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Eine Irreführung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 ist dann anzunehmen, wenn durch die Information ein Merkmal des Lebensmittels in einer Weise hervorgehoben wird, dass der Verbraucher hierin einen besonderen Vorzug des Lebensmittels vermutet, obwohl es sich in Wahrheit um ein Merkmal handelt, das alle vergleichbaren Lebensmittel aufweisen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Verbraucher durch die betreffende Information irregeführt wird, ist auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen.
Die Bereitstellung der Information über die Glutenfreiheit eines Lebensmittels ist nur zulässig, wenn diese Information nicht irreführend ist.
Ein „zu verstehen geben“ im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 kann auch durch die bloße Angabe bzw. Erwähnung der angeblichen Besonderheit ‑ ohne zusätzliche (schrift-)bildliche oder sonstige Hervorhebung ‑ erfolgen, also auch durch das bloße zur Verfügung stellen der Information.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
I.
2Die Klägerin stellt Fleisch- und Wurstwaren her und vertreibt die hergestellten Erzeugnisse, u. a. die Produkte „Schinkenwürfel mager, geräuchert“ und „Sommerwurst nach Art einer Cervelatwurst, geräuchert“.
3Nach einer Probennahme im September 2016 beanstandete das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Ostwestfalen-Lippe mit Prüfberichten vom 7. Dezember 2016 und vom 16. Januar 2017, dass auf den Etiketten der genannten Produkte jeweils die Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ angebracht sei. Diese Angabe sei eine irreführende Information nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011. Denn bei den untersuchten Proben handele es sich um eine Rohpökelware der Sorte Schinken bzw. um eine Rohwurst nach Art einer Cervelatwurst, die jeweils aufgrund ihrer Herstellungstechnologie und Rezeptur kein Gluten enthielten. Dies treffe auf alle Rohpökelwaren bzw. Rohwürste dieser Kategorie zu. Es handele sich somit bei der Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ um eine Angabe, die zu verstehen gebe, dass sich das Produkt durch besondere Merkmale auszeichne, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufwiesen.
4Daraufhin leitete der Beklagte im Februar 2017 gegen einen der Geschäftsführer der Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 ein.
5Im März 2017 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Minden erhoben mit dem Begehren, festzustellen, dass die Auslobung „glutenfrei“ für die von ihr hergestellten Erzeugnisse „Schinkenwürfel mager, geräuchert“ und „Sommerwurst nach Art einer Cervelatwurst, geräuchert“ nicht gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 verstoße.
6Das Verwaltungsgericht Minden hat die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Die Information über die Glutenfreiheit der streitgegenständlichen Lebensmittel sei nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 irreführend, weshalb der Klägerin kein Anspruch auf die begehrte Feststellung zustehe. Dagegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
7II.
8Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
9Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.
101. Aus den im Zulassungsverfahren dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) 1169/2011 bejaht, ohne dass die Richtigkeit dieser Einschätzung durch das Zulassungsvorbringen schlüssig in Frage gestellt wird.
11Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (ABl. L 304 S. 18) dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe.
12Eine Irreführung in diesem Sinne ist dann anzunehmen, wenn durch die Information ein Merkmal des Lebensmittels in einer Weise hervorgehoben wird, dass der Verbraucher hierin einen besonderen Vorzug des Lebensmittels vermutet, obwohl es sich in Wahrheit um ein Merkmal handelt, das alle vergleichbaren Lebensmittel aufweisen. Die Irreführung liegt hierbei nicht in einer objektiv unrichtigen Aussage, sondern vielmehr darin, dass bei dem Verbraucher irrigerweise der Eindruck erweckt wird, das Lebensmittel sei qualitativ oder aus anderen Gründen besser als andere Lebensmittel gleicher Gattung.
13Vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2013 ‑ I ZR 34/13 -, GRUR 2014, 498 = juris Rn. 13 (zu § 5 Abs. 1 UWG); Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 113, Art. 7 Rn. 365 ff. m. w. N.
