Seite drucken Entscheidung als PDF runterladen
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K1. aus X1. beigeordnet.
Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg.
31. Der Antragsteller hat hinreichend dargetan, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne von § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann.
42. Der Antrag des Antragstellers,
5die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab seiner Entlassung aus der Klinik N. eine barrierefreie Obdachlosenunterkunft zu Verfügung zu stellen,
6hat im Sinne von § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten.
7Ausgehend von der verfassungsrechtlichen Vorgabe, dem Unbemittelten einen weit-gehend gleichen Zugang zu Gericht wie dem Bemittelten zu ermöglichen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht ersetzen, sondern zugänglich machen. Die Anforderungen an die hin-reichende Erfolgsaussicht dürfen deshalb nicht überspannt werden. Vor diesem Hintergrund muss der Erfolg nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen.
8Diese Voraussetzungen haben im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, die hier spätestens nach Eingang der Prozesskostenhilfeunterlagen des Antragstellers beim Verwaltungsgericht am 18. Januar 2018 und Eingang der ausführlichen Stellungnahme der Antragsgegnerin am 22. Januar 2018 eingetreten ist, vorgelegen.
9Es spricht im Ergebnis nichts Erhebliches dafür, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu diesem Zeitpunkt wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses aussichtslos gewesen sein könnte. Ungeachtet des Umstands, dass die Betreuerin des Antragstellers vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes der Antragsgegnerin wohl allem Anschein nicht hinreichend Gelegenheit gegeben hat, dem Unterbringungsanspruch des Antragstellers unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Bedürfnisse zu entsprechen, hat die Antragsgegnerin jedenfalls auch im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren zunächst nicht klar zu erkennen gegeben, dass sie zu einer angemessenen, dem Antragsteller zumutbaren Unterbringung bereit gewesen wäre. Während sie mit Schriftsatz vom 15. Januar 2018 noch mitgeteilt hat, dass es ihr nicht möglich wäre, den Antragsteller barrierefrei unterzubringen, hat sie im Schriftsatz vom 22. Januar 2018 ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen sie sich rechtlich nicht verpflichtet sah, dem Antragsteller ein Obdach zur Verfügung zu stellen, das den besonderen Bedürfnissen eines auf den Rollstuhl angewiesenen Körperbehinderten entsprochen hätte.
10Diese Auffassung, der das Verwaltungsgericht gefolgt ist, begegnet allerdings durchgreifenden rechtlichen Zweifeln.
11Zwar ist der Unterbringungsanspruch eines Obdachlosen nach § 14 Abs. 1 OBG NRW grundsätzlich lediglich auf die Unterbringung in einer menschenwürdigen Unterkunft gerichtet, die Schutz vor den Unbilden der Witterung bietet sowie Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt. Dabei müssen Obdachlose im Verhältnis zur Versorgung mit einer Wohnung weitgehende Einschränkungen hinnehmen. Beispielsweise ist Einzelpersonen grundsätzlich auch eine Unterbringung in Sammelunterkünften mit Schlaf- und Tagesräumen für mehrere Personen zumutbar. Die Grenze zumutbarer Einschränkungen liegt erst dort, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht eingehalten sind.
12Vgl. so schon OVG NRW, Beschluss vom 4. März 1992 - 9 B 3839/91 -, NWVBl. 1992, 258, juris Rn. 7 f., zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2017 - 9 B 209/17 -, juris Rn. 6.
13Dabei kommt es allerdings – ungeachtet der allgemeinen, etwa bauordnungsrechtlich normierten Anforderungen an Obdachlosenunterkünfte – nach der Rechtsprechung des Senats immer auch auf die Einzelfallumstände an. So kann durchaus in Ausnahmefällen ein Anspruch auf Versorgung mit einem Raum, der dem Betreffenden für sich allein zur Verfügung steht, bestehen. Liegen besondere Umstände wie etwa Alter, körperliche und psychische Erkrankungen sowie Pflegebedürftigkeit vor, bedarf es einer einzelfallbezogenen Prüfung, ob eine grundsätzlich zur Unterbringung von Obdachlosen geeignete Unterkunft auch für den jeweiligen Antragsteller zumutbar ist.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2016 - 9 E 73/16 -, juris Rn. 15.
15Ausgehend von diesen Maßstäben gehört zu den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht nur das Vorhandensein einer Toilette, sondern auch, dass diese für einen körperbehinderten Obdachlosen wie den Antragsteller erreichbar und – unter Wahrung der Intimsphäre –,
16vgl. zum Strafvollzugsrecht: BVerfG, Beschluss vom 13. November 2007 – 2 BvR 939/07 -, BVerfGK 12, 422, juris Rn. 19,
17benutzbar ist. Eine Toilette, die wegen des Vorhandenseins von Stufen oder wegen der geringen Breite der Türöffnung bzw. geringen Größe des Toilettenraums, die ein Verschließen der Tür zum gemeinschaftlich genutzten Waschraum nicht zulässt, nicht benutzbar ist, genügt diesen Anforderungen nicht.
18Die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht angeführte Rechtsprechung insbesondere zur Frage, ob ein in seiner Mobilität eingeschränkter Obdachloser Anspruch auf eine barrierefreie Dusche hat,
19vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 5. Juni 2012 – 7 B 3428/12 -, juris Rn. 7,
20führt hier – ungeachtet der hier nicht zu beantwortenden Frage, ob ihr zu folgen wäre – nicht weiter. Die Reinigung des Körpers mag grundsätzlich nicht nur mittels Duschbads, sondern auch auf andere Weise, notfalls mit fremder Hilfe, hinreichend effektiv möglich sein. Die Verrichtung des Stuhlgangs ist hingegen grundsätzlich nicht - auch nicht vorübergehend – aufschiebbar. Sie ist jedenfalls im hiesigen Kulturkreis auch nicht auf andere Weise als durch Benutzung einer Toilette zumutbar.
21Daraus, dass die obdachmäßige Unterbringung grundsätzlich nur einen Notbehelf für einen Übergangszeitraum darstellt und die Bewältigung spezieller Unterbringungs- und Betreuungsleistungen nicht in den Aufgabenbereich der Ordnungsbehörde, sondern anderer Leistungsträger fällt, kann nicht gefolgert werden, dass einem behinderten Obdachlosen eine menschenwürdige Unterbringung – auch – von der Ordnungsbehörde verweigert werden dürfte. In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, ob eine barrierefreie Obdachlosenunterkunft in der betreffenden Gemeinde vorhanden und verfügbar ist. Dem entspricht, dass die Antragsgegnerin inzwischen Möglichkeiten gesucht und geschaffen hat, wie der Antragsteller selbstbestimmt und unter weitgehender Wahrung seiner Intimsphäre seinen unvermeidbaren körperlichen Bedürfnissen nachkommen kann.
22Die Beiordnung von Rechtsanwalt K. aus X. beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO und Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).