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Zur hinreichenden Bestimmtheit eines Vollstreckungsauftrags und nachfolgender Vollstreckungshandlungen wegen ausstehender Rundfunkbeiträge ist die Angabe der einzelnen Festsetzungs-/Leistungsbescheide neben des umfassten Beitragszeitraums nicht zwingend erforderlich; deren Angabe kann unbeschadet dessen noch während des Vollstreckungsverfahrens nachgeholt werden.
Festsetzungsbescheide einer Rundfunkanstalt sind Leistungsbescheide i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW.
Der Einwand, der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei mangels Zustimmungsgesetzes des Landtags nicht wirksam mit Gesetzeskraft in das nordrhein-westfälische Landesrecht überführt worden, geht fehl.
Die Neuregelung des § 10a RBStV begründet sich aus der Ergänzung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder um § 35a VwVfG. Sie hat wie diese klarstellende Funktion und begründet jedenfalls nicht die Nichtigkeit zuvor automatisiert erlassener Rundfunkbeitragsbescheide.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 500,- Euro festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag des Antragstellers,
3die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zwangsvollstreckung einstweilen bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren einzustellen,
4durch Einzelrichterentscheidung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 6 VwVG lägen vor, ein Grund für die Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung sei hingegen nicht gegeben. Soweit sich der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderungen wende, könne er damit im Vollstreckungsverfahren nicht mehr gehört werden. Im Übrigen sei höchstrichterlich geklärt, dass der Rundfunkbeitrag mit Verfassungs- und Unionsrecht in Einklang stehe. Die vorgebrachten Argumente seien nicht einmal im Ansatz geeignet, dies in Frage zu stellen. Die weiteren Fragen der Vollstreckung hätten die ordentlichen Gerichte zu prüfen. In diesem Zusammenhang könne auf die Beschlüsse des AG Borken vom 24. Februar 2021 und des LG Münster vom 12. März 2021 verwiesen werden.
5Die Ausführungen der Beschwerdebegründung und der sonstige Akteninhalt geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Sachentscheidung. Zwar ist der angegriffene Beschluss aus den dort dargelegten Gründen nach derzeitigem Kenntnisstand insgesamt rechtsfehlerhaft ergangen, weil er den Anspruch des Antragstellers auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt haben dürfte. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung scheidet jedoch aus, weil der Antragsteller keinen entsprechenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.
6Mit seinem Beschluss hat das Verwaltungsgericht zwar, was der Antragsteller zutreffend rügt, unter Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht durch den gesetzlichen Richter entschieden. Ein Verstoß kann sich nämlich auch aus der Entscheidung durch den Einzelrichter an Stelle der Kammer ergeben.
7Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. September 2017 ‒ 1 BvR 1510/17 ‒, juris Rn. 15, und vom 2. Juni 2009 ‒ 1 BvR 2295/08 ‒, NJW-RR 2010, 268 = juris Rn. 22, m. w. N.; BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 ‒ IX ZB 134/02 ‒, BGHZ 154, 200 = juris Rn. 6 ff., und vom 20. Oktober 2003 ‒ II ZB 27/02 ‒, BGHZ 156, 320 = juris Rn. 12 ff.; eingehend auch OVG NRW, Beschluss vom 2. November 2017 – 4 B 891/17 –, GewArch 2018, 117 = juris Rn. 2 ff.
8Nach § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwGO ist die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern und nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen gewesen. In den vorliegenden Gerichtsakten findet sich ein in diesem Verfahren ergangener Einzelrichterübertragungsbeschluss nach § 6 Abs. 1 VwGO nicht. Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher gleichwohl gefasst wurde und - aus welchen Gründen auch immer - nur nicht zu den Akten genommen wurde, lassen sich gleichfalls nicht feststellen.
9Dies führt für sich genommen aber noch nicht zum Erfolg der Beschwerde, sondern lediglich dazu, dass der Antrag des Antragstellers in der Sache umfassend und nicht nur nach Maßgabe der Beschwerdebegründung zu prüfen ist.
10Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 2. November 2017 – 4 B 891/17 -, GewArch 2018, 117 = juris Rn. 2 ff.
11Das ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund weiterhin nicht glaubhaft gemacht hat.
12Unabhängig davon ist jedoch auch ein Anordnungsgrund nicht (mehr) ersichtlich, nachdem sich der Antragsteller insoweit allein darauf beruft, er erleide mit jedem weiteren Tag in Erzwingungshaft schwerwiegende und irreversible Nachteile in seiner persönlichen Freiheit. Eine solche Situation besteht indes nicht mehr. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass gegen den Antragsteller zeitnah erneut Erzwingungshaft angeordnet werden könnte.
13Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich ein Anordnungsanspruch nicht aus einer fehlenden „hinreichenden Bestimmtheit der Verwaltungsakte“. Das gilt schon deshalb, weil es sich bei sämtlichen in diesem Zusammenhang angesprochenen Maßnahmen nicht um Verwaltungsakte handelt. Das betrifft insbesondere den konkret genannten Vollstreckungsauftrag vom 3. April 2017. Hierbei handelt es sich um einen behördeninternen Vorgang, der mithin den §§ 35 ff. VwVfG von vornherein nicht unterfällt.
14Vgl. nur Erlenkämper/Rhein, VwVG und VwZG NRW, 4. Aufl. 2011, § 12 VwVG Rn. 4.
15Anderenfalls wäre im Übrigen sowohl der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 5 VwGO unstatthaft als auch die angegriffenen Maßnahmen bestandskräftig und etwaige Eilanträge nach § 80 Abs. 5 VwGO schon deshalb erfolglos, weil eine Klage verfristet wäre.
16Aus diesem Grund sind auch die vom Antragsteller herangezogenen gerichtlichen Entscheidungen auf den vorliegenden Sachverhalt nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres übertragbar, nachdem sie sich sämtlich zu Pfändungs- und Überverweisungsverfügungen, also zu Verwaltungsakten, verhalten. Warum die dortigen Erwägungen auch ein reines Verwaltungsinternum betreffen sollten, legt der Antragsteller mit keinem Wort dar. Dies wäre neben dem formalen Argument, dass § 37 VwVfG nur für Verwaltungsakte gilt, jedoch nicht zuletzt deshalb erforderlich gewesen, weil der Vollstreckungsauftrag und auch die sonstigen Maßnahmen – anders als ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – dem Schuldner nicht gesondert außerhalb der eigentlichen Vollstreckung bekanntzugeben sind.
17Unbeschadet dessen übersieht die Beschwerdebegründung, dass die angeführten Maßnahmen jeweils mit dem fraglichen Beitragszeitraum den maßgeblichen Schuldgrund benennen. Denn die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags und dessen Höhe ergeben sich nicht aus den für diesen Zeitraum ergangenen Bescheiden des Beigeladenen, sondern unmittelbar aus dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag und dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.
18Selbst wenn man indes die zu Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen ergangene Rechtsprechung auf das vorliegende Verfahren übertragen wollte, änderte dies indes nichts an der Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung. Denn auch die vom Antragsteller herangezogene erstinstanzliche Rechtsprechung lässt es genügen, dass sich für den Schuldner aus den sonstigen Umständen ergibt, welche konkreten Bescheide der Vollstreckung zugrunde liegen.
19Vgl. insbesondere VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juni 2018 – 27 L 1291/18 -, juris, nachfolgend OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2018 – 2 B 890/18 -.
20Diese Voraussetzung war hier zweifellos gegeben. Für den genannten Beitragszeitraum sind zwei Festsetzungsbescheide ergangen und dem Antragsteller bekannt gemacht worden. Diese weisen die in dem Vollstreckungsauftrag und den weiteren Maßnahmen genannte Forderung aus. Zudem ist der Antragsteller insoweit mehrfach gemahnt und ist ihm die Zwangsvollstreckung angekündigt worden. Dem Antragsteller selbst waren diese Zusammenhänge und damit der „Schuldgrund“ selbst in einem engen Verständnis als „Leistungsbescheide“ bekannt bzw. wären ihm bekannt gewesen, wenn er die Annahme der Schreiben des Beigeladenen nicht verweigert hätte. Auf eine fehlende Kenntnis ihres Inhalts kann er sich infolge dessen jedenfalls nicht berufen. Noch die Beschwerdebegründung hat schließlich keine Schwierigkeiten, den Vollstreckungshandlungen die beiden Festsetzungsbescheide vom 2. Juli 2015 und 1. August 2015 – zutreffend – zuzuordnen.
21Vor diesem Hintergrund kommt es nicht einmal darauf an, dass eine etwaige unzureichende Bestimmung des Schuldgrundes in dem Vollstreckungsauftrag und den weiteren Vollstreckungshandlungen als bloß formaler Fehler im Laufe des Verfahrens jederzeit nachgeholt und rückwirkend geheilt werden könnte.