14Bei der Beurteilung der Frage, ob der Verbraucher durch die betreffende Information irregeführt wird, ist auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen.
15Vgl. EuGH, etwa Urteile vom 4. Juni 2015 ‑ C‑195/14 ‑, juris Rn. 36, und vom 15. Juli 2004 ‑ C‑239/02 ‑, juris Rn. 46; BVerwG, Beschluss vom 19. September 2016 ‑ 3 B 52.15 ‑, juris Rn. 10.
16Gemessen daran stellt das Zulassungsvorbringen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Aufschrift „Das Produkt ist glutenfrei.“ auf den Verpackungen der beiden streitgegenständlichen Lebensmittel irreführend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 sei, nicht schlüssig in Frage.
17a. Der Einwand der Klägerin, aus der Existenz, den Erwägungsgründen und den Regelungen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 der Kommission vom 30. Juli 2014 über die Anforderungen an die Bereitstellung von Informationen für Verbraucher über das Nichtvorhandensein oder das reduzierte Vorhandensein von Gluten in Lebensmitteln (ABl. L 228 S. 5) ergebe sich, dass die Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ auf den streitgegenständlichen Produkten zulässig sei, greift nicht durch.
18Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit regelmäßig ein Interesse an der Information über das Vorhandensein, das reduzierte Vorhandensein oder das Nichtvorhandensein von Gluten in Lebensmitteln haben, und dass derartige Informationen nach dem Erwägungsgrund 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 den Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit helfen sollen, sich für zu Hause und unterwegs einen möglichst abwechslungsreichen Speiseplan zusammenzustellen. Vor diesem Hintergrund legt die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 (u. a.) fest, unter welchen Bedingungen die Verwendung des Hinweises „glutenfrei“ grundsätzlich zulässig ist, nämlich dann, wenn das Lebensmittel beim Verkauf an den Endverbraucher einen Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg aufweist (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Buchst. A des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014). Außerdem sollte es nach dem Willen der Europäischen Kommission grundsätzlich möglich sein, ein Lebensmittel, das Zutaten enthält, die von Natur aus glutenfrei sind, mit einem Hinweis auf das Nichtvorhandensein von Gluten gemäß den Bestimmungen der Verordnung zu versehen (vgl. Erwägungsgrund 10).
19Allerdings wird die danach grundsätzlich mögliche Verwendung eines Hinweises auf die Glutenfreiheit eines Lebensmittels, anders als die Klägerin meint, nicht schon dann generell für zulässig erklärt, solange nur ein Glutengehalt von 20 mg/kg in dem betreffenden Lebensmittel nicht überschritten wird. Die Bereitstellung der Information über die Glutenfreiheit steht vielmehr unter dem Vorbehalt, dass diese Information nicht irreführend ist. Denn die allgemeinen, vom Europäischen Parlament und Rat als Unionsgesetzgeber erlassenen Vorschriften über die Lauterkeit der Informationspraxis, insbesondere Art. 7 der VO (EU) Nr. 1169/2011, bleiben von den Regelungen der (bloßen) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 der Kommission unberührt.
20Vgl. ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. Juli 2019 ‑ 13 LA 11/19 ‑, LMuR 2019, 224 = juris Rn. 20.
21Das verdeutlicht im Übrigen auch der Erwägungsgrund 10 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014, wonach bei Lebensmitteln, die Zutaten enthalten, die von Natur aus glutenfrei sind, der Hinweis auf das Nichtvorhandensein von Gluten möglich sein soll, „sofern dabei die allgemeinen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 zur lauteren Informationspraxis eingehalten werden“. Weiter wird ausdrücklich ausgeführt, dass insbesondere eine Lebensmittelinformation nicht irreführend sein darf, indem sie suggeriert, das Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel solche Eigenschaften ebenfalls besitzen.
