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Durch eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB ist sicherzustellen, dass nur über Verstöße von hinreichendem Gewicht informiert wird.
Die den Verdacht begründenden Tatsachen sind von der zuständigen Behörde, etwa durch Fotos, zu dokumentieren.
Die Annahme einer Bußgelderwartung oder einer Sanktionierung wegen einer Straftat setzt ein schuldhaftes Verhalten voraus. Es müssen ein objektiver Pflichtverstoß und ein subjektiv schuldhaftes Verhalten einer im Betrieb verantwortlichen Person festgestellt werden können.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antragsgegnerin wird durch einstweilige Anordnung untersagt, die bei der amtlichen Kontrolle am 4. November 2021 in der Bäckereifiliale der Antragstellerin in der H. Straße 129 in E. festgestellten Mängel entsprechend der Ankündigung im Schreiben vom 8. Dezember 2021 im Internet auf der Seite www.lebensmitteltransparenz.nrw.de oder in sonstiger Weise zu veröffentlichen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragstellerin mit dem (sinngemäßen) Hauptantrag,
3den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24. Januar 2022 zu ändern, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, und der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung zu untersagen, die bei der amtlichen Kontrolle am 4. November 2021 in der Bäckereifiliale der Antragstellerin in der H. Straße 129 in E. festgestellten Mängel entsprechend der Ankündigung im Schreiben vom 8. Dezember 2021 im Internet auf der Seite www.lebensmitteltransparenz.nrw.de oder in sonstiger Weise zu veröffentlichen,
4hat Erfolg. Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zur Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zum Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es daher nicht.
5Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Antrag ist begründet, wenn die Erforderlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) i. S. d. § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht worden sind.
6Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
7Die Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung, die auch das Verwaltungsgericht bejaht hat, ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin bereits seit dem 8. Dezember 2021 die Veröffentlichung beabsichtigt und hieran, wie sie mit Schriftsatz vom 17. März 2022 mitgeteilt hat, weiterhin festhält. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein Recht der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Denn die Veröffentlichung der Information ist irreversibel, bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Information regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu ‑ angeblichen ‑ Rechtsverstößen eines Unternehmens kann für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend wirken.
8So auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21. Mai 2019 ‑ 9 S 584/19 ‑, LMuR 2019, 170 = juris Rn. 6.
9Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch,
10vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 ‑ 6 C 9.11 ‑, BVerwGE 141, 329 = juris Rn. 22,
11ist das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG. Durch die von der Antragsgegnerin geplante Veröffentlichung droht eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Antragstellerin.
12Die Veröffentlichung würde im Falle ihrer Umsetzung einen (mittelbaren) Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin darstellen.
13Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 ‑ 1 BvF 1/13 ‑, BVerfGE 148, 40 = juris Rn. 25 ff.
14Dieser Eingriff wäre voraussichtlich nicht gerechtfertigt. Als Eingriffsrechtfertigung für das staatliche Informationshandeln kommt hier allein die auch von der Antragsgegnerin herangezogene Vorschrift des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB in Betracht.
15Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Abs. 2a Satz 2 LFGB auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 37 Abs. 4 Buchst. e der VO (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 OWiG eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
16Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hier voraussichtlich aber nicht erfüllt.
17Den von der Antragsgegnerin dokumentierten Feststellungen zu der Betriebskontrolle am 4. November 2021 (Bericht vom 24. November 2021) in der betroffenen Bäckereifiliale der Antragstellerin lässt sich nicht entnehmen, dass ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes in nicht nur unerheblichem Ausmaß ‑ ein wiederholter Verstoß wird von der Antragsgegnerin nicht behauptet; hierfür ist auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin nichts ersichtlich ‑ i. S. d. § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB besteht.
18An die Tatsachengrundlage des Verdachts sind, da es um die Veröffentlichung eines bloßen Verdachtsfalls geht, von Verfassungs wegen hohe Anforderungen zu stellen. Damit wird sichergestellt, dass auch vor der bestandskräftigen Feststellung eines Verstoßes möglichst nur solche Informationen veröffentlicht werden, die sich auch nachträglich noch als richtig erweisen. § 40 Abs. 1a LFGB verlangt einen hinreichend begründeten Verdacht. Ein in tatsächlicher Hinsicht unaufgeklärter Verdacht der Behörde genügt nicht. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss der Verdacht durch Tatsachen hinreichend begründet sein. Auch in Fällen, in denen dem Verdacht nicht durch Proben, sondern auf andere Weise, etwa ‑ wie hier ‑ durch eine Betriebskontrolle, nachgegangen wird, müssen die den Verdacht begründenden Tatsachen aus Sicht der Behörde aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen entsprechend dokumentiert sein.
19Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 ‑ 1 BvF 1/13 ‑, a. a. O., Rn. 42 ff.
20Darüber hinaus ist durch eine verfassungskonforme Anwendung des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB, insbesondere der Tatbestandsvoraussetzung eines Verstoßes von „nicht nur unerheblichem Ausmaß“, aber auch derjenigen der Bußgelderwartung bzw. der Erwartung der Sanktionierung einer Straftat, sicherzustellen, dass nur über Verstöße von hinreichendem Gewicht informiert wird.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 ‑ 1 BvF 1/13 ‑, a. a. O., Rn. 50 ff.
22Unter Berücksichtigung dieser, mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen verfassungskonformen Auslegung und Anwendung des § 40 Abs. 1a LFGB liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Veröffentlichung hier voraussichtlich nicht vor.
23In der geplanten Veröffentlichung beabsichtigt die Antragsgegnerin folgende Beschreibung der Verstöße:
24Der Fußboden war insbesondere in den Rand- und Eckbereichen sowie unter und hinter den Einrichtungen verunreinigt. An schwer zugänglichen Stellen wurde Mäusekot vorgefunden.
25Die mit dem zweiten Satz behauptete und von der Antragstellerin in erster Linie angegriffene Feststellung hat die Antragsgegnerin schon nicht durch entsprechend dokumentierte Tatsachen belegt. Namentlich ergibt sich derartiges nicht aus dem Bericht vom 24. November 2021 über die Betriebskontrolle am 4. November 2021. In dem Bericht schreibt der Lebensmittelkontrolleur zwar, dass er an zwei schwer zugänglichen Stellen Mäusekot vorgefunden habe, so dass ein Befall mit Mäusen nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne (S. 1 des Berichts). Auf den zwei angefertigten Fotos, die den vorgefundenen Mäusekot dokumentieren sollen (S. 4 des Berichts) ‑ eine Probennahme und -untersuchung ist nicht erfolgt ‑, kann der Senat jedoch keinen Mäusekot erkennen. Auf dem oberen Bild sind Verschmutzungen des Fußbodens in einem Eckbereich unter dem Mobiliar zu sehen; Mäusekot ist allerdings nicht zu erkennen. Auf dem unteren Bild sind sogar die behaupteten Verunreinigungen nicht deutlich zu erkennen, weil offenbar die Bodenfliesen selbst eine schwarze Musterung aufweisen. Zur Dokumentation der Tatsachen, die den Verdacht eines Verstoßes rechtfertigen, reicht dies nicht aus.
26Gegen die von der Antragsgegnerin behauptete Tatsache, dass sich auf dem Fußboden der betroffenen Bäckereifiliale Mäusekot befunden habe, sprechen auch die zahlreichen von der Antragstellerin angeführten und belegten Gesichtspunkte, die im Übrigen von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellt worden sind. So hat die Antragstellerin dargelegt, dass sie ein externes Schädlingsbekämpfungsunternehmen beschäftigt, das routinemäßig Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung durchführt. Diese Routinekontrollen hatten vor der Betriebskontrolle am 4. November 2021 nie einen Hinweis auf einen Schadnagerbefall gezeigt. Auch am Tag der Betriebskontrolle konnte das sofort hinzugezogene Schädlingsbekämpfungsunternehmen keinen Anfraß am Köder, Mäusekot oder sonstige Befallspuren feststellen. Die noch am selben Tag zusätzlich aufgestellten Speedbreaks mit Schlagfallen führten ebenfalls nicht zum Verdacht auf einen Mäusebefall. Bei der Nachkontrolle am Folgetag wurde weder ein Anfraß am Köder noch eine Maus in den Fallen festgestellt. Seit der Betriebskontrolle wurde der Kontrollturnus durch die Antragstellerin vorsorglich (statt monatlich) zunächst auf wöchentlich gesetzt; auch diese Kontrollen blieben ‑ wie die weiteren wieder monatlichen Kontrollen ‑ ohne Hinweise auf einen Schadnagerbefall. Entsprechendes ergaben von der Filialleitung nach der Betriebskontrolle täglich durchgeführte und jeweils dokumentierte Rundgänge durch die Filialräume, in denen gezielt nach Befallspuren gesucht wurde. Weiter hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren eine eidesstattliche Versicherung der