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Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 3. November 2017 ist rechtswidrig. Er darf nicht vollzogen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Kläger aber nur gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 3. November 2017, mit dem der Neubau der B 508 Teil-Ortsumgehung Kreuztal (HTS - Querspange B 508) in Kreuztal (Stadtteile C. und G. ) von Bau-km 0+000 (Anschluss an die I.--------straße zwischen deren Anschlussstellen C. und Kreuztal, südlich der M. ) bis Bau-km 2+487 (Anschluss an die B 508 Kreuztal-G. - Kreuztal -Kredenbach, ca. 240 m östlich der OD-Grenze Kreuztal-G. ) (im Folgenden: B 508n) einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an Verkehrswegen und Anlagen Dritter sowie der landschaftspflegerischen Begleitmaßnahmen auf dem Gebiet der Stadt Kreuztal, Regierungsbezirk Arnsberg, planfestgestellt worden ist.
2Das planfestgestellte Vorhaben ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs dargestellt.
3Der Kläger ist ein gemeinnütziger eingetragener Reit- und Fahrverein. Nach den Leitsätzen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung wird Unterricht in den Sparten Dressur, Springen, Voltigieren und Ponyreiten erteilt. Zudem besteht eine Abteilung für therapeutisches Reiten. Die Reitanlage umfasst zwei Reithallen, vier Stalltrakte mit insgesamt 60 Pferdeboxen, einen Longierzirkel, eine Remise, einen Sandplatz, diverse wetterfeste Ausläufe, hofnahe Pferdeweiden, Stellplätze und eine Gaststätte. Auf dem Vereinsgelände steht ferner ein Sechs-Familienhaus. Der Kläger ist u. a. Eigentümer der zur Reitanlage gehörenden Grundstücke Gemarkung C. , Flur 4, Flurstücke 41, 43, 44, 47 und 48. Insgesamt verfügt der Kläger über Eigentumsflächen von 19,12 ha, wovon 11,96 ha landwirtschaftlich genutzt werden. Im Zuge des planfestgestellten Vorhabens sollen von den Grundstücken des Klägers 7,39 ha dauerhaft und 0,24 ha vorübergehend in Anspruch genommen werden, wobei 6,28 ha auf naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen entfallen.
4Im Einzelnen werden die Grundstücke des Klägers wie folgt in Anspruch genommen:
5- Flurstück 41: Größe der zu erwerbenden Fläche 15 m², vorübergehende Inanspruchnahme von 317 m²,
6- Flurstück 43: Größe der zu erwerbenden Fläche 12 m², vorübergehende Inanspruchnahme von 346 m²,
7- Flurstück 44: vorübergehende Inanspruchnahme von 483 m²,
8- Flurstück 47: Größe der zu erwerbenden Fläche 9.224 m², vorübergehen-de Inanspruchnahme von 2.035 m², Größe der zu beschränkenden Fläche 63.244 m² und
9- Flurstück 48: Größe der zu erwerbenden Fläche 1.273 m², vorübergehen-de Inanspruchnahme von 476 m², Größe der zu beschränkenden Fläche 89 m².
10Das Planfeststellungsverfahren für den Bau der B 508n wurde mit Eingang des Antrags des Vorhabenträgers bei dem Beklagten am 28. September 2010 eingeleitet. Die Auslegung der Planunterlagen wurde in der T. Zeitung, der X. und der T. Rundschau jeweils am 25. Oktober 2010 öffentlich bekanntgemacht.
11Die Planunterlagen lagen in der Zeit vom 29. Oktober 2010 bis zum 29. November 2010 bei der Gemeinde Kreuztal öffentlich aus.
12Mit Schriftsatz seiner damaligen anwaltlichen Bevollmächtigten vom 9. Dezember 2010 erhob der Kläger gegen die Planung verschiedene Einwendungen.
13Im Februar 2014 führte der Vorhabenträger das Deckblatt I ein. Aufgrund artenschutzrechtlicher Bestimmungen wurde die Durchführung zeitlich vorgezogener Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen (sog. „Continuous Ecological Functionality Measures“, kurz: CEF-Maßnahmen) für erforderlich erachtet. Hierzu gehörten u. a. die Entwicklung von Extensivgrünland (A/ECEF4.1) sowie die Anpflanzung von unterbrochenen Dornenhecken mit Einzelgehölzen in Verbindung mit der Anlage von Gestrüppwällen und Reisighaufen (A/ECEF9) zur Schaffung von Ersatzlebensraum für den Neuntöter. Ebenfalls im Februar 2014 führte der Vorhabenträger das Deckblatt II in das Verfahren ein. Dieses enthält ein lufthygienisches Fachgutachten der Firma vom 1. Februar 2013.
14Als Anlage zum Schreiben vom 25. Februar 2014 bzw. 27. Februar 2014 übersandte der Beklagte einen Ordner mit Planunterlagen sowie nachgehend eine Plan-CD mit den ergänzenden Planunterlagen betreffend das Deckblatt I an dessen damalige Prozessbevollmächtigte sowie direkt an den Kläger.
15Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 12. März 2014 wies der Kläger darauf hin, alle bereits erhobenen Einwendungen gälten fort. Zusätzlich machte der Kläger geltend, die bislang weitgehend unbeeinträchtigte Lage des Vereinsgeländes sei eine wesentliche Grundlage seiner Existenzfähigkeit. Der Verein erziele Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge, Reitgebühren, die Vermietung von Boxen sowie die Vermietung eines Sechs-Familienhauses. Durch den Neubau der B 508n werde die vereinseigene Reitanlage schwer beeinträchtigt bzw. in ihrer Existenz gefährdet. Die Änderungen im Rahmen des Deckblatts I verschärften die Situation weiter. Die Existenzgefährdung ergebe sich daraus, dass ihm aufgrund der geplanten Ortsumgehung zahlreiche Nutzer der Reitanlage den Rücken kehren würden. Außerdem nähmen die Kompensationsmaßnahmen unverzichtbare Weideflächen für die Pferdehaltung in Anspruch mit der Folge, dass der aktuelle Tierbestand auf dieser Grundlage nicht aufrechterhalten werden könne. Es sei zudem mit der Abwanderung von Einstellern zu rechnen. Durch die Verwendung als Ersatzbiotop für den Neuntöter könnten die Flächen einen Großteil des Jahres nicht mehr genutzt und für die Pferdehaltung gepflegt werden. Durch die geplante Trassenführung werde das Wohnhaus auf dem Vereinsgelände einer Verkehrsbelastung wie im Innenstadtbereich ausgesetzt. Vorsorglich werde die Nichteinhaltung der gesetzlichen Lärmschutzvorgaben gerügt. Die Reithallen seien ebenfalls nicht schallgedämmt. Insbesondere beim Voltigieren, therapeutischen Reiten und beim Reitunterricht sei eine ruhige, störungsfreie Umgebung Grundvoraussetzung. Aufgrund der aktuellen Tierhaltungsvorschriften bestehe die Verpflichtung, entsprechende Weide- und Auslaufflächen für die ca. 55 vereinseigenen und privaten Pferde zur Verfügung zu stellen. Hinzu komme der Wunsch der Pferdeeinsteller, eine ganztägige Auslaufmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Dabei seien eine ganztägige Beweidung von Mitte Mai bis Mitte Oktober sowie die Düngung und Pflege der Flächen zwingend erforderlich. Um den Flächenverlust durch die Planungen aufzufangen, wäre eine Reduzierung des Pferdebestands um mindestens 30 % erforderlich. Die aktuelle Besatzgröße sei jedoch unverzichtbare Grundvoraussetzung für seine wirtschaftliche Gesundhaltung. Eine Weiterentwicklung der Reitanlage wäre ebenfalls nicht mehr möglich. Für Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen seien vor kurzem Verbindlichkeiten in Höhe von 167.000,- Euro eingegangen worden. Bei einer Betriebsverkleinerung sei eine Bedienung der Verbindlichkeiten nicht mehr möglich. Schließlich werde auf die Stellungnahme der in Nordrhein-Westfalen anerkannten Naturschutzverbände zum Deckblatt I, die Stellungnahme der Aktionsgemeinschaft Naturpark Rothaargebirge e. V. sowie auf die „Stellungnahme zum Artenschutzfachbeitrag und LBP von Landschaft + Siedlung zur B 508n Deckblatt I, Planänderung, Ortsumfahrung Kreuztal“ von S. D. aus März 2014 Bezug genommen.
16Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. November 2014 beantragte der Kläger die Übersendung des bisher nicht im Verfahren offengelegten, im Jahr 2010 aktualisierten vollständigen Verkehrsgutachtens und des ebenfalls bislang nicht offengelegten aktuellen lufthygienischen Fachgutachtens. Dem kam der Beklagte nach.
17Am 1., 2. und 3. Dezember 2014 führte die Planfeststellungsbehörde nach vorheriger persönlicher Einladung der Personen, die Einwendungen erhoben hatten, und nach öffentlicher Bekanntmachung in regionalen Tageszeitungen sowie im Amtsblatt der Bezirksregierung Arnsberg einen Erörterungstermin durch, an dem auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilnahm. Unter Tagesordnungspunkt 8a wurden speziell den Kläger betreffende Belange diskutiert. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers regte u. a. an zu prüfen, ob das Gebiet, in dem die Grundstücke des Klägers lägen, als Mischgebiet oder als allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren sei. Hinsichtlich der Ersatzmaßnahmen sei der Suchraum zu vergrößern. Es sei nicht geboten, diese in unmittelbarer Nähe des Vorhabens zu verwirklichen. Die CEF-Maßnahmen für den Neuntöter könnten unterbleiben. Es bestehe die Möglichkeit, stattdessen eine Ausnahme zu erlassen. Überdies führe die Anpflanzung von Schwarzdornhecken zu einer erhöhten Verletzungsgefahr bei Pferden. Schließlich könne die Brücke Nr. 5 aus Sicherheitsgründen von Reitern und Pferden nicht benutzt werden.
18Im April 2016 führte der Vorhabenträger das Deckblatt III ein. Dieses hat die Anlegung bzw. Ertüchtigung verschiedener forstwirtschaftlicher Wege zum Gegenstand. Das Deckblatt III enthält zudem den landschaftspflegerischen Begleitplan in der Fassung April 2016 sowie den artenschutzrechtlichen Fachbeitrag, ebenfalls in der Fassung aus April 2016.
19Dem Kläger wurden mit Schreiben des Beklagten vom 15. April 2016 die Planunterlagen zum Deckblatt III übersandt.
20Am 14. Juni 2016 erstatteten Herr Dr. H. und Frau Dr. N. im Auftrag des Vorhabenträgers ein Gutachten zur Frage der Existenzgefährdung des Klägers durch das Straßenbauvorhaben. Sie kamen zu dem Ergebnis, das Vorhaben könne nicht zur Existenzgefährdung des Klägers führen, da dieser bereits ohne dieses nicht existenzfähig sei. Der Kläger sei allerdings durch das Straßenbauvorhaben stark betroffen. Die Verluste im Hinblick auf selbst genutzte Flächen seien zwar durch die Kündigung von verpachteten Flächen zu kompensieren, die Attraktivität des Vereinsgeländes nehme jedoch stark ab und die umfangreichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ließen nennenswert höhere Aufwendungen bei gleichzeitig sinkenden Erträgen erwarten. Zudem führten die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu deutlichen Einschränkungen hinsichtlich der Nutzbarkeit der von ihnen betroffenen Flächen.
21Mit Schreiben vom 29. Mai 2017 erhob der Kläger Einwände gegen das Gutachten vom 14. Juni 2016. Er kritisierte insbesondere die Beurteilung seines Vereins anhand von Maßstäben für gewinnorientierte Unternehmen wie Stabilität, Rentabilität und Liquidität sowie die seiner Ansicht nach unzutreffende Bewertung von fehlenden Rücklagen. Hierzu gab Herr Dr. H. am 23. Juni 2017 seinerseits eine Stellungnahme ab, in der er die Einwände zurückwies.
22Mit Beschluss vom 3. November 2017 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der B 508n im fraglichen Abschnitt fest. In dem Planfeststellungsbeschluss wurde u. a. geregelt, Teilflächen von Grundstücken des Klägers für das Straßenbauvorhaben in Anspruch zu nehmen und auf seinen Grundstücken darüber hinaus umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie CEF-Maßnahmen durchzuführen. Hinsichtlich des Klägers wurde festgestellt, dessen Existenzfähigkeit sei bereits ohne das planfestgestellte Vorhaben nicht gegeben, so dass der Landentzug nicht zur Existenzgefährdung führen könne. Es werde ausdrücklich festgestellt, dass selbst wenn eine ernsthafte Existenzgefährdung des Klägers erst durch das Planvorhaben gegeben wäre, im Rahmen der Abwägung keine andere, für den Kläger günstigere Planungsentscheidung getroffen worden wäre.
23Der Planfeststellungsbeschluss wurde im Wege der öffentlichen Bekanntmachung zugestellt und lag vom 23. Januar 2018 bis einschließlich 5. Februar 2018 in der Stadt Kreuztal öffentlich aus.
24Am 23. Februar 2018 stellte der Kläger unter dem Az. 11 B 248/18.AK einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Das Verfahren wurde im Vergleichswege unstreitig beendet.
25Am 2. März 2018 hat der Kläger Klage erhoben, die er am 13. April 2018 begründet hat.
26Unter dem 15. Juni 2020 führte der Beklagte das Deckblatt IV ein. Dieses beinhaltet den neugefassten Fachbeitrag zur EG-Wasserrahmenrichtlinie aus Juni 2020.
27Zur Begründung seiner Klage nimmt der Kläger sowohl auf die im Zuge des Verfahrens erhobenen Einwendungen als auch auf die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren 11 B 248/18.AK übersandten Schriftsätze Bezug und führt aus:
28Da Grundstücke, die in seinem Eigentum stünden, durch das Vorhaben in Anspruch genommen würden, unterliege die Planung der vollständigen Überprüfung.
29Es fehle an einer ordnungsgemäßen Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne der §§ 6 und 9 UVPG. Damit sei ein Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG gegeben. Eine Vielzahl von Verfahrensunterlagen sei nicht ausgelegt worden. Hierzu gehöre das gesamte Deckblatt II mit dem neuen lufthygienischen Fachgutachten sowie das Deckblatt III mit dem aktuellen landschaftspflegerischen Begleitplan, dem aktualisierten Artenschutzfachbeitrag einschließlich der faunistischen Neukartierung, Faunistische Untersuchungen im Bereich der geplanten B 508n aus dem Jahr 2013, die aktualisierte Verkehrsuntersuchung mit dem Prognosehorizont 2030, der Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2017 sowie die neugefasste allgemein verständliche Zusammenfassung der Umweltverträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 2014. Die faunistische Kartierung befinde sich auch aktuell nicht in den Verwaltungsvorgängen.
30Zumindest hinsichtlich eines Teils dieser Unterlagen habe die erforderliche Anstoßwirkung für die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erzielt werden können. Dies gelte insbesondere für den nicht ausgelegten wasserrechtlichen Fachbeitrag und die neugefasste allgemein verständliche Zusammenfassung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner neuen Rechtsprechung klargestellt, dass eine Prüfung der Einhaltung der Verpflichtungen nach Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG (im Folgenden: Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) zwingend vor der Genehmigung zu erfolgen habe; die Nachholung von Teilen oder der ganzen Prüfung nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens sei ausgeschlossen. Die Angaben, die erforderlich seien, um die wasserbezogenen Auswirkungen des Projekts anhand der in Art. 4 der WRRL vorgesehenen Kriterien und Pflichten zu beurteilen, müssten überdies im Laufe des Projektgenehmigungsverfahrens nach Art. 6 der Richtlinie 2011/92/EU (im Folgenden: Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie - UVP-RL) vollständig öffentlich ausgelegt werden. Eine unvollständige Auslegung von Unterlagen in Bezug auf Art. 4 Abs. 1 der WRRL stelle immer einen Verfahrensfehler dar, da es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - nicht darauf ankomme, ob sich der Verfahrensfehler auf das Verfahren ausgewirkt habe, sondern nur, ob der Individualkläger an der Wahrnehmung seines Beteiligungsrechts gehindert gewesen sei. Bei einer unterbliebenen Öffentlichkeitsbeteiligung in den komplexen Verfahren nach der UVP-RL könne praktisch niemals widerlegt werden, dass sich bei ihrer Durchführung Ergebnisse gezeigt hätten, die zu einer anderen Entscheidung geführt hätten. Der Beweis, dass der Verfahrensfehler keine Auswirkungen auf das Ergebnis haben könne, lasse sich somit nur durch die Nachholung der Öffentlichkeitsbeteiligung führen. Denn die Öffentlichkeitsbeteiligung habe gerade die Funktion, Fehler in den Parteigutachten der Vorhabenträger und in der behördlichen Beteiligung aufzudecken. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe wäre dann auch aufgefallen, dass dem lufthygienischen Fachgutachten nicht die zum Zeitpunkt des Planbeschlusses geltenden Standards des Handbuchs für Emissionsfaktoren (im Folgenden: HBEFA) 3.3 zugrunde gelegt worden seien.
31Die Planung verstoße ferner gegen artenschutzrechtliche Verbote. Die Prüfung des Artenschutzes sei bereits methodisch fehlerhaft. Soweit ersichtlich sei für Brutvögel keine Revierkartierung vorgenommen worden, wie sie von der nordrhein-westfälischen Verwaltungsvorschrift zum Artenschutz (im Folgenden: VV Artenschutz) zumindest für planungsrelevante Arten vorgeschrieben werde. Es fehle jede Dokumentation der Fundstellen der kartierten Vogelarten. Eine vollständige revierbezogene Prüfung der entlang einer Straße brütenden Vogelarten werde aber von der Fachkonvention von H1. und N1. vorgeschrieben. Eine systematische Prüfung des Tötungsverbots aufgrund der Vorgaben der Fachkonvention sei aus den vorhandenen Unterlagen nicht ersichtlich. Dies gelte sowohl für die planungsrelevanten als auch die nicht planungsrelevanten Arten. Wolle man eine Liste von für das Tötungsverbot nicht planungsrelevanten Arten aufstellen, mit deren Hilfe diejenigen Arten belastbar aussortiert werden könnten, bei denen auf eine Pauschalprüfung ausgewichen werden könne, wäre auf die naturschutzfachlichen Erkenntnisse über die Schlaggefährdung der jeweiligen Arten an Straßen zurückzugreifen. Allein mit dem Kriterium der Häufigkeit der Art, welches die VV Artenschutz zugrunde lege, gelinge eine den gesetzlichen Vorgaben genügende Differenzierung nicht; die gegenwärtige Ausgrenzung von nicht planungsrelevanten Arten nach den Vorgaben der VV Artenschutz sei vielmehr rechtlich und naturschutzfachlich sinnfrei. Es sei unvertretbar zu behaupten, bei allen häufigen Brutvogelarten komme es zu Meidungseffekten entlang von Straßen, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Hierzu gebe es artspezifische wissenschaftliche Erkenntnisse, die durch eine Einschätzungsprärogative nicht ersetzt werden könnten. Wieso sich bei den häufigen Vogelarten eine Populationsrelevanz mit Blick auf das Störungsverbot pauschal ausschließen lasse, sei nicht erkennbar. Es sei darüber hinaus auch bei planungsrelevanten Arten mit der Erfüllung des Störungsverbots des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG in erheblichem Umfang zu rechnen. Dasselbe gelte für das Zerstörungsverbot.
32Zu Unrecht verneine der Planfeststellungsbeschluss auch für diverse Fledermausarten den Verbotstatbestand des Zerstörungsverbots aufgrund der CEF-Maßnahme „Aufhängen von Fledermauskästen“. Ausweislich aktueller Forschungsergebnisse seien Fledermauskästen als Ersatzquartier ungeeignet. Auch die Bewertung des fehlenden Kollisionsrisikos für Fledermäuse durch das planfestgestellte Vorhaben werde nicht geteilt.
33Die vorsorglich erteilten artenschutzrechtlichen Ausnahmen seien unwirksam. Es fehle aufgrund ihrer Pauschalität an Kenntnissen zu den insofern maßgeblichen näheren Umständen. Daher sei eine ordnungsgemäße Alternativenprüfung gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG nicht möglich.
34Daneben verstoße der Planfeststellungsbeschluss gegen das Abwägungsgebot. Das vom Vorhabenträger eingeholte Gutachten zu seiner Existenzgefährdung sei fehlerhaft, wenn dort festgestellt werde, bereits seine, des Klägers, gegenwärtige Existenz sei nicht gesichert. Das Gutachten komme zu diesem Ergebnis, weil verkannt werde, dass ein gemeinnütziger Reitverein nicht nach den Maßstäben für einen auf Gewinnerzielung angelegten Gewerbebetrieb beurteilt werden könne und überdies für das vorhandene Vereinsvermögen statt der realen Marktwerte deutlich zu niedrige Buchwerte herangezogen worden seien. Insofern werde auf die Gutachten von Herrn Dr. C1. vom 20. Februar 2018 und 12. April 2018 Bezug genommen. Diese kämen zu dem Ergebnis, dass er derzeit uneingeschränkt existenzfähig sei. Aus einem von Herrn Dr. C1. und Frau T1. am 29. August 2018 erstellten weiteren Gutachten ergebe sich, dass den Gutachtern des Beklagten mehrere gravierende Fehler unterlaufen seien. Die für eine zutreffende Analyse dringend erforderliche Anpassung der historischen Anschaffungswerte an die aktuellen Wertverhältnisse sei unterlassen worden. Ferner seien die umfangreichen Eigenleistungen der Mitglieder nicht in die wirtschaftliche Bewertung einbezogen worden. Dadurch werde die wirtschaftliche Lage des Vereins falsch dargestellt. Nur die Verwendung des Kriteriums des „operativen cashflows“ sei geeignet, die Existenzfähigkeit eines Vereins zu beurteilen. Mit Blick auf ihn, den Kläger, zeige dieser Wert, dass in jedem Jahr genug liquide Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um den Tilgungspflichten nachzukommen. Eine relevante Abnahme des Eigenkapitals finde nicht statt.
35Die geplante Straßenführung in ihrer konkreten Ausgestaltung gefährde seine Existenz. Ob im Nachgang eine Entschädigung geleistet werde, sei für die Betrachtung der Existenzgefährdung ohne Belang. Die Festlegung im Planfeststellungsbeschluss unter Ziffer 5.9, hinsichtlich Ertragsminderungen, die durch Kompensationsmaßnahmen einträten, bestehe ein Anspruch auf Entschädigung dem Grunde nach, sei im Übrigen nicht ausreichend. Denn die drohenden Schäden bestünden keineswegs primär in landwirtschaftlichen Ertragsminderungen. Es werde die Feststellung erwartet, dass die durch die Planung entstehenden Schäden insgesamt dem Grunde nach entschädigungspflichtig seien. Die Nebenbestimmung 5.10 im Planfeststellungsbeschluss sei zur Minderung der Existenzgefährdung ebenfalls nicht ausreichend. Die im Planfeststellungsbeschluss weiterhin aufgeführten Minderungsmaßnahmen seien dem Vorhabenträger lediglich zur Prüfung aufgegeben worden, ohne diese verbindlich festzusetzen.
36Soweit im Planfeststellungsbeschluss festgestellt werde, auch im Falle einer ernsthaften Existenzgefährdung erst durch das Vorhaben sei keine andere Entscheidung getroffen worden, ändere dies nichts an der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Eine korrekte Abwägung könne nur erfolgen, wenn eine tatsächlich vorliegende Existenzgefährdung zutreffend ermittelt sowie die notwendigen und möglichen Vermeidungsmaßnahmen festgesetzt worden seien. Daran fehle es hier.
37Durch die geplanten naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen- A/ECEF4.1 und A/ECEF4.2 - werde ein Teil der für die Freilandhaltung benötigten Flächen für die Pferdehaltung unbrauchbar gemacht, ohne dass es ein nachvollziehbares rechtliches oder tatsächliches Erfordernis gebe, für diese Maßnahmen gerade seine Flächen in Anspruch zu nehmen. Die Maßnahmenflächen besäßen nach den Angaben im landschaftspflegerischen Begleitplan und im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag eine Doppelfunktion. Zum einen dienten sie als Ersatzmaßnahme für durch die Trasse zerstörtes Grünland, zum anderen bildeten sie eine artenschutzrechtliche CEF-Maßnahme für den Neuntöter. Die Zerstörung von zwei mutmaßlichen Brutplätzen des Neuntöters südlich der Reitanlage solle folglich durch die CEF-Maßnahmen unbeachtlich werden. Die Maßnahmen seien nach ihrer Konzeption für die Art Neuntöter zwar grundsätzlich geeignet, es bestehe indes kein Bedürfnis dafür, diese Maßnahmen ausgerechnet auf seinen Pferdeauslaufflächen durchzuführen. Der geplante Standort der Maßnahmen sei zu weit vom ursprünglichen (angenommenen) Brutrevier der zwei Neuntöter-Brutpaare entfernt, als dass noch von einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme gesprochen werden könne, die voraussetze, dass die ursprüngliche Revieridentität als gewahrt angesehen werden könne. Darüber hinaus seien unmittelbar angrenzend an den Eingriff weitere Grünlandflächen vorhanden, die geeignet seien bzw. in einen geeigneten Zustand würden versetzt werden können und teilweise sogar im Eigentum der Stadt Kreuztal ständen. Die für die geplante Maßnahme A/ECEF9 erforderlichen Dornenhecken müssten mindestens fünf Jahre wachsen, um die für den Neuntöter erforderliche Ausprägung zu bekommen, so dass sich der Bau des Vorhabens ohnehin solange verzögere; in diesem Zeitraum könnten auch an anderer Stelle entsprechende Flächen angelegt werden, ohne derart massive Eigentumsbeeinträchtigungen hervorzurufen.
38Für die Kompensation nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Rahmen von § 15 Abs. 2 BNatSchG könnten gleichermaßen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen verwandt werden. Ersatzmaßnahmen könnten nach den einschlägigen Maßstäben im gesamten Naturraum liegen. Hierzu dürfe zumindest das gesamte Siegerland gehören. Es sei schwer vorstellbar, dass es nicht möglich sein solle, im gesamten Naturraum geeignete extensivierungsfähige Grünlandflächen zu finden. Das Argument des Beklagten, es sei sinnvoll, wenn die Ersatzflächen in funktionalem Zusammenhang mit den Eingriffsflächen lägen, sei zwar naturschutzfachlich richtig. Dies rechtfertige indes nicht seine Existenzgefährdung, da es rechtlich ohne weiteres zulässig sei, auf diesen Funktionszusammenhang zu verzichten. Auch Belange des Biotopverbunds führten nicht zu einer bindenden rechtlichen Verpflichtung, die Kompensationsmaßnahmen auf seinen Grundstücken durchzuführen. Der Beklagte könne sich insofern auch nicht auf die Vorgaben des vom Vorhabenträger beauftragten Gutachters berufen, denn dieser habe bei der Konzeption der Maßnahmen die Existenzgefährdung nicht im Blick gehabt.