22Steht die Verwendung des Hinweises „glutenfrei“ danach unter dem Vorbehalt einer nicht irreführenden Lebensmittelinformation, ist es unerheblich, dass die beiden hier streitgegenständlichen Produkte nach dem Vorbringen der Beteiligten unstreitig objektiv glutenfrei im Sinne der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 sind, und führt dieser Umstand nicht zwangsläufig bereits zur Zulässigkeit des verwendeten Hinweises.
23Hiervon ausgehend greift auch der Einwand der Klägerin nicht durch, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei unrichtig, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts eine Kennzeichnung, die den europarechtlichen Vorgaben entspreche, nicht als irreführend bezeichnet werden könne. Insoweit geht die Klägerin erneut von der unzutreffenden Annahme aus, aufgrund der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 sei der Hinweis „glutenfrei“ immer dann zulässig, wenn ein Lebensmittel einen Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg aufweise, und entspreche in diesem Fall „den europarechtlichen Vorgaben“.
24b. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Information über das Nichtvorhandensein von Gluten ‑ also die Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ ‑ irreführend sei, weil sie dem maßgeblichen Durchschnittsverbraucher eine besondere Qualität des Lebensmittels ‑ hier: Schinkenwürfel geräuchert, Sommerwurst geräuchert ‑ suggeriere, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel ebenfalls glutenfrei seien, wird mit dem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
25aa. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Glutenfreiheit der streitgegenständlichen Produkte keine Besonderheit darstelle, weil alle vergleichbaren Lebensmittel, nämlich Rohpökelwaren der Bezeichnung „Schinken“ und Rohwürste der Bezeichnung „Cervelatwurst“, ebenfalls glutenfrei seien, greift die Klägerin nicht mit Erfolg an. Ihr Hinweis darauf, dass nach einer „Übersicht zur Auswahl glutenfreier Lebensmittel“ der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. Fleischerzeugnisse, insbesondere Wurstwaren, zumindest potentiell glutenhaltig sein könnten, begründet keine Richtigkeitszweifel an der Feststellung des Verwaltungsgerichts. Vielmehr lässt sich der Übersicht entnehmen, dass „Wurstwaren (auch Schinken)“ grundsätzlich nicht glutenhaltig sind. Denn in den Erläuterungen wird insoweit ausgeführt, dass bei der Herstellung von Wurstwaren verschiedene glutenhaltige Zutaten und Hilfsmittel verwendet werden könnten (z. B. Gewürzmischungen) und dass beim Kauf von Wurst an der Theke darauf zu achten sei, dass kein Kontaminationsrisiko bestehe (z. B. durch das verwendete Messer oder Brett). In diesem Sinne hat aber auch das Verwaltungsgericht angenommen, dass Schinken und Cervelatwurst „grundsätzlich“ ‑ bei einer Herstellung nach den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse, Neufassung vom 25. November 2015 (Ziff. 2.40 bzw. 2.21 i. V. m. 2.21108) ‑ keine glutenhaltigen Zutaten enthielten.
26bb. Ernstlichen Zweifeln begegnet auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Verbraucher werde durch den Hinweis „Das Produkt ist glutenfrei.“ suggeriert, dass sich die Produkte durch ihre Glutenfreiheit besonders auszeichneten und damit auch eine besondere Qualität verbunden sei. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass bei einem durchschnittlichen Verbraucher nicht nur der (unzutreffende) Eindruck entstehe, dass die Klägerin besondere Anstrengungen auf sich genommen habe, glutenhaltige Zutaten aus der Produktionskette zu entfernen. Vielmehr sei mit der Angabe „glutenfrei“ bei einem durchschnittlichen Verbraucher auch die Auffassung verbunden, es handle sich um ein besonders gesundes Produkt. So weise die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. regelmäßig darauf hin, dass eine immer größer werdende Zahl an Verbrauchern eine glutenfreie Ernährung als bloßen Diät- oder Modetrend wahrnehme und sich einem vermeintlichen Zeitgeist entsprechend freiwillig glutenfrei ernähre.