22Vgl. Erlenkämper/Rhein, VwVG und VwZG NRW, 4. Aufl. 2011, § 13 VwVG Rn. 5.
23Schon grundsätzlich rechtfertigte ein unterstellt fortbestehender entsprechender Mangel damit den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.
24Die begehrte Anordnung ist auch nicht deshalb geboten, weil es – schon bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung - an einer der Vollstreckungsvoraussetzungen des § 6 VwVG fehlen könnte.
25Entgegen der Annahme des Antragstellers erfüllen die Festsetzungsbescheide vom 2. Juli 2015 und 1. August 2015 die Anforderungen des § 6 Abs. 1 Nr. VwVG NRW. Seine Erwägungen, die Bescheide seien keine Leistungsbescheide i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwVG NRW, gehen an der einschlägigen Rechts- und Bescheidlage eindeutig vorbei. Dies vor allem mit Blick auf die – wie im Folgenden noch auszuführen sein wird zweifelsfrei einschlägigen - Ermächtigungen aus § 10 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 RBStV, wonach rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt werden und Festsetzungsbescheide im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt werden. Auch lässt die Fassung der konkreten Bescheide aus der Sicht eines verständigen Empfängers keine Zweifel daran aufkommen, dass sie sich gerade nicht in der bloßen Feststellung erschöpfen, dass eine Beitragsschuld entstanden ist, sondern eine rückständige, bereits ohne förmliche Festsetzung entstandene Beitragsforderung verbindlich mit der Zielsetzung festgesetzt werden soll, dass der Adressat des Bescheides nach Unanfechtbarkeit die Leistungspflicht nicht mehr in Abrede stellen kann und die geregelte Zahlungspflicht nötigenfalls mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchsetzbar ist. Damit sind die Merkmale eines Leistungsbescheides erfüllt, die das Bundesverwaltungsgericht seit seinem Urteil vom 26. Oktober 1978 – V C 52.77 – (juris Rn. 17 f.) als wesentlich betrachtet.
26So schon OVG NRW, Beschlüsse vom 31. August 2020 – 2 B 786/20 – und vom 26. November 2019 – 2 B 1300/19 -; siehe auch Beschluss vom 31. August 2021 – 2 A 3401/20 -.
27Ebenso wenig fehlt es dem Beigeladenen an der Befugnis, die Beitragsforderungen durch Verwaltungsakt durchzusetzen.
28Dass der Beigeladene durch den Erlass von Verwaltungsakten hoheitlich handeln darf, ergibt sich bereits unmittelbar aus § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV. Die Einräumung der sog. Verwaltungsaktsbefugnis an die Landesrundfunkanstalten ist auch im Übrigen frei von Bedenken. Die rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung,
29so schon BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Dezember 2003 – 1 BvR 2378/03 –, juris Rn. 6,
30und erfüllen eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung.
31Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 1971 – 2 BvF 1/68 –, juris Rn. 38, und Beschluss vom 25. April 1985 – 2 BvR 617/84 –, juris Rn. 26.
32Der Rundfunkbeitrag ist eine öffentlich-rechtliche Zahlungspflicht (vgl. LT-Drs. 17/1336, S. 66), deren Erfüllung der Sicherstellung des Funktionsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient. Die Rundfunkanstalten sind mit Blick auf das nationale Recht auch keine Unternehmen.
33BVerfG, Urteil vom 27. Juli 1971 – 2 BvF 1/68 –, juris Rn. 37; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 6 B 35.17 –, juris Rn. 6.
34Soweit der Antragsteller einwendet, dass die Vollstreckung deshalb rechtswidrig sei, weil ihr mangels Behördeneigenschaft des X. keine Verwaltungsakte im Rechtssinne zugrunde lägen, ist dies angesichts dessen nicht nachvollziehbar. Selbst wenn für den X. das Verwaltungsverfahrensgesetz NRW hier nicht gelten sollte, ist der dann allein in Betracht kommenden Regelung des § 10 Abs. 5 und 6 RBStV - wie gesagt - eine eindeutige Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Landesrundfunkanstalten zu entnehmen. Hiervon geht die Rechtsprechung auch seit jeher aus, ohne dass insoweit eine eigenständige Begründung auch nur für erforderlich gehalten würde.
35Zum RGebStV vgl. nur BVerfG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60; Ohlinger/Wagenfeld, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 7 RGebStV Rn. 41 m. w. N.; zum RBStV BVerwG, Urteil vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 -, BVerwGE 154, 275 ff.; zusammenfassend OVG NRW, Beschluss vom 3. März 2017 - 2 B 86/17 -, NWVBl. 2017, 402; vgl. in diesem Zusammenhang auch Hess. VGH, Beschluss vom 5. Januar 2016 - 10 B 2411/15 -, NVwZ-RR 2017, 76.