Filialleiterin vorgelegt, wonach der Lebensmittelkontrolleur bei der Betriebskontrolle am 4. November 2021 (nur) mit einer Taschenlampe aus ca. 70 cm Entfernung hinter einen Müllsack geleuchtet und so Mäusekot entdeckt habe; ihrer Meinung nach habe es sich um Leinsamen gehandelt. Diesem Vorbringen, insbesondere dazu, dass die in Rede stehende Verschmutzung nur mit Taschenlampenlicht und nicht aus unmittelbarer Nähe gesehen worden sein soll, ist die Antragsgegnerin nicht, etwa durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Lebensmittelkontrolleurs zum Vorfinden von Mäusekot, entgegengetreten. Der bloße Hinweis der für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegnerin, die Feststellung von Mäusekot sei seitens eines ausgebildeten, über eine entsprechende Expertise verfügenden Lebensmittelkontrolleurs erfolgt, reicht insoweit nicht aus. Die Antragstellerin hat weiter dargelegt, dass frühere Kontrollen der Bäckereifiliale seitens der Antragsgegnerin immer beanstandungslos geblieben und namentlich keine Hygienemängel festgestellt worden sind. Außerdem betreibt die Antragstellerin ein internes Qualitätsmanagement, dessen Hygienechecks bislang ebenfalls im Wesentlichen beanstandungsfrei verlaufen sind. Ihre Mitarbeiter sind speziell zum Thema „Schadnagerbefall Erkennen und Handeln“ geschult.
27Dass im benachbarten F. -Markt ein Mäusebefall festgestellt worden ist, mag die Gefahr eines Befalls auch in der Bäckereifiliale der Antragstellerin begründen. Dieser Umstand reicht für sich genommen jedoch nicht für die Begründung eines Verdachts im Sinne des § 40 Abs. 1a LFGB. Unergiebig und für die Entscheidung im vorliegenden Fall unerheblich sind im Übrigen die Spekulationen der Beteiligten darüber, ob die am 4. November 2021 auf dem Fußboden vorgefundenen Verunreinigungen Leinsamenkörner (statt Mäusekot) waren. Entscheidend ist allein die Frage, ob es sich ‑ wie von der Antragsgegnerin behauptet und von ihr durch begründete Tatsachen zu dokumentieren - um Mäusekot gehandelt hat.
28Die geplante Veröffentlichung ist auch hinsichtlich des ersten Satzes nicht von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB gedeckt. Es ist weder von der Antragsgegnerin dargelegt noch sonst ersichtlich, dass es sich bei der Verunreinigung des Fußbodens in den Rand- und Eckbereichen sowie hinter den Einrichtungen ‑ unter Berücksichtigung der gebotenen verfassungskonformen Anwendung dieses Tatbestandsmerkmals ‑ um einen schwerwiegenden Verstoß i. S. d. § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB handelt. Die auf den Fotos abgebildeten kleineren Verunreinigungen (kleinere Schmutzansammlungen in einem Eckbereich unter dem Mobiliar) geben für eine solche Annahme nichts her.
29Unabhängig davon, dass es im konkreten Fall an einem hinreichend begründeten Verdacht eines Verstoßes von nicht nur unerheblichem Ausmaß fehlt, liegt voraussichtlich auch eine weitere Tatbestandsvoraussetzung für die Veröffentlichung nicht vor. Es ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht anzunehmen, dass auf der Grundlage der Feststellungen der Antragsgegnerin und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin ein Bußgeld in Höhe von 350 Euro oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 OWiG eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Dieses Tatbestandsmerkmal, das das Verwaltungsgericht weder im Rahmen seines Zitats von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB genannt noch inhaltlich geprüft hat, muss kumulativ zu einem Verstoß von nicht nur unerheblichem Ausmaß vorliegen. Die Regelung des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB normiert so zwei ‑ nebeneinander zu fordernde ‑ Voraussetzungen, die sicherstellen, dass Verstöße nur bei Erreichen einer gewissen Erheblichkeitsschwelle veröffentlicht werden. Denn nur Verstöße von hinreichendem Gewicht können die für betroffene Unternehmen potentiell gravierenden Folgen rechtfertigen.
30Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 ‑ 1 BvF 1/13 ‑, a. a. O., Rn. 52 ff.
31Die Verhängung eines Bußgeldes setzt ein schuldhaftes Verhalten voraus. Entsprechendes gilt in Bezug auf eine etwaige Straftat. Es müssen ein objektiver Pflichtverstoß und ein subjektiv schuldhaftes Verhalten einer im Betrieb verantwortlichen Person festgestellt werden können.
32Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 ‑ 1 BvF 1/13 ‑, a. a. O., Rn. 55 a. E.; OVG NRW, Beschluss vom 3. März 2020 ‑ 13 B 1554/19 ‑, LMuR 2020, 260 = juris Rn. 21; Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2021, § 40 Rn. 115.
33Das ist hier nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht der Fall.
34Ungeachtet des Umstands, dass der behauptete Schädlingsbefall (konkret: Mäusekot an schwer zugänglichen Stellen auf dem Fußboden) nach den obigen Ausführungen nicht hinreichend dokumentiert ist, ist selbst bei Annahme eines objektiven Verstoßes gegen Hygienevorschriften für ein subjektiv schuldhaftes Verhalten eines Geschäftsführers oder eines Beschäftigten der Antragstellerin nach Aktenlage nichts ersichtlich und von der Antragsgegnerin auch nicht substantiiert vorgetragen. Es ist schon nicht erkennbar, worin das schuldhafte Verhalten gesehen werden könnte. Insbesondere sind nach den obigen Ausführungen Fehler in der Betriebsorganisation nicht ersichtlich. Ein etwaiges Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter der Antragstellerin in der betroffenen Filiale ist auch von der Antragsgegnerin bisher nicht behauptet worden.
35Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der nunmehr vorgelegten Strafanzeige der Antragsgegnerin, die diese unter dem 24. Januar 2022 ‑ am Tag des Ergehens des nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Eilbeschlusses - bei der Staatsanwaltschaft gegen vier Geschäftsführer der Antragstellerin gestellt hat, nachdem sie im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. S. 6 f. der Antragserwiderung vom 21. Januar 2022) noch vom Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit ausgegangen war. In der Strafanzeige begründet sie das Vorliegen einer Straftat nach § 59 Abs. 1 Nr. 9 LFGB i. V. m. § 12 LFGB damit, dass der „im Betrieb“ festgestellte Schädlingsbefall (Mäuse) zeige, dass Hygienevorschriften und deren Umsetzung „in diesem Betrieb“ nicht konsequent beachtet würden. Ein Lebensmittelunternehmen sei aber dafür verantwortlich, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllt würden. Diesem, im Wesentlichen aus Textbausteinen bestehenden Schreiben an die Staatsanwaltschaft lässt sich jedoch nicht entnehmen, worin die Antragsgegnerin das schuldhafte Verhalten der vier Geschäftsführer sieht. Mit den ausführlichen Angaben der Antragstellerin zu den von ihr getroffenen Vorkehrungen und Maßnahmen zur Einhaltung der hygienerechtlichen Vorgaben setzt sich die Antragsgegnerin nicht auseinander.
36Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Informationen nach § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden dürfen, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird, vgl. § 40 Abs. 1a Satz 4 LFGB. Dass im konkreten Fall ein Benehmen mit der Staatsanwaltschaft hergestellt worden ist, ist nicht ersichtlich. Der pauschale letzte Satz der Antragsgegnerin in ihrer Strafanzeige vom 24. Januar 2022 („Ich gehe davon aus, dass Ihrerseits keine Einwände gegen eine Veröffentlichung nach § 40 Ia LFGB bestehen.“) rechtfertigt jedenfalls nicht die Annahme, die geplante Veröffentlichung sei im Sinne eines Benehmens mit der Staatsanwaltschaft E. abgestimmt.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
38Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG.
39Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).