27Die Klägerin meint dagegen, bei dem Hinweis auf die Glutenfreiheit der streitgegenständlichen Produkte handele es sich um eine rein sachliche Information, die nur an Menschen gerichtet sei, die an Zöliakie erkrankt seien. Der durchschnittliche Verbraucher wisse dagegen, dass die Angabe zur Glutenfreiheit für ihn ohne Bedeutung sei. Damit wird die vom Verwaltungsgericht angenommene mutmaßliche Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Senat teilt die ‑ durch Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. gestützte ‑ Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine glutenfreie Ernährung derzeit durchaus (auch) als Diät- oder Modetrend existiert, und dass der Hinweis auf die Glutenfreiheit der streitgegenständlichen Produkte deshalb geeignet ist, dem insoweit maßgeblichen Durchschnittsverbraucher einen besonderen Vorzug dieser Lebensmittel zu suggerieren. Was die Klägerin selbst mit ihrem Hinweis auf die Glutenfreiheit bezwecken will (oder nicht bezwecken will), ist für die Frage nach der mutmaßlichen Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers unerheblich.
28Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichts München aus dem Jahr 1989 (Urteil vom 29. März 1989 ‑ M 9 K 88.2301 ‑), wonach der Hinweis „gliadinfrei“ auf den Etiketten von Baby-Fruchtsaftgetränken keine Irreführung darstelle, sondern vielmehr der Unterrichtung der Eltern von an Zöliakie erkrankten Kindern diene, rechtfertigt keine andere Bewertung. In dieser zu § 17 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b des damaligen Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) ergangenen Entscheidung wird hinsichtlich der Frage, ob der Verbraucher durch die betreffende Information irregeführt wird, bereits nicht auf die ‑ nach dem heute geltenden (Unions‑)Recht allerdings maßgebliche ‑ mutmaßliche Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers abgestellt, sondern vielmehr nur auf „die Käufer von Babykost“. Die weiteren, von der Klägerin wiederholt wiedergegebenen Erwägungen des Verwaltungsgerichts München in der genannten Entscheidung beziehen sich nur auf diesen (eingeschränkten) Verbraucherkreis und sind daher schon im Ausgangspunkt für die hier zu beantwortende Frage nach der Erwartung eines (heutigen) Durchschnittsverbrauchers nicht weiterführend. Abgesehen davon dürfte die Erwartung des heutigen verständigen Durchschnittverbrauchers bei einem Hinweis auf die Glutenfreiheit eines Lebensmittels nicht mehr mit derjenigen eines solchen Verbrauchers im Jahr 1989 übereinstimmen. Dass die Angabe „glutenfrei“ auf der Verpackung eines Lebensmittels heute noch ‑ wie vom Verwaltungsgericht München Ende der 1980er Jahre angenommen ‑ „für die restlichen Verbraucher [die nicht Eltern von an Zöliakie erkrankten Kindern sind] unverständlich und ohne Aussagekraft“ ist, teilt der Senat angesichts der Vielzahl an inzwischen im Handel erhältlichen glutenfreien Produkten, entsprechender Produktkennzeichnungen und des bereits angesprochenen Trends einer glutenfreien Ernährung nicht.
29cc. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ auf den Etiketten der streitgegenständlichen Lebensmittel sei durch das besondere Informationsinteresse bzw. Informationsbedürfnis der Verbraucher gerechtfertigt und deshalb zulässig. An Zöliakie erkrankte Menschen hätten ein erhebliches Interesse an dieser Information. Es sei eine Abwägung der Interessen ‑ Informationsinteresse der an Zöliakie erkrankten Menschen und Schutz der Verbraucher vor unlauterer Information ‑ vorzunehmen, die hier zugunsten der Menschen mit Zöliakie ausfalle.
