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Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 17. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Die Kläger trägen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
21. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO wegen einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts zuzulassen. Ohne Erfolg rügen die Kläger, das Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil der ehrenamtliche Richter X. während der mündlichen Verhandlung geschlafen habe.
3Die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts erfordert, dass jeder Richter die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Verhandlungsfähigkeit besitzt und damit auch in der Lage ist, die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrzunehmen und sie aufzunehmen. Das wiederum setzt voraus, dass der Richter körperlich und geistig im Stande ist, der Verhandlung in allen ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Das Gericht und damit jeder einzelne Richter muss seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung gewinnen (§ 108 Abs. 1 VwGO). Nur wenn der Richter die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufgenommen hat, ist er seiner Aufgabe gewachsen, sich sein Urteil selbständig und ohne wesentliche Hilfe der anderen Richter zu bilden und so an einer sachgerechten Entscheidung mitzuwirken. Die damit gebotene Aufmerksamkeit, die ihn befähigt, der Verhandlung zu folgen und sich den Verhandlungsstoff anzueignen, fehlt einem Richter, der in der mündlichen Verhandlung eingeschlafen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er wesentlichen Vorgängen nicht mehr folgen konnte.
4Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2007
5- 5 B 84.06 -, juris, Rn. 2, m. w. N.
6Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss derjenige, der sich darauf beruft, das Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsmäßig besetzt gewesen, konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf wesentliche Vorgänge in der mündlichen Verhandlung ausschließen. Dabei sind der Zeitpunkt, die Dauer und die Einzelheiten des gerügten Verhaltens des Richters genau anzugeben. Weiterhin ist mit der Besetzungsrüge darzulegen, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist, welche für die Entscheidung wichtigen Vorgänge der Richter also nicht habe erfassen können.
7Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Mai 2006
8- 10 B 9.06 -, juris, Rn. 4, und vom 13. Juni 2001
9- 5 B 105.00 -, juris, Rn. 5, m. w. N.
10Diesem Darlegungserfordernis genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Es beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, der ehrenamtliche Richter hätte während der Verhandlung geschlafen. Es wird weder dargelegt, wie lange der Richter geschlafen haben soll noch was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen sein soll. Auch werden keine Beweisanzeichen für den Schlaf des Richters, z. B. tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung, vorgetragen.
11II. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
12Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstgerichtlich noch nicht hinreichend geklärte und (auch) für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
13Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juli 2017 - 13 A 1519/17.A -, juris, Rn. 6, und vom 8. Juni 2016 - 13 A 1222/16.A -, juris, Rn. 4, m. w. N.
14Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Die Kläger haben schon keine konkrete, klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage herausgearbeitet und formuliert. Im Übrigen fehlt es an einer Darlegung einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der konkreten Beanstandungen.
15Unter Punkt II. ihrer Berufungszulassungsschrift wenden sich die Kläger – eher im Stile einer Berufungsbegründung – gegen die ausschließlich vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Würdigung ihres Vorbringens als unglaubhaft und bemängeln insbesondere, dass das Verwaltungsgericht seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Es hätte klären müssen, ob die Anhörung der Kläger beim Bundesamt ordnungsgemäß erfolgt sei. Weder der dem Gericht vorgeworfene Aufklärungsmangel noch der Vorwurf der fehlerhaften Würdigung ihrer Aussagen ist jedoch geeignet, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu begründen.
16Auch ihr Vorbringen unter III. des Berufungszulassungsantrages, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in Kabul, deutlich verschlechtert habe und ein Abschiebungshindernis begründe, zeigt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Die Kläger haben nicht - was jedoch zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Tatsachenfrage erforderlich wäre - durch die Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür dargelegt, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte.
17Vgl. zu diesem Erfordernis OVG NRW, Beschluss vom 20. Juni 2016 - 13 A 2789/15.A -, juris, Rn. 3 f., m. w. N.
18Der Verweis auf den Anschlag in Kabul in unmittelbarer Nähe der deutschen Botschaft am 31. Mai 2017 und eines von der Regierung beschlossenen Abschiebestopps für Afghanistan genügt insoweit nicht. Dem Zulassungsvorbringen lassen sich insbesondere keine Anhaltspunkte für die Annahme einer von besonderen gefahrerhöhenden Umständen unabhängigen extremen Gefahrverdichtung bzw. Gefährdungslage entnehmen.
19Den Ausführungen der Kläger unter IV. des Berufungszulassungsantrages, wonach das Gericht die Schwere der Erkrankung der Klägerin zu 5) verkannt und deswegen kein Abschiebungshindernis festgestellt habe, lässt sich bereits nicht entnehmen, welcher Berufungszulassungsgrund angesprochen sein soll. Eine grundsätzliche Bedeutung ist damit nicht dargelegt. Allein die Behauptung, das Gericht verkenne „höhere Rechtsprechung, bei der bereits Abschiebehindernisse positiv festgestellt wurden, weil eine Rückkehr einer behinderten Person, die möglicherweise rollstuhlpflichtig ist, dazu führt, dass diese nämlich ihr Existenzminimum weder in Kabul noch in anderen Regionen, die von der Beklagten fälschlicherweise als Schutzalternativen angeführt werden, sichern kann“, reicht nicht für die, eventuell sinngemäß angesprochene, Divergenzrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG. Zu deren Darlegung sind bestimmte divergenzfähige Entscheidungen zu bezeichnen und ist zudem darzulegen, welchen entscheidungstragenden Rechtssatz die angegriffene Entscheidung aufstellt, der von einem in den „Divergenz-Entscheidungen“ aufgestellten Rechtssatz abweichen soll. An beiden Voraussetzungen fehlt es hier.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).