39Die vorgesehenen CEF-Maßnahmen seien rechtlich nicht vorgeschrieben und in das Ermessen der Planfeststellungsbehörde gestellt. Der Planfeststellungsbehörde habe es daher freigestanden, statt der CEF-Maßnahme eine naturschutzrechtliche Ausnahme für das dann eintretende artenschutzrechtliche Verbot zu erteilen. Im Rahmen der Ausnahmeerteilung hätte die Möglichkeit bestanden, eine Maßnahme für den Erhaltungszustand der Population des Neuntöters nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, eine „Favorable Conservation Status“- (kurz: FCS-)Maßnahme, vorzusehen, die in nahezu beliebiger Entfernung vom Eingriffsort durchgeführt werden könne. Der VV Artenschutz könne nichts Gegenteiliges entnommen werden. Eine objektiv nicht erforderliche Maßnahme, die zu seiner Existenzgefährdung beitrage, könne nicht das Mittel der Wahl sein, wenn es rechtlich zulässige Alternativen gebe, insbesondere wenn man berücksichtige, dass die geplanten Maßnahmen nur auf einer Worst-Case-Betrachtung beruhten, da ein Vorkommen des Neuntöters in unmittelbarer Nähe zu seiner Reitanlage im Rahmen der durchgeführten Vogelkartierung nicht habe festgestellt werden können.
40Aufgrund der naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen seien die davon betroffenen Flächen nicht mehr als Stell- und Auslauffläche für Pferde geeignet. Es komme nicht darauf an, ob irgendeine Pferdehaltung theoretisch noch möglich sei, sondern der von ihm benötigte Umfang der Pferdehaltung für die selbst bestimmten Zwecke weiterhin realisierbar bleibe. Die vorgeschriebene Extensivierung führe dazu, dass sämtliche betroffenen Flächen von etwa April bis August nicht mehr als Fläche für Pferde genutzt werden könnten, da nach den Vorgaben im landschaftspflegerischen Begleitplan erst dann die erste Mahd erfolgen könne. Auf ungemähten Flächen könnten Pferde nicht gehalten werden. Ferner verhinderten die Extensivierungsvorgaben eine Aufbereitung der Flächen; mechanische Bearbeitungen und Glättungen seien unzulässig. Spätestens nach einem Monat müsse aber eine Fläche, die von Pferden als Weide genutzt werde, bearbeitet werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich für Pferde giftige Pflanzen auf den Weiden unkontrolliert verbreiten könnten. Die Vorgabe, maximal zwei Pferde pro ha zu halten, widerspreche den Nutzungsbedürfnissen. Überdies könne aufgrund der Extensivierungsvorgaben kein Pferdedung mehr auf die Flächen verbracht werden. Die weiteren CEF-Maßnahmen für den Neuntöter verlangten ferner die Anlage umfangreicher Dornenhecken. Auf solchen Flächen sei aufgrund der Verletzungsgefahr eine Pferdehaltung nicht möglich. Der Einwand des Beklagten, es bestehe die Möglichkeit, die Dornenhecken einzuzäunen, ändere abgesehen von der Frage der Kostentragung nichts an den sonstigen Hindernissen für die Pferdehaltung. Das Vorbringen im Gutachten von Herrn Dr. H. und Frau Dr. N. vom 22. Mai 2018, die durch die Extensivierung betroffenen Flächen könnten für die Pferdehaltung ohne weiteres genutzt werden, überzeuge nicht. Das von Herrn Dr. H. und Frau Dr. N. benannte Förderprogramm aus Schleswig-Holstein zum Thema „Wertgrünland“ sei jedenfalls nicht geeignet, die von Extensivierungsmaßnahmen betroffenen Flächen für die Pferdehaltung nutzbar zu machen.
41Es sei auch falsch, wenn im Planfeststellungsbeschluss und im Gutachten des Vorhabenträgers davon ausgegangen werde, seine Betroffenheit durch naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen könne durch die Kündigung von Pachtflächen kompensiert werden. Einerseits würden die verpachteten Flächen zum Teil aufgrund besonderer Vereinbarungen mit dem Pächter als Stellflächen mitgenutzt, andererseits seien die verpachteten Flächen wegen der Geländebeschaffenheit als Weidefläche für Pferde ungeeignet. Allenfalls 0,5 ha einer Teilfläche, die verpachtet sei, könne als Pferdekoppel genutzt werden. Diese Fläche sei indes kaum einsehbar. Darüber hinaus werde ihm die Möglichkeit der notwendigen Erweiterung der Stellflächen genommen. Im Übrigen verkenne der Beklagte, dass eine Kündigung (weiterer) Pachtflächen mit einer Existenzvernichtung seines Pächters einhergehen würde. Mit diesem bestünden derzeit aber umfangreiche Absprachen, etwa hinsichtlich der Pflege der Flächen und der Aufbringung von Pferdedung als Dünger. Die Zusammenarbeit mit dem Pächter sei durch die Festsetzung der Kompensationsmaßnahmen ebenfalls erheblich gefährdet.
42Durch die Verlärmung des ihm gehörenden Mietshauses seien weitere Einnahmeausfälle zu erwarten. Im Rahmen der Abwägung mit der eintretenden Existenzgefährdung könne die Anordnung zusätzlicher passiver Schallschutzmaßnahmen angedacht werden. Der Beklagte verkenne, dass es nicht um die Einhaltung der 16. BImSchV, sondern seine Existenzfähigkeit gehe. Die Verlärmung der Reithallen und Reitanlage selbst werde voraussichtlich zu Mitgliedsverlusten und Störungen beim Reitbetrieb führen. Die südlich der Reitanlage geplante Lärmschutzwand helfe nur begrenzt. Auch hier könne die Festlegung passiver Lärmschutzmaßnahmen an den Reithallen jenseits der Vorgaben der 16. BImSchV zu einer Reduzierung der Existenzgefährdung beitragen.
43Die geplante Straße verlaufe direkt neben dem Vereinsgelände und verhindere damit den bislang bestehenden freien Zugang zum Reitwegenetz. Von den beiden vorgesehenen Verbindungen - Bauwerke Nr. 4 und 5 - könne nur ein Weg sicher benutzt werden. Die als Bauwerk Nr. 5 vorgesehene Brücke könne von Reitern mit Pferden nicht gefahrlos passiert werden. Die Möglichkeit, einen Rundweg zu nutzen, entfalle dadurch. Dies reduziere ebenfalls die Attraktivität des Angebots für (potentielle) Mitglieder. Eine die Existenzgefährdung angemessen berücksichtigende Planung hätte bei der Konzeption des Bauwerks Nr. 5 eine Gestaltung vorsehen müssen, die ein sicheres Überführen von Pferden ermögliche. Die Anlage einer Grünbrücke, die auch aus naturschutzfachlichen Gründen geboten sei, hätte eine gute Alternative dargestellt. Die Voraussetzungen für die Anlage einer Grünbrücke lägen auch vor, denn im gesamten Trassenverlauf seien keine Querungshilfen für die Tierwelt vorgesehen worden. Soweit im Planfeststellungsbeschluss festgestellt werde, das Bauwerk Nr. 4 könne die Funktion einer Grünbrücke ersetzen, sei dies aus mehreren Gründen nicht richtig. Hinzu komme, dass der Übergang für die Reiter in die freie Landschaft jenseits der Straße während der Bauarbeiten „wahrscheinlich möglicherweise“ komplett entfalle.
44Durch Deformation und Mehrwege sei ferner von jährlichen Mehrkosten für den Reitverein auszugehen. Die Kostenangabe von 69,- Euro pro Jahr im vom Vorhabenträger eingeholten Gutachten vom 14. Juni 2016 sei nicht belastbar.
45Es fehle darüber hinaus eine Verkehrsprognose, die isoliert die Verkehrszahlen für das planfestgestellte Vorhaben prognostiziere. Der vom Beklagten ins Feld geführte Prognosefall 1 berücksichtige in unzulässiger Weise den Ausbau weiterer Streckenabschnitte der B 508.
46Die Planung halte auch nicht die Trassierungsvorgaben der im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Richtlinie zur Anlage von Landstraßen aus dem Jahr 2012 (im Folgenden: RAL 2012) ein. Stattdessen basiere die Planung noch auf den veralteten Vorgaben der RAS-L 95. Die dort aufgeführten Grenzwerte für eine maximale Längsneigung von 6 % entsprächen nicht den neuen Richtlinien, die für Kraftfahrtstraßen der Entwurfsklasse 1 - wie die streitgegenständliche Ortsumgehung - eine maximale Steigerung von 4,5 % vorsehe. Die Vorgaben der RAL 2012 seien bindend. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Abweichung möglich sei. Der Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die abweichende Planung entsprechend dem Einführungserlass zur RAL 2012 mit dem zuständigen Bundesministerium abgestimmt worden sei. Jedenfalls sei die geplante Längsneigung aus Sicht der Verkehrssicherheit höchst problematisch, da die Steigung, die teilweise bis zu 7 % betrage, für den zu erwartenden Schwerlastverkehr insbesondere in den Wintermonaten ungeeignet sei. Die gegenteilige Behauptung des Beklagten sei ohne Vorlage der - ohnehin veralteten - Sicherheitsaudits nicht zu überprüfen.
47Die mit dem Deckblatt II eingeführte aktualisierte Luftschadstoffuntersuchung der Firma aus dem Jahr 2013 beruhe auf veralteten Berechnungsverfahren, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses nicht mehr gültig gewesen seien. Statt der im lufthygienischen Fachgutachten vorgenommenen Berechnung auf der Grundlage von HBEFA 3.1 hätte das seit dem 27. April 2017 anzuwendende HBEFA 3.3 eingesetzt werden müssen. Nach der aktuellen Version des HBEFA seien den Berechnungen wesentlich höhere NO2-Emissionen von Dieselfahrzeugen zugrunde zu legen. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten in der N2. Straße und dem engen Talraum des Fernbachtals hätte ferner mit einer anderen Hintergrundbelastung gerechnet werden müssen. Auch die Emissionsberechnung für die Stundenwerte sei aufgrund der Verwendung veralteter Tagesganglinien nicht belastbar. Mittlerweile habe der Beklagte zwar eine aktualisierte Berechnung auf der Grundlage des nunmehr anzuwendenden HBEFA 4.1 durchgeführt. Es fehle aber eine (Neu‑)Berechnung der Belastung der Ortsdurchfahrt in L. , die jeden Morgen durch Stau geprägt sei. Aufgrund der bereits jetzt sehr hohen Belastung sei davon auszugehen, dass die zulässigen Grenzwerte dort bei einer korrekten Berechnung überschritten würden.
48Der Kläger beantragt,
49den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Arnsberg vom 3. November 2017 aufzuheben,
50hilfsweise, festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Arnsberg vom 3. November 2017 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.
51Der Beklagte beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags macht er unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Wesentlichen geltend:
54Die vom Kläger gerügten Unterlagen hätten nicht offengelegt werden müssen, da sich aus ihnen keine neuen Erkenntnisse bzw. Betroffenheiten ergeben hätten. Dies gelte insbesondere für den Fachbeitrag zur WRRL. Der nachträglich erstellte Fachbeitrag habe keine Änderung des wassertechnischen Entwurfs ausgelöst und somit keinen Einfluss auf die Planfeststellungsunterlagen bedingt. Die Öffentlichkeit sei bereits mit der Offenlage der Planfeststellungsunterlagen über die wassertechnischen Auswirkungen des Projekts hinreichend informiert worden.
55Ein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Vorgaben liege nicht vor. Im Rahmen der Faunaerfassung sei eine umfängliche Revierkartierung der Brutvögel durchgeführt worden. Die Methode sowie eine Artenliste mit Status der einzelnen Arten seien im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag dokumentiert. Hinsichtlich aller Brutvögel seien das Tötungsverbot, das Beschädigungsverbot und das Störungsverbot geprüft, im Ergebnis jedoch jeweils verneint worden.
56Das Aufhängen von Fledermauskästen als Ersatz für den Verlust von Höhlenbäumen entspreche den Empfehlungen des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: MKULNV) aus dem Jahr 2013. Bei der vom Kläger genannten Literaturstelle handele es sich um eine Untersuchung der Bayerischen Koordinationsstelle für Fledermausschutz, in der ausschließlich Untersuchungen aus 37 Landkreisen Bayerns und Österreichs ausgewertet worden seien. Im Übrigen bescheinige ein Ergebnisbericht über das erste Monitoringjahr 2020 eine hohe Funktion der Ausgleichsmaßnahme. Eine signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos bestehe nicht, da es in den Waldgebieten nicht zu einer Zerschneidung von Flugstraßen durch die Trasse komme. Da die Straße in den Waldgebieten zudem in großen Teilen im Einschnitt verlaufe, werde das Kollisionsrisiko weiter verringert.
57Der Erteilung der artenschutzrechtlichen Ausnahme für das Tötungsverbot im Rahmen der Baufeldfreimachung liege lediglich eine Worst-Case-Betrachtung zugrunde. Unter Berücksichtigung auch der CEF-Maßnahmen seien die Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG nach naturschutzfachlicher Einschätzung seiner beauftragten Gutachter voraussichtlich nicht erfüllt.
58Aufgrund des ergänzenden Gutachtens von Herrn Dr. H. und Frau Dr. N. vom 22. Mai 2018 stehe fest, dass bereits die gegenwärtige Existenz des Klägers nicht sichergestellt sei. Das Gutachten zeige, dass es dem Kläger über Jahre nicht gelungen sei, ein ausgeglichenes Ergebnis oder zumindest ein nur geringfügig negatives Ergebnis zu erzielen. Entgegen der vom Kläger geäußerten Ansicht sei das Gutachten nicht fehlerbehaftet. Nach Ansicht der von ihm beauftragten Gutachter seien mit Blick auf die Beurteilung der langfristigen Existenzfähigkeit auch eines Vereins die drei Punkte Liquidität, Stabilität und Rentabilität zu untersuchen. Eine Beurteilung sei nur aus der Gesamtschau möglich. Auch unter Berücksichtigung der Buchführungsergebnisse der Jahre 2015 und 2016 kämen die Gutachter daher weiterhin zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht existenzfähig sei. Gleichwohl habe er die Betroffenheit des Klägers im Rahmen der Abwägung weiter untersucht. Die ökonomischen Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens seien ermittelt worden. Im Übrigen stehe fest, dass er, der Beklagte, das Vorhaben auch um den Preis der Existenzvernichtung verwirklicht sehen wolle. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss stelle außer Frage, dass das geplante Straßenbauvorhaben in jedem Fall verwirklicht werden solle.
59Soweit vorgetragen werde, eventuelle Vermeidungsmaßnahmen seien nicht geprüft worden, werde auf die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss verwiesen. Angesichts des parallel laufenden Flurbereinigungsverfahrens, auf das hingewiesen werde, habe dem Vorhabenträger insoweit nur eine Prüfpflicht auferlegt werden können. Ferner könne erst im Grunderwerbs- und Entschädigungsverfahren geklärt werden, ob Entschädigungsansprüche beständen.
60Die Flächeninanspruchnahme für die Ausgleichsmaßnahmen sei im Planungsprozess auf das geringstmögliche Maß reduziert worden. Die zusammenhängenden Kompensationsmaßnahmen A/ECEF4.1 und A/ECEF4.2 seien aus naturschutzfachlicher Sicht an der geplanten Stelle notwendig. Die Entwicklung von Extensivgrünland diene dem Artenschutz, insbesondere der Vogelart Neuntöter. Durch die geplante Trassenführung gingen nach Angaben des Forstamts sowie von Ornithologen zwei Brutplätze verloren. Damit seien die Kompensationsmaßnahmen aus artenschutzrechtlichen Gründen in dieser Form erforderlich. Aufgrund der vorhandenen und - nach Bau der Straße - verbleibenden Flächennutzungsstruktur (Offenlandflächen, Acker) und der Zerschneidungswirkungen seien in räumlicher Nähe Maßnahmen nur südlich der Erhebung Mühlenkopf und nördlich der Straßentrasse erfolgversprechend. Teilbereiche des Feuchtgrünlands, des Schnittgrünlands und der Fettweide böten dabei keine optimalen Voraussetzungen. Bei der Auswahl von Kompensationsmaßnahmen seien nach § 31 LNatSchG NRW ferner auch die Belange des Biotopverbunds zu berücksichtigen. Eine Stärkung der Verbundfunktion sei im vorliegenden Fall über die Schaffung eines Biotopkomplexes möglich, bei dem durch den unmittelbaren räumlichen Zusammenhang der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu den im Umfeld des Eingriffsbereichs notwendigen artenschutzrechtlich begründeten CEF-Maßnahmen Synergieeffekte entstünden. So werde die Qualität der Maßnahmenflächen als „Trittsteinbiotope“ erheblich gesteigert.
61Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Effekte und der vorhandenen günstigen Habitatbedingungen südlich des Mühlenkopfs seien in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden die nunmehr in Anspruch genommenen Flächen des Klägers ausgewählt worden, nachdem andere Flächen (vorrangig solche in öffentlicher Hand) verworfen worden seien. Dabei sei die Eigentumsbetroffenheit des Klägers abgewogen worden, allerdings seien die Maßnahmen als zumutbar bewertet worden. Eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG könne nicht erteilt werden, wenn geeignete CEF-Maßnahmen im räumlichen Zusammenhang umsetzbar seien.
62Die Vorgaben für die Extensivierung schlössen eine Beweidung durch Pferde nicht aus, wie sich aus dem landschaftspflegerischen Begleitplan ergebe. Eine Beweidung begünstige sogar das Vorkommen der Zielart Neuntöter. Da es sich ferner um verpachtete Flächen handele, dürfte dem Kläger kein Schaden entstehen. Dem Kläger stehe vielmehr mit den Extensivierungsflächen 4,76 ha mehr Weidefläche zur Verfügung als derzeit. Mit Blick auf die Anordnung der Hecken gebe es Spielräume: Teilweise sei eine Auszäunung möglich, teilweise könne man zu Gunsten von kleinen Strauchgruppen auf lange Heckenbänder verzichten. Der Vorhabenträger habe eine Auszäunung der Hecken sowie deren Unterhaltung bereits zugesagt. Ferner sei er bereit, den Kläger im Hinblick auf die notwendige fachliche Beratung und Betreuung bei der zu erlernenden Bewirtschaftung seiner Weideflächen entsprechend den Extensivierungsvorgaben finanziell zu unterstützen.
63Das vereinseigene Mietshaus werde durch die vorgesehene Lärmschutzanlage ausreichend geschützt. Ein Anspruch auf weiteren Lärmschutz für die Reitanlage als solche bestehe nicht, da die Anlage nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sei. Im Übrigen beinhalte die Optimierung des Brückenbauwerks Nr. 4 die beidseitige Anbringung von Irritationsschutzwänden, die eine lärmmindernde Wirkung aufwiesen.
64Bezüglich der nutzbaren Ausreitmöglichkeiten sei es möglich, die durch den Neubau der B 508n unterbrochenen Wegebeziehungen durch die Bauwerke Nr. 4 und 5 in vollem Umfang zu erhalten. Die Wirtschaftswegebrücke über die B 508n (Bauwerk Nr. 5) könne von Reitern genutzt werden. Bei einer lichten Weite von 46,50 m sei das Absteigen der Reiter und das „gesicherte“ Führen hinnehmbar. Eine Optimierung des Bauwerks für die reiterlichen Belange werde in der Ausführungsplanung zu berücksichtigen sein. Einer Grünbrücke bedürfe es nicht, da die Fläche unterhalb der Brücke über ein Seitental des Mattenbachs (Bauwerk Nr. 4) als Querungshilfe dienen könne.
65Entgegen der Ansicht des Klägers sei mit dem Prognosefall 1 in der regionalen Verkehrsuntersuchung ein Planungsfall nur für das planfestgestellte Vorhaben enthalten.
66Im Rahmen des Anhörungsverfahrens sei geprüft worden, ob die Planungsparameter an die aktuellen Richtlinien zum Straßenbau (beispielsweise die RAL 2012) anzupassen seien. Die Straßenbauverwaltung habe sich jedoch zur Beibehaltung der Trassierungselemente entschieden. Dieses Vorgehen entspreche den Vorgaben des Einführungserlasses der RAL 2012, wonach in Einzelfällen bei laufenden Vorhaben mit bereits eingeleiteten Baurechtsverfahren von den Vorgaben der RAL 2012 abgewichen werden könne. Das Bundesverkehrsministerium sei im Rahmen der Kostenfortschreibung in dieses Vorgehen eingebunden worden. Der Höhenverlauf der Straße trage den im Mittelgebirgsraum erforderlichen Steigungsverhältnissen zur Überwindung der Höhenunterschiede unter gleichzeitiger Minimierung der Eingriffe in Natur und Landschaft Rechnung. Sofern sich planerische Anpassungen innerhalb der Baufeldgrenzen abbilden ließen, werde in der Ausführungsplanung jedoch der aktuelle Richtlinienstand berücksichtigt.
67Durch das im Rahmen der Planfeststellung erstellte Schadstoffgutachten sei nachgewiesen worden, dass die Jahresmittelgrenzwerte im gesamten Bereich der B 508n bereits am Fahrbahnrand eingehalten würden. Die Verwendung neuerer Emissionsfaktoren habe keinen Einfluss auf die grundsätzliche Aussage des Luftschadstoffgutachtens, da die relevanten Grenzwerte der 39. BlmSchV ohnehin deutlich unterschritten würden. Er habe sicherheitshalber ein neues lufthygienisches Fachgutachten in Auftrag gegeben, welches das Schadstoffaufkommen nach den aktuell geltenden Normen (HBEFA 4.1) untersucht habe. Das aktuelle Gutachten der Firma M1. GmbH aus August 2020 komme zu dem Ergebnis, dass auch bei Zugrundelegung des HBEFA 4.1 - ebenso wie bei einem Rechnungslauf mit den Emissionsfaktoren nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses geltenden HBEFA 3.3 - eine gesundheitliche Gefährdung für die Anwohner der Straße auszuschließen sei.
68Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte 11 B 248/18.AK und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten planfestgestellten Unterlagen und Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten Hefte 2 bis 27).
69Entscheidungsgründe:
70Die zulässige Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem Rechtsfehler, der den Kläger i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt und die - vollständige oder teilweise - Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses rechtfertigt (hierzu B. und C.). Der Hilfsantrag hat dagegen Erfolg. Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig und darf nicht vollzogen werden, weil die vorgesehene Inanspruchnahme von Flächen des Klägers für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen abwägungsfehlerhaft ist (hierzu D.).
71A. Rechtsgrundlage des Planfeststellungsbeschlusses vom 3. November 2017 ist § 17 FStrG in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Juni 2007, im maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Mai 2017 (im Folgenden: FStrG a. F.) i. V. m. den §§ 72 ff. VwVfG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999, im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. November 2016 (im Folgenden: VwVfG NRW a. F.).
72Dabei ist „maßgeblicher Zeitpunkt“ in diesem Sinne das Erlassdatum des Planfeststellungsbeschlusses. Denn bei der Überprüfung eines Planfeststellungsbeschlusses ist grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass abzustellen.
73Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2019- 7 C 22.17 -, Buchholz 406.403 § 64 BNatSchG 2010 Nr. 2 = juris, Rn. 14, vom 9. Februar 2017- 7 A 2.15 -, Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 14 = juris, Rn. 21, und vom 14. April 2010- 9 A 5.08 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45 = juris, Rn. 29.
74I. Für den Umfang der rechtlichen Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses ist die Betroffenheit des Klägers von Bedeutung.
75Er ist Eigentümer u. a. der Grundstücke Gemarkung C. , Flur 4, Flurstücke 41, 43, 47 und 48. Von diesen Grundstücken werden für das Vorhaben dauerhaft Flächen in Anspruch genommen. Dem Planfeststellungsbeschluss kommt, weil er Grundlage einer nachfolgenden Enteignung ist, enteignungsrechtliche Vorwirkung zu (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG a. F.). Daher hat der Kläger wegen des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 GG einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch).
76Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 27. November 2018 - 9 A 10.17 -, juris, Rn. 11, m. w. N., und (Hinweis-)Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 -, ZUR 2018, 623 = juris, Rn. 6.
77Der Vollüberprüfungsanspruch eines von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen unterliegt allerdings Einschränkungen. Danach führt nicht jeder objektiv-rechtliche Fehler, der einer Planung anhaftet, zur Aufhebung. Diese Rechtsfolge scheidet vielmehr aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist.
78Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010- 9 A 20.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 = juris, Rn. 29, und vom 12. August 2009- 9 A 64.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 = juris, Rn. 24.
79Dies ist dann der Fall, wenn der geltend gemachte öffentliche Belang nur von kleinräumiger Bedeutung ist und auch seine fehlerfreie Beachtung nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde.
80BVerwG, Urteile vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 75 =juris, Rn. 42, und vom 12. August 2009- 9 A 64.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 = juris, Rn. 24.
81II. Dabei erfolgt die Überprüfung des streitigen Planfeststellungsbeschlusses unbeschadet der sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebenden Aufklärungspflicht grundsätzlich nur im Rahmen der innerhalb der Klagebegründungsfrist des § 6 Sätze 1 und 2 UmwRG vorgetragenen Gründe.
82Gemäß § 6 Sätze 1 und 2 UmwRG hat eine Person oder eine Vereinigung innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben; Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn die Verspätung entschuldigt ist (§ 6 Satz 3 UmwRG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Auf die Frage, ob eine Zulassung verspäteten Vorbringens das Verfahren konkret verzögern würde, kommt es nicht an. Die Frist kann nach § 6 Satz 4 UmwRG (nur) dann auf Antrag verlängert werden, wenn die Person oder die Vereinigung in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit der Beteiligung hatte.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018- 9 A 8.17 -, Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 29 = juris, Rn. 13 f.
84Diese Regelung ist vorrangig gegenüber früheren fachgesetzlichen Klagebegründungsfristen (etwa § 17e Abs. 5 FStrG a. F.) anzuwenden; der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einfügung des § 6 UmwRG eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Der Zweck des § 6 UmwRG - und ebenso des nunmehr an ihn angelehnten § 17e Abs. 5 FStrG n. F. - besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen, indem der Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar gehalten wird. Schon innerhalb der Begründungsfrist, die zum Ausgleich der strengeren Folgen einer Versäumung von sechs auf zehn Wochen verlängert worden ist, hat der Kläger grundsätzlich den Prozessstoff festzulegen. Damit soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird, was späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht ausschließt. Beweismittel für einen späteren förmlichen Beweisantrag sind innerhalb der Klagebegründungsfrist bereits anzugeben. Insgesamt soll nach dem Wegfall der aus dem Verwaltungsverfahren in den Prozess hineinwirkenden materiellen Präklusion verhindert werden, dass in einem späten Stadium des gerichtlichen Verfahrens neuer Tatsachenvortrag erfolgt, auf den die übrigen Beteiligten und das Gericht nicht mehr angemessen reagieren können.
85Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2018- 9 A 8.17 -, Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 29 = juris, Rn. 13 f.
86Hiervon ausgehend legt der Senat seiner Prüfung die Einwendungen zugrunde, die der Kläger in seinem Klagebegründungsschriftsatz vom 12. April 2018 in Anknüpfung an die im Planfeststellungsverfahren bereits erhobenen Einwendungen formuliert und mit weiteren Schriftsätzen vom 27. April 2018, 6. September 2018, 27. April 2020, 2. Dezember 2020, 5. Januar 2021 sowie vom 27. Januar 2021 vertieft hat. Ebenso werden die Schriftsätze des Klägers, die er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingereicht hat, berücksichtigt, da auf diese verwiesen wird. Die Klagebegründung ist am 13. April 2018 bei Gericht eingegangen und wahrt daher die geltende Zehnwochenfrist.
87B. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an Verfahrensfehlern, die seine Aufhebung rechtfertigen. Die vom Kläger gerügten Fehler liegen zwar zum Teil vor (dazu I.), haben die Entscheidung des Beklagten nach der Überzeugung des Senats in der Sache aber offensichtlich nicht beeinflusst (dazu II.).