30Dass Menschen mit Zöliakie ein erhebliches Interesse daran haben, zu wissen, ob ein Lebensmittel Gluten enthält, stellt der Senat nicht in Frage. Gleichwohl wird die Bereitstellung der Information über das Nichtvorhandensein von Gluten in Lebensmitteln durch das Unionsrecht ‑ auch unter Berücksichtigung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 ‑ aber nicht bedingungslos zugelassen. Sie wird, wie ausgeführt, insbesondere durch das Irreführungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 begrenzt. Ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass ein „besonderes Informationsinteresse“ (eines Teils der Verbraucher) eine Information über die Glutenfreiheit von Lebensmitteln unabhängig davon erlaubt, ob sie irreführend ist, lässt sich, anders als die Klägerin offenbar meint, weder Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 entnehmen noch aus der (Existenz der) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 ableiten.
31Abgesehen davon vermag der Senat aber auch nicht zu erkennen, dass dem Informationsinteresse von Menschen mit Zöliakie nur durch den ausdrücklichen Hinweis „Das Produkt ist glutenfrei.“ auf der Verpackung der streitgegenständlichen Lebensmittel hinreichend Rechnung getragen werden könnte. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der betroffene Verbraucher auch über die Angaben in der Zutatenliste darüber informieren könne, ob das Produkt glutenhaltig sei oder nicht.
32Vgl. ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. Juli 2019 ‑ 13 LA 11/19 ‑, a. a. O., juris Rn. 36.
33Denn nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und c, Art. 21 Abs. 1 i. V. m. Anhang II Nr. 1 der VO (EU) Nr. 1169/2011 ist im Zutatenverzeichnis zwingend anzugeben, wenn ein Lebensmittel glutenhaltig ist, und zwar derart, dass sich die Angabe ‑ etwa durch die Schriftart, den Schriftstil oder die Hintergrundfarbe ‑ eindeutig von dem Rest des Zutatenverzeichnisses abhebt; ist kein Zutatenverzeichnis vorgesehen, so ist gleichwohl mit dem Wort „enthält (…)“ auf die Glutenhaltigkeit des Lebensmittels hinzuweisen. Die von der Klägerin monierte „umständliche Prüfung des Zutatenverzeichnisses“ wird den an Zöliakie erkrankten Menschen damit nicht abverlangt. Vielmehr ist die Glutenhaltigkeit eines Lebensmittels wegen dieser zwingenden Kennzeichnungsvorgaben auf einen Blick zu erkennen. Es ist dafür nicht erforderlich, das Zutatenverzeichnis (vollständig) zu lesen, sondern nur, sich dort über das Vorhandensein von Allergien oder Unverträglichkeiten auslösenden Stoffen oder Erzeugnissen (konkret: glutenhaltiges Getreide) zu informieren. Aus diesem Grund greift auch das Vorbringen der Klägerin nicht durch, die Zutatenverzeichnisse seien in dem jeweiligen Mitgliedstaat der Europäischen Union in der jeweiligen Landessprache verfasst und es sei Menschen mit Zöliakie nicht zuzumuten, ein fremdsprachiges Zutatenverzeichnis lesen zu müssen, um herauszufinden, ob das Lebensmittel Gluten enthalte oder nicht. Die Klägerin meint selbst, dass der Begriff „Gluten“ in einer Vielzahl von Sprachen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union allgemein verständlich sei oder sich ableiten lasse. Dann aber ist gerade auch die verpflichtende besondere Kennzeichnung von glutenhaltigem Getreide bzw. Gluten im Zutatenverzeichnis im Sinne der Vorstellung der Klägerin „grenzüberschreitend“ verständlich und die Information über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Gluten „barrierefrei“ zugänglich, womit dem Informationsinteresse der Menschen mit Zöliakie auch nach Auffassung der Klägerin genügt ist.
