung einer weiteren rechtswidrigen Aufstellung von Geldspielgeräten, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
73III. Die Zwangsgeldandrohung erweist sich gleichfalls als rechtmäßig. Sie beruht auf den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 58, 60 und 63 VwVG NRW und begegnet im Hinblick auf die Wahl des angedrohten Zwangsmittels, die Frist zur Umsetzung der angeordneten Maßnahmen und die Höhe des angedrohten Zwangsgelds in Höhe von 2.000,00 EUR für den Fall der Zuwiderhandlung keinen Bedenken.
74Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
75Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.