88I. Der Planfeststellungsbeschluss ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
891. Die vom Kläger beanstandete fehlende Auslegung des Fachbeitrags zur EG-Wasserrahmenrechtlinie (Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Bewirtschaftungszielen nach §§ 27, 44 und 47 WHG) vom 16. Januar 2017 stellt einen Verfahrensfehler dar.
90a) Durch die Auslegung der Planunterlagen sollen Betroffene nach § 17a FStrGa. F. i. V. m. § 73 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW a. F. in die Lage versetzt werden, Einwendungen zu erheben, die zumindest in groben Zügen erkennen lassen, welche Rechtsgüter als gefährdet angesehen und welche Beeinträchtigungen befürchtet werden. Ausführungen, die wissenschaftlich-technischen Sachverstand erfordern, werden von den Betroffenen im Verwaltungsverfahren nicht verlangt. Dementsprechend muss die Auslegung nicht notwendig alle Unterlagen umfassen, die möglicherweise zur vollständigen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind, sondern kann sich auf die Unterlagen beschränken, deren der Einzelne bedarf, um „als Laie" den Grad seiner Betroffenheit abschätzen und sich das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst machen zu können. Dazu gehören Gutachten nur dann, wenn ohne deren Kenntnis der mit der Auslegung bezweckte Anstoß zur Erhebung von Einwendungen verfehlt würde.
91Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011- 9 A 8.10 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215 = juris, Rn. 19; in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2018- 9 C 1.17 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 242 = juris, Rn. 32, m. w. N.
92Für UVP-pflichtige Vorhaben - wie das streitgegenständliche - formuliert § 9 Abs. 1b Satz 1 UVPG in der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010, geändert durch Gesetz vom 30. November 2016 (im Folgenden: UVPG a. F.) weitere Voraussetzungen für die Öffentlichkeitsbeteiligung. Danach hat die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zumindest die Unterlagen nach § 6 UVPG a. F. über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (Nr. 1) sowie darüber hinaus die vorhandenen entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen betreffend das Vorhaben (Nr. 2) auszulegen.
93Auch nach § 9 Abs. 1b UVPG a. F. müssen indes nicht alle Unterlagen, die möglicherweise zur umfassenden Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind, ausgelegt werden, sondern nur solche, die - aus der Sicht der potenziell Betroffenen - notwendig sind, um den Betroffenen das Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen (Anstoßwirkung). Ob dazu Gutachten gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles.
94Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. April 2019- 4 B 54.18 -, juris, Rn. 16, m. w. N. zur st. Rspr. des BVerwG; s. auch Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 = juris, Rn. 20.
95b) Im Hinblick auf das Schutzgut „Wasser“ ist durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass Art. 4 Abs. 1 a) Ziff. i bis iii der WRRL verbindlicher Charakter zukommt mit der Folge, dass die Genehmigung eines konkreten Vorhabens zu versagen ist, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächengewässers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. seines guten ökologischen Potentials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet.
96Vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 (BUND/Bundesrepublik) -, ZUR 2015, 546 = juris, Rn. 51.
97Angesichts der zwingenden Erforderlichkeit der in Anwendung der WRRL vorzunehmenden Prüfung und in Anbetracht der Bedeutung, die dem Gewässerschutz durch diese Richtlinie beigemessen wird, müssen die in Art. 5 Abs. 3 b) und c) der UVP-RL genannten Informationen die Angaben umfassen, die erforderlich sind, um die Auswirkungen eines Projekts auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 der WRRL vorgesehenen Kriterien und Pflichten zu beurteilen. Sämtliche dementsprechend eingeholten Informationen müssen gemäß Art. 6 Abs. 3 der UVP-RL der betroffenen Öffentlichkeit zum Zweck der Anhörung innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens vor der Genehmigung eines Projekts zugänglich gemacht werden. Die Angaben, anhand derer die Auswirkungen eines Projekts auf die Gewässer beurteilt werden können, müssen dabei nicht unbedingt in einem einzigen Dokument wie einem technischen Bericht oder einer technischen Studie enthalten sein, doch muss die betroffene Öffentlichkeit die tatsächliche Möglichkeit haben, sich am Entscheidungsverfahren zu beteiligen und sich im Hinblick darauf gebührend vorzubereiten. Unvollständige Akten oder unzusammenhängend in einer Vielzahl von Dokumenten verstreute Angaben sind daher ungeeignet, der betroffenen Öffentlichkeit eine zweckdienliche Beteiligung am Entscheidungsverfahren zu ermöglichen. Folglich kommt es darauf an, dass die Öffentlichkeit anhand der ihr zugänglich gemachten Aktenstücke einen genauen Überblick über die Auswirkungen des fraglichen Projekts auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper erlangen kann, um prüfen zu können, ob die namentlich aus Art. 4 der WRRL folgenden Pflichten eingehalten werden.
98Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 -, ZUR 2020, 487 = juris, Rn. 81 bis 87.
99c) Ausgehend hiervon wäre der Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie auszulegen gewesen, um den Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung nach §§ 6, 9 Abs. 1b Satz 1 UVPG a. F. i. V. m. Art. 6 der UVP-RL und Art. 4 der WRRL gerecht werden zu können.
100Durch den wasserrechtlichen Fachbeitrag über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Bewirtschaftungszielen nach den §§ 27, 44 und 47 WHG vom 16. Januar 2017 ist erstmalig die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erforderliche Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Projekts auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 der WRRL vorgesehenen Kriterien und Pflichten unternommen worden. In dem Beitrag werden gemäß den Vorgaben der Richtlinie die vom Vorhaben betroffenen Wasserkörper näher qualifiziert sowie ihr Zustand und ökologisches Potential anhand der verschiedenen in der Richtlinie definierten Qualitätskomponenten einschließlich der Auswirkungen des Vorhabens hierauf und auf die Bewirtschaftungsziele beschrieben und bewertet. Die im Jahr 2010 ausgelegten Planunterlagen, insbesondere die Erläuterungsberichte zur entwässerungstechnischen bzw. wasserwirtschaftlichen Fachplanung (Unterlagen 13.1 und 13.16) sowie der landschaftspflegerische Begleitplan (Unterlage 12.1), haben diese Angaben dagegen nicht enthalten, wie die Planfeststellungsbehörde in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat.
101d) Ein Verstoß gegen die Vorgaben in Art. 4 der WRRL in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die zuständige Behörde daran gehindert ist, die Prüfung der Einhaltung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Pflichten, darunter die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands sowohl der Oberflächen- als auch der Grundwasserkörper, die von einem Projekt betroffen sind, erst nach der Projektgenehmigung durchzuführen,
102vgl. EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 -, ZUR 2020, 487 = juris, Rn. 90,
103liegt dagegen nicht vor. Denn diese Prüfung hat die zuständige Plangenehmigungsbehörde bereits durch den Fachbeitrag zur WRRL vom 16. Januar 2017 vorgenommen. Bei dem mit dem Deckblatt IV eingeführten Fachbeitrag vom 15. Juni 2020 handelt es sich lediglich um eine vertiefte Prüfung der bereits im früheren Fachbeitrag umfänglich bewerteten Qualitätskomponenten. Insofern kommt es auf die Frage, ob die Plangenehmigungsbehörde diesen Fachbeitrag nachträglich einführen durfte, nicht an.
1042. Auch die vom Kläger beanstandete fehlende Auslegung der neugefassten allgemein verständlichen Zusammenfassung der Umweltverträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 2014 stellt einen Verfahrensfehler dar. Die Erstellung einer solchen Zusammenfassung ist von § 6 Abs. 3 Satz 2 UVPG a. F. vorgeschrieben. Danach ist eine allgemein verständliche, nichttechnische Zusammenfassung der Angaben nach § 6 Abs. 3 Satz 1 UVPG beizufügen. Diese Unterlage hätte nach § 9 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UVPG a. F als (zwingende) Unterlage nach § 6 UVPG zur Einsicht für die Öffentlichkeit ausgelegt werden müssen.
1053. Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, das Deckblatt II mit dem neuen lufthygienischen Fachgutachten sowie das Deckblatt III mit dem aktuellen landschaftspflegerischen Begleitplan, dem aktualisierten Artenschutzfachbeitrag einschließlich der faunistischen Neukartierung und die aktualisierte Verkehrsuntersuchung mit dem Prognosehorizont 2030 seien ebenfalls nicht ausgelegt worden, folgt hieraus kein Verfahrensfehler. Insoweit musste keine (weitere) Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden.
106a) Planänderungen zwischen der Auslegung der Planunterlagen und dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erfordern nicht in jedem Fall die Wiederholung eines vorausgegangenen Anhörungsverfahrens im Sinne des § 73 VwVfG NRW a. F. Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a. F. grundsätzlich aber dann durchzuführen, wenn aus Änderungen der nach § 6 UVPG a. F. erforderlichen Unterlagen ersichtlich ist, dass im Vergleich zu den ausgelegten Planunterlagen zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Bei Planänderungen, die lediglich den Aufgabenbereich einer Behörde oder einer bekannten Umweltvereinigung oder die Belange einzelner Dritter erstmalig oder stärker als bisher berühren, genügt es gemäß § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG NRW a. F., wenn die Änderungen den Betroffenen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme mitgeteilt werden.
107Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016- 9 A 18.15 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 = juris, Rn. 25, dazu auch: BVerwG, Urteil vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 78 = juris, Rn. 28, m. w. N.
108Hinsichtlich der Beseitigung von Ermittlungsdefiziten und Änderungen namentlich der landschaftspflegerischen Begleitplanung und der ihr zugrunde liegenden habitat- und artenschutzrechtlichen Fachbeiträge ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG a. F. dann keine neue Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich, wenn sich die geänderten Unterlagen auf Detailänderungen und eine vertiefte Prüfung von Betroffenheiten beschränken, ohne das Gesamtkonzept der Planung zu ändern oder zu grundlegend anderen Beurteilungsergebnissen zu gelangen.
109Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 2016- 9 A 9.15 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 = juris, Rn. 33, und vom 18. März 2009- 9 A 39.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201 = juris, Rn. 29.
110Dagegen muss die Öffentlichkeit nach § 9 Abs. 1 UVPG a. F. erneut beteiligt werden, wenn eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens insgesamt erforderlich ist und ihren Niederschlag in einer neuen entscheidungserheblichen Unterlage über die Umweltauswirkungen des Vorhabens (§ 6 Abs. 1 Satz 1 UVPG a. F.) findet.
111Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016- 9 A 18.15 -, Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 68 = juris, Rn. 25; dazu auch BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 -, Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 14 = juris, Rn. 28.
112b) Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a. F. hinsichtlich der fraglichen Dokumente war schon deshalb nicht erforderlich, weil durch die Erstellung des Deckblatts II mit dem neuen lufthygienischen Fachgutachten sowie des Deckblatts III mit dem aktuellen landschaftspflegerischen Begleitplan, dem aktualisierten Artenschutzfachbeitrag einschließlich der faunistischen Neukartierung und der aktualisierten Verkehrsuntersuchung keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind.
113Soweit im (aktualisierten) lufthygienischen Fachgutachten vom 1. Februar 2013 erstmals der lungengängige Feinstaub (PM2,5) betrachtet wird, handelt es sich lediglich um die erstmalige fachliche Bewertung bereits vorhandener, bis dahin außer Betracht gebliebener Immissionen.
114Vgl. zur Differenzierung zwischen der Änderung des Vorhabens und der bloßen Änderung der vorgelegten Unterlagen in § 9 UVPG a. F.: Wagner, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, Kommentar, 4. Aufl. 2012, § 9, Rn. 42.
115Was die mit dem Deckblatt III ausgewiesene Anlegung bzw. Ertüchtigung von forstwirtschaftlichen Wegen betrifft, so gehen hiermit im Vergleich zu den Maßnahmen, die in den ausgelegten Planunterlagen vorgesehen sind, zwar zusätzliche Umweltauswirkungen einher. Diese sind jedoch derart marginal, dass die Schwelle von § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a. F. nicht erreicht wird. Die Ertüchtigung bezieht sich lediglich auf eine Wegstrecke von 300 m und erfolgt unter weitgehender Nutzung der vorhandenen Wegstrukturen. Die Anlegung von Wegen umfasst allein die Herstellung eines Forstwegs als Stichweg von 350 m Länge, die Herstellung eines unbefestigten Rückewegs unter weitestgehender Schonung des vorhandenen Bestands sowie den Bau von verschiedenen Rückerampen (vgl. Vorbemerkungen zum Deckblatt III, Seiten 2 und 3).
116Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch den mit diesem Deckblatt eingeführten landschaftspflegerischen Begleitplan erstmals erhebliche Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Denn darin sind (kleinräumige) Veränderungen bei den Vermeidungs-, Minimierungs- und Schutzmaßnahmen sowie den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgesehen und damit allein Maßnahmen, die derartige Auswirkungen gerade verhindern, vermeiden oder ausgleichen sollen.
117c) Es handelt sich auch bei keiner dieser Unterlagen um eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten i. S. d. § 9 Abs. 1 UVPG a. F., die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens insgesamt erforderlich ist und ihren Niederschlag in einer neuen entscheidungserheblichen Unterlage über die Umweltauswirkungen des Vorhabens findet.
118Das (aktualisierte) lufthygienische Fachgutachten stellt lediglich eine ergänzende Stellungnahme dar. Allein der Umstand, dass erstmals der lungengängige Feinstaub (PM2,5) betrachtet wird, die meteorologischen Eingangsdaten (ersichtlich) Berücksichtigung finden und die Immissionen statt an Abschnitten nunmehr an Aufpunkten in den Blick genommen werden, führt nicht dazu, dass eine über die bisherige Untersuchung wesentlich hinausgehende Prüfung vorliegt.
119Im aktualisierten landschaftspflegerischen Begleitplan aus April 2016 sind - im Vergleich zur vorhergehenden Version aus Dezember 2013, die mit dem Deckblatt I in das Verfahren eingeführt worden ist und hinsichtlich der (innerhalb der Klagefrist) keine Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung gerügt worden sind - ebenfalls keine wesentlichen Änderungen vorgenommen worden. In der Beschreibung des Bauvorhabens wird auf die Anlegung von Forst- und Wirtschaftswegen hingewiesen (Seite 4). Im Rahmen der Feststellung der Ergebnisse der Eingriffs- und Kompensationsermittlung, der Bewertung des Eingriffs und der Ermittlung der Kompensation sowie der Ermittlung der Gesamtkompensation für Beeinträchtigungen des Naturhaushalts werden die Flächenangaben, der Beeinträchtigungsfaktor und die Zahl der Werteinheiten für den Kompensationsanspruch geringfügig angepasst (Seite 41 samt Tabellen 5 und 6; Seite 45). Ebenso werden die Flächen- und Längenangaben mit Blick auf die Prüfungspunkte „1:1-Regelung“, Vermeidungs-, Minimierungs- und Schutzmaßnahmen sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (Seiten 57 bis 64 samt Tabellen 7 und 8) geringfügig geändert. Weitere Flächen- und Längenänderungen ergeben sich bei den einzelnen Maßnahmen im Maßnahmenverzeichnis. Hierbei handelt es sich um bloße Detailänderungen, die die Schwelle von § 9 Abs. 1 UVPG a. F. nicht erreichen.
120Gleiches gilt für den aktualisierten artenschutzrechtlichen Fachbeitrag aus April 2016. Die weitergehende Prüfung der Umweltbetroffenheiten - im Vergleich zur vorhergehenden Version aus Dezember 2013, die mit dem Deckblatt I in das Verfahren eingeführt worden ist - beschränkt sich im Wesentlichen auf die Darstellung der Auswirkungen, die durch den Bau bzw. die Ertüchtigung von Waldwegen auf die geschützte Spezies der Haselmaus ausgehen, und erreicht damit die Wesentlichkeitsschwelle nicht.
121Die Verkehrsprognose aus November 2014 hat lediglich den Prognosehorizont im Vergleich zur regionalen Verkehrsuntersuchung B 508/B 62, die das Jahr 2025 betrachtete, auf das Jahr 2030 erweitert, und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass „die Veränderungen zwischen 2025 und 2030 kaum spürbar sein“ werden (Seite 15).
122d) Eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung ist auch nicht gemäß § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG NRW a. F. erforderlich gewesen. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist aufgrund der nachträglich eingeführten Unterlagen nicht mit einer stärkeren oder gänzlich neuen Betroffenheit des Klägers zu rechnen. Dem Kläger sind ferner alle Änderungen mitgeteilt und ihm ist die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden. Abgesehen davon beschränken sich die geänderten Unterlagen - wie oben dargelegt - auf Detailänderungen und eine vertiefte Prüfung von Betroffenheiten, ohne das Gesamtkonzept der Planung zu ändern oder zu grundlegend anderen Beurteilungsergebnissen zu gelangen.
123e) Soweit der Kläger darüber hinaus meint, die Erforderlichkeit einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung folge im Fall des (aktualisierten) lufthygienischen Fachgutachtens vom 1. Februar 2013 bereits aus dem Umstand, dass nur dadurch hätte auffallen können, dass dem Gutachten nicht das HBEFA 3.3 zugrunde gelegen habe, übersieht er, dass eine (weitere) Öffentlichkeitsbeteiligung anlässlich der Erstellung von neuen Gutachten nach Auslegung der Unterlagen nur aus den oben genannten Gründen erforderlich ist. Ob die neuen Gutachten ihrerseits nach aktuellen wissenschaftlichen Standards erstellt worden sind, ist für die Frage einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung ohne Belang. Die Ansicht des Klägers führte vielmehr dazu, dass jedes neue Gutachten allein deshalb ausgelegt werden müsste, um der Öffentlichkeit die Gelegenheit zu geben, zu überprüfen, ob diesem (möglicherweise) Mängel anhaften. Entsprechendes lässt sich auch den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Hinblick auf einen (nicht ausgelegten) wasserrechtlichen Fachbeitrag,
124Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 -, ZUR 2020, 487 = juris, Rn. 83 bis 90,
125nicht entnehmen. Der Europäische Gerichtshof beschäftigt sich in dem Urteil nicht mit der Frage, in welchen Fällen geänderte Planunterlagen auszulegen sind, sondern nur damit, welche Informationen der Öffentlichkeit nach den Maßgaben von Art. 4 der WRRL sowie Art. 6 der UVP-RL - vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses - zur Verfügung gestellt werden müssen.
1264. Soweit der Kläger ferner einwendet, hinsichtlich der faunistischen Neukartierung von Meinig aus dem Jahr 2013, auf die der aktualisierte artenschutzrechtliche Fachbeitrag aus April 2016, der im Rahmen des Deckblatts III in das Verfahren eingeführt worden ist, Bezug nimmt, hätte eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden müssen, dringt er damit ebenfalls nicht durch.
127Die Beantwortung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Unterlagen auszulegen sind, auf die in ausgelegten Unterlagen Bezug genommen wird, hängt davon ab, ob und inwieweit die tatsächlich ausgelegten Unterlagen eine Anstoßwirkung vermitteln konnten. Die Auslegung weiterer Unterlagen ist dann nicht geschuldet, wenn die tatsächlich ausgelegten Unterlagen diese Anstoßfunktion erfüllen können.
128Vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 = juris, Rn. 20 f.; ebenso mit Blick auf § 6 UVPG a. F.: Hagmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 19 UVPG, Rn. 29.
129Regelmäßig nicht ausgelegt werden müssen Unterlagen über durchgeführte floristische oder faunistische Begehungen oder Erhebungen (Kartierungen), wenn sich die wesentlichen Ergebnisse der Begehungen bzw. Erhebungen aus den ausgelegten Unterlagen ableiten lassen. Dies gilt in jedem Fall für die erstellten Rohdaten (Kartierungsbögen), aber auch für Unterlagen, in denen die Ergebnisse der Kartierungen zusammengetragen werden.
130Vgl. in diesem Zusammenhang: Hagmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, Kom-mentar, 5. Aufl. 2018, § 19 UVPG Rn. 30.
131Aus dem Vorstehenden folgt ferner, dass ein Dokument, auf das Bezug genommen wird, nicht ausgelegt werden muss, wenn schon hinsichtlich des Dokuments, das Bezug nimmt, eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich ist.
132Auf die faunistischen Neukartierung von Meinig aus dem Jahr 2013 wird erstmals im aktualisierten artenschutzrechtlichen Fachbeitrag aus Dezember 2013 (Unterlage 12.4.1-I, Seite 6) und im aktualisierten landschaftspflegerischen Begleitplan aus Dezember 2013 (Unterlage 12-I, Seite 16) - beide jeweils im Rahmen des Deckblatts I in das Verfahren eingebracht - Bezug genommen; im Deckblattverfahren III ist die faunistische Kartierung unverändert geblieben. Ob es genügt, dass hinsichtlich des Deckblatts I keine weitere vollumfängliche Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat, sondern das Deckblatt allein Trägern öffentlicher Belange und privaten Betroffenen zur Kenntnis übersandt worden ist, kann dahinstehen, da der Kläger insoweit keine (rechtzeitigen) Rügen erhoben hat. Damit ist jedoch auch die Rüge des Klägers hinsichtlich der gänzlich fehlenden Auslegung der faunistischen Neukartierung von Meinig aus dem Jahr 2013 ausgeschlossen. Denn nach den oben dargestellten Maßstäben kann die Frage, ob diese fachliche Stellungnahme hätte ausgelegt werden müssen, nur dann beantwortet werden, wenn zuvor geprüft würde, ob die beiden fachlichen Stellungnahmen, die darauf Bezug nehmen, hätten ausgelegt werden müssen. Diese Prüfung ist dem Senat indes aufgrund der Beschränkung des Prüfprogramms auf den Vortrag des Klägers verwehrt.
133II. Die unter B. I. 1. und 2. aufgezeigten Verfahrensfehler führen nach § 46 VwVfG NRW a. F. i. V. m. § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG indes nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Denn sie haben nach der Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst.
1341. Mit § 4 Abs. 1a UmwRG hat der Gesetzgeber dreierlei geregelt: Zum Ersten hat er klargestellt, dass § 46 VwVfG für nicht unter § 4 Abs. 1 UmwRG fallende ‑ relative - Verfahrensfehler weiterhin maßgeblich ist mit der Folge, dass eine Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen dieses Fehlers beansprucht werden kann, wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zum Zweiten hat er die nach § 86 VwGO insoweit bestehende Pflicht des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen hervorgehoben. Zum Dritten hat er die Folgen eines non liquet dahingehend geregelt, dass die Kausalität des Verfahrensfehlers vermutet wird (s. auch § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG). Sieht sich das Gericht auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel zu der Feststellung in der Lage, dass die angegriffene Entscheidung ohne den vom Rechtsbehelfsführer geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre, führt der Fehler gemäß § 46 VwVfG weder zur Aufhebung noch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Verwaltungsakts.
135Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 -, juris, Rn. 23 f.
1362. Hiermit ist den europarechtlichen Anforderungen an die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung Rechnung getragen.
137Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 -, juris, Rn. 24; OVG NRW, Urteile vom 20. Dezember 2018 - 8 A 2971/17 -, BauR 2019, 1598 (1607) = juris, Rn. 134 ff., und vom 11. September 2018 - 20 D 79/17.AK -, ZUR 2019, 164 (165) = juris, Rn. 75, m. w. N., insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
138Angesichts dessen, dass Art. 11 der UVP-RL den Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Spielraum hinsichtlich der Bestimmung dessen lässt, was eine Rechtsverletzung im Sinne von Abs. 1 b) der Vorschrift darstellt, darf nach dem nationalen Recht die Anerkennung einer solchen Rechtsverletzung unterbleiben, wenn nach den Umständen des konkreten Falls nachweislich die Möglichkeit besteht, dass die angefochtene Entscheidung ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre.
139Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - C-535/18 -, ZUR 2020, 487 = juris, Rn. 59 f., unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 7. November 2013 - u. a., C-72/12 (Gemeinde Altrip) -, ZUR 2014, 36 = juris, Rn. 50 f.
1403. Nach diesen Maßstäben kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Verfahrensfehler berufen.
141a) Bei den aufgezeigten Verfahrensfehlern handelt es sich (nur) um relative Verfahrensfehler i. S. v. § 4 Abs. 1a UmwRG, bei denen nach den vorgenannten Kriterien eine Kausalitätsbetrachtung anzustellen ist.
142Die unterbliebene Auslegung des wasserrechtlichen Fachbeitrags sowie der allgemein verständlichen Zusammenfassung der Umweltverträglichkeitsprüfung fallen weder unter die in § 4 Abs. 1 UmwRG normierten absoluten Verfahrensfehler noch sind diese Fehler nach Art und Schwere mit den in § 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG genannten Fällen vergleichbar (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG).
143Vgl. zu Bekanntmachungsfehlern im Zusammenhang mit der Auslegung eines wasserrechtlichen Fachbeitrags: BVerwG, Urteil vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 -, juris, Rn. 25; s. auch Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 = juris, Rn. 36 f.
144b) Es steht zur Überzeugung des Senats fest (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die Fehler in der Öffentlichkeitsbeteiligung die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst haben.
145Es hat eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Auslegung wesentlicher Unterlagen - insbesondere zu den umweltbezogenen Unterlagen - stattgefunden, deren Defizit darin bestand, dass zwei weitere, erst nach Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung entstandene Unterlagen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, obwohl hierzu unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bzw. der Vorgaben des UVPG mit Blick auf die Erheblichkeit der Unterlagen Anlass bestanden hat. Die Verfahrensfehler haben sich im Ergebnis auf die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde aber offensichtlich nicht ausgewirkt.
146aa) Auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen steht für den Senat fest, dass die (rechtzeitige) Auslegung des wasserrechtlichen Fachbeitrags vom 16. Januar 2017 keinen Einfluss auf die Planung gehabt hätte.
147(1) Nachdem die technischen Komponenten der künftigen Entwässerung des Projekts bereits abschließend in den ausgelegten wassertechnischen Unterlagen erläutert waren und sich aus den Erläuterungsberichten sowie den zugehörigen Plänen die Art der Entwässerung (Versickerung bzw. Ab-/Einleitung über Regenrückhaltebecken), die Standorte der Entwässerungsvorrichtungen, die Beschreibung der Behandlungs-/Rückhaltemaßnahmen vor Einleitung in Gewässer und hydraulische Berechnungen zur Dimensionierung der Entwässerungsvorrichtungen ergaben, waren in jenem Verfahrensstadium zwar die wasserkörperbezogenen Auswirkungen des Vorhabens unerörtert geblieben. In dem hierzu nachträglich erstellten Fachbeitrag ist aber im Einzelnen dargelegt, dass und aus welchen Gründen das Vorhaben weder Auswirkungen auf die relevanten Qualitätskomponenten der Oberflächen- noch auf die der Grundwasserkörper noch auf die Durchführbarkeit der diese Wasserkörper betreffenden Bewirtschaftungspläne hat. Insoweit ergeben sich zur Überzeugung des Senats keine Anknüpfungspunkte für hypothetische Einwendungen, welche sich - eine rechtzeitige Erstellung und Auslegung des Fachbeitrags unterstellt - auf die geplante Ausführung der Trasse und der für sie notwendigen Entwässerungseinrichtungen hätten auswirken können.
148(2) Gleiches gilt auch mit Blick auf den landschaftspflegerischen Begleitplan, soweit in diesem Maßnahmen bezogen auf das Schutzgut Wasser vorgeschrieben werden. Da der wasserrechtliche Fachbeitrag zu dem Ergebnis kommt, dass durch das Projekt die Ziele und Vorgaben in Art. 4 der WRRL nicht tangiert werden, hält es der Senat auch in dieser Hinsicht für ausgeschlossen, dass sich ohne den Verfahrensfehler eine insoweit andere Planung hätte ergeben können.
