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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 22.3.2018 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der am 31.7.2017 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 30.6.2017 erhobenen Klage 3 K 7158/17 (VG Minden) hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 wiederherzustellen sowie hinsichtlich Ziffer 4 anzuordnen,
5im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der auf § 15 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG gestützte Widerruf der Gaststättenerlaubnis sowie die Untersagung des weiteren Betriebs der Gaststätte, die die Antragsgegnerin mit einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Begründung jeweils für sofort vollziehbar erklärt habe, seien offensichtlich rechtmäßig. Die Antragstellerin sei im gaststättenrechtlichen Sinne unzuverlässig. Wegen wiederholter Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften und Auflagen zum Schutz der Anwohner vor unzumutbaren Lärmbelästigungen seien zahlreiche, überwiegend rechtskräftig gewordene Bußgeldbescheide gegen sie ergangen. In ihrer Gesamtheit ließen die Zuwiderhandlungen einen Hang der Antragstellerin zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften erkennen. Hinzu komme, dass sie bislang keine Schallschutzmaßnahmen durchgeführt habe, derer es nach von ihr vorgelegten Schallgutachten zur Einhaltung vorgeschriebener Immissionsrichtwerte bedürfe. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Weitere Verstöße nach Erlass der angefochtenen Verfügung zeigten, dass es der Antragstellerin nicht gelinge, den ihr obliegenden Pflichten zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Lärmeinwirkungen zur Nachtzeit, bei dem es sich um ein wichtiges Gemeinschaftsgut handle, gewissenhaft nachzukommen.
6Diese Einschätzung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert.
7Ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. In der Begründung einer Vollziehungsanordnung hat die Behörde schlüssig, konkret und substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Erwägungen sie gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.9.2001 – 1 DB 26.01 –, juris, Rn. 6.
9Diesen Anforderungen hat die Antragsgegnerin genügt, indem sie unter Hinweis auf die Schallimmissionsgutachten der E. sowie darauf, dass die Antragstellerin keine Anstalten getroffen habe, in den Gutachten geforderte Schallschutzmaßnahmen umzusetzen, darauf abgestellt hat, bei einem Weiterbetrieb der Gaststätte komme es dauerhaft zu Auflagenverstößen und unzumutbaren Lärmbelästigungen der Anwohner. Auch zur Verhinderung der damit verbundenen Begehung von Ordnungswidrigkeiten durch die Antragstellerin sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung notwendig. Ob diese von der Antragsgegnerin angeführten Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung tatsächlich rechtfertigen, ist im Zusammenhang mit dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unerheblich. Die Beurteilung, ob das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin die gegenläufigen Vollziehungsinteressen überwiegt, ist vielmehr Teil der dem Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden Interessenabwägung.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31.5.2016 – 4 B 1360/15 –, juris, Rn. 6, und vom 27.3.2017 – 4 B 44/17 –, juris, Rn. 9.
11Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, die Antragstellerin verfüge nicht über die zur Ausübung des Gaststättengewerbes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG erforderliche Zuverlässigkeit. Insoweit nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung (Beschlussabdruck, Seite 5, erster Absatz, bis Seite 10, erster Absatz).
12Erfolglos wendet die Antragstellerin ein, Antragsgegnerin und Verwaltungsgericht hätten die (negative) Zuverlässigkeitsprognose zu Unrecht auch auf mehrere Verstöße gestützt, hinsichtlich derer die jeweiligen Bußgeldverfahren eingestellt worden seien; damit seien „Tatsachen der Unzuverlässigkeit unterstellt“ worden, „die „überhaupt nicht in die Entscheidung hätten einfließen dürfen.“ Bereits das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass – zum einen – die einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zugrunde liegenden Handlungen bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden auch dann verwertet werden können, wenn ein Straf- oder Bußgeldverfahren (noch) nicht stattgefunden hat oder wenn ein Strafverfahren wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO oder – wie hier in Bezug auf die Bußgeldbescheide vom 17.2.2015, 3.2.2017 und 30.3.2017 – ein Bußgeldverfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden ist.
13Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.10.1987 – 14 S 2104/87 –, GewArch 1988, 100 (100 f.); Michel/Kienzle/Pauly, GastG, 14. Auflage 2003, § 4 Rn. 18.
14Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls schon ausgeführt hat, ist – zum anderen – die Antragstellerin den in den gegen sie ergangenen Bußgeldbescheiden getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten (vgl. Beschlussabdruck, Seite 4, letzter Absatz, und Seite 8, vorletzter Absatz). Auch im Beschwerdeverfahren hat sie die ihr vorgehaltenen Verstöße nicht substantiiert in Abrede gestellt.
15Der auch gegen die Annahme ihrer gaststättenrechtlichen Unzuverlässigkeit gerichtete Einwand der Antragstellerin, der Erlaubniswiderruf sei unverhältnismäßig, weil als mildere Mittel eine Verlängerung der Sperrzeit oder die Festsetzung gravierender Zwangsgelder zur Durchsetzung von Lärmschutzauflagen in Betracht kämen, greift ebenfalls nicht durch. Die genannten Maßnahmen wären nicht in gleicher Weise geeignet, den gebotenen Lärmschutz der Nachbarschaft künftig sicherzustellen. Für Zwangsgelder gilt dies schon deshalb, weil sie als Zwangsmittel eine Reaktion auf bereits eingetretene Verstöße gegen Verhaltenspflichten sind, die ein Gastwirt, um zuverlässig zu sein, von vornherein zu unterlassen hat. Hinsichtlich einer Sperrzeitverlängerung ist in Rechnung zu stellen, dass sich die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin (auch) aus wiederholten Auflagenverstößen ergibt und selbst zahlreiche, teils rechtskräftig gewordene Bußgeldbescheide bei ihr keine nachhaltige Verhaltensänderung bewirken konnten. Aufgrund der fortgesetzten Missachtung behördlicher Auflagen zum Schutz der Anwohner vor unzumutbaren Lärmbelästigungen in der Vergangenheit kann nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, die Antragstellerin werde nunmehr eine aus Lärmschutzgründen angeordnete Sperrzeitverlängerung konsequent beachten. Eine Vorverlegung des Beginns der Sperrzeit, etwa auf 22:00 Uhr, wäre im Übrigen auch deshalb kein gleich geeignetes Mittel, weil ausweislich des E. -Gutachtens „Bauakustische Messungen“ der gebotene Schallschutz in der über der Gaststätte gelegenen Wohnung auch schon vor 22:00 Uhr nicht gewährleistet ist (vgl. Seite 10 f. des Gutachtens).
16Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ein das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung bejaht. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt es nicht, der Antragstellerin deshalb vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, weil mit Rücksicht auf das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung nur anzunehmen ist, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass sich die mit dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis bekämpfte Gefahr schon in der Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisiert, wofür auch Umstände zu berücksichtigen sind, die nach Erlass der Widerrufsverfügung eingetreten sind.
17Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20.10.2016 – 4 B 852/16 –, juris, Rn. 19 f., und vom 23.12.2016 – 4 B 1049/16 –, juris, Rn. 28 f., jeweils m. w. N.; zur vergleichbaren Situation bei einer Gewerbeuntersagung vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.3.2015 – 4 B 1480/14 –, juris, Rn. 38 ff., m. w. N.
18Davon ist zutreffend auch das Verwaltungsgericht ausgegangen und hat ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der streitigen Ordnungsverfügung deshalb bejaht, weil bei einem vorläufigen Weiterbetrieb der Gaststätte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weitere nächtliche Ruhestörungen zu erwarten seien. Die Entwicklung nach Erlass der Ordnungsverfügung zeige, dass es der Antragstellerin nicht gelinge, den ihr obliegenden Pflichten zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zur Nachtzeit, bei dem es sich um ein wichtiges Gemeinschaftsgut handle, gewissenhaft nachzukommen, weil es erneut zu Verstößen insbesondere gegen die Auflage 3.3 zur Gaststättenerlaubnis (straßenseitige Fenster und Türen sind ab 22:00 Uhr geschlossen zu halten) gekommen sei (Beschlussabdruck, Seite 14, letzter Absatz, bis Seite 15, erster Absatz). Auch insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug.