36Unbeschadet dessen geht die Argumentation des Antragstellers der Sache nach von der falschen Vorstellung aus, der X. sei keine Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW. Dass dies zu kurz greift, zeigt gerade § 2 Abs. 1 VwVfG NRW mit seinen Ausnahmeregelungen etwa für den X.. Wenn es sich bei diesem nicht um eine der „Stellen, die hoheitliche Befugnisse wahrnehmen“ (§ 1 Abs. 4 VwVfG bzw. § 1 Abs. 2 VwVfG NRW), also um eine Behörde, handelte, wären die Ausnahmevorschrift schlicht überflüssig.
37Die Bescheide sind auch nicht nichtig, weil sie i. S. v. § 44 VwVfG an einem besonders schweren Fehler litten. Die Annahme des Antragstellers, es fehle an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage, weil der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag in Nordrhein-Westfalen kein geltendes Recht bzw. kein Gesetz sei, geht offensichtlich fehl, wie in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts schon hinreichend geklärt ist.
38Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – 2 A 3572/19 -, ZUM-RD 2020, 344 = juris Rn. 5 ff.
39Der Einwand, der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei mangels Zustimmungsgesetzes des Landtags nicht wirksam in Landesrecht überführt worden, geht fehl. Der einschlägige Art. 66 Satz 2 LV NRW schreibt für die Zustimmung zu Staatsverträgen der Länder keine Gesetzesform vor. Dementsprechend wird in der Staatspraxis des Landes Nordrhein-Westfalen, ebenso wie in Bayern, jedoch im Unterschied zu den anderen Bundesländern, die parlamentarische Zustimmung regelmäßig durch einfachen Beschluss des Landtages erteilt. Zwischen dem normalen Gesetzgebungsverfahren und dem Beschlussverfahren bei Staatsverträgen bestehen indes keine erheblichen Unterschiede. Die Zustimmung des Landtages zu Staatsverträgen ist nichts anderes als eine besonders geregelte Form der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt. Dem Beschluss nach Art. 66 Satz 2 LV NRW kommt damit Gesetzeskraft im Rahmen eines Landesgesetzes zu. Das entspricht auch der – soweit ersichtlich - einheitlichen Auffassung in Wissenschaft und Praxis.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – 2 A 3572/19 -, ZUM-RD 2020, 344 = juris Rn. 6.
41Das Beschwerdevorbringen gibt keinerlei Veranlassung zu einer anderen Bewertung. Seine abweichende Auffassung begründet der Antragsteller nicht nachvollziehbar. Allein die unterschiedliche Formulierung in Art. 66 Satz 1 und 2 LV NRW bedeutet für sich genommen keinen unterschiedlichen rechtlichen Gehalt ihres Produktes, zumal offenbleibt, welchen rechtsstaatlichen „Mehrwert“ die Bezeichnung desselben Beschlusses als Gesetz haben sollte. Im Übrigen belegt gerade der Umstand, dass beide Rechtssetzungsverfahren in einem Artikel der Landesverfassung geregelt sind, dass diese (verfassungs-)rechtlich auf einer Stufe stehen, zumal sich die Regelung im dritten Abschnitt des dritten Teils der Landesverfassung findet, der die amtliche Überschrift „Die Gesetzgebung“ trägt. Damit steht zugleich der Gesetzesvorbehalt für Grundrechtseingriffe nicht entgegen; dieser verlangt nicht, dass die mit Gesetzeskraft ausgestattete Rechtsgrundlage ausdrücklich als Gesetz bezeichnet wird.
42Unbeschadet dessen betrifft auch diese Frage die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, die das Bundesverfassungsgericht für die hier allein in Rede stehende Erstwohnung in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675.16 u. a. –, BVerfGE 149, 222, abschließend und verbindlich bejaht hat. Dass es dabei ein fundamentales verfassungsrechtliches Defizit der Geltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in Nordrhein-Westfalen und Bayern übersehen haben könnte, schließt der Senat aus. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht im Anschluss hieran mit Beschluss vom 30. September 2018 insgesamt 50 weitere Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. In dieser gemeinsamen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausweislich der jeweiligen Ziffer 2 des Rubrums selbstverständlich und zutreffend zugrunde gelegt, dass in Bayern und Nordrhein-Westfalen der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag kraft Zustimmung des Landtages gilt, während in anderen Bundesländern insoweit auf ein Zustimmungsgesetz Bezug genommen wird. Eine Veranlassung, hieraus ein (verfassungs-)rechtliches Problem zu konstruieren, hat das Bundesverfassungsgericht dabei indes ebenfalls nicht gesehen. Dies unterstreicht auch der stattgebende Tenor des Urteils vom 18. Juli 2018, der ausdrücklich „die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder …., soweit sie Art. 2 Abs. 1 RBStV in Landesrecht überführen“ für teilweise (in Bezug auf die Beitragspflicht von Zweitwohnungen) verfassungswidrig erklärt.