149(3) Darüber hinaus ist im Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich festgestellt, dass sich infolge des wasserrechtlichen Fachbeitrags, in dem die Auswirkungen unter der Vorgabe der WRRL wasserkörperbezogen vertieft bewertet und geprüft worden seien, weder neue Auswirkungen noch Planänderungen ergeben hätten (vgl. PFB, Seite 86).
150bb) Gleiches gilt für die fehlende Auslegung der allgemein verständlichen Zusammenfassung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die wesentlichen Informationen zu den konkreten Auswirkungen des Vorhabens auf Umweltbelange sind bereits im ausgelegten Erläuterungsbericht (Unterlage 1) sowie insbesondere im landschaftspflegerischen Begleitplan enthalten gewesen. Die nachträglich erstellte allgemein verständliche Zusammenfassung zeigt keine weitergehenden Umweltbetroffenheiten auf und hat zu keinerlei Änderung der konkreten Planung geführt; es handelt sich - wie der Name bereits sagt - lediglich um eine Zusammenfassung bereits geprüfter und abgewogener Umweltbelange.
1514. Auf die - vom Kläger sinngemäß aufgeworfene - Frage einer subjektiven Rechtsverletzung nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG kommt es nicht an, weil die Vorschrift auf die aufgezeigten relativen Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a UmwRG nicht anwendbar ist.
152Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30. November 2020 - 9 A 5.20 -, juris.
153C. Die Rügen des Klägers gegen die materielle Rechtsmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses greifen - mit einer die Flächeninanspruchnahme für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen betreffenden Ausnahme - nicht durch.
154I. Sollten die Einwendungen des Klägers, es fehle eine Verkehrsprognose, die isoliert die Verkehrszahlen für das planfestgestellte Vorhaben prognostiziere, darüber hinaus habe der Beklagte für den „Prognosefall 1“ in unzulässiger Weise den Ausbau weiterer Streckenabschnitte der B 508 berücksichtigt, dahingehend verstanden werden, dass er sich gegen die Planrechtfertigung wendet, dringt er damit nicht durch. Denn die Planrechtfertigung für den Neubau der B 508n als (Teil-)Ortsumgehung Kreuztal ist gegeben. Diese folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Der Neubau der B 508n ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen - Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016, als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthalten.
155Das Vorhaben ist damit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG gemessen an der Zielsetzung des § 1 Abs. 1 FStrG vernünftigerweise geboten. Die gesetzliche Feststellung, dass ein verkehrlicher Bedarf besteht, ist sowohl für die Planfeststellung als auch das gerichtliche Verfahren verbindlich. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit seiner Bedarfsfeststellung für den Bau der (Teil‑)Ortsumgehung Kreuztal die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, sind nicht gegeben. Davon ist nur auszugehen, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, wenn es also für das Vorhaben offenkundig keinerlei Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte.
156Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 = juris, Rn. 38, und vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 = juris, Rn. 43, jeweils m. w. N.
157Solche Gründe sind vom Kläger weder substantiiert dargetan worden noch ersichtlich.
158II. Der Planfeststellungsbeschluss weist ferner - mit Ausnahme der festgesetzten CEF-Maßnahmen für den Neuntöter - keine durchgreifenden Mängel der artenschutzrechtlichen Prüfung auf.
159Die Regelungen der Planfeststellung sind hinsichtlich des Artenschutzes an den Verbotstatbeständen der §§ 44 ff. BNatSchG in der aktuellen Fassung vom 15. September 2017 zu messen. Nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten:
1601. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
1612. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert und
1623. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.
163Gemäß § 44 Abs. 5 BNatSchG gelten für nach § 15 BNatSchG unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 (Satz 1). Sind in Anhang IV a) der Richtlinie 92/43/EWG (im Folgenden: FFH-RL) aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG aufgeführt sind, liegt entsprechend Satz 2 der Vorschrift ein Verstoß gegen
1641. das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
1652. das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind und
1663. das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
167Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden (Satz 3).
168Da die Bestandserfassung und die daran anschließende Beurteilung, ob und inwieweit naturschutzrechtlich relevante Betroffenheiten vorliegen, auf ökologische Bewertungen angewiesen sind, für die normkonkretisierende Maßstäbe und verbreitet auch gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Standards fehlen, steht der Planfeststellungsbehörde insoweit eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die in diesem Rahmen getroffenen, auf fachgutachtliche Stellungnahmen gestützten Annahmen der Planfeststellungsbehörde unterliegen gerichtlicher Prüfung nur dahin, ob sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.
169Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. November 2016 ‑ 9 A 18.15 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 = juris, Rn. 73, und vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 = juris, Rn. 38.
1701. Die Bestandsaufnahme, die der Planfeststellung zur Prüfung der Frage zu Grunde liegt, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind, ist nach Methodik und Umfang nicht zu beanstanden.
171a) Die Prüfung, ob ein Vorhaben gegen artenschutzrechtliche Verbote verstößt, setzt eine ausreichende Bestandsaufnahme der im Trassenbereich vorhandenen Arten, die in den Anwendungsbereich der Verbote fallen, und ihrer Lebensräume voraus. Das verpflichtet die Behörde nicht, ein lückenloses Arteninventar zu fertigen. Welche Anforderungen an Art, Umfang und Tiefe der Untersuchungen zu stellen sind, hängt vielmehr von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall sowie von Art und Ausgestaltung des Vorhabens ab. Erforderlich, aber auch ausreichend ist - auch nach den Vorgaben des europäischen Unionsrechts - eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung.
172Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. März 2017 - 11 D 70/09.AK -, juris, Rn. 411.
173Die notwendige Bestandsaufnahme speist sich regelmäßig aus zwei wesentlichen Quellen, nämlich der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und einer Bestandserfassung vor Ort, deren Methodik und Intensität von den konkreten Verhältnissen im Einzelfall abhängt. Erst durch eine aus beiden Quellen gewonnene Gesamtschau kann sich die Planfeststellungsbehörde regelmäßig die erforderliche hinreichende Erkenntnisgrundlage verschaffen. Lassen allgemeine Erkenntnisse zu artspezifischen Verhaltensweisen, Habitatansprüchen und dafür erforderlichen Vegetationsstrukturen sichere Rückschlüsse auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Arten zu, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Planfeststellungsbehörde daraus entsprechende Schlussfolgerungen zieht. Diese bedürfen ebenso wie sonstige Analogieschlüsse der plausiblen, naturschutzfachlich begründeten Darlegung. Ebenso ist es zulässig, mit Wahrscheinlichkeiten der Prognose, Schätzungen und, sofern der Sachverhalt dadurch angemessen erfasst werden kann, mit Worst-Case-Betrachtungen zu arbeiten.
174Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 = juris, Rn. 38, m. w. N.
175Die der angegriffenen Planungsentscheidung zu Grunde liegende Bestandsaufnahme genügt diesen Maßstäben. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt der Planfeststellung eine hinreichend aussagekräftige Bestandserfassung zu Grunde, insbesondere auch aussagekräftiges Kartierungsmaterial (vgl. Unterlage 12.4.2-I, Bestandskartierung zum Vorkommen planungsrelevanter Arten), die eine Beurteilung zuließ, ob gegen die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstoßen wird. Die Feststellungen im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag beruhten u. a. auf mehreren dokumentierten flächendeckenden Begehungen des vom Vorhabenträger beauftragten Sachverständigen Herrn N3. zu verschiedenen Tag- und Nachtzeiten und seinen anschließenden systematischen Kartierungen (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 6 ff. - Inhalte und Methoden systematischer Kartierungen).
176Dass die „Rohdaten“ in Form der faunistischen Kartierungen von Herrn N3. nicht ausdrücklich - etwa als Anlage - in den Fachbeitrag aufgenommen und ausgelegt worden sind, ist bereits aus den unter B. I. 4 genannten Gründen betreffend die Frage der Notwendigkeit einer Öffentlichkeitsbeteiligung unschädlich. Eine faunistische Bestandsaufnahme ist darüber hinaus - wie hier - in aller Regel das Ergebnis vorbereitender tatsächlicher Arbeiten, etwa in der Form eigener Erhebungen vor Ort, der Einholung von Auskünften sachkundiger Stellen bzw. der Zusammenstellung bereits vorhandener Erkenntnisse. Dies zeigt sich im vorliegenden Fall, bei dem in die Bestandsaufnahme die im Jahr 2013 aktualisierten Daten eingeflossen sind, welche der vom Vorhabenträger beauftragte Gutachter erhoben hat, und zu deren Erstellung auch Erkenntnisse u. a. des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LANUV), der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein, der biologischen Station Siegen-Wittgenstein sowie Angaben ehrenamtlicher Tierschützer herangezogen worden sind. Die Erkenntnisse sind sodann weiterentwickelt worden und in den aktualisierten Fachbeitrag aus dem Jahr 2016 eingeflossen (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 6 ff.). Die methodischen Angaben zur Bestandserfassung genügen, um eine sachgerechte Bearbeitung zu dokumentieren. Es ist nicht erforderlich, etwaige (noch vorhandene) „Rohdaten“ offenzulegen. Denn die Auswertung der Rohdaten obliegt dem Fachgutachter, die er dann in seinem Gutachten in aufgearbeiteter Form vorlegt.
177Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 29. März 2017 - 11 D 70/09.AK -, juris, Rn. 458; Nds. OVG, Urteil vom 22. April 2016 - 7 KS 27/15 -, juris, Rn. 298 und 302.
178b) Auch der weitere Vortrag des Klägers zu den nicht planungsrelevanten Vogelarten vermag die Validität der Bestandsaufnahme nicht zu erschüttern.
179Der Begriff der „planungsrelevanten Arten“ ist in Nordrhein-Westfalen durch die VV Artenschutz vom 13. April 2010 i. d. F. der 1. Änderung vom 15. September 2010 (im Folgenden: VV Artenschutz 2010) für planungsrechtliche Verfahren vorgegeben. Diese im Zeitpunkt der Erstellung des artenschutzfachlichen Beitrags im April 2016 noch gültige und behördenverbindliche Verwaltungsvorschrift, die allerdings keine Bindung des Gerichts begründen kann, ist zwischenzeitlich durch die VV Artenschutz in der Fassung vom 6. Juni 2016 (im Folgenden: VV Artenschutz 2016) ersetzt worden. Die zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses geltende VV Artenschutz 2016 betrifft allerdings nur die Änderung von Formalien und enthält insbesondere zu den auch weiterhin in den Blick genommenen planungsrelevanten Arten keine grundlegende Überarbeitung oder Fortschreibung.
180Nach der VV Artenschutz sind planungsrelevante Arten eine naturschutzfachlich begründete Auswahl derjenigen geschützten Arten, die bei einer Artenschutzprüfung im Sinne einer Art-für-Art-Betrachtung einzeln zu bearbeiten sind (Seite 19). Bei den nicht planungsrelevanten Arten kann im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass nicht gegen die Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstoßen wird. Zu den nicht planungsrelevanten Arten zählen entweder unstete Vorkommen, wie in Nordrhein-Westfalen ausgestorbene Arten, Irrgäste sowie sporadische Zuwanderer oder Allerweltsarten mit einem landesweit günstigen Erhaltungszustand und einer großen Anpassungsfähigkeit. Die nicht planungsrelevanten Arten sind nach der VV Artenschutz im Rahmen des Planungs- oder Zulassungsverfahrens aber durchaus zu berücksichtigen. Das Nichtvorliegen der Verbotstatbestände ist für diese Arten in geeigneter Weise zu dokumentieren; im Ausnahmefall sind die Verbotstatbestände auch bei diesen Arten zu prüfen, etwa bei Arten, die gemäß der Roten Liste im entsprechenden Naturraum bedroht sind, oder bei bedeutenden lokalen Populationen mit nennenswerten Beständen im Bereich des Plans bzw. Vorhabens.
181Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 -, Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG 2010 Nr. 4 = juris, Rn. 26, und vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 -, NuR 2014, 361 (364) = juris, Rn. 20.
182Im vorliegenden Verfahren wurden bei der Bestandsaufnahme die nicht planungsrelevanten Arten zwar in der Karte zur artenschutzrechtlichen Untersuchung 2013 (Unterlage 12.4.2-I) nicht gesondert mit ihren Revieren markiert. Der vorgenannte Fachbeitrag enthält aber eine Gesamtliste der im Untersuchungsgebiet vorhandenen Arten (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Tabelle 3, Seiten 13 ff.), welche auch die nicht planungsrelevanten Arten erfasst. Darüber hinaus sind bei der Überprüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände die vorkommenden nicht planungsrelevanten Vogelarten, d. h. die Allerweltsarten oder ubiquitären Arten, unter dem Punkt „Prüfung allgemein verbreiteter Brutvogelarten“ noch einmal im Einzelnen namentlich aufgeführt worden (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seite 45). Daraus ergibt sich, dass der Beklagte die nicht planungsrelevanten Arten entgegen den Behauptungen des Klägers hinreichend berücksichtigt und das Nichtvorliegen der Verbotstatbestände auch in Bezug auf diese Arten in geeigneter Weise dokumentiert hat.
183Bei der Unterscheidung zwischen den in diesem Sinne generell planungsrelevanten und den sonstigen Arten handelt es sich im Übrigen um eine naturschutzfachliche Bewertungsfrage, bei welcher dem Beklagten ein Beurteilungsspielraum zusteht, der nur begrenzt gerichtlich überprüfbar ist. Das zeigt sich auch daran, dass das LANUV die für Nordrhein-Westfalen planungsrelevanten Arten nach einheitlichen naturschutzfachlichen Kriterien bestimmt (vgl. VV Artenschutz, Seite 19). Nach solchen Kriterien richtet sich auch, ob und inwieweit auf eine raumbezogene Bestandsaufnahme und eine raumbezogene Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbote für die nicht generell planungsrelevanten Brutvogelarten verzichtet werden darf und die raumbezogene Prüfung etwa durch eine Gildenbildung ersetzt werden kann.
184Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 -, Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG 2010 Nr. 4 = juris, Rn. 25, 27.
185Soweit der Kläger dagegen einwendet, eine Liste nicht planungsrelevanter Arten, bei denen auf eine Pauschalprüfung ausgewichen werden dürfe, könne nur aus den naturschutzfachlichen Erkenntnissen über die Schlaggefährdung der jeweiligen Art durch Kraftfahrzeuge entwickelt werden, während allein mit dem Kriterium der Häufigkeit der Art eine den gesetzlichen Vorgaben genügende Differenzierung nicht gelinge, dringt er damit nicht durch. Mit diesem Vorbringen setzt er lediglich seine Wertung hinsichtlich der bei der Unterscheidung von planungsrelevanten und sonstigen Arten zugrunde zu legenden Kriterien an die Stelle derjenigen des Beklagten. Dabei übergeht er, dass die in der Verwaltungsvorschrift vorgenommene Unterscheidung nicht allein auf die Seltenheit, sondern auch auf die Anpassungsfähigkeit einer Art abstellt.
186Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 -, Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG 2010 Nr. 4 = juris, Rn. 28.
1872. Dem planfestgestellten Vorhaben stehen die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG - mit Ausnahme des Zerstörungsverbots im Hinblick auf die Vogelart Neuntöter - nicht entgegen. Soweit erforderlich wurden die notwendigen Regelungen getroffen bzw. (vorsorgliche) Ausnahmen erteilt.
188a) Eine Verwirklichung der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG durch bau- oder betriebsbedingte Gefährdungen besonders geschützter (europäischer) Vogelarten nach § 7 Abs. 2 Nr. 12 und Nr. 13 b) bb) BNatSchG und Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG (im Folgenden: Vogelschutzrichtlinie - VRL) ist im Grundsatz nicht zu gewärtigen. Nur bezüglich einzelner Vogelarten mag ein artenspezifisch erhöhtes Kollisionsrisiko bestehen bzw. im Einzelfall ein Habitatverlust zu befürchten sein. Diesen Gefahren kann nach der naturschutzfachlichen Einschätzung der Plangenehmigungsbehörde allerdings durch (vorgezogene) Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen dahingehend begegnet werden, dass die Verbotstatbestände nicht eintreten.
189aa) Eine Verwirklichung des Tötungsverbots aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist bei einer Realisierung des Vorhabens für keine Art zu bejahen.
190(1) Eine Verwirklichung des Tötungsverbots während der Bauzeit ist nach den planfestgestellten Regelungen nicht zu befürchten.
191Hierbei kommt es nicht auf die genaue Anzahl der Reviere von Brutvogelarten an. Da sich der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auf das Individuum bezieht, ist vielmehr entscheidend, ob einzelne Vögel - seien es Altvögel, Eier oder geschlüpfte Jungvögel - einem signifikant erhöhten Risiko der Tötung ausgesetzt sind.
192Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6 = juris, Rn. 91, und vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 = juris, Rn. 225.
193Diese vom Bundesverwaltungsgericht maßgeblich für das betriebsbedingte Kollisionsrisiko entwickelte Rechtsprechung hat auch für das baubedingte Risiko zu gelten, weil es in dem einen wie in dem anderen Fall um die Abwendung solcher Gefahren geht, die über sozialadäquate Risiken hinausgehen.
194Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. März 2017 - 11 D 70/09.AK -, juris, Rn. 665.
195Insoweit ist bereits auch bei der Prüfung, ob der Bau einer Straße zur Verwirklichung des Tötungsverbots führen kann, zu berücksichtigen, ob sich besondere Risiken durch die konkrete Ausgestaltung des Vorhabens einschließlich der geplanten Vermeidungs- oder Minderungsmaßnahmen beherrschen lassen.
196Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201 = juris, Rn. 58, 62.
197Dies ist hier nach den planfestgestellten Unterlagen und den nicht zu beanstandenden Einschätzungen der Gutachter des Vorhabenträgers der Fall. Zur Vermeidung von baubedingten Vogeltötungen infolge einer Zerstörung von Nestern und Eiern erfolgt die Baufeldräumung außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten - 1. März bis 30. September - (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seite 45; PFB, Auflage 5.5). Eine solche Vermeidungsmaßnahme ist hinsichtlich ihrer Wirksamkeit allgemein anerkannt.
198Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. März 2017 - 11 D 70/09.AK -, juris, Rn. 669; Runge u. a., Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben, 2010, S. 21.
199Die vom Kläger im Zusammenhang mit dem Tötungsverbot kritisierte Differenzierung zwischen planungsrelevanten und nicht planungsrelevanten Arten nach der VV Artenschutz spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Eine solche Unterscheidung wurde in Bezug auf die Vermeidung von Individuenverlusten durch den Bau der B 508n nicht vorgenommen. Die vorstehend thematisierte Vermeidungsmaßnahme wurde zum Schutz aller Vogelarten vorgesehen, nicht nur in Bezug auf einzelne Arten.
200Im Übrigen hat die Plangenehmigungsbehörde rein vorsorglich nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG hinsichtlich des Waldkauzes sowie des Baumfalken eine Ausnahme vom Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt, sollte es entgegen den festgesetzten Vermeidungsmaßnahmen doch zu baubedingten Individuenverlusten in Folge der Baufeldfreimachung kommen (vgl. PFB, Seiten 13, 116 ff.).
201(2) Einen Verstoß der Planfeststellung gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch betriebsbedingte Individuenverluste kann der Senat ebenfalls nicht erkennen.
202Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Tatbestand des Tötungsverbots mit Blick auf die bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit Kraftfahrzeugen erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden können, in die Betrachtung einzubeziehen. Der Tatbestand ist nur erfüllt, wenn das Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren einen Risikobereich übersteigt, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist. Dies folgt aus der Überlegung, dass es sich bei den Lebensräumen der gefährdeten Tierarten nicht um „unberührte Natur“ handelt, sondern um von Menschenhand gestaltete Naturräume, die aufgrund ihrer Nutzung durch den Menschen ein spezifisches Grundrisiko bergen, das nicht nur mit dem Bau neuer Verkehrswege, sondern z. B. auch mit dem Bau von Windkraftanlagen, Windparks und Hochspannungsleitungen verbunden ist. Es ist daher bei der Frage, ob sich für das einzelne Individuum das Risiko signifikant erhöht, Opfer einer Kollision durch einen neuen Verkehrsweg zu werden, nicht außer Acht zu lassen, dass Verkehrswege zur Ausstattung des natürlichen Lebensraums der Tiere gehören und daher besondere Umstände hinzutreten müssen, damit von einer signifikanten Gefährdung durch einen neu hinzukommenden Verkehrsweg gesprochen werden kann. Ein Nullrisiko ist daher nicht zu fordern, weswegen die Forderung, die planfestgestellten Schutzmaßnahmen müssten für sich genommen mit nahezu 100 %-iger Sicherheit Kollisionen vermeiden, zu weit-gehend ist.
203Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 = juris, Rn. 141, m. w. N.
204So liegt der Fall hier. Das von der B 508n durchquerte Waldgebiet ist kein völlig unberührter Naturraum. Das Gebiet wird nordöstlich durch die vorhandene B 508, eine Bahnlinie und die Bebauung im Ortsteil G. begrenzt. Im Westen schließen sich die B 54, eine Bahnlinie nebst Rangiergleisen und die Bebauung im Ortsteil C. an. Das Waldgebiet wird ferner am südwestlichen Ende des Plangebiets von der Straße Zum I1. - über die auch die Reitanlage des Klägers erschlossen ist - und der N4.---------straße - die als Zubringer zum Freibad C. dient - sowie von zahlreichen vorhandenen Forst- und Wirtschaftswegen durchschnitten, auf denen regelmäßig Kraft- bzw. Nutzfahrzeuge verkehren.
205Besondere Umstände, die eine signifikante Erhöhung der Gefahrenlage für Vogelarten durch die neu hinzukommende B 508n bedeuten könnten, sind nicht zu erkennen. Das Plangebiet ist kein Bereich besonderer Vogelzugrouten. Zwar sind im Bereich der neu anzulegenden Trasse der B 508n Vogelreviere vorhanden. Die vom Kläger befürchteten Flüge „kreuz und quer“ sind allerdings nach den Feststellungen der Gutachter des Vorhabenträgers im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag aufgrund der Lage der festgestellten Reviere, vorhandener Ausweichmöglichkeiten mit teils noch besserer Habitateignung sowie der topografischen Verhältnisse im Streckenbereich in dem von ihm vorgetragenen Ausmaß unwahrscheinlich (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 45 ff.).
206Im Übrigen begründet der Planfeststellungsbeschluss überzeugend, dass im Hinblick auf die nachgewiesenen besonders kollisionsgefährdeten Arten durch die in der landschaftsplanerischen Begleitplanung vorgesehenen Maßnahmen sichergestellt werde, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch betriebsbedingte Kollisionen ausgeschlossen sei (Seite 111). Dazu gehören neben der Ausgestaltung des Bauwerks Nr. 4 (Talbrücke) als Querungshilfe für Tiere nebst Anlage durchgehender Gehölzstrukturen als entsprechende Leitstrukturen und 2 m hohen Irritationsschutzwänden (Maßnahme VCEF3, Unterlage 12-III, Seite 73) die Waldunterpflanzung bzw. der Waldrandaufbau (Maßnahme S 2, Unterlage 12-III, Seite 77) sowie die Anpflanzung von Wald und Gehölzstrukturen im Trassennahbereich (Maßnahmen A 1 und G 2.1, Unterlage 12-III, Seiten 79, 96).
207bb) Ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist ebenfalls nicht gegeben.
208Die auf der naturfachlichen Einschätzung der vom Vorhabenträger beauftragten Fachgutachter beruhende Bewertung der Planfeststellungsbehörde, projektbedingte Störungen der Vogelwelt im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG seien nicht zu erwarten, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
209Relevante Störungen können vor allem durch bau- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der geschützten Tierarten in Gestalt von akustischen und optischen Störwirkungen erfüllt werden. Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag aus April 2016 hat unter Differenzierung zwischen ubiquitären Vögeln und planungsrelevanten Arten den Störungstatbestand eingehend untersucht und hinsichtlich einzelner Vogelarten vertiefend geprüft (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 45 ff.). Eine Überschreitung der tatbestandlichen Erheblichkeitsschwelle einer Störung des Erhaltungszustands der lokalen Population wurde aber bei keiner Art gesehen. Diese Bewertung ist plausibel, weil entweder Brutstätten im Wirkungsraum fehlen oder bau- und betriebsbedingte Störungen nur einen - zum Teil geringen - Bereich des Jagd- bzw. Nahrungsreviers einzelner Vogelarten betreffen oder einzelne Arten ein ohnehin unstetes Raumverhalten und eine hohe Mobilität aufweisen.
210Das Störpotential des Straßenverkehrslärms ergibt sich aus der Empfindlichkeit der einzelnen Brutvogelarten für diesen Wirkfaktor. Zahlreiche Vogelarten kommen bis zu einer bestimmten Entfernung von der Straße in geringerer Anzahl vor als in trassenferneren Bereichen. Nach der einschlägigen Fachkonvention führt bei Straßen der Verkehrslärm zu einer unterschiedlichen Abnahme der Habitateignung bei Vögeln je nachdem, zu welcher Gruppe die Vogelart gehört. Für manche Vögel ist der Straßenlärm am Brutplatz sogar unbedeutend. Entscheidend ist in aller Regel die Effektdistanz, d. h. die maximale Reichweite des erkennbar negativen Einflusses von Straßen auf die räumliche Verteilung einer Vogelart.
211Vgl. Garniel/Mierwald, Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr, 2010, S. 4 bis 6.
212Vor diesem Hintergrund vermag der Kläger mit seinem Einwand, es müsse stets ein Lärmband beidseitig der Trasse von 500 m betrachtet werden, nicht durchzudringen. Er übersieht, dass die unterschiedlichen Arten je nach ihrer jeweiligen Lärmempfindlichkeit stark abweichende Effektdistanzen aufweisen.
213Vögel der Gruppen 1 (Arten mit hoher Lärmempfindlichkeit) und 3 (Arten mit lärmbedingt erhöhter Gefährdung durch Prädation) sind im Untersuchungsgebiet nicht angetroffen worden. Ein aktueller Reviernachweis für das Haselhuhn konnte trotz spezieller Untersuchungen nicht erbracht werden (vgl. PFB, Seite 119; Unterlage 12.4.1-III, Seiten 7, 53; Unterlage 35 - Gutachten zur Erfassung des Haselhuhns).
214Zur Gruppe 2 der Vogelarten mit mittlerer Lärmempfindlichkeit gehören die im Plangebiet festgestellten Arten Buntspecht, Grauspecht, Hohltaube, Schwarzspecht, Waldkauz und Waldschnepfe. Die Effektdistanzen liegen bei 300 m, 400 m und 500 m. Insoweit ist aber die Reduktion der Vogelbesiedlung im Wesentlichen auf die ersten 100 m beschränkt, und zwar bei Straßen mit Verkehrsmengen über 20.000 Kfz/24 h mit einer Abnahme der Habitateignung vom Fahrbahnrand bis 100 m von 60 %. Darüber beträgt die Abnahme der Habitateignung bis zum kritischen Schallpegel von 58 dB(A) 40 % und bis zur Effektdistanz 20 %.
215Vgl. Garniel/Mierwald, Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr, 2010, S. 15 f. und 17.