34Nicht nachvollziehbar ist die Auffassung der Klägerin, dass es dann, wenn der Blick in das Zutatenverzeichnis zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der an Zöliakie erkrankten Menschen ausreichend wäre, der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 nicht bedurft hätte, und der „Gesetzgeber“ ‑ gemeint ist wohl die Europäische Kommission ‑ die Verordnung außer Kraft setzen und die Auslobung „glutenfrei“ gänzlich auf allen Lebensmitteln untersagen müsste. Dass der Hinweis auf die Glutenfreiheit eines Lebensmittels dann unzulässig ist, wenn er irreführend ist, schließt nicht aus, dass er in anderen Fällen durch das Unionsrecht zugelassen ist, gerade um dem besonderen Informationsinteresse der Menschen mit Zöliakie Rechnung zu tragen. Ein solches besonderes Informationsinteresse dürfte aber vor allem in Bezug auf solche Lebensmittel bestehen, die im Allgemeinen glutenhaltig sind, wie etwa Brot oder Nudeln. Der Hinweis auf die Glutenfreiheit solcher Lebensmittel dürfte dabei regelmäßig nicht irreführend sein, weil nicht auf ein Merkmal hingewiesen wird, das alle vergleichbaren Lebensmittel aufweisen. Bei Lebensmitteln, die ‑ wie nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hier ‑ grundsätzlich bzw. von Natur aus keine glutenhaltigen Zutaten enthalten, ist die Frage, ob ein Hinweis auf die Glutenfreiheit zu einer Irreführung des Verbrauchers führt, jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten.
35Der weitere Einwand der Klägerin, die Angabe „glutenfrei“ stelle einen „informatorischen Mehrwert“ dar, weil sie einen „quantitativen Hinweis“ darauf enthalte, dass der Glutengehalt in dem Lebensmittel höchstens 20 mg/kg betrage, erschließt sich nicht. Es ist bereits nicht anzunehmen, dass der Durchschnittsverbraucher die rechtliche Definition des Begriffs „glutenfrei“ (Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg) überhaupt kennt. Selbst wenn das der Fall wäre, stellte das Wissen um den Glutenhöchstgehalt von 20 mg/kg aber keinen „informatorischen Mehrwert“ zu der aus der fehlenden Kennzeichnung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 i. V. m. Anhang II Nr. 1 der VO (EU) Nr. 1169/2011 folgenden Information dar, dass das Lebensmittel kein glutenhaltiges Getreide enthält. Fehlt eine Kennzeichnung im genannten Sinne, kann der Verbraucher davon ausgehen, dass das Lebensmittel glutenfrei (auch im rechtlichen Sinne) ist. Warum darüber hinaus ein Interesse an der Information bestehen sollte, dass das Lebensmittel (auch) nicht mehr als 20 mg/kg Gluten enthält, ist nicht ersichtlich.
36c. Die Klägerin meint weiter, die Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ sei im konkreten Fall nicht ‑ sprachlich, bildlich oder durch andere Umstände ‑ besonders hervorgehoben. Der Hinweis auf die Glutenfreiheit der streitgegenständlichen Produkte habe (auch) deshalb keinen werbenden Charakter und sei als bloße sachliche Information zulässig. Auch daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
37Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 dürfen Informationen nicht irreführend sein, indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist danach erforderlich, aber auch ausreichend, dass durch die Information „zu verstehen gegeben wird“, dass das Lebensmittel im Vergleich mit Lebensmitteln derselben Lebensmittelkategorie eine Besonderheit aufweist, obwohl das in Wahrheit nicht der Fall ist. Ein solches „zu verstehen geben“ kann aber auch durch die bloße Angabe bzw. Erwähnung der angeblichen Besonderheit ‑ ohne zusätzliche (schrift-)bildliche oder sonstige Hervorhebung ‑ erfolgen, also auch ‑ wie hier ‑ durch das bloße zur Verfügung stellen der Information. Das von der Klägerin angesprochene Merkmal der besonderen Hervorhebung findet sich nur in dem in der Norm genannten Regelbeispiel („insbesondere…“) und ist damit nach allgemeinen systematischen Grundsätzen nicht zwingendes Tatbestandsmerkmal des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011. Die Klägerin legt auch nicht dar, dass dieses Regelbeispiel einschlägig ist, dass also Gluten eine Zutat oder ein Nährstoff ist, was dem Senat im Übrigen zweifelhaft erscheint. Die Hinweise der Klägerin auf die Erwägungsgründe der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014, insbesondere den Wortlaut des Erwägungsgrundes 10, sind in diesem Zusammenhang schon deshalb unergiebig, weil es sich dabei nicht um eine Rechtsvorschrift mit eigenständigem Regelungsgehalt handelt. Die anzuwendende Vorschrift ist vielmehr Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011. Im Übrigen verkennt die Klägerin in diesem Zusammenhang erneut, dass die Europäische Kommission nicht „der europäische Gesetzgeber“ ist. Auch die ‑ nach ihren Ausführungen systematische ‑ Annahme der Klägerin, dass ein Erwägungsgrund einer Durchführungsverordnung (hier Erwägungsgrund 10 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014) die Anwendbarkeit einer Vorschrift einer Verordnung (hier Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011) entgegen ihrem Wortlaut einschränke, ist normsystematisch und ‑hierarchisch abwegig.