43Vgl. erneut OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2019 – 2 A 3572/19 -, ZUM-RD 2020, 344 = juris Rn. 7.
44Diese vor dem Hintergrund des nordrhein-westfälischen Verfassungsrechts und der Verfassungspraxis eindeutige Rechtslage hat das beschließende Gericht in allen zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ergangenen Entscheidungen – wie im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht – zugrunde gelegt.
45Mit Blick auf die bereits vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen höchstrichterlichen Klärung der Verfassungs- und Unionsrechtskonformität des Rundfunkbeitrags und des -staatsvertrages liegt auch die Annahme, es liege ein offenkundiger und schwerer, zur Nichtigkeit der Festsetzungsbescheide führender Verfassungsverstoß in Form einer Verletzung der Informationsfreiheit des Antragstellers vor, mehr als fern, zumal der Antragsteller sich mit dieser Rechtsprechung nicht einmal im Ansatz auseinandersetzt. Für wiederholende Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen eine solche Grundrechtsverletzung nicht existiert, besteht daher keine Veranlassung.
46Schließlich führen auch die Ausführungen des Antragstellers zur (Un-)Zulässigkeit einer automatisierten Bescheiderstellung jedenfalls nicht auf die von ihm angenommene Nichtigkeit der Bescheide vom 2. Juli 2015 und 1. August 2015. Bereits seine These, es habe hierfür einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage bedurft, bleibt ohne Herleitung. Sofern sich diese nach Auffassung des Antragstellers aus den ausführlichen Erörterungen dazu, ein vollautomatisiert erstellter Bescheid sei kein Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG ergeben soll, genügt der Verweis darauf, dass § 37 Abs. 5 VwVfG ersichtlich vom Gegenteil ausgeht, indem er für solche Verwaltungsakte auf das Unterschriftserfordernis verzichtet.
47Vgl. dazu im Einzelnen Ramsauer/Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG – Kommentar, 21. Aufl. 2021, § 37 Abs. 39.
48Warum dies im vorliegenden Zusammenhang grundlegend anders zu beurteilen sein sollte, erschließt sich nicht und wird vom Antragsteller auch nicht näher dargelegt.
49Die Tatsache, dass für die automatisierte Bescheiderstellung nunmehr in § 10a RBStV eine Sonderregelung geschaffen wurde, besagt jedenfalls für ihre rechtliche Notwendigkeit für frühere Zeiträume nichts. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag reagiert damit vielmehr lediglich auf die Ergänzung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder um den § 35a, die in NRW erst seit dem 28. März 2018 Geltung beansprucht. Anhaltspunkte dafür, dass zuvor automatisiert erlassene Bescheide nichtig sein könnten, ergeben sich aus diesen Zusammenhängen nicht.
50Die zunächst zum 1. Januar 2017 in das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes eingefügte und vom nordrhein-westfälischen Landesgesetzgeber aus Gründen der Rechtseinheit übernommene Regelung des § 35a dient ihrerseits vielmehr im Kern lediglich der Klarstellung und der Beseitigung möglicher rechtlicher Risiken bei einem vollautomatisierten Erlass von (insbesondere) Steuer-, Abgaben- und Beitragsbescheiden, wobei die Gesetzesbegründung betont, dieses Vorgehen sei praktisch möglich und rechtlich vertretbar.
51So BT-Drs. 18/8434 S. 122; dies aufgreifend und den allein klarstellenden Charakter betonend Stellungnahme 17/261 zur LT-Drs. 17/1046 (Prof. Dr. Dietlein), S. 2 f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Beschluss vom 31. August 2021 – 2 A 3401/20 -.
52Dass die Übernahme der Neuregelung in das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes NRW weitergehende Konsequenzen haben sollte, ist weder ersichtlich noch dargelegt.
53Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
54Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 GKG.
55Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.