216Die übrigen im Plangebiet festgestellten Vogelarten lassen sich den Gruppen 4 oder 5 zuordnen. Diese Arten haben eine vergleichsweise geringe Empfindlichkeit gegen Straßenlärm bzw. weisen kein spezifisches Abstandsverhalten zu Straßen auf, so dass für diese Vögel der Verkehrslärm keine oder nur geringe Relevanz besitzt. Bei gleicher Verkehrsmenge beträgt die Abnahme der Habitateignung vom Fahrbahnrand bis 100 m bei beiden Gruppen ebenfalls 60 %. Sollten die Vögel eine weitere Effektdistanz haben - bei den im Untersuchungsgebiet angetroffenen Vögeln beträgt diese maximal 200 m -, wird die Abnahme der Habitateignung von 100 m bis zur Effektdistanz mit 20 % angegeben.
217Vgl. Garniel/Mierwald, Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr, 2010, S. 21 samt Tabelle 16, S. 25, S. 27 samt Tabelle 19, S. 28 ff.
218Wenn sich innerhalb der Effektdistanz von 100 m zum Fahrbahnrand die Habitateignung für Vogelarten der Gruppen 2, 4 und 5 maximal um 60 % vermindert und sich außerhalb dieser Entfernung nur unwesentliche Beeinträchtigungen von Vogelarten durch Verkehrslärm ergeben, unterliegt weder die naturschutzfachliche Einschätzung der Gutachter des Vorhabenträgers noch die dem folgende Bewertung der Planfeststellungsbehörde, eine populationsrelevante Störung der nicht planungsrelevanten Vogelarten sei insbesondere angesichts der großräumig ungestört verbleibenden, strukturell vielfach noch besser ausgeprägten Gehölzbestände und Offenlandflächen im Umfeld des Einwirkungsbereichs nicht gegeben (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 45 f.), rechtlichen Bedenken. Bei sog. ubiquitären Vogelarten bzw. Allerweltsarten ist diese zusammengefasste Prüfung nicht zu beanstanden, selbst wenn für diese Arten keine separate Kartierung ihrer Brutreviere im naturschutzfachlichen Fachbeitrag ausgewiesen ist.
219Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 -, Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG 2010 Nr. 4 = juris, Rn. 27, und vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 -, NuR 2014, 361 (364) = juris, Rn. 20, 23.
220Für die relevanten geschützten Arten (Baumfalke, Baumpieper, Eisvogel, Feldsperling, Flussregenpfeifer, Graureiher, Habicht, Kleinspecht, Mäusebussard, Mehlschwalbe, Neuntöter, Rauchschwalbe, Rotmilan, Schwarzspecht, Sperber, Turmfalke, Waldkauz, Waldlaubsänger, Waldschnepfe und Wiesenpieper) wurde eine Art-für-Art-Prüfung vorgenommen, wobei mit naturschutzfachlich vertretbaren Gründen - aus den gleichen Gründen wie für die Allerweltsarten - jeweils ein Verstoß gegen das Störungsverbot verneint worden ist (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 46 ff.).
221cc) Ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist - mit einer Ausnahme für den Neuntöter - nicht gegeben.
222Bei der Abgrenzung einer Fortpflanzungs- und Ruhestätte sind alle Habitatfunktionen einzubeziehen, die für die betroffenen Individuen zur Fortpflanzung und für Ruhephasen überlebenswichtig sind. Als Fortpflanzungsstätte geschützt sind alle Orte im Gesamtlebensraum eines Tiers, die im Verlauf des Fortpflanzungsgeschehens benötigt werden. Als Fortpflanzungsstätten gelten z. B. Balzplätze, Paarungsgebiete, Neststandorte, Brutplätze oder -kolonien, Wurfbaue oder -plätze, Eiablage-, Verpuppungs- und Schlupfplätze oder Areale, die von den Larven oder Jungen genutzt werden. Entsprechend umfassen die Ruhestätten alle Orte, die ein Tier regelmäßig zum Ruhen oder Schlafen aufsucht oder an die es sich zu Zeiten längerer Inaktivität zurückzieht. Als Ruhestätten gelten z. B. Schlaf-, Mauser- und Rastplätze, Sonnplätze, Schlafbaue oder -nester, Verstecke und Schutzbauten sowie Sommer- und Winterquartiere. Die räumliche Abgrenzung einer Fortpflanzungs- und Ruhestätte ist in erster Linie eine naturschutzfachliche Frage, die je nach Verhaltensweisen der verschiedenen Arten unterschiedlich beantwortet werden kann. Je nach Raumanspruch der Arten lassen sich zwei verschiedene Fallkonstellationen herleiten. Eine „weite Auslegung“ hat bei Arten mit vergleichsweise kleinen Aktionsradien sowie bei Arten mit sich überschneidenden Fortpflanzungs- und Ruhestätten, die eine ökologisch-funktionale Einheit darstellen, zu erfolgen. In diesen Fällen ist bei der räumlichen Abgrenzung einer Stätte das weitere Umfeld mit einzubeziehen und es sind ökologisch funktionale Einheiten zu bilden. Die „weite Auslegung“ hat zur Folge, dass nicht mehr der einzelne Eiablage-, Verpuppungs- oder Versteckplatz etc. als zu schützende Fortpflanzungs- oder Ruhestätten zu betrachten ist, sondern ein größeres Areal bis hin zum Gesamtlebensraum des Tiers. Eine „enge Auslegung“ erfolgt bei Arten mit eher großen Raumansprüchen. In diesen Fällen handelt es sich bei den Fortpflanzungs- und Ruhestätten meist um kleinere, klar abgrenzbare Örtlichkeiten innerhalb des weiträumigen Gesamtlebensraums.
223Vgl. MKULNV, Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen, 2015, S. 26 f., VV Artenschutz, Anlage 1 Nr. 5, S. 22 f.
224Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe begegnet es auch in diesem Zusammenhang keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Prüfung des Zerstörungsverbots die nicht planungsrelevanten Arten als Gruppe in den Blick genommen worden sind.
225Vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 -, Buchholz 406.403 § 44 BNatSchG 2010 Nr. 4 = juris, Rn. 27, und vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 -, NuR 2014, 361 (364) = juris, Rn. 20, 24.
226Die hierauf beruhende naturschutzfachliche Einschätzung der Gutachter des Vorhabenträgers und die sich dem anschließende Bewertung der Planfeststellungsbehörde, ein Verstoß gegen das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG im Hinblick auf die nicht planungsrelevanten Arten liege nicht vor, weil zumindest die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang angesichts der großräumig verbleibenden Fläche weiterhin erfüllt werde (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seite 45), sind von der naturschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative gedeckt und nicht zu beanstanden. Denn bei den angesprochenen ubiquitären Vogelarten greift in dem oben erläuterten Sinn eine „enge“ Abgrenzung des Begriffs der Fortpflanzungs- und Ruhestätte. Deren potentielle Zerstörung - die Baufeldfreimachung erfolgt außerhalb der Nutzungszeiten - ist also kein Verstoß gegen artenschutzrechtliche Vorschriften, wenn geeignete Ausweichlebensräume im Umfeld vorhanden sind und dort keine Verdrängungseffekte entstehen, wovon nach der naturschutzfachlichen Bewertung der Planfeststellungsbehörde auszugehen ist.
227Für die im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag aus April 2016 näher untersuchten planungsrelevanten Vogelarten im Untersuchungsgebiet wurde in aller Regel ein Verstoß gegen das Zerstörungsverbot verneint, da sich ihre Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nicht im geplanten Trassenbereich befinden (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 46 ff.). Diese Bewertung ist im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden.
228Einzig ein Horststandort des Baumfalken südöstlich des Schießstands liegt unmittelbar im geplanten Trassenbereich. Angesichts der Tatsache, dass diese Art ihre Nistplätze spontan wählt und häufig wechselt, kommen die Gutachter des Vorhabenträgers und daran anknüpfend der Planfeststellungsbeschluss allerdings im Rahmen ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative zu dem Ergebnis, angesichts der Vielzahl im Umfeld vorhandener geeigneter Gehölzbestände bleibe die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätte entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG auch ohne vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen im räumlichen Zusammenhang erhalten (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seite 47). Dagegen ist nichts zu erinnern.
229Hinsichtlich der Vogelart Waldkauz, die im südlichen Trassenabschnitt der B 508n vorkommt (vgl. Unterlage 12.4.2-I - Karte zum Vorkommen planungsrelevanter Arten), hat die artenschutzrechtliche Prüfung angesichts der vorgesehenen vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen nach § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG einen Verstoß gegen das Zerstörungsverbot ebenfalls nicht als erfüllt angesehen. Es kann nach den Feststellungen der Gutachter zwar nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund der von dem Vorhaben ausgehenden Störungen ein vorhandenes Brutquartier des Waldkauzes aufgegeben wird. Allerdings kann nach der naturschutzfachlichen Bewertung der Planfeststellungsbehörde die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätte im räumlichen Zusammenhang erhalten bleiben, indem auf einer Laubwaldfläche von 1 ha zehn alte Laubbäume aus der forstlichen Nutzung genommen sowie Waldkauznistkästen aufgehängt werden (Maßnahme VCEF2, Unterlage 12-III, Seite 72; Unterlage 12.4.1-III, Seite 67; PFB, Seite 115). Die Einschätzung begegnet keinen Bedenken.
230Im Hinblick auf die planungsrelevante Art des Neuntöters verstößt das geplante Vorhaben dagegen gegen das Zerstörungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Nach einer Worst-Case-Betrachtung kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Baumaßnahme ein (potentielles) Brutrevier zweier Neuntöter-Brutpaare verloren geht. Ein Ausweichen in die angrenzenden Heckenstrukturen erscheint aufgrund der Zerschneidungswirkung und der verbleibenden teils kleinräumigen Brut- und Nahrungshabitate nicht ohne weiteres möglich, sodass weitere Maßnahmen erforderlich sind, damit die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätte im räumlichen Zusammenhang erhalten bleibt und der Verbotstatbestand nicht eintritt (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 57 ff.). Zu diesem Zweck soll durch die Entwicklung von Extensivgrünland (Maßnahme A/ECEF4, Unterlage 12-III, Seite 87) sowie die Anpflanzung von unterbrochenen Dornenhecken mit Einzelgehölzen in Verbindung mit der Anlage von Gestrüppwällen und Reisighaufen (Maßnahme A/ECEF9, Unterlage 12-III, Seite 93) auf den Flächen des Klägers Ersatzlebensraum für den Neuntöter geschaffen werden. Die Festsetzung dieser Maßnahmen auf den Grundstücken des Klägers verstößt allerdings aus den nachfolgend unter D. II. genannten Gründen gegen das Übermaßverbot und der Planfeststellungsbeschluss ist insoweit rechtswidrig. Ohne die Maßnahmen kann aber ein Verstoß gegen das Zerstörungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG nicht ausgeschlossen werden, sodass der Planfeststellungsbeschluss insoweit auch gegen Vorschriften des Artenschutzes verstößt. Der Fehler führt aber aus den unter D. III. genannten Gründen nicht zur Aufhebung, sondern lediglich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.
231b) Eine Verwirklichung der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG durch bau- oder betriebsbedingte Gefährdungen tritt zur Überzeugung des Senats auch im Hinblick auf die im Plangebiet nachgewiesenen Fledermäuse, die zu den gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 b) aa) BNatSchG besonders geschützten und nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 b) BNatSchG streng geschützten Arten gehören, nicht ein.
232aa) Es ist nicht zu erwarten, dass infolge des Vorhabens bau- oder betriebsbedingt gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verstoßen wird.
233(1) Einer möglichen Verwirklichung des Tötungsverbots bereits im Rahmen der Baufeldfreimachung durch das Fällen von Bäumen mit potentiellen Fledermausquartieren begegnen die planfestgestellten Regelungen mit geeigneten Maßnahmen. Potentiell geeignete Bäume werden vor der Baufeldfreimachung auf Fledermausbesatz kontrolliert. Ist ein Vorkommen der Tiere ausgeschlossen, werden die Höhlen versiegelt. Sollten Tiere in einer Baumhöhle festgestellt werden, muss abgewartet werden, dass sich das Tier von selbst entfernt, um anschließend die Höhle zu verschließen. Zudem darf eine Entfernung potentieller Quartierbäume nur außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten der Brutvögel erfolgen - 1. März bis 30. September -. Da zu Beginn des Zeitfensters die Wochenstubenzeit der Fledermäuse (April bis August) bereits vorbei ist, die Tiere aber noch nicht mit dem Winterschlaf begonnen haben, ist ein Aufsuchen anderer Quartiere leicht möglich. Zudem wurde eine ökologische Baubegleitung angeordnet (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 23, 25, 27, 31, 36 f., 38 f., 40; PFB, Auflage 5.5).
234Mit Blick auf diese Maßnahmen bzw. die Tatsache, dass eine Kartierung von tatsächlichen und potentiellen Höhlenbäumen stattgefunden hat und sich nur acht Höhlenbäume im unmittelbaren Trassenbereich befinden und daher gefällt werden müssen (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seite 23; Unterlage 12.4.2-I - Karte zum Vorkommen planungsrelevanter Arten), steht die Einschätzung der Fachgutachter des Vorhabenträgers nicht in Frage, die Baufeldfreimachung lasse eine Tötung von Fledermäusen nicht erwarten. Denn es sind nach fachlicher Einschätzung alle in Betracht kommenden Risiken erkannt worden, damit keine Fledermäuse während des Winterschlafs oder der Wochenstubenzeit in Mitleidenschaft gezogen werden. Restrisiken wurden ebenfalls abgedeckt.
235Im Übrigen hat die Plangenehmigungsbehörde rein vorsorglich nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG eine Ausnahme vom Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt, sollte es entgegen den festgesetzten Vermeidungsmaßnahmen doch zu baubedingten Individuenverlusten von baumbewohnenden Fledermäusen in Folge der Baufeldfreimachung kommen (PFB, Seiten 13, 116 ff.).
236(2) Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot infolge des Betriebs der B 508n kann gleichfalls nicht erkannt werden, weil das Risiko kollisionsbedingter Tötungen hinreichend reduziert wird. Es ist zwar bei einem Straßenbauvorhaben nie mit völliger Sicherheit auszuschließen, dass Fledermäuse bei einer Querung der Fahrbahn infolge von Kollisionen mit Kraftfahrzeugen getötet werden. Der Tatbestand des Tötungsverbots ist allerdings - wie bereits unter C. II. 2. a) aa) (2) ausgeführt - erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden (wie etwa Überflughilfen, Leitstrukturen u. ä.), in die Betrachtung einzubeziehen.
237Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 = juris, Rn. 141, m. w. N.
238Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen. Für die fachliche Beurteilung ist der Planfeststellungsbehörde eine Einschätzungsprärogative eingeräumt.
239Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 -, Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 = juris, Rn. 99.
240Unter Zugrundelegung dieser Prämissen ist nach den tatsächlichen Annahmen und Bewertungen der planfestgestellten Unterlagen, insbesondere der artenschutzrechtlichen Gutachten, unter Berücksichtigung der festgesetzten Begleit- und Vermeidungsmaßnahmen die naturschutzfachlich vertretbare Einschätzung der sachverständig beratenen Planfeststellungsbehörde, eine betriebsbedingt gesteigerte Gefährdungssituation für die vorhandenen Fledermausarten könne ausgeschlossen werden (vgl. PFB, Seite 121), nicht zu beanstanden. Die Ausgestaltung des Bauwerks Nr. 4 (Talbrücke) als Querungshilfe für Tiere (Maßnahme VCEF3, Unterlage 12-III, Seite 73) kommt auch den Fledermäusen zugute, zumal das Ferndorftal als Flugroute anerkannt ist. Ferner sind die Waldunterpflanzung bzw. der Waldrandaufbau (Maßnahme S 2, Unterlage 12-III, Seite 77) sowie die Anpflanzung von Wald und Gehölzstrukturen im Trassennahbereich (Maßnahmen A 1 und G 2.1, Unterlage 12-III, Seiten 79, 96) geeignet, als Leitbewuchs die Fledermäuse von der Straße fernzuhalten. Bedenken hinsichtlich der grundsätzlichen Wirksamkeit dieser Maßnahmen bestehen auch für die strukturgebunden fliegenden Arten und in Anbetracht der Damm-/Einschnittlage der künftigen Straße nicht.
241Die auch von der Planfeststellungsbehörde als besonders kollisionsanfällig bezeichnete Kleine Hufeisennase kommt im Plangebiet nicht vor (PFB, Seite 121). Gleiches gilt für die vom Kläger benannten Arten der Mopsfledermaus, der Bechsteinfledermaus, der Nordfledermaus und des Grauen Langohrs. Anzeichen für ein Vorkommen dieser Arten haben die vom Vorhabenträger beauftragten Gutachter nicht finden können. Worauf der Kläger seine gegenteilige Behauptung stützt, hat er nicht dargelegt.
242bb) Die planfestgestellten Regelungen stellen ebenfalls sicher, dass hinsichtlich der Fledermäuse keine Verstöße gegen die Beschädigungs- und Zerstörungsverbote des § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BNatSchG gegeben sind. Soweit im Untersuchungsraum gesichert vorkommende Fledermausarten artbedingt Quartierstandorte in Baumhöhlen haben, können sie von der Beseitigung von Höhlen-bäumen betroffen sein. Zwar werden acht als Höhlenbäume identifizierte Bäume vorhabenbedingt zu fällen sein (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seite 23; Unterlage 12.4.2-I - Karte zum Vorkommen planungsrelevanter Arten). Deren Beseitigung erfolgt nach den bereits beschriebenen planfestgestellten Maßnahmen aber so, dass keine aktuell von Fledermäusen besetzten Bäume gefällt werden.
243Im Übrigen sind Beschädigungs- und Zerstörungsverbote nicht erfüllt, wenn etwa bei Fledermäusen, die einen Verbund von mehreren Höhlenbäumen nutzen, zwischen denen sie regelmäßig wechseln, im Falle der Rodung einzelner Bäume dieses Verbunds deren Funktion von den verbleibenden Bäumen oder durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen im räumlichen Zusammenhang weiter erfüllt werden kann.
244Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 A 73.07 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 = juris, Rn. 91.
245Dies ist angesichts der planfestgestellten ergänzenden Regelungen hier der Fall. Die vorgezogene Vermeidungsmaßnahme VCEF2 sieht Altholzsicherungsmaßnahmen einschließlich der Anbringung von 40 Fledermauskästen (20 Flachkästen und 20 Rundkästen) vor (vgl. Unterlage 12-III, Seite 72; Unterlage 12.4.1-III, Seiten 23 ff.; PFB, Seite 115). Nach der nachvollziehbaren fachgutachterlichen Beurteilung wird hierdurch sichergestellt, dass die ökologische Funktion der vom Eingriff betroffenen Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang im Sinne des § 44 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BNatSchG weiterhin erfüllt wird. Die Maßnahmen werden innerhalb des Waldgebiets selbst südlich des Mühlenkopfs, östlich Dudeltätsch und am Schürneicher Schlag im räumlichen Zusammenhang realisiert, wobei der genaue Standort der zukünftigen Höhlenbäume im Rahmen der ökologischen Baubegleitung bestimmt wird (vgl. Unterlage 12-III, Seite 72; Unterlage 12.2.10-I bis 12.2.12-I, Maßnahmenblatt 10 bis 12; Unterlage 12-III, Seite 44; PFB, Seiten 19 f.).
246Die gegen die Geeignetheit der Maßnahme erhobenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. Dabei ist erneut zu berücksichtigen, dass der sachverständig beratenen Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Artenschutzrechts insoweit eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zusteht, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Diese hat sich darauf zu beschränken, ob die Einschätzung der Behörde im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar ist und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruht, das sich als unzulängliches oder ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Von daher ist eine naturschutzfachliche Meinung einer anderen Einschätzung nicht bereits deshalb überlegen oder ihr vorzugswürdig, weil sie „strengere“ Anforderungen für richtig hält. Das ist erst dann der Fall, wenn sich diese Auffassung als allgemein anerkannter Standpunkt der Wissenschaft durchgesetzt hat und die gegenteilige Meinung als nicht (mehr) vertretbar angesehen wird.
247Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 A 73.07 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 = juris, Rn. 87.
248Die Auffassung der Gutachter des Vorhabenträgers und - ihnen folgend - der Planfeststellungsbehörde, dass die in Rede stehende Maßnahme der Verbesserung des Quartierangebots und der Schaffung von verbesserten Nahrungsgrundlagen und damit dem Aufbau bzw. der Optimierung von Lebensräumen baumhöhlenbewohnender Fledermausarten dient (vgl. PFB, Seiten 120 f.) ist nachvollziehbar und von der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative gedeckt.
249An den vorgesehenen Ausgleichsorten befinden sich teilweise schon weitere Höhlenbäume (vgl. Unterlage 12.4.2-I - Karte zum Vorkommen planungsrelevanter Arten), auch soll für eine Übergangszeit mit den aufzuhängenden Fledermauskästen die Wirksamkeit der Maßnahme kurzfristig sichergestellt werden. Dass Fledermausersatzquartiere von den Tieren grundsätzlich angenommen werden, ist in der Fachliteratur - trotz einiger kritischer Stimmen - dem Grunde nach anerkannt. Das Anbringen von künstlichen Quartieren gehört daher zu den Maßnahmen, die am häufigsten zum Ersatz von Quartierverlusten bei Fledermäusen ergriffen werden.
250Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 = juris, Rn. 91, m. w. N.
251Das zuständige Umweltministerium Nordrhein-Westfalen schlägt für die meisten der hier in Rede stehenden waldbewohnenden Fledermausarten als geeignete und wirksame Kompensationsmaßnahmen ebenfalls das Anbringen von Fledermauskästen und/oder die Entwicklung bzw. Förderung von Waldquartieren vor, denen jeweils eine hohe oder mittlere Eignung attestiert wird.
252Vgl. Maßnahmensteckbriefe Braunes Langohr, Fransenfledermaus, Großer Abendsegler, Kleine/Große Bartfledermaus, Kleiner Abendsegler, Mückenfledermaus, Wasserfledermaus und Zwergfledermaus, abrufbar unter https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/web/babel/media/m_s_saeuger_nrw.pdf.
253Mit dem vom Kläger in Bezug genommenen Aufsatz von Andreas und Matthias Zahn „Zur Wirksamkeit von Fledermauskästen als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme“ [Anliegen Natur 2017, 39 (1)] vermag er nicht aufzuzeigen, dass der von der Planfeststellungsbehörde eingenommene Standpunkt zur Wirksamkeit der Vermeidungsmaßnahmen nach aktuellem bzw. nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses erreichten Erkenntnisstand fachwissenschaftlich nicht vertretbar ist, weil sich etwa die in der zitierten Veröffentlichung dargelegte Auffassung als allgemein anerkannter Standpunkt der Wissenschaft durchgesetzt hätte. Stattdessen handelt es sich lediglich um eine von der naturschutzfachlichen Einschätzung der Planfeststellungsbehörde abweichende Bewertung der Wirksamkeit von Fledermauskästen als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme.
254c) Der Planfeststellungsbeschluss hat darüber hinaus im Hinblick auf alle vorkommenden Fledermäuse, die Haselmaus, den Waldkauz und den Baumfalken jeweils eine Ausnahme von den Verboten nach § 44 Abs. 1 BNatSchG erteilt (PFB, Seite 13). Wie die Planfeststellungsbehörde in der Begründung in Abschnitt B. 3.4.11 (Seiten 116 ff.) klargestellt hat, soll sich die (vorsorglich erteilte) artenschutzrechtliche Ausnahme - trotz ihrer missverständlichen Formulierung im Abschnitt A. - lediglich auf das Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG beziehen und nur für den Fall eingreifen, dass es trotz der Umsiedlung von Tieren zu baubedingten Individuenverlusten in Folge der Baufeldfreimachung kommen sollte (PFB, Seite 116). Die Verwirklichung des Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist im Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur deshalb angenommen worden, weil es als ausgeschlossen angesehen werden könne, trotz Umsiedlungen aller Tiere auch nur „annähernd vollständig habhaft zu werden“. Die Planfeststellungsbehörde hat sich - entgegen der Behauptung des Klägers - daher nur für einen Verbotstatbestand und nicht „pauschal“ für alle drei Verbotstatbestände zur Erteilung einer (vorsorglichen) Ausnahme entschlossen.
255Die so verstandene Entscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
256aa) Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG können die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden - wegen der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses also auch die Planfeststellungsbehörde - im Einzelfall Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt zulassen. Darüber hinaus erfordert eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, dass zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert; weitergehende Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 der FFH-RL sind zu beachten. Ferner sind nach § 45 Abs. 7 Satz 3 BNatSchG Art. 16 Abs. 3 der FFH-RL und Art. 9 Abs. 2 der VRL zu beachten.
257bb) Das Planvorhaben kann zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für sich in Anspruch nehmen, die die Ausnahmen vom Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG rechtfertigen. Voraussetzung dieses Ausnahmegrunds ist nicht, dass Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann. Es reicht vielmehr ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln aus.
258Vgl. zu § 43 Abs. 8 BNatSchG a. F.: BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 -, Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 = juris, Rn. 147, m. w. N.
259Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dem öffentlichen Interesse an der Realisierung des Vorhabens kommt ein hoher Stellenwert zu. Das Vorhaben ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf eingestuft. Die im Planfeststellungsbeschluss dargestellte hohe Entlastungswirkung der B 508n für die Ortsdurchfahrt Kreuztal um bis zu 60 % zeigt die Notwendigkeit der Maßnahme (vgl. PFB, Seiten 53, 117). Dem verkehrlichen Interesse der Allgemeinheit hat der Beklagte deshalb zu Recht ein höheres Gewicht eingeräumt als den betroffenen Belangen des Artenschutzes.
260cc) Der Beklagte ist ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass zumutbare Alternativen in Bezug auf den einzigen möglicherweise als erfüllt angesehen Verbotstatbestand des Tötungsverbots im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG fehlen. Die Planfeststellungsbehörde darf von einer Alternativlösung Abstand nehmen, die technisch an sich machbar und rechtlich zulässig ist, aber anderweitige, auch naturschutzexterne Nachteile aufweist, die außer Verhältnis zu dem mit ihr erreichbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen.
261Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 = juris, Rn. 57.
262Vermeidungsmaßnahmen, mit denen die verbotswidrigen Einwirkungen an Ort und Stelle ausgeschlossen werden könnten, stehen im Hinblick auf das Restrisiko von Individuenverlusten während der Baufeldfreimachung nicht zur Verfügung, nachdem die Planfeststellungsbehörde bereits alle Möglichkeiten zur Vermeidung und Minderung - z. B. durch Schaffung von Ausweich- und Ersatzlebensräumen für Fledermäuse oder eine zeitliche Beschränkung der Rodungsarbeiten nebst eines speziellen Monitorings - berücksichtigt hat (vgl. PFB, Seite 118). Eine alternative Trassenführung oder ein Verzicht auf den Ausbau stellt nach den Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss keine zumutbare Alternative dar (PFB, Seiten 117 f.). Der Kläger hat mit seinem Klagevorbringen nicht aufgezeigt, dass diese Einschätzung fehlerhaft sein könnte, sondern lediglich bemängelt, es könne nicht pauschal im Vorhinein beurteilt werden, ob Alternativ- bzw. Vermeidungsmaßnahmen möglich seien, ohne die konkrete Beeinträchtigungssituation zu kennen. Dabei übersieht er, dass die Planfeststellungsbehörde die Ausnahme lediglich für das baubedingte Tötungsverbot erteilt und auch nur insoweit die erforderliche Alternativenprüfung vorgenommen hat.
263dd) Die für eine Ausnahmeerteilung erforderliche weitere Voraussetzung, dass sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtern darf, ist ebenfalls erfüllt. Anders als für den Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG kommt es für die Erteilung einer Ausnahme nicht speziell auf den Erhaltungszustand des von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen lokalen Vorkommens an. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, die auch die anderen Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in den Blick nimmt. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plangebiet hinausreicht, als lebensfähiges Element erhalten bleibt. Für die Beurteilung, ob dies zutrifft, ist der Planfeststellungsbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt.
264Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 = juris, Rn. 60.
265Der planfestgestellte artenschutzrechtliche Fachbeitrag aus April 2016 verhält sich zwar nicht zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die Gesamtheit der lokalen Populationen der Arten Haselmaus, Waldkauz, Baumfalke und der vorkommenden Fledermäuse, da die Gutachter des Vorhabenträgers nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen sind, unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Minimierungs- und vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen greife für keine dieser Arten einer der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG ein. Dennoch ist die im Planfeststellungsbeschluss für die betroffenen Arten getroffene Feststellung, sowohl lokal als auch auf übergeordneter Ebene bleibe deren Erhaltungszustand trotz Realisierung des Vorhabens mit Blick auf die planfestgestellten kompensatorischen Maßnahmen gesichert, hinreichend tragfähig. Die naturschutzfachliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, die baubedingten Individuenverluste würden bereits durch die angeordneten Maßnahmen - Baufeldfreimachung außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten, Prüfung sowie Versiegelung möglicher Höhlenbäume, Anbringung von Fledermaus- bzw. Waldkauznistkästen, Aufhängen von Haselmausnistkästen sowie -röhren und Umsiedlung angetroffener Tiere, Aufstocksetzen geeigneter Strukturen und Entwicklung von Leitstrukturen - auf ein Minimum reduziert, sodass zu ihrer Überzeugung der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG mangels Signifikanz voraussichtlich nicht eintreten werde, ist nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund sind die vorsorglich erteilten Ausnahmen auch ohne entsprechende Auseinandersetzung mit dem Erhaltungszustand der lokalen Populationen der jeweiligen Art im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag naturschutzfachlich vertretbar. Soweit der Kläger dagegen einwendet, es lasse sich ohne Kenntnis des den Verbotstatbestand auslösenden Eingriffs nicht pauschal beurteilen, ob sich der Erhaltungszustand der betroffenen Populationen nicht verschlechtere, übersieht er erneut, dass die Planfeststellungsbehörde die Ausnahme nur für den konkreten Fall eines baubedingten Verstoßes gegen das Tötungsverbot erteilt hat.
266III. Die Planung verstößt - mit Ausnahme der Flächeninanspruchnahme für naturschutzfachliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen - nicht gegen das in § 17 Satz 2 FStrG a. F. enthaltene Abwägungsgebot.
267Das Abwägungsgebot verlangt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.
268Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 ‑ IV C 79.76 u. a. -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 2 = juris, Rn. 59; vgl. auch Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 -, Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 8 = juris, Rn. 73.
269Die Frage, ob einer Planung eine gerechte Interessenabwägung zu Grunde liegt, ist nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Die Gerichte haben, soweit der Abwägungsvorgang fehlerfrei ist, das Ergebnis der Abwägung grundsätzlich hinzunehmen und es zu respektieren, dass sich der Planungsträger in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entschieden hat.
270Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004- 4 A 11.02 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 12 = juris, Rn. 61.
271Nach § 17 Sätze 3 und 4 FStrG a. F. i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW a. F. sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Ergebnisrelevanz in diesem Sinne liegt vor, wenn nach den Umständen des Falls die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Abwägungsmangel eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht. Insoweit ist der Abwägungsvorgang in allen seinen Phasen in den Blick zu nehmen. Daher kann die Möglichkeit einer anderen Entscheidung nur dann verneint werden, wenn der konkret vorliegende Abwägungsfehler weggedacht werden kann, ohne dass auf einer nachfolgenden Stufe der Abwägung ein weiterer Mangel erwächst, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann. Besteht der Abwägungsmangel in der fehlerhaften Berücksichtigung eines abwägungserheblichen Belangs und ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte, dass die Planfeststellungsbehörde ohne diesen Mangel zu einem anderen Abwägungsergebnis gelangt wäre, ist also zusätzlich zu prüfen, ob die auf der nachfolgenden Stufe gebotene Abwägung im engeren Sinne ‑ das Ins-Verhältnis-Setzen der gegenläufigen Belange ‑ das Abwägungsergebnis auch dann rechtfertigen würde, wenn der auf der vorhergehenden Stufe unterlaufene Mangel unterblieben wäre.
272Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 ‑ 9 A 23.10 ‑, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 219 = juris, Rn. 68, sowie Beschluss vom 19. Dezember 2013 - 9 B 44.13 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 234 = juris, Rn. 4
2731. Es liegen - mit Ausnahme der Inanspruchnahme seiner Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen - keine Abwägungsmängel im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte vorhabenbedingte Existenzvernichtung vor.
274Die persönliche Betroffenheit des Klägers durch die Inanspruchnahme von Flächen für den Straßenbau selbst und aus dem Bau der Straße resultierende Folgen für seine wirtschaftliche Existenz sind in einer den rechtlichen Anforderungen genügenden Weise berücksichtigt worden.
275a) Macht ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 und 2 FStrG a. F.) Betroffener geltend, durch das Vorhaben werde sein Betrieb in seiner Existenz gefährdet oder gar vernichtet, gehört dieser Einwand zu den Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange (§ 17 Satz 2 FStrG a. F.) grundsätzlich auseinandersetzen muss. Zeichnet sich eine solche Gefährdung ernsthaft ab, darf die Planfeststellungsbehörde nicht die Augen vor der Tragweite ihrer Entscheidung verschließen.
276Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juni 2019- 9 A 2.18 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 75 = juris, Rn. 25, vom 9. November 2017- 3 A 3.15 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 80 = juris, Rn. 27, vom 6. April 2017 - 4 A 2.16, u. a. -, DVBl 2017, 1039 = juris, Rn. 73, und vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 207 = juris, Rn. 26; OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2017 - 11 A 1308/15 -, juris, Rn. 10.
277Ermöglicht der Planfeststellungsbeschluss den unmittelbaren Zugriff auf das Grundeigentum durch Entzug oder Teilentzug dieser Rechtsposition, so ist die Regelung der damit verbundenen Entschädigungsfragen einschließlich der Frage einer Übernahme des Gesamtgrundstücks dem Enteignungsverfahren vorbehalten. Der Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss, welche Flächen für das Vorhaben benötigt werden und dem bisherigen Eigentümer entzogen werden dürfen, hat allerdings die Abwägung vorauszugehen, ob der Eigentumsentzug und die sonstigen mit der Inanspruchnahme verbundenen Nachteile für den Betroffenen im Interesse der für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange in Kauf genommen werden sollen.
278Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012- 9 A 19.11 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 = juris, Rn. 77.
279Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Einwand der Existenzgefährdung oder -vernichtung ist lediglich dann entbehrlich, wenn die Planfeststellungsbehörde die behauptete Existenzgefährdung durch die Verwirklichung des Vorhabens an sich im Wege der Wahrunterstellung ihrer Abwägung (hypothetisch) zugrunde legt, was unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, und dabei deutlich macht, dass sie die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig hält, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung des betroffenen landwirtschaftlichen Betriebs verwirklicht werden soll.
280Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 - 9 A 20.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 = juris, Rn. 149, und vom 14. April 2010- 9 A 13.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 207 = juris, Rn. 26; ähnlich: BVerwG, Urteile vom 9. November 2017 - 3 A 3.15 -, Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 80 = juris, Rn. 27, und vom 23. März 2011 - 9 A 9.10 -, juris, Rn. 28.
281Eine Verlagerung der Konfliktlösung auf das Entschädigungsverfahren ist daher zulässig, sofern die festgestellte - oder als wahr unterstellte - Existenzgefährdung mit der notwendigen Gewichtung in die Abwägung eingestellt wird.
282Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 27. August 2019 - 7 KS 24/17 -, RdL 2020, 354 (360) = juris, Rn. 650.
283Ob die Planfeststellungsbehörde von der Möglichkeit einer Wahrunterstellung im Einzelfall Gebrauch macht, liegt dabei grundsätzlich in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Die Grenzen für eine zulässige Wahrunterstellung sind allerdings zum einen dann erreicht, wenn der für die Abwägung maßgebende Sachverhalt mit einer Wahrunterstellung in Wirklichkeit nicht in sachdienlicher Weise erfasst werden kann, sei es etwa, dass der zu unterstellende Sachverhalt die Gesamtkonzeption der Planung in einem wesentlichen Punkt betrifft, oder sei es, dass die Feststellung des zur Rede stehenden Sachverhalts ohne eine gleichzeitige Wertung der festzustellenden tatsächlichen Umstände nicht möglich ist, insbesondere, wenn die Bedeutung eines privaten Belangs im Verhältnis zu den ihm widerstreitenden öffentlichen Belangen nur bei näherer Kenntnis aller ihn betreffenden Einzelheiten hinreichend erfasst werden kann. Zum anderen versteht sich von selbst, dass eine Wahrunterstellung zugunsten eines Planbetroffenen dann ausgeschlossen ist, wenn sich die damit als nachgewiesen behandelte Beweistatsache in der Abwägung zum Nachteil eines anderen Planbetroffenen auswirken kann. Das folgt aus dem Wesen der Wahrunterstellung selbst, bedarf aber in der Planfeststellung besonderer Beachtung. Denn die für eine Planfeststellung kennzeichnende gegenseitige Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen in die Abwägung einzustellenden Belangen kann es mit sich bringen, dass etwaige drittbelastende Auswirkungen einer Wahrunterstellung weniger deutlich erkennbar sind, als dies in der Regel in einem Verwaltungsverfahren mit einer überschaubaren Zahl von Beteiligten und einer überschaubaren Interessenlage der Fall sein wird.
284Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 27. März 1980 - 4 C 34.79 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34 = juris, Rn. 31.
285b) In Anwendung dieser Maßstäbe gilt Folgendes:
286aa) Die Gutachten des Vorhabenträgers und des Klägers zur Frage der Existenzfähigkeit des Vereins ohne die Auswirkungen des planfestgestellten Vorhabens kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die vom Kläger eingeholten Gutachten von Herrn Dr. C1. sowie Frau T1. kommen zu dem Ergebnis, dass der Kläger derzeit existenzfähig sei und in absehbarer Zeit sein werde. Es bestehe kein Grund zur Annahme, dass der Kläger ohne den Eingriff in absehbarer Zeit seiner Zweckbestimmung nicht mehr nachgehen könne (Gutachten vom 29. August 2018, Seite 4). Dabei legen die Gutachter einen Prognosezeitraum von fünf bis sechs Jahren zu Grunde. Prognosen für längere Zeiträume seien unseriös (Gutachten vom 29. August 2018, Seite 33). Im Gegensatz dazu kommen die vom Beklagten beauftragen Gutachter Herr Dr. H. und Frau Dr. N. zu dem Ergebnis, der Kläger sei zum Stichtag 1. Juni 2017 nicht existenzfähig. Die ausgewerteten Kennziffern zeigten mittel- und langfristige Kapitaldienstgrenzen auf, so dass langfristig die Liquidität gefährdet sei (Gutachten vom 22. Mai 2018, Seiten 7, 21). Die Gutachter gehen davon aus, dass das Eigenkapital in 20 Jahren aufgezehrt sei und der Kläger in 15 Jahren erhebliche Liquiditätsprobleme bekomme. Der Gewinn sei nicht ausreichend, eine Eigenkapitalbildung nicht gegeben und die mittel- und langfristige Liquidität stark gefährdet. Einzig die kurzfristige Liquidität könne als befriedigend bewertet werden (vgl. Gutachten vom 14. Juni 2016, Seite 18).
287Die Gutachter legen dabei unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe und Kriterien an. Die Gutachter des Klägers gehen davon aus, der „operative cashflow“ sei eine aussagekräftige Kennzahl, um die Fähigkeit eines Vereins zu bewerten, seine Verbindlichkeiten langfristig selbst zu tragen. Dieser sei beim Kläger durchweg positiv. Im Übrigen dürfe bei der Bewertung des Vermögens des Klägers nicht auf bilanzierte Werte zurückgegriffen werden, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass das Vermögen unterschätzt werde. Ebenso müssten die unentgeltlichen Arbeiten der Mitglieder des Klägers Berücksichtigung finden (Gutachten vom 29. August 2018, Seiten 4, 27, 61). Die Gutachter des Vorhabenträgers vertreten indes die Ansicht, bei der Beurteilung der langfristigen Existenzfähigkeit eines Vereins seien unter Anpassung der Schwellenwerte dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei landwirtschaftlichen Betrieben (Gutachten vom 22. Mai 2018, Seite 2). Dabei seien die drei Kennzahlen Liquidität, Stabilität und Rentabilität zu untersuchen (Gutachten vom 22. Mai 2018, Seite 7).
288bb) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Gutachten des Klägers zutreffend belegen, dass der Verein derzeit existenzfähig sei und dies ohne das planfestgestellte Vorhaben auch in der Zukunft (längerfristig) wäre oder ob die Gutachten des Vorhabenträgers zu Recht davon ausgehen, der Kläger sei bereits jetzt bzw. zum Stichtag 1. Juni 2017 nicht existenzfähig. Denn die Planfeststellungsbehörde hat deutlich gemacht, dass sie die für das Vorhaben streitenden Belange für so gewichtig hält, dass es auch um den Preis einer Existenzgefährdung oder -vernichtung des Klägers verwirklicht werden soll. Damit hat die Behörde nach den oben dargestellten Maßgaben von der Möglichkeit einer Wahrunterstellung Gebrauch gemacht, was es ihr - und damit nachfolgend auch dem Gericht - erlaubt, von einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Einwand der konkreten Existenzvernichtung bzw. -gefährdung des Klägers abzusehen.
289(1) Auf Seite 142 des Planfeststellungsbeschlusses wird ausgeführt:
290„[Die Planfeststellungsbehörde] stellt ausdrücklich auch fest, dass selbst wenn eine ernsthafte Existenzgefährdung des Vereins erst durch das Planvorhaben gegeben wäre, sie im Rahmen der Abwägung keine andere, für den RFK [gemeint ist der Kläger] günstigere Planungsentscheidung getroffen hätte. […] Die Bedeutung des Freizeitsports für die Volksgesundheit und der Anerkennung des Ehrenamtes wird zwar durchaus erkannt, aber hier ist dem öffentlichen Interesse eindeutig der Vorzug zu geben gegenüber den Interessen des RFK.“
291Dies wird bestätigt durch die Ausführungen im Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz. Dort hat der Beklagte im Schriftsatz vom 15. März 2018 ausdrücklich festgehalten, die Behörde wolle das Vorhaben auch um den Preis der Existenzvernichtung verwirklicht sehen, denn der Planfeststellungsbeschluss stelle außer Frage, dass das geplante Straßenbauvorhaben in jedem Fall verwirklicht werden solle. Auch in der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten dies noch einmal bekräftigt.
292In diese - speziell den Kläger betreffenden - Ausführungen fügt sich nahtlos ein, dass im Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich aller betroffenen privaten Belange festgestellt wird, die mit der Planung verfolgten Verkehrsbelange und Ziele überwögen die Interessen der privaten Grundstückseigentümer. Dies gelte auch unter Inkaufnahme straßenbaubedingter Existenzgefährdungen. Auch mit Blick auf die dauerhafte Inanspruchnahme von privaten Grundstücksflächen müsse das Vorhaben selbst um den Preis möglicher Existenzvernichtungen realisiert werden (PFB, Seiten 130, 132).
293Es ist nicht zu erkennen, dass die Planfeststellungsbehörde bei diesem Verfahren ermessensfehlerhaft vorgegangen wäre. Die Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss, die Existenzgefährdung des Klägers zu unterstellen, überschreitet nicht die zuvor dargelegten Grenzen einer solchen Wahrunterstellung, selbst wenn berücksichtigt wird, dass die Wahrunterstellung im Hinblick auf die Flächeninanspruchnahme für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen - wie sich aus den Ausführungen unter D. II. 2. a) ergibt - unzulässig ist. Dies ändert nichts daran, dass eine Existenzvernichtung im Hinblick auf die Verwirklichung des eigentlichen Straßenbauvorhabens nach den Maßstäben der Rechtsprechung in Anbetracht überragender öffentlicher Interessen unterstellt werden darf. Dass die Planfeststellungsbehörde die Ermessensgrenzen der Wahrunterstellung hierbei nicht überschritten hat, ergibt sich bereits daraus, dass sie die Straßenbaumaßnahme so, wie sie im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vorgesehen ist, offensichtlich auch dann nicht in Frage gestellt und beispielsweise mit einer anderen Trassenführung festgestellt hätte, wenn feststünde, dass der Kläger ohne die Maßnahme existenzfähig wäre und erst durch das Bauvorhaben in seiner Existenz gefährdet würde.
294Vgl. zu einer ähnlichen Argumentation: BVerwG, Urteil vom 27. März 1980 - 4 C 34.79 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34 = juris, Rn. 33.
295Da die Planfeststellungsbehörde aus der Wahrunterstellung in der Abwägung keine Folgerungen zu Gunsten des Klägers gezogen hat, scheidet auch aus, dass ein anderer Planbetroffener - etwa der Pächter des Klägers - in Wechselwirkung damit benachteiligt worden wäre. Abgesehen davon geht der Kläger zu Unrecht davon aus, der Planfeststellungsbeschluss habe das Schicksal seines Pächters unberücksichtigt gelassen. Das Gegenteil ist der Fall. Auch insofern stellt die Planfeststellungsbehörde ausdrücklich fest, sie hätte im Rahmen der Abwägung keine andere, für den landwirtschaftlichen Betrieb des Pächters günstigere Planungsentscheidung getroffen, selbst wenn eine ernsthafte Existenzgefährdung dieses Betriebs durch das Planvorhaben gegeben wäre (PFB, Seite 143).
296(2) Der Einwand des Klägers, aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2010 (gemeint ist wohl der 14. April 2010) - 9 A 13.08 -,
297Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 207 = juris, Rn. 36,
298ergebe sich, dass im Falle der (hilfsweisen) Wahrunterstellung der Existenzgefährdung die den Betroffenen treffenden Nachteile in der Abwägung zutreffend gewichtet und entsprechend mögliche Vermeidungsmaßnahmen geprüft werden müssten, was hier nicht geschehen sei, greift nicht durch. Das Bundesverwaltungsgericht hat im entsprechenden Abschnitt vielmehr lediglich festgestellt, die Planfeststellungsbehörde müsse bereits im Rahmen der Abwägung die (eigentlich dem Entschädigungsverfahren vorbehaltene) Frage prüfen, ob die Möglichkeit der Ersatzlandgestellung bestehe, wenn dadurch eine ansonsten drohende Existenzgefährdung vermieden werden könne. Etwas anderes gelte aber, wenn die Planfeststellungsbehörde keinen Zweifel daran lasse, dass sie das Planungsvorhaben selbst um den Preis einer Existenzvernichtung bzw. Existenzgefährdung verwirklicht sehen wolle.
299Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 13.08 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 207 = juris, Rn. 36; siehe dazu auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 4 A 2.16, u. a. -, DVBl 2017, 1039 = juris, Rn. 73, wo diesbezüglich nicht zwischen einer Existenzgefährdung und einer Existenzvernichtung differenziert wird.
300Diese Voraussetzungen liegen hier, wie bereits dargelegt, vor. Ebenso kann der Auffassung des Klägers nicht gefolgt werden, das Bundesverwaltungsgericht habe in der von ihm zitierten Entscheidung die oben genannten Grundsätze nur für den Fall aufgestellt, dass es keine realisierbaren Verminderungs- oder Vermeidungsmaßnahmen gebe. Dies lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.
301cc) Ferner führt die Ansicht des Klägers, im Planfeststellungsbeschluss hätte festgestellt werden müssen, dass die ihm durch die Planung entstehenden Schäden insgesamt dem Grunde nach entschädigungspflichtig seien, nicht auf einen Abwägungsfehler. Im Planfeststellungsbeschluss ist im Abschnitt A. 5.9 (Nebenbestimmungen im privaten Interesse) festgestellt, dass durch die Straßenbaumaßnahme betroffene Grundstückseigentümer gegen den Träger der Straßenbaulast einen Anspruch auf Entschädigung dem Grunde nach für die Inanspruchnahme von Grundflächen sowie für sonstige durch das Straßenbauvorhaben hervorgerufene unzumutbare Nachteile hätten. Soweit Flächen für Kompensationsmaßnahmen in Anspruch genommen würden, könnten die jeweils betroffenen Eigentümer die Übernahme dieser Flächen durch den Träger der Straßenbaulast verlangen. Soweit durch das Straßenbauvorhaben selbst oder Kompensationsmaßnahmen Ertragsminderungen einträten, stünden den Betroffenen Entschädigungen dem Grund nach zu (PFB, Seiten 23 f.). Darüber hinaus weist der Planfeststellungsbeschluss darauf hin, dass dem Kläger bei Bedarf eine Pachtaufhebungsentschädigung zustehe; eine endgültige Regelung könne aber erst im gesonderten Grunderwerbs- und Entschädigungsverfahren getroffen werden (PFB, Seite 143). Dieser Gesamtkomplex an Regelungen genügt, um eine Entschädigung des Klägers für entstandene Nachteile sicher zu stellen; dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass die Planfeststellungsbehörde die Existenzgefährdung bzw. -vernichtung des Klägers im Planfeststellungsbeschluss als wahr unterstellt hat. Da die Planfeststellungsbehörde hiermit die Konfliktlösung auf das Entschädigungsverfahren verlagert hat, muss sie sich in jenem Verfahren an der (hier entscheidungserheblichen) Wahrunterstellung festhalten lassen.
302c) Die vom Kläger ausdrücklich im Zusammenhang mit der von ihm befürchteten Existenzgefährdung erhobene Rüge, es bedürfe wegen der (vermeintlichen) Verlärmung des vereinseigenen Mietshauses und der Reithallen weiterer passiver Lärmschutzmaßnahmen, ist unbegründet und führt daher nicht zu einem Abwägungsmangel.
303aa) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen nur sicherzustellen ist, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Maßgeblich ist ausschließlich der Beurteilungspegel des von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms.
304Vgl. BVerwG, (Hinweis)Beschluss vom 25. April 2018 - 9 A 16.16 -, ZUR 2018, 623 (625) = juris, Rn. 84, m. w. N.
305Von maßgeblicher Bedeutung sind dabei die Bestimmungen der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (im Folgenden: Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990, zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. Dezember 2014.
306Gemäß § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV ist beim Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen grundsätzlich sicherzustellen, dass der nach § 3 der 16. BImSchV berechnete Beurteilungspegel bestimmte gebietsbezogene Immissionsgrenzwerte nicht überschreitet.
307Nach § 2 Abs. 2 der 16. BImSchV ergibt sich die für die Festlegung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte maßgebliche Gebietseinstufung aus den Festsetzungen in den Bebauungsplänen (Satz 1). Sonstige in Bebauungsplänen festgesetzte Flächen für Anlagen und Gebiete sowie Anlagen und Gebiete, für die keine Festsetzungen bestehen, sind nach Abs. 1, bauliche Anlagen im Außenbereich nach Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen (Satz 2).
308bb) Mit Blick auf das im Eigentum des Klägers stehende vermietete Sechs-Familienhaus werden diese Grenzwerte eingehalten. Die Planfeststellungsbehörde ist zu Recht von den geltenden Grenzwerten gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV (Kerngebiete, Dorfgebiete, Mischgebiete) - und nicht von den niedrigeren Grenzwerten für Allgemeine Wohngebiete - ausgegangen.
309Aus den in den Akten befindlichen Plänen und im Internet verfügbaren Luftbildaufnahmen ergibt sich, dass sich das Grundstück „Zum I1. 8“, auf dem das Mietshaus steht, im Außenbereich (§ 35 BauGB) befindet. Außenbereich ist danach alles, was „außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 und außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile" liegt.
310Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 14. April 1978 - IV C 68.76 -, Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 7 = juris, Rn. 41.
311Bebauungspläne für den entsprechenden Bereich existieren nicht. Wegen der das Grundstück an drei Seiten umgebenden Frei- bzw. Waldflächen und der nördlich davon gelegenen Reitanlage nimmt es auch nicht am Bebauungszusammenhang des weiter westlich gelegenen Ortsteils C. i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB teil; der Abstand zur nächstgelegenen Bebauung an der M2.--------straße beträgt mindestens 130 m (Messung auf www.tim-online.de) und ist durch dichten Baumbewuchs gekennzeichnet (vgl. Luftbildaufnahme auf www.maps.google.de).
312Entgegen der im Verwaltungsverfahren vertretenen Ansicht wird diese Einordnung im gerichtlichen Verfahren auch vom Kläger nicht mehr in Zweifel gezogen.
313§ 2 Abs. 2 Satz 2 der 16. BImSchV bestimmt, dass bauliche Anlagen im Außenbereich - wie hier - nach Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 der Vorschrift entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit zu beurteilen sind. Das lässt ohne weiteres den Schluss zu, für landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich seien die Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV einschlägig.
314Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 ‑ 9 B 2.07 -, juris, Rn. 8, m. w. N.
315Dies gilt auch für sonstige Wohnnutzungen im Außenbereich.
316Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2003- 9 A 37.02 -, NVwZ 2003, 1393 (1394) = juris, Rn. 28.
317Ausweislich der lärmtechnischen Unterlagen werden an dem Sechs-Familienhaus die nach den vorstehenden Ausführungen mit Blick auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV geltenden Grenzwerte von 64 dB(A) am Tag und 54 dB(A) in der Nacht nicht überschritten. Die höchsten Werte betragen tagsüber 59,2 dB(A) und nachts 53,8 dB(A) (vgl. Unterlage 11.1, Seite 4). Vor diesem Hintergrund sind (weitergehende) passive Lärmschutzmaßnahmen - zusätzlich zu den bereits festgesetzten Maßnahmen des aktiven Schallschutzes in Form einer Lärmschutzwand auf Höhe des Grundstücks - nicht erforderlich.
318cc) Auch im Hinblick auf die Reithallen des Klägers ist eine Überschreitung der Grenzwerte nicht zu befürchten.
319Es bedarf keiner Entscheidung, inwieweit die im Planfeststellungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht der Planfeststellungsbehörde, der Anwendungsbereich der 16. BImSchV beziehe sich nur auf Räume, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt seien, so dass die Reitanlage samt den Reithallen hiervon nicht erfasst sei, in ihrer Allgemeinheit zutrifft.
320Vgl. etwa zur Anwendung der 16. BImSchV auf Kleingartenanlagen: BVerwG, Beschluss vom 17. März 1992 - 4 B 230.91 -, Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 3 = juris, Rn. 6.
321Selbst wenn der Anwendungsbereich der 16. BImSchV eröffnet wäre, gälten dieselben Grenzwerte, die hinsichtlich des Sechs-Familienhauses Anwendung finden, da sich auch die Reitanlage im Außenbereich befindet. Dass diese Grenzwerte an den Reithallen oder auf der weiteren Reitanlage überschritten werden könnten, ist nicht ersichtlich. Vielmehr geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass an der Reithalle sogar die für Allgemeine Wohngebiete geltenden Grenzwerte eingehalten werden (PFB, Seite 72).
322dd) Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht führt der Umstand, dass die Verlärmung des Sechs-Familienhauses sowie der Reithallen für die Existenzgefährdung mitursächlich sein sollen, nicht zu einem Anspruch auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes mit dem Ziel, die Grenzwerte der 16. BImSchV noch zu unterschreiten. Ungeachtet dessen, dass die Planfeststellungsbehörde die Existenzgefährdung des Klägers in rechtmäßiger Weise unterstellt hat, gibt es für ein derartiges Begehren im geltenden Recht keine Anspruchsgrundlage. Die 16. BImSchV dient dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche.