38Dass die von der Klägerin angegebene Information sachlich richtig ist, ist, wie ausgeführt, unerheblich. Auch eine objektiv zutreffende Information ist unzulässig, wenn sie irreführend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 ist.
39d. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Klägerin, bei der Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ auf den beiden streitgegenständlichen Produkten handele es sich um keine Werbung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der VO (EU) Nr. 1169/2011 i. V. m. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung. Denn die hier maßgebliche Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 verwendet den Begriff Werbung gar nicht.
40e. Ernstliche Zweifel ergeben sich schließlich nicht aus der Kritik der Klägerin, der Europäische Gerichtshof müsse über die Auslobung „glutenfrei“ bei den streitgegenständlichen Produkten entscheiden, eine solche Entscheidung sei aber durch das Verwaltungsgericht nicht herbeigeführt worden, obwohl sie erforderlich gewesen sei. Abgesehen davon, dass mit diesem Vorbringen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht in Frage gestellt wird, trifft der Einwand auch in der Sache nicht zu. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es grundsätzlich nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den nationalen Gerichten und den Gerichten der Union darüber zu entscheiden, ob die Etikettierung bestimmter Erzeugnisse den Käufer oder den Verbraucher irreführen kann. Dies ist Aufgabe der nationalen Gerichte.
41Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 4. Juni 2015 ‑ C‑195/14 ‑, juris Rn. 35, und vom 28. Januar 1999 ‑ C-303/97 ‑, juris Rn. 36.
42Im Übrigen bestand für das Verwaltungsgericht, das nicht letztinstanzlich entschieden hat, auch keine Vorlagepflicht (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV).
432. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe der Klägerin begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern; der Ausgang des Rechtsstreits muss als offen erscheinen. Das ist ‑ wie oben ausgeführt ‑ nicht der Fall. Dass es um die einheitliche Auslegung des europäischen Lebensmittelrechts gehe, wie die Klägerin geltend macht, vermag demgegenüber nicht die Annahme besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zu begründen. Die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht ist für sich genommen nicht besonders schwierig.
44So auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. Juli 2019 ‑ 13 LA 11/19 ‑, a. a. O., juris Rn. 40.
45Die von der Klägerin als besonders schwierig bezeichneten Fragen, „worin der informatorische Mehrwert der Angabe „glutenfrei“ besteht“ und „welcher Maßstab an die von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 vorausgesetzte besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe zu stellen ist“ bzw. „ob bei der vorliegenden Gestaltung die von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 vorausgesetzte besondere Hervorhebung einer Produkteigenschaft als Besonderheit vorliegt“, lassen sich ‑ wie oben dargelegt - im Zulassungsverfahren beantworten.
463. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
47Die Klägerin formuliert als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
48ob die Auslobung „glutenfrei“ für die von ihr hergestellten Erzeugnisse irreführend ist und damit gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der VO (EU) Nr. 1169/2011 verstößt.