19Zu ergänzen bleibt, dass die Antragsgegnerin mitgeteilt hat, dass die Antragstellerin während des Beschwerdeverfahrens in zwei weiteren Fällen, am 1.6.2018 und am 9.8.2018, der Auflage 3.3 zuwider Außentür und Fenster der Gaststätte nach 22:00 Uhr nicht geschlossen gehalten hat. Ob am 1.6.2018 die Außentür durch die Antragstellerin persönlich oder gegen ihren Willen durch einen Gast geöffnet und mit einem Holzkeil gegen ein Zufallen gesichert wurde, ist unerheblich. Es fällt in den Verantwortungsbereich die Antragstellerin als Betreiberin, geeignete Vorkehrungen auch dagegen zu treffen, dass es nicht durch das Verhalten ihrer Gäste zu auflagenwidrigen Zuständen kommt. Abgesehen davon können Mischgebiets-Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm, deren Einhaltung der Antragstellerin in der Gaststättenerlaubnis auferlegt worden ist, ausweislich des E. -Gutachtens „Prognose Schallimmissionen“ nur eingehalten werden, wenn über ein Geschlossenhalten aller Türen und Fenster während der gesamten Betriebszeit hinaus weitere Schallschutzmaßnahmen ergriffen werden (u. a. Umbau der Ein- und Ausgangstür zu einer Schallschutzschleuse, schalltechnische Ertüchtigung der vorhandenen Ein- und Ausgangstür, vgl. Seite 18 f. des Gutachtens). Solche Maßnahmen hat die Antragstellerin bislang ebenso wenig getroffen wie in dem E. -Gutachten „Bauakustische Messungen“ angemahnte Maßnahmen zum Schallschutz innerhalb des Gebäudes (Seite 11 f. des Gutachtens). Deshalb ist auch ihr Einwand, es ginge nur um „punktuell an einigen Tagen vorkommende Lärmbelästigungen“, bereits sachlich unzutreffend.
20Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es nicht Sache der Antragsgegnerin, geeignete Schallschutzmaßnahmen zu bestimmen und deren Durchführung gegenüber der Antragstellerin oder dem Grundstückseigentümer anzuordnen. Die Antragstellerin als Betreiberin der Gaststätte hat von sich aus für den gebotenen Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbaren Lärmwirkungen zu sorgen und dafür notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Soweit sie geltend macht, die von den Gutachtern aufgeführten Maßnahmen seien nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand umsetzbar, das Bestehen einer entsprechenden Verpflichtung deshalb rechtlich zweifelhaft, stellt sie damit die Verhältnismäßigkeit weder des Erlaubniswiderrufs noch der Anordnung seiner sofortigen Vollziehung durchgreifend in Frage. Ungeachtet dessen, dass sie eine Unwirtschaftlichkeit der Maßnahmen nicht im Ansatz substantiiert dargelegt hat, kann sie sich darauf nicht mit Erfolg berufen. Der Erlaubniswiderruf dient insbesondere dem Schutz der Nachtruhe und damit auch der Gesundheit der Anwohner, mithin einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin dem Gesundheitsschutz Vorrang gegenüber der Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin eingeräumt hat, zumal der Antragstellerin von Anfang an nur ein Gaststättenbetrieb unter Einhaltung der in Auflage 3.1 zur Erlaubnis vom 30.12.2004 vorgeschriebenen Immissionsrichtwerte gestattet war. Die Möglichkeit, eine Gaststätte gewinnbringend zu betreiben, ist bei Vorliegen entgegenstehender höherwertiger Belange verfassungsrechtlich nicht garantiert.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.12.2017 – 4 B 822/17 –, juris, Rn. 46 ff., m. w. N.
22Auch der sinngemäße Einwand der Antragstellerin, der Widerruf der Gaststättenerlaubnis stelle mit Blick auf den damit verbundenen Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage einen unverhältnismäßigen Eingriff dar, lässt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht entfallen. Ist – wie hier – der Widerruf zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, so ist es nicht unverhältnismäßig, dem Schutzzweck des § 15 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen zu geben, seine Existenzgrundlage beibehalten zu können.
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.10.2016 – 4 B 852/16 –, juris, Rn. 22 f., m. w. N.
24Schließlich ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil – so das Beschwerdevorbringen – „die Antragsgegnerin es über mehr als zehn Jahre immer wieder bei der Erhebung von Bußgeldern belassen hat“. Das entsprechende Vorgehen der Antragsgegnerin entspricht gerade dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die der Antragstellerin hierdurch eröffnete Möglichkeit, ihre gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit praktisch zu erweisen, hat sie nicht genutzt. Sie hat vielmehr, im Gegenteil, nachdem sie (verspätet) Schallgutachten vorgelegt hat, aus denen sich die Notwendigkeit von Lärmschutzmaßnahmen ergibt, den Betrieb fortgeführt, ohne derartige Maßnahmen zu ergreifen, und dabei weiterhin gegen Lärmschutzauflagen verstoßen.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
26Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
27Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).