323Vgl. Bracher, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Kommentar, 90. Egl. Juni 2019, 16. BImSchV, § 2 Rn. 1.
324Mit Blick auf den genannten Schutzzweck ist es unerheblich, ob eine Person „nur“ durch Verkehrsgeräusche belastet wird oder ob sie zusätzlich aufgrund der Verkehrsgeräusche in ihrer Existenz gefährdet ist. Eine unterschiedliche Grenzwertsetzung kann daraus nicht folgen. Sähe man dies anders, hätte das zur Folge, dass Personen, deren Existenz aufgrund des Verkehrslärms gefährdet wäre, eine Privilegierung erführen. Hierfür gibt es unter dem Blickwinkel des Schutzzwecks der 16. BImSchV keine sachliche Rechtfertigung.
325ee) Schließlich gehören Mietwerteinbußen, auf die sich der Kläger in diesem Zusammenhang beruft, als solche nicht zum Abwägungsmaterial. Für den Verkehrswert ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass er keinen eigenständigen Abwägungsposten darstellt. Für den Mietwert kann nichts anderes gelten. Er hängt ebenso wie der Verkehrswert von vielen Faktoren ab, die im Rahmen der Planung nicht sämtlich berücksichtigt werden können oder müssen.
326Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2005- 9 A 80.03 -, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 43 = juris, Rn. 28, m. w. N., und Beschluss vom 18. März 2008 - 9 VR 5.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 = juris, Rn. 11.
327Hierauf weist der Planfeststellungsbeschluss (Seiten 131 f.) zu Recht hin.
328d) Der Vortrag des Klägers, der Umstand, dass die Belastungen durch Lärm und Staub während der Bauzeit zur Existenzgefährdung beitrügen, sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, zeigt - unabhängig von der zulässigen Wahrunterstellung einer solchen Gefährdung durch die Planfeststellungsbehörde - ebenfalls keinen Abwägungsfehler auf.
329aa) Die durch die Straßenbauarbeiten verursachten Lärm- und Schadstoffbelastungen müssen wegen ihres unregelmäßigen Entstehens nicht durch eine Lärm- bzw. Schadstoffprognose ermittelt werden.
330Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 ‑ 9 A 8.10 ‑, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215 = juris, Rn. 111.
331Gleiches gilt für Erschütterungen.
332Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. November 2017 ‑ 11 D 12/12.AK ‑, juris, Rn. 401.
333bb) Der Beklagte hat im Planfeststellungsbeschluss im Hinblick auf Baulärm und Erschütterungen in den Abschnitten A. 5.4 sowie 5.10 (Seiten 16 f. und 24 f.) verschiedene Nebenbestimmungen angeordnet, die zu einer weitgehenden Minimierung der Immissionsbelastung für den Kläger während der Bauphase führen. Insbesondere hat der Vorhabenträger bei Durchführung der Bauarbeiten die Maßgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm und Geräuschimmissionen vom 19. August 1970 - AVV Baulärm - zu beachten. Dem Vorhabenträger ist zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Erschütterungen bei allen Bauarbeiten in der Nähe von Gebäuden jedweder Nutzungsart aufgegeben worden, bestehende Anhaltswerte für Erschütterungen, unterhalb derer schädliche Erschütterungsimmissionen ausgeschlossen werden können, einzuhalten. Für den Fall, dass es während der Bauarbeiten zu Überschreitungen der Anhaltswerte kommen sollte, sind die Arbeiten zu unterbrechen, die Ursache der Überschreitung zu ermitteln und das Bauverfahren gegebenenfalls entsprechend zu modifizieren. Ferner ist der Vorhabenträger gehalten, laute, plötzliche Baugeräusche bzw. Erschütterungen auf ein Minimum zu reduzieren. Besonders lärm- und erschütterungsintensive Arbeiten sind dem Kläger anzuzeigen und auf ein tägliches Zeitfenster zu begrenzen. Dieses Zeitfenster ist, sofern ein zügiger Bauablauf dadurch nicht gefährdet wird, mit dem Kläger abzustimmen. Soweit möglich sind zum Schutz von Reitern und Tieren mobile Schallschutzwände zu errichten, um so den Baulärm zu reduzieren. Damit ist sichergestellt, dass mögliche Beeinträchtigungen während der Bauphase minimiert werden.
334Dass es dennoch zu Beeinträchtigungen kommen kann, ist unvermeidbar. Die Nebenbestimmungen enthalten daher zudem den Passus, dass in dem Fall, dass trotz optimierter Bauverfahren die Anhaltswerte überschritten und dadurch Schäden verursacht werden, diese „nach den Grundsätzen des § 906 BGB zu entschädigen“ sind. Das ist nicht zu beanstanden.
335Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 17. November 2017 ‑ 11 D 12/12.AK ‑, juris, Rn. 406.
336Damit sind die Rechtspositionen des Klägers ausreichend geschützt und berücksichtigt.
337e) Ein Abwägungsfehler folgt auch nicht aus der Kritik des Klägers, das planfestgestellte Vorhaben führe dazu, dass das Vereinsgelände (teilweise) vom Reitwegenetz abgeschnitten und die Nutzung des Reitrundwegs vereitelt werde.
338aa) Der Kläger hat bereits keinen Anspruch auf Beibehaltung aller Zuwegungen zum Reitwegenetz. Aus einem vorhandenen Lagevorteil lässt sich kein Anspruch auf den Fortbestand einer Verkehrsanbindung herleiten, die für eine bestimmte Grundstücksnutzung von besonderem Vorteil ist.
339Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Mai 2015- 11 D 7/12.AK -, juris, Rn. 196.
340Diese Grundsätze gelten auch für die Anbindung an ein Reitwegenetz.
341Vgl. in diesem Zusammenhang: BVerwG, Urteil vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 -, Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 = juris, Rn. 51.
342bb) Das Vorgehen der Planfeststellungsbehörde stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als abwägungsfehlerhaft dar.
343(1) Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, die Zuwegung zum Reitrundweg über die jedenfalls für unerfahrene Reiter unpassierbare Brücke (Bauwerk Nr. 5) führe zu einem weiteren Attraktivitätsverlust, der die Gefahr einer Existenzvernichtung erheblich steigere, dringt er damit bereits deshalb nicht durch, da die Planfeststellungsbehörde eine solche entsprechend obiger Ausführungen in ihrer Abwägung unterstellt hat.
344(2) Im Übrigen wird im Planfeststellungsbeschluss ausgeführt, die von Reitern genutzten Wegebeziehungen blieben auch nach der Verwirklichung der Trasse in ausreichendem Umfang erhalten oder würden in ausreichendem Umfang wieder hergestellt (PFB, Seite 102). Insofern hat der Kläger im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch eingeräumt, unterhalb des Bauwerks Nr. 4 könne das freie Gelände problemlos erreicht werden. Soweit der Kläger hingegen behauptet, das Brückenbauwerk Nr. 5 könne mit Pferden nicht gefahrlos passiert werden, ist der Einwand unsubstantiiert. Der Kläger meint, es drohe die Gefahr, dass die Pferde aufgrund des Gegenverkehrs bzw. des Lärms, der von der Straße unterhalb des Bauwerks Nr. 5 ausgehe, scheuten. Mit dem Beklagten ist indes davon auszugehen, dass das Bauwerk Nr. 5 zum Passieren mit Pferden geeignet ist. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass die Brücke zwischen den Geländern eine Breite von immerhin 4,65 m aufweist. Ferner handelt es um eine Zufahrtstraße nur für bestimmte Fahrzeuge und Personengruppen, so dass kein hohes Verkehrsaufkommen zu erwarten ist. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass Pferde, die außerhalb befriedeter Besitztümer geritten bzw. geführt werden, zumindest in gewissem Maße an - auch lautere - Umgebungsgeräusche gewöhnt sind bzw. sich an diese Umstände gewöhnen können. Dies hat die in der mündlichen Verhandlung anwesende Gutachterin des Beklagten Frau Dr. N. noch einmal ausdrücklich bestätigt. Darüber hinaus hat die Planfeststellungsbehörde im Klageverfahren angekündigt, eine Optimierung des Brückenbauwerks hinsichtlich der reiterlichen Belange (z. B. in Form einer Erhöhung der Geländer sowie der Anbringung von Aufsteighilfen an beiden Seiten) werde in der Ausführungsplanung zu berücksichtigen sein.
345(3) Da die Anbindung ans Reitwegenetz auch über das Brückenbauwerk Nr. 5 weiterhin gewährleistet ist, ist dem in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand des Klägers, statt des Brückenbauwerks sei die Planung einer Grünbrücke mit einer kombinierten Überführung für Reiter erforderlich, nicht weiter nachzugehen.
346(a) Soweit sich der Kläger des Weiteren darauf beruft, die Anlage einer Grünbrücke an dieser Stelle sei aus „naturschutzfachlichen Gründen“ geboten, fehlt ihm insoweit die Rügebefugnis.
347Wie bereits ausgeführt, reicht der Vollüberprüfungsanspruch des durch die Planung Enteignungsbetroffenen nur so weit, wie der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seines Grundstücks kausal ist. Er fehlt etwa dann, wenn der geltend gemachte öffentliche Belang nur von kleinräumiger Bedeutung ist und auch seine fehlerfreie Beachtung nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des Grundstücks führen würde. Die Rügebefugnis des Enteignungsbetroffenen beschränkt sich somit im Wesentlichen auf solche Fehler bei der Anwendung des objektiven Rechts, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine fehlerfreie Behandlung zu einer anderen Trassenführung im Bereich des enteignungsbetroffenen Grundstücks führen würde.
348Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. November 2018 ‑ 9 A 10.17 -, juris, Rn. 52 und 60.
349Ausgehend hiervon zeigt der Kläger mit dem Vorbringen, aus naturschutzfachlichen Gründen hätte anstelle des Brückenbauwerks Nr. 5 eine Grünbrücke errichtet werden müssen, da andernfalls keine Querungsmöglichkeit für die Tierwelt vorgesehen sei, Abwägungsfehler, die sich auf die Inanspruchnahme seiner Grundstücke ausgewirkt haben könnten, nicht auf. Es fehlt bereits an der - erforderlichen - konkreten Darlegung, dass der gerügte Fehler sich auf die Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers ausgewirkt haben könnte. Selbst unterstellt, an dem mehr als 400 m von den Grundstücken des Klägers entfernt liegenden Bauwerk Nr. 5 hätte eine Grünbrücke errichtet werden müssen, um eine erforderliche Querungshilfe für Wildtiere zu schaffen, hätte sich dies auf die Grundstücke des Klägers nicht auswirken können.
350(b) Unabhängig davon übersieht der Kläger, dass mit dem Bauwerk Nr. 4 bereits eine Querungshilfe für Tiere geplant ist. Das Bauwerk Nr. 4 ermöglicht Tieren ein problemloses Wechseln von Ost nach West (PFB Seiten 103, 123). Die Vorgaben des Merkblatts für Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen (M AQ 2008) werden beachtet und eine entsprechende Dimensionierung der Brücke ist vorgesehen. Entgegen der Ansicht des Klägers weist das Bauwerk Nr. 4 eine lichte Weite von 75 m - und nicht nur 17 m - auf und erfüllt damit als Talbrücke die gleiche ökologische Funktion wie eine Grünunterführung (M AQ 2008, Seite 9). Da das Bauwerk Nr. 4 eine lichte Höhe von mehr als 7 m über den Wirtschaftswegen sowie von ca. 11 m über der Talsole erreicht, ist auch insofern den entsprechenden Anforderungen (mindestens 5 m; M AQ 2008, Seite 9) Genüge getan. Die Mitführung von Wirtschaftswegen ist zwar zu vermeiden, verhindert aber die Einstufung einer Talbrücke als Grünunterführung ebenfalls nicht (M AQ 2008, Seite 9).
351Dem Einwand des Klägers, der Durchlass sei nur an einer Seite an die freie Landschaft angebunden und auf der anderen Seite ringsum von eingezäunten Flächen umgeben, ist der Beklagte im gerichtlichen Verfahren überzeugend entgegengetreten, indem er ausgeführt hat, sowohl Rehe als auch Schwarzwild nutzten Viehweiden zur Nahrungssuche, sodass die Weidezäune keine Barrieren darstellten. Ferner führten geeignete Leitstrukturen zum Bauwerk hin, die vorgesehenen Irritationsschutzwände unterstützten die Akzeptanz des Bauwerks und großräumige Wildwanderwege würden nicht zerschnitten. Für kleinere Säugetiere wie die Haselmaus oder Vögel bzw. Fledermäuse geht dieser Einwand ohnehin ins Leere.
352f) Die sich auf insgesamt ca. 69,- Euro pro Jahr belaufenden Kosten aufgrund von Deformationen (ca. 12,- Euro/Jahr) und Mehrwegen (ca. 57,- Euro/Jahr) sind, wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, marginal und daher vernachlässigbar. Die bloße Behauptung des Klägers, die Angaben seien nicht belastbar, ist unsubstantiiert und kann daher die Einschätzung im Gutachten der Planfeststellungsbehörde nicht in Zweifel ziehen. Im Übrigen ist im Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich festgehalten, die durch Umwege entstehenden Nachteile würden gering gehalten, eine Erschließung der Grundstücke sei sichergestellt (vgl. PFB, Seiten 133 f.).
353g) Den weiteren, auf die Frage der „allgemeinen Existenzgefährdung“ bezogenen Einwänden, die Pachteinnahmen sänken, die Mitgliederzahlen und damit die Einnahmen aus der Pensionspferdehaltung gingen zurück, die gesamte Attraktivität der Reitanlage sinke und der Pächter der Flächen werde nicht mehr unentgeltlich tätig, muss mit Blick auf die von der Planfeststellungsbehörde unterstellte Existenzgefährdung des Klägers nicht nachgegangen werden.
3542. Abwägungsfehler ergeben sich auch nicht mit Blick auf die eingeholten Verkehrsuntersuchungen. Die dagegen erhobene Kritik des Klägers verfängt nicht.
355a) Eine gesetzliche Vorgabe, nach welchen Methoden und unter Zugrundelegung welcher Annahmen Verkehrsprognosen als Grundlage für eine Abwägung nach § 17 FStrG bzw. den §§ 41 und 42 BImSchG zu erstellen sind, gibt es nicht. Sie sind mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände methodisch fachgerecht zu erstellen. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist.
356Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2018- 9 C 1.17 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 242 = juris, Rn. 13, m. w. N.
357Dabei ist zwischen der für die Bundesverkehrswegeplanung erstellten, auf das Fernstraßennetz bezogenen deutschlandweiten Verflechtungsprognose für die großräumigen Netzbeeinflussungen einerseits und den für die Planung einzelner Vorhaben erstellten (projektbezogenen) Verkehrsuntersuchungen andererseits zu unterscheiden. Zwar beziehen sich in der Regel beide auf denselben Prognosezeitraum. Letztere betrachten aber einen deutlich kleineren Planungsraum. In sie fließen zudem Daten über Verkehrsbeziehungen im regionalen und lokalen Straßennetz ein. Projektbezogene Verkehrsprognosen sind die zentrale Grundlage für den Neubau oder die Änderung eines Straßenvorhabens. Auf ihnen beruht nicht nur die Planung der technischen Ausstattung der Straße, sondern insbesondere auch das Lärmschutzkonzept, das sich an den gesetzlichen Vorgaben zu orientieren hat. Projektbezogene Verkehrsuntersuchungen müssen daher in einem sehr frühen Verfahrensstadium erstellt werden.
358Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2018- 9 C 1.17 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 242 = juris, Rn. 15 f., m. w. N.
359Die Auswirkungen anderer Projekte müssen dabei unabhängig davon, ob sie voraussichtlich zu Belastungen oder Entlastungen führen, nach gleichen Maßstäben beurteilt werden. Bei einem Projekt, das im Bedarfsplan des Bundes in der Kategorie des vordringlichen Bedarfs aufgeführt ist, kann regelmäßig von seiner Verwirklichung im Geltungszeitraum des Bedarfsplans ausgegangen werden. Denn durch diese Einstufung gibt der Gesetzgeber seinen Willen zur beschleunigten Verwirklichung dieser Vorhaben zu erkennen.
360Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2018- 9 C 1.17 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 242 = juris, Rn. 17, 21, m. w. N.
361b) Angesichts dessen kann der Kläger mit seinem Einwand, es fehle eine Verkehrsprognose, die nur die Verkehrszahlen für die hiesige isolierte Ortsumfahrung Kreuztal prognostiziere, nicht durchdringen, da eine solche nicht angezeigt war. Vielmehr sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der der Abwägung zugrunde zu legenden Verkehrsprognose auch weitere geplante oder bereits im Bau befindliche Vorhaben zu berücksichtigen. Ferner geht der Kläger zu Unrecht davon aus, alle Planfälle enthielten u. a. die Annahme, dass für weitere Streckenabschnitte der B 508 ein Ausbau erfolge oder bereits erfolgt sei. Jedenfalls der Prognosefall 1 berücksichtigt mit Blick auf die B 508 allein den Neubau des hier planfestgestellten Streckenabschnitts (vgl. PFB, Seiten 48 f.).
362c) Ungeachtet dessen hat der Kläger mit seinem Einwand auch deshalb keine durchgreifenden Abwägungsfehler aufgezeigt, weil es an einer darauf aufbauenden Rüge fehlt, aus der sich ergeben könnte, dass die auf der Grundlage der (fehlerhaften) Verkehrsprognose durchgeführten Berechnungen zum Lärm bzw. zu den Immissionen fehlerhaft gewesen sein könnten.
3633. Die Abwägung begegnet auch im Hinblick auf die geplante Trassierung keinen Bedenken.
364Die gewählte Trassenführung entspricht zwar - wie die Planfeststellungsbehörde selbst einräumt - hinsichtlich der geplanten Längsneigung nicht den Vorgaben der RAL 2012. Der Planfeststellungsbeschluss ist deshalb aber nicht abwägungsfehlerhaft.
365a) Die in den Richtlinien für die Anlage von Straßen vorgegebenen technischen Ausbauparameter sind für die gerichtliche Abwägungskontrolle nicht bindend. Die Richtlinien bringen lediglich die anerkannten Regeln für die Anlage von Straßen zum Ausdruck, wobei sie bei der Trassenführung den gestiegenen Stellenwert des Umweltschutzes und den Aspekten der Wirtschaftlichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Verkehrssicherheit und der Erkenntnisse über den Verkehrsablauf Rechnung tragen.
366Vgl. zur Richtlinie RAS-Q 1996: BVerwG, Urteil vom 19. März 2003 - 9 A 33.02 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 = juris, Rn. 37.
367Zudem sieht die Richtlinie vor, dass ein Vorhabenträger in begründeten Einzelfällen von den in ihr enthaltenen Soll-Vorgaben abweichen darf (RAL 2012, Seite 11).
368Insofern kann der Auffassung des Klägers, die Vorgaben der RAL 2012 seien für das Verfahren bindend und eine Abweichung hiervon in jedem Fall unzulässig, nicht gefolgt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung für eine bestimmte Trassierung - die ggf. von den Vorgaben der RAL 2012 abweicht - im Einzelfall alle relevanten Belange abgewogen hat.
369b) Ausgehend hiervon ist der Planfeststellungsbehörde kein Abwägungsfehler bei der Entscheidung unterlaufen, trotz der mittlerweile geltenden Vorgaben der RAL 2012 an der bisherigen Planung - insbesondere im Hinblick auf die gewählte Längsneigung - festzuhalten. Dabei ist ohne Belang, ob das Bundesverkehrsministerium der Abweichung von den Vorgaben der Richtlinie zugestimmt haben sollte oder nicht, da sich der Kläger hierauf nicht berufen könnte.
370aa) Der Beklagte hat im Planfeststellungsbeschluss und nachfolgend in seiner Klageerwiderung sowie in der mündlichen Verhandlung umfänglich begründet, warum er sich aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls für eine hinsichtlich der Längsneigung von den Vorgaben der RAL 2012 abweichende Planung entschieden hat, wobei es unerheblich ist, ob die Längsneigung maximal 6 % oder entsprechend den Ausführungen des Gutachters des Klägers in der mündlichen Verhandlung (in einem kurzen Teilstück beim Übergang in die B 54) maximal 7 % beträgt. Zur Begründung hat der Beklagte insbesondere auf die topografischen Verhältnisse im Siegerland, Zwangspunkte bei der Planung (u. a. Quellbereiche, Bodendenkmäler und vorhandene Wohnbebauung), den weit fortgeschrittenen Planungsstand sowie wirtschaftliche Erwägungen verwiesen. Hierbei habe er insbesondere auch in seine Abwägung eingestellt, dass eine Einhaltung der Trassierungsvorgaben der RAL 2012 zu tieferen Einschnitten in die vorhandenen Geländestrukturen und damit auch zu einer größeren Belastung der angrenzenden Grundstücke - auch der des Klägers - geführt hätte. Da in Anbetracht der geplanten Dreispurigkeit der Straße sowie des vorgesehenen Tempolimits von 80 km/h auch bei der geplanten Längsneigung keine erheblichen Verkehrsgefährdungen zu befürchten seien, habe man sich nach Abwägung aller relevanten Belange zu einer Fortführung der Planung in Abweichung von den Vorgaben der mittlerweile geltenden RAL 2012 entschieden (vgl. PFB, Seiten 55 f.).
371bb) Die Behauptung des Klägers, angesichts des hohen Verkehrsaufkommens mit einem Schwerlastanteil von 9 % und schwierigen Verkehrsverhältnissen in den Wintermonaten sei die gewählte Steigung aus Sicht der Verkehrssicherheit problematisch, vermag - auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags in der mündlichen Verhandlung - diese Einschätzung des Beklagten nicht durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Im Übrigen könnte sich der Kläger nicht isoliert auf Belange der Verkehrssicherheit berufen, da ihm insofern mangels subjektiven Rechts die Rügebefugnis fehlt. Dass sich mögliche Abwägungsfehler bei der Wahl der Trassierung hinsichtlich der Verkehrssicherheit auf die Inanspruchnahme seiner Grundstücke ausgewirkt haben könnte, hat er nicht substantiiert dargelegt.
372Der erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand, die Einhaltung der Trassierungsvorgaben der RAL 2012 hätte zu einem anderen Trassenverlauf geführt, der mit geringeren bis keinen Eingriffen in sein Eigentum verbunden gewesen wäre, insbesondere hätte der Bau eines Tunnels auch unter diesem Aspekt abgewogen werden müssen, greift - unabhängig von der Frage, ob der Kläger mit diesem Einwand nach § 6 UmwRG präkludiert wäre - nicht durch. Wie die Vertreter des Vorhabenträgers in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, hätte die Einhaltung der Vorgaben der RAL 2012 lediglich dazu geführt, dass der Einschnitt in vorhandenes Gelände tiefer hätte ausfallen müssen, um eine flachere Streckenführung mit einer maximalen Längsneigung von 4,5 % bzw. 5,5 % zu erreichen; der Bau eines Tunnels oder eine gänzlich andere - von der durch Erlass des Bundesverkehrsministeriums festgesetzten Linienbestimmung abweichende - Trassenführung wäre dagegen auch bei Einhaltung der Vorgaben der RAL 2012 nicht in Betracht gekommen. Insofern wären die Grundstücke des Klägers auch bei Anwendung der Vorgaben der RAL 2012 unverändert - wenn nicht sogar stärker - in Anspruch genommen worden.
373Diese Einlassungen des Vertreters des Vorhabenträgers sind nachvollziehbar. Wären die Trassierungsvorgaben der RAL 2012 für die Entwurfsklasse 2 eingehalten, hätte dies zur Folge, dass am höchsten Punkt der Straße ein um etwa 2,5 m - im Fall der vom Kläger angenommenen Einordnung der Straße als Entwurfsklasse 1 um etwa 7,5 m - tieferer Einschnitt hätte vorgenommen werden müssen. Die Strecke, die tatsächlich eine Steigung bzw. Neigung von 6 % aufweist, beträgt nach den Planunterlagen auf der zum Grundstück des Klägers hin gelegenen Seite des Mühlenkopfs lediglich knapp 500 m (Bau-km +0,163 bis Bau-km +0,636, vgl. Unterlage 4), während die Steigung/Neigung davor und danach geringer ausfällt.
374cc) Auch mit dem Argument, eine geänderte Planung entsprechend den Vorgaben der RAL 2012 hätte eine geringere Lärmbelastung für die Reitanlage zur Folge, kann der Kläger nicht durchdringen, da bereits mit der geplanten Längsneigung - wie unter C. III. 1. c) dargelegt - die Lärmvorgaben nach der 16. BImSchV eingehalten werden und kein Anspruch darauf besteht, dass diese Vorgaben (aus Gründen einer drohenden Existenzvernichtung) bei der Planung unterschritten werden.
375dd) Da der Senat bereits auf Grundlage der vorhandenen Unterlagen davon überzeugt ist, dass keine Abwägungsfehler im Hinblick auf die geplante Trassierung vorliegen, hat er die vom Kläger angeregte Vorlage des Sicherheitsaudits vom 9. Dezember 2010 nicht als notwendig erachtet, zumal es sich dabei ohnehin nur um behördeninterne „Rohdaten“ handeln dürfte, die nach den oben im Rahmen des Artenschutzes ausgeführten Maßstäben (Abschnitt C. II. 1.) nicht offenzulegen sind.
3764. Abwägungsfehler ergeben sich auch nicht mit Blick auf Luftschadstoffe. Die Rügen des Klägers zu einer fehlerhaften Behandlung der Luftschadstoffproblematik greifen nicht durch.
377a) Der Planfeststellungsbeschluss ist insoweit nicht abwägungsfehlerhaft. Denn die Einhaltung der Grenzwerte der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (im Folgenden: Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) vom 2. August 2010 ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planfeststellung eines Straßenbauvorhabens, weil Grenzwertüberschreitungen nach dem System der Luftreinhalteplanung (vgl. § 47 BImSchG und § 27 der 39. BImSchV) unabhängig von den Immissionsquellen zu vermeiden sind.
378Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012- 9 A 19.11 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 = juris, Rn. 38.
379Allerdings ist das Gebot der Konfliktbewältigung als Ausformung des Abwägungsgebots verletzt, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu vereinbarenden Weise zu sichern. Das ist insbesondere der Fall, wenn die von einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abgesehen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt. Für die Annahme, dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen.
380Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012- 9 A 19.11 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 = juris, Rn. 38.
381Solche besonderen Umstände können sich vor allem aus ungewöhnlichen örtlichen Gegebenheiten (zentrale Verkehrsknotenpunkte, starke Schadstoffvorbelastung durch eine Vielzahl von Emittenten) ergeben.
382Vgl. zur 22. BImSchV: BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004 - 9 A 6.03 -, Buchholz 406.25 § 48a BImSchG Nr. 1 = juris, Rn. 29; ferner OVG NRW, Urteile vom 11. September 2019 - 11 D 81/16.AK -, juris, Rn. 185, und vom 17. November 2017 - 11 D 12/12.AK -, juris, Rn. 350.