49Die Überprüfung der Informationen, die dem Verbraucher durch die Etiketten auf den Verpackungen der von der Klägerin hergestellten Erzeugnisse zur Verfügung gestellt werden, betrifft jedoch die Umstände des konkreten Einzelfalls und ist deshalb einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
50Sollte der Hinweis der Klägerin, „die Frage“ sei entscheidend für sämtliche Hersteller von Rohwürsten und Rohpökelwaren und außerdem auch von entscheidender Bedeutung für die Verbraucher und die Lebensmittelüberwachung, dahingehend zu verstehen sein, dass die Klägerin eine Klärung der ‑ im Wesentlichen abstrakt formulierten ‑ oben unter Ziff. 2. wiedergegebenen Fragen anstrebt, bedarf es hierfür keiner Durchführung eines Berufungsverfahrens. Diese Fragen lassen sich, wie oben unter Ziff. 1 dargelegt, im Zulassungsverfahren beantworten.
514. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass die geltend gemachte Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) vorliegt. Die Darlegung einer Abweichung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat.
52Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 ‑ 1 B 46.18 u. a. ‑, juris Rn. 11 (zu § 132 VwGO); OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2020 ‑ 9 A 2787/19 ‑, juris Rn. 23.
53Daran fehlt es hier. Die Klägerin macht geltend, das Verwaltungsgericht weiche von einem Rechtssatz ab, den das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. Januar 1992 ‑ 3 C 33.89 ‑ aufgestellt habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe in diesem Urteil festgestellt, dass eine irreführende Bezeichnung i. S d. § 17 LMBG dann nicht vorliege, wenn diese Bezeichnung durch Gemeinschaftsrecht zugelassen sei. Der Begriff der Irreführung sei dahin auszulegen, dass die Verwendung einer rechtlich zulässigen Bezeichnung für sich genommen den Tatbestand des § 17 LMBG nicht erfülle. Demgegenüber gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Angabe „Das Produkt ist glutenfrei.“ auf der Verpackung der streitgegenständlichen Produkte irreführend sei, obwohl der Hinweis „glutenfrei“ gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. dem Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014, also nach Unionsrecht, zulässig sei, weil ihre Produkte einen Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg aufwiesen.
54Einen divergierenden Rechtssatz, den das Verwaltungsgericht aufgestellt hätte, benennt das Zulassungsvorbringen damit nicht. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht den Rechtssatz aufgestellt, ein nach dem Unionsrecht zulässiger Hinweis auf die Glutenfreiheit eines Produkts sei gleichzeitig nach Unionsrecht irreführend. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Hinweis im konkreten Fall nach Unionsrecht nicht zulässig sei, weil er irreführend sei. Dass das Verwaltungsgericht im konkreten Fall eine Irreführung bejaht hat und die Klägerin diese Auffassung nicht teilt, begründet keine Divergenz.
55Abgesehen davon ist der Rechtssatz, den die Klägerin dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entnimmt, nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verhält sich zu dem inzwischen außer Kraft getretenen § 17 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 und Satz 2 Buchst. b LMBG; das Verwaltungsgericht hat Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 angewendet. Rechtlich unterscheiden sich die beiden Entscheidungen zudem insoweit, als es in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall um eine Kollision von nationalem Recht mit Unionsrecht ging, im konkreten Fall aber allein Unionsrecht in Rede steht.
56Vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. Juli 2019 ‑ 13 LA 11/19 ‑, a. a. O., juris Rn. 21 und 47.
57Im Übrigen ist, wie bereits ausgeführt, die Auffassung der Klägerin, der Hinweis auf die Glutenfreiheit eines Produkts sei immer schon dann nach Unionsrecht zulässig, wenn nur der in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 828/2014 geregelte Glutengehalt von 20 mg/kg nicht überschritten werde, nicht zutreffend.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.
59Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).