383Derartige besondere Umstände sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
384Das zum Gegenstand der Planfeststellung gemachte, mit dem Deckblatt II eingeführte Luftschadstoffgutachten von Februar 2013 (Unterlage 14-II) kommt auf der Grundlage der vom Beklagten angegebenen Verkehrsmengen für das Prognosejahr 2025 zu dem Ergebnis, dass die über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerte von jeweils 40 µg/m3 sowohl für Stickstoffdioxid (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV) als auch für Feinstaub PM10 (§ 4 Abs. 2 der 39. BImSchV) und der geltende Immissionsgrenzwert von 25 µg/m3 für Feinstaub PM2,5 (§ 5 Abs. 2 der 39. BImSchV) deutlich bis weit unterschritten werden. Auch der Stundenmittelwert für NO2 von 200 µg/m3, der nicht mehr als 18 Stunden pro Jahr überschritten werden darf (§ 3 Abs. 1 der 39. BImSchV), und der Tagesmittelwert der PM10-Konzentration von 50 µg/m3, der maximal an 35 Tagen überschritten werden darf (§ 4 Abs. 1 der 39. BImSchV), werden sicher eingehalten (vgl. Unterlage 14-II, Seite 29 samt Tabelle 6.1).
385b) Unabhängig davon werden die Immissionsgrenzwerte der 39. BImSchV eingehalten.
386aa) Der Kläger hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Berechnungen im lufthygienischen Fachgutachten aus dem Jahr 2013 noch auf der Grundlage des HBEFA 3.1 erfolgt sind, welches zum Zeitpunkt der Planfeststellung nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprochen hat.
387Das HBEFA beinhaltet Emissionsfaktoren für verschiedene Fahrzeugkategorien und Verkehrssituationen. Dieses „Handbuch“, das eine Datenbank zu den spezifischen Emissionsfaktoren für die gängigsten Fahrzeugtypen und eine Reihe von Schadstoffen enthält, ist vom Umweltbundesamt und den Umweltämtern anderer europäischer Länder entwickelt worden und wird von diesen fortgeschrieben. Die Fahrzeugkategorien im HBEFA spiegeln den jeweiligen Stand der Technik wider. Darin enthalten sind aktuelle Entwicklungen und auch Prognosen für zukünftige Abgasnormen sowie der Anteil der Fahrzeuge mit der jeweiligen Abgasnorm an der Fahrzeugflotte. Das HBEFA liefert ferner Emissionsfaktoren pro Kilometer oder Verkehrsvorgang in Abhängigkeit bestimmter Parameter. Hierzu zählen die Emissionsart, die Fahrzeugkategorie, die Bezugsjahre, die Schadstoffkomponenten, die Verkehrssituation, die Längsneigung sowie die Einflussfaktoren von Kaltstartzuschlägen und für die Bestimmung von Verdampfungsemissionen nach Motorabstellen.
388Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 -, Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 75 = juris, Rn. 66; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9. Februar 2010 - 3 S 3064/07 -, juris, Rn. 139 ff.
389Dies ändert im Ergebnis aber nichts. Wie die Planfeststellungsbehörde durch Vorlage des lufthygienischen Fachgutachtens der Firma M1. GmbH von August 2020 dargelegt hat, werden die Immissionsgrenzwerte der 39. BImSchV sowohl bei Berücksichtigung der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses geltenden Berechnungsgrundlagen des HBEFA 3.3 als auch bei Berücksichtigung des aktuell geltenden HBEFA 4.1 eingehalten. Das neue Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass unter Zugrundelegung beider Berechnungsmodelle die über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerte sowohl für NO2 (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV) als auch für Feinstaub PM10 (§ 4 Abs. 2 der 39. BImSchV) sowie für Feinstaub PM2,5 (§ 5 Abs. 2 der 39. BImSchV) an allen beurteilungsrelevanten Untersuchungspunkten deutlich unterschritten werden. Auch die Vorgaben des § 3 Abs. 1 der 39. BImSchV sowie des § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV werden sicher eingehalten (vgl. lufthygienisches Fachgutachten von August 2020, Seiten 24 ff.; Stellungnahme zu Einwendungen zum lufthygienischen Fachgutachten, Seiten 3 f.).
390bb) Die gegen die in den lufthygienischen Fachgutachten errechnete Hintergrundbelastung sowie die verwendeten Tagesganglinien erhobenen Einwände des Klägers greifen nicht durch. Die Behauptung des Klägers, die Hintergrundbelastung sei deutlich zu niedrig angesetzt, ist unsubstantiiert und vermag die gutachterlichen Feststellungen zur gewählten Hintergrundbelastung nicht in Zweifel zu ziehen. Gleiches gilt für die Einwände des Klägers gegen die verwendeten Tagesganglinien, die sich im Wesentlichen in der Behauptung erschöpfen, die Parameter zu den maximalen Spitzenstundenbelastungen und den Kaltstartzuschlägen seien veraltet, ohne die von den Gutachtern verwendeten Daten konkret anzugreifen und anzugeben, mit welchen Werten stattdessen hätte gerechnet werden müssen.
391c) Die zuletzt erhobene Forderung, es müsse auch für die Ortsdurchfahrt L. eine (Neu-)Berechnung der Luftschadstoffe vorgelegt werden, um auszuschließen, dass dort die Grenzwerte der 39. BImSchV überschritten werden, liegt neben der Sache, da sich der Kläger auf eine mögliche Überschreitung der Grenzwerte im ca. 2 km entfernten L. mangels subjektiven Rechts nicht berufen könnte. Im Übrigen erscheint eine Überschreitung der Grenzwerte in L. aufgrund des geplanten Baus der Ortsumgehung auch deswegen fernliegend, da die prognostizierten Luftschadstoffe an allen im Plangebiet liegenden Aufpunkten - bei nur geringfügig geringerer prognostizierter Verkehrsbelastung als in L. - lediglich die Hälfte der geltenden Grenzwerte erreichen und das Vorhaben zudem die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auch in der Ortsdurchfahrt L. erheblich verbessern dürfte, wie die Vertreter des Vorhabenträgers in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt haben.
392D. Der Hilfsantrag ist begründet. Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig und darf nicht vollzogen werden.
393Der Kläger wird durch die Inanspruchnahme eines Teils seiner Flächen von insgesamt 6,28 ha für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in seinen Rechten verletzt. Der Beklagte hat es versäumt, bei der Flächenauswahl die Eigentumsinteressen des Klägers hinreichend zu berücksichtigen und so zu gewährleisten, dass das Ausgleichskonzept dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot entspricht (dazu II.). Dieser Mangel rechtfertigt allerdings nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern nur die Feststellung, dass der Beschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf (dazu III.).
394I. Es ist - wie bereits unter C. III. 1. a) ausgeführt - grundsätzlich Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, sich in Ausübung der ihr übertragenen planerischen Gestaltungsfreiheit darüber schlüssig zu werden, ob und in welchem Umfang sie zur Verwirklichung eines von ihr für erforderlich gehaltenen planfeststellungsbedürftigen Vorhabens außer in öffentliche Belange auch in Rechte Dritter eingreifen will, und das Gewicht der mit diesen Eingriffen verbundenen Nachteile den mit dem Vorhaben verbundenen Vorteilen selbständig abwägend gegenüberzustellen. Dies gilt im Besonderen für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen. Soweit für solche Maßnahmen auf privaten Grund und Boden zurückgegriffen werden sollte, ist mit Rücksicht auf die enteignende Vorwirkung der naturschutzrechtlichen Anordnung das rechtsstaatliche Übermaßverbot zu beachten, um dem Gemeinwohlerfordernis des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG Rechnung zu tragen. Danach setzt die Anordnung zunächst voraus, dass die Ausgleichsmaßnahme zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet ist; es dürfen nur solche Flächen in Anspruch genommen werden, die sich für diesen Zweck objektiv eignen. Weiterhin muss der Zugriff auf privates Grundeigentum zur Erfüllung der naturschutzrechtlichen Ausgleichsverpflichtung erforderlich sein. Daran fehlt es, sofern Kompensationsmaßnahmen an anderer Stelle ebenfalls Erfolg versprechen, dort aber bei einer Gesamtschau den Vorteil bieten, dass dem Betroffenen geringere Opfer abverlangt werden. Der Zugriff auf Privateigentum bei der Suche und Festsetzung naturschutzfachlich geeigneter Ausgleichs- und Ersatzflächen scheidet aus, wenn Kompensationsmaßnahmen im Rahmen der naturschutzfachlichen Gesamtkonzeption an anderer Stelle, insbesondere auf Flächen der öffentlichen Hand oder auf einvernehmlich zur Verfügung gestellten Flächen, gleichen Erfolg versprechen. Schließlich dürfen die mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verbundenen nachteiligen Folgen nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen. Die Schwere der Beeinträchtigung muss vor dem Hintergrund des Gewichts der sie rechtfertigenden Gründe zumutbar sein.
395Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. März 2011 - 7 A 3.10 -, Buchholz 406.400 § 19 BNatSchG 2002 Nr. 7 = juris, Rn. 55, und vom 18. März 2009 - 9 A 40.07 -, Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 16 = juris, Rn. 27; ferner Beschluss vom 11. November 2008 - 9 A 52.07 -, Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 14 = juris, Rn. 6.
396Für die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben ist zu beachten, dass der Planfeststellungsbehörde bei der Bewertung der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zusteht und dass die Ausgestaltung des naturschutzrechtlichen Kompensationsmodells hinsichtlich der Auswahl zwischen grundsätzlich gleich geeigneten Kompensationsmaßnahmen, der naturschutzfachlichen Abstimmung der Kompensationsmaßnahmen untereinander sowie der Berücksichtigung etwaiger multifunktionaler Kompensationswirkungen in erheblichem Umfang Elemente einer planerisch abwägenden Entscheidung aufweist. Aufgrund dessen ist einerseits die gerichtliche Kontrolle der behördlichen Erwägungen zur Dringlichkeit des konkreten Ausgleichskonzepts beschränkt. Andererseits haben die behördlichen Einschätzungs- und Planungsspielräume aber auch zur Konsequenz, dass das Gericht keine eigenständige Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen hat, sondern darauf verwiesen ist, die behördlichen Erwägungen am Maßstab des Übermaßverbots nachzuvollziehen.
397Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 40.07 -, Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 16 = juris, Rn. 28.
398II. Nach diesen Maßstäben ist die naturschutzrechtliche Ausgleichskonzeption in Bezug auf die Flächeninanspruchnahme des Klägers rechtswidrig.
3991. Die Maßnahmen sind zwar zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels - die Inanspruchnahme und Beeinträchtigung von Grünland, Obstwiesen, Hecken, Gehölzstreifen und Gebüschen bzw. von Lebensraum des Neuntöters auszugleichen - auf den Grundstücken des Klägers geeignet.
400Der Kläger vermag mit seinen mit Schriftsatz vom 5. Januar 2021 sowie in der mündlichen Verhandlung gegen die Wirksamkeit der vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen A/ECEF4 und A/ECEF9 im Hinblick auf den Neuntöter erhobenen Einwänden ‑ nachdem er diese in der Klagebegründung noch als „durchaus akzeptabel“ bezeichnet und betont hat, sich nicht gegen die Maßnahmen als solche wenden zu wollen - die naturschutzfachlich vertretbare Einschätzung des Beklagten in dieser Hinsicht nicht zu erschüttern.
401a) Der Ergänzung des Verbotstatbestands in § 44 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BNatSchG liegt - wie der Kläger zu Recht betont - eine funktionsbezogene Zielrichtung zugrunde; die Regelung richtet sich darauf, die von Fortpflanzungs- bzw. Ruhestätten erfüllte ökologische Funktion aufrechtzuerhalten. Der in § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG vorausgesetzte volle Funktionserhalt ist nicht schon dann gegeben, wenn der Eingriff keine messbaren Auswirkungen auf die Reproduktionsbedingungen bzw. Rückzugsmöglichkeiten der lokalen Population als Ganzes hat, sondern erst dann, wenn für die mit ihren konkreten Lebensstätten betroffenen Exemplare einer Art die von der Lebensstätte wahrgenommene Funktion vollständig erhalten bleibt, also z. B. dem in einem Brutrevier ansässigen Vogelpaar weitere geeignete Nistplätze in seinem Revier zur Verfügung stehen oder durch Ausgleichsmaßnahmen ohne zeitlichen Bruch bereitgestellt werden. Dabei ist entscheidend, ob der verbleibende und/oder neu zu schaffende Lebensraum die beeinträchtigten Funktionen für die betroffenen Exemplare auffängt, so dass es nicht zu einer Minderung des Fortpflanzungserfolgs bzw. des Energiehaushalts der Exemplare der betroffenen Population kommt.
402Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201 = juris, Rn. 67; Lau, in: Frenz u. a., BNatSchG, Kommentar, 2011, § 44, Rn. 39.
403b) Diese Anforderungen haben die Gutachter des Vorhabenträgers berücksichtigt und sind zu dem naturschutzfachlich nachvollziehbaren Ergebnis gekommen, die durch die Ausgleichsmaßnahmen neu geschaffenen Bruthabitate für die Zielart Neuntöter in direkter Verbindung zu geeigneten Nahrungshabitaten in räumlicher Nähe zu den (potentiell) entfallenden Brutstandorten würden von den betroffenen Vögeln auch tatsächlich als Ersatzlebensraum angenommen; insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Neuntöter jedes Jahr neue Nester in geeigneten Strukturen anlege und über ein bis zu 6 ha großes Brutrevier verfüge, könne so die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätte im räumlichen Zusammenhang erhalten bleiben (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seiten 56 ff.). Dass die Annahme einer Inanspruchnahme zweier Brutquartiere des Neuntöters nur auf einer Worst-Case-Betrachtung beruht (vgl. Unterlage 12.4.1-III, Seite 57), ist nach den im Rahmen des Artenschutzes dargestellten rechtlichen Maßgaben zur Bestandserhebung (siehe C. II. 1. a) zulässig. Ebenso ist es unschädlich, dass auf Grundlage der Angaben des Forstamts sowie einer Analyse der vorhandenen, potentiell als Brut- und Nahrungshabitate geeigneten Strukturen kein genauer Standort, sondern nur ein potentielles Brutgebiet hat ausgemacht werden können.
404c) Auch in zeitlicher Hinsicht verfangen die Einwände des Klägers nicht. Die im Rahmen der Maßnahme A/ECEF9 zu pflanzenden Dornenhecken mögen zwar eine Wachstumszeit von bis zu fünf Jahren haben, um eine für den Neuntöter geeignete Ausprägung zu bekommen. Allerdings hat die Planfeststellungsbehörde dies berücksichtigt und zur temporären Schaffung von Nisthabitaten die Anlage von Gestrüppwällen und Reisighaufen aus Schnittgut festgesetzt, um sicherzustellen, dass die vorgezogene Maßnahme rechtzeitig zu Beginn des Eingriffs ihre Wirksamkeit entfalten kann (vgl. Maßnahme A/ECEF9, Unterlage 12-III, Seite 93).
4052. Die von der Planfeststellungsbehörde angeordnete Flächeninanspruchnahme entspricht indessen nicht den weiteren Anforderungen des Übermaßverbots. Der Beklagte hat die Rechtsposition des Klägers als Eigentümer der Flächen (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht ausreichend berücksichtigt, sondern nur auf naturschutzfachliche Erwägungen abgestellt.
406a) Die Inanspruchnahme seiner Grundstücke für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geht für den Kläger mit erheblichen Einschränkungen seines Eigentums einher. Von den 7,39 ha insgesamt für das Vorhaben dauerhaft benötigten Flächen entfallen 6,28 ha auf (vorgezogene) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Von den Eigentumsflächen des Klägers (insgesamt 19,12 ha) soll fast ein Drittel für Kompensationsmaßnahmen verwendet werden, von den landwirtschaftlich genutzten Flächen (11,96 ha) sogar mehr als die Hälfte.
407Selbst nach Einschätzung der vom Beklagten beauftragten Gutachter hat die Flächeninanspruchnahme für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erhebliche Auswirkungen für den Kläger im Hinblick auf die Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke. Eine Nutzung und Verpachtung der mit Kompensationsmaßnahmen belegten Ackerflächen als solche sei durch die Inanspruchnahme nicht mehr möglich. Auch eine wirtschaftliche Schnittnutzung der Flächen für Heu und Silage sei durch die Auflage, dass Streifen mit Altgras verbleiben sollten, ausgeschlossen. Eine Beweidung dieser Flächen komme aufgrund der mit den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verbundenen Auflagen nur mit Tieren in Betracht, die keine hohen Anforderungen an den Aufwuchs stellten (vgl. Gutachten vom 14. Juni 2016, Seiten 21 f.). Die Nutzung der extensivierten Flächen als Weiden sei ferner vom Know-how her deutlich anspruchsvoller als Intensivgrünland und für den Kläger arbeitsaufwendiger, wie die Gutachterin Frau Dr. N. auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich betont hat. Daher sei in den ersten fünf bis zehn Jahren eine Begleitung durch eine naturschutzfachlich erfahrene Beratungsstelle notwendig, um das Managen dieser Flächen - auch im Hinblick auf die Vermeidung einer Ausbreitung für Pferde gefährlicher Wildkräuter - zu erlernen (vgl. Stellungnahme vom 22. Mai 2018, Seite 9). Daneben sei nach den Vorgaben der Maßnahme A/ECEF4 zwischen dem 15. März und dem 15. Juni nur noch eine Beweidung mit zwei Pferden pro ha und danach bis zum 31. Oktober mit vier Pferden pro ha erlaubt, was deutlich hinter der bisherigen Belegung der Weiden zurückbleibe. Im Übrigen sei es dem Kläger verwehrt, weiterhin auf den mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen belegten Flächen den anfallenden Pferdemist unterzubringen und Vielseitigkeitsturniere zu veranstalten (vgl. Gutachten vom 14. Juni 2016, Seiten 22, 29).
408Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang argumentiert, die Betroffenheit der vom Kläger selbst bewirtschafteten Flächen könne durch Kündigung von Pachtverträgen kompensiert werden, so dass ihm nach der Maßnahme für die Selbstbewirtschaftung der gleiche Flächenumfang in gleicher Qualität und Lage zur Verfügung stehe, lässt er unberücksichtigt, dass der Kläger aufgrund seiner durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition grundsätzlich selbst über die Nutzung der in seinem Eigentum stehenden (verpachteten) Flächen entscheiden darf.
409Auch der Einwand der Planfeststellungsbehörde, der Kläger sei bereits vor der Maßnahme nicht existenzfähig, sodass der Landentzug durch die Maßnahme nicht zur Existenzgefährdung führen könne (PFB, Seite 139), geht in diesem Zusammenhang fehl, da der Kläger Eigentümer der Grundstücke ist. Selbst im Fall einer bereits vor Verwirklichung der geplanten Maßnahme nicht gegebenen Existenzfähigkeit steht ihm weiterhin eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition zu, welche der Beklagte in die Abwägung einzustellen hat. Auch die Flächen eines möglicherweise nicht (mehr) existenzfähigen Betroffenen kann die Planfeststellungsbehörde nur unter Wahrung des Übermaßverbots mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen belegen. Daher entbindet auch die getroffene Wahrunterstellung hinsichtlich einer Existenzgefährdung des Klägers durch das Planvorhaben die Behörde bei der Inanspruchnahme von Grundstücken für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen nicht von einer entsprechenden Abwägung unter Wahrung der Eigentumsinteressen des Betroffenen.
410b) Anstatt die Betroffenheit des Klägers bei der Flächenauswahl hinreichend zu berücksichtigen, hat der Beklagte seine Auswahlentscheidung hinsichtlich der Flächen des Klägers allein auf naturschutzfachliche Erwägungen gestützt. Dies verdeutlichen insbesondere die Ausführungen in Abschnitt B. 3.4.13 des Planfeststellungsfestbeschlusses, wonach bei der Festlegung der Kompensationsflächen solche Grundstücke ausgesucht worden seien, mit denen die Eingriffe in Natur und Landschaft optimal ausgeglichen werden könnten. Bei der Umsetzung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ließe sich somit nicht vermeiden, dass hierfür - in der Regel - intensiv landwirtschaftlich genutzte Grundstücke in Anspruch genommen werden müssten (PFB, Seiten 126 f.). Mit Schriftsatz vom 3. März 2020 hat der Beklagte ergänzt, dass „unter Berücksichtigung der zu erwartenden Effekte und der vorhandenen günstigen Habitatbedingungen“ (nur) die ausgewählten, im Eigentum des Klägers stehenden Flächen für die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen geeignet seien. Andere Grünlandflächen hätten sich vor diesem Hintergrund als nicht (so) geeignet erwiesen. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der vom Vorhabenträger beauftragte Gutachter noch einmal ausgeführt, dass die Auswahl der Flächen des Klägers einzig auf naturschutzfachlichen Erwägungen beruht hat.
411Der Beklagte hat ferner - auch auf ausdrückliche Nachfrage des Senats - nicht substantiiert dargelegt, in welchem Umfang nach anderen - insbesondere freihändig zu erwerbenden oder der öffentlichen Hand gehörenden - Flächen für die Ausgleichsmaßnahmen gesucht worden ist und warum genau diese anderen Flächen als ungeeignet verworfen worden sind. Im Planfeststellungsbeschluss ist als Alternative zur Flächeninanspruchnahme des Klägers ausdrücklich nur die Umwandlung von Wald in Grünland ausgeschlossen worden, ohne darzulegen, welche „anderen Ersatzmaßnahmen für den Artenschutz“ geprüft und verworfen worden sind (vgl. PFB, Seiten 145 f.). Aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 3. März 2020 ergibt sich lediglich, dass eine andere südlich der geplanten Trasse liegende Grünfläche wegen ihrer Nähe zur Straße als nicht geeignet erkannt worden sei. Auch in der mündlichen Verhandlung haben weder die Planfeststellungsbehörde noch die anwesenden Gutachter konkret erläutert, welche anderen Flächen im Hinblick auf ihre Eignung als Kompensationsflächen geprüft worden sind. Die Aussage des Gutachters P. , im gesamten Naturraum Siegerland hätten sich keine gleich geeigneten Flächen gefunden, um die geplanten Kompensationsmaßnahmen umzusetzen, überzeugt den Senat angesichts ihrer Pauschalität nicht.
412Vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 11. November 2008 - 9 A 52.07 -, Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 14 = juris, Rn. 6.
413Daher bleibt ungewiss, ob sich ein nach fachlicher Einschätzung des Beklagten vertretbares Ausgleichskonzept auch anders umsetzen ließe, ohne den dann Betroffenen Opfer gleichen Gewichts abzuverlangen. Ohne die hierzu nötigen Ermittlungen und fachlichen Bewertungen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Beurteilung, ob die Inanspruchnahme des Klägers das mildeste Mittel zur Erreichung des Ausgleichsziels darstellt und damit erforderlich ist. In Anbetracht der insoweit defizitären Erkenntnislage lässt sich auch die Ergebnisrelevanz des aufgezeigten Mangels nicht verneinen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass etwaige Lagenachteile alternativ in Betracht zu ziehender Ausgleichsflächen möglicherweise durch einen größeren Flächenumfang oder durch besondere Vorkehrungen bei der Ausgestaltung der Maßnahmen aufgefangen werden könnten.
414Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 40.07 -, Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 16 = juris, Rn. 32.
4153. Darüber hinaus hat der Beklagte die Zumutbarkeit der Flächeninanspruchnahme für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht ordnungsgemäß geprüft; es ist deshalb offen, ob die mit dem Ausgleichskonzept verfolgten Ziele so gewichtig sind, dass sie die Eingriffe in das Eigentum des Klägers rechtfertigen.
416Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11. November 2008 - 9 A 52.07 -, Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 14 = juris, Rn. 6.
417Im Planfeststellungsbeschluss wird in den Abschnitten B. 3.4.14 „Land- und Forstwirtschaft“ sowie B. 3.4.19 „Private Belange“ (Seiten 126 f., 130 ff.) ausgeführt, die geplante Straßenbaumaßnahme sei im vorgesehenen Umfang im öffentlichen Interesse dringend erforderlich, sodass auf den Neubau trotz entgegenstehender privater Interessen bzw. Belange der Land- und Forstwirtschaft nicht verzichtet werden könne. Die Inanspruchnahme privater bzw. land- und forstwirtschaftlicher Flächen sei unvermeidbar, um die Planungsziele nicht zu gefährden. Das öffentliche Interesse an der Schaffung eines verkehrssicheren und leistungsfähigen Straßenzugs überwiege das private Interesse der Einwender an dem unveränderten Erhalt ihrer Eigentumsposition; dies gelte auch für Flächen, die für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommen würden (PFB, Seite 131). Die mit den Kompensationsmaßnahmen verbundenen nachteiligen Folgen stünden nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg, insbesondere werde durch die Kompensationsmaßnahmen die wirtschaftliche Existenz der Einwender weder gefährdet noch vernichtet (PFB, Seite 102). Der Eingriff in das Eigentum von Privaten müsse im Übrigen selbst um den Preis einer Existenzgefährdung in Kauf genommen werden, weil ein Verzicht auf das Bauvorhaben aus Gründen des Allgemeinwohls nicht hinnehmbar sei (PFB, Seiten 132, 142 f.).
418Diese undifferenzierte Bewertung der Flächeninanspruchnahmen für den eigentlichen Straßenbau einerseits und für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen andererseits bringt die Annahme zum Ausdruck, auch die geplanten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seien zwingend notwendig, um die Bundesstraße bauen zu können. Damit hat die Planfeststellungsbehörde die Begrenzung der Ausgleichspflicht nach dem Bundesnaturschutzgesetz durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip verkannt. Die (vorgezogene) Ausgleichs- bzw. Ersatzpflicht ist Teil des gestuften Reaktionsmodells der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Eingriffsbedingte Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind danach in erster Linie zu vermeiden. Erforderlichenfalls können Eingriffe in § 44 Abs. 1 BNatSchG durch entsprechende funktionserhaltende vorgezogene Ausgleichs- bzw. CEF-Maßnahmen kompensiert werden, § 44 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BNatSchG. Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen), § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. Ist auch ein Ersatz bzw. ein Ausgleich nicht möglich, kann eine naturschutzrechtliche Ausnahme erteilt werden, § 45 Abs. 7 BNatSchG. Auf die jeweils nachrangige Reaktionsstufe ist aber nicht nur dann auszuweichen, wenn eine Befolgung der vorrangigen Reaktionspflicht tatsächlich unmöglich, sondern auch dann, wenn die Befolgung mit unverhältnismäßigen Belastungen für die Belange Betroffener verbunden ist. Demzufolge ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Flächeninanspruchnahme für Ausgleichsmaßnahmen nicht das Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens, sondern nur das Interesse an einem Ausgleich der zu kompensierenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft ins Verhältnis zu den Auswirkungen der Flächeninanspruchnahme für den Betroffenen zu setzen.
419Vgl. zu § 4a LG NRW a. F.: BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 - 9 A 40.07 -, Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 16 = juris, Rn. 33 f.
420Eine so ausgerichtete Prüfung hat die Planfeststellungsbehörde versäumt. Da die insoweit maßgeblichen Umstände nicht ausreichend ermittelt bzw. fachlich bewertet worden sind, ist ungewiss, ob dieser Mangel die Ausgleichskonzeption im Ergebnis beeinflusst hat.
421III. Der festgestellte Fehler verhilft aber nicht dem Hauptantrag, sondern nur dem Hilfsantrag zum Erfolg. Er betrifft kein zwingendes Planungshindernis; es ist nicht ausgeschlossen, dass er in einem ergänzenden Verfahren durch eine ordnungsgemäße Verhältnismäßigkeitsprüfung behoben werden kann, ohne die Gesamtplanung in Frage zu stellen (vgl. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG NRW a. F.).
422E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger zwar mit dem Hauptantrag unterliegt, sein Hilfsantrag dagegen Erfolg hat, erscheint dem Senat eine hälftige Kostenteilung angemessen, zumal die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Inanspruchnahme seiner Flächen für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen einen erheblichen Umfang hat.
423Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 709 Sätze 1 und 2, 711 ZPO.
424Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.