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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die vom Antragsteller angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der beschließende Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
4Der Senat kann dabei offen lassen, ob die Antragsänderung im Beschwerdeverfahren (Erreichbarkeit der Kindertageseinrichtung binnen 15 Minuten "unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel") ausnahmsweise analog § 91 Abs. 1 VwGO zulässig ist.
5Vgl. zu einer Antragsänderung analog § 91 Abs. 1 VwGO: OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Dezember 2021 - 13 B 102/21 -, juris Rn. 15, vom 8. August 2018 - 4 B 441/18 -, juris Rn. 12, und vom 29. Januar 2018 - 9 B 1540/17 -, juris Rn. 13.
6Unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens des Antragstellers ist jedenfalls nicht (mehr) mit dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit,
7vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, juris Rn. 22, sowie Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, juris Rn. 24 f., und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, juris Rn. 3; OVG NRW, Beschlüsse vom 12. März 2015 - 12 B 136/15 -, juris Rn. 3 ff., und vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris Rn. 4 ff., jeweils m. w. N.,
8von einem über die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinausgehenden Anspruch des Antragstellers auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Ein entsprechender Anordnungsanspruch ist nicht (mehr) glaubhaft gemacht, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller zwischenzeitlich einen Betreuungsplatz in der Kindertagesstätte M. N., S.-straße 00 in 00000 K., angeboten hat.
9Durch dieses Angebot hat die Antragsgegnerin den Anspruch des Antragstellers auf einen bedarfsgerechten und zumutbaren Betreuungsplatz bei summarischer Prüfung voraussichtlich erfüllt.
10Mit dem Antragsteller ist zunächst davon auszugehen, dass sich der ihm zustehende Anspruch nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auf einen (individuell) bedarfsgerechten Betreuungsplatz bezieht. Der Nachweis eines Angebots zur frühkindlichen Förderung genügt den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII (nur), wenn es dem konkret-individuellen Bedarf des anspruchsberechtigten Kindes und seiner Erziehungsberechtigten insbesondere in zeitlicher und räumlicher Hinsicht entspricht.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 5 C 19.16 -, juris Rn. 41; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2022 - 12 A 3520/19 -, juris Rn. 119, sowie Beschlüsse vom 14. Juli 2020 - 12 B 758/20 -, juris Rn. 9, vom 5. Februar 2020 - 12 B 1324/19 -, juris Rn. 7, und vom 5. Februar 2014 - 12 B 17/14 -, juris Rn. 4.
12Dieser individuelle Bedarf wird durch die Sorgeberechtigten bestimmt und ist vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe beim Nachweis eines Betreuungsplatzes grundsätzlich auch zu berücksichtigen.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 5 C 19.16 -, juris Rn. 42; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2022 - 12 A 3520/19 -, juris Rn. 121, sowie Beschlüsse vom 14. Juli 2020 - 12 B 758/20 -, juris Rn. 11, und vom 5. Februar 2020 - 12 B 1324/19 -, juris Rn. 9; Bay. VGH, Urteil vom 22. Juli 2016- 12 BV 15.719 -, juris Rn. 45; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8. Dezember 2016 - 12 S 1782/15 -, juris Rn. 41.
14Dies zugrunde gelegt sind - unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der dem Antragsteller von der Antragsgegnerin zwischenzeitlich angebotene Betreuungsplatz in zeitlicher Hinsicht (in Bezug auf Betreuungszeit und -umfang) den konkret-individuellen Bedarf des Antragstellers und seiner Eltern nicht erfüllte. Vielmehr entspricht der Platz in der Kindertageseinrichtung M. N. dem gewünschten zeitlichen Umfang von 45 Stunden pro Woche.
15Auch in räumlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der nachgewiesene Betreuungsplatz bedarfsgerecht und zumutbar ist. Die Frage, ob eine Tageseinrichtung unter zumutbaren Umständen vom Wohnort des Kindes aus erreichbar ist, lässt sich nicht pauschalisierend beantworten. Die Bewertung der Zumutbarkeit hängt vielmehr von den konkreten örtlichen Verhältnissen ab, wie sie sich z. B. in der jeweiligen Siedlungsstruktur widerspiegeln, aber auch von allgemeinen und individuellen kind- und/oder elternbezogenen Bedarfsgesichtspunkten, so etwa davon, ob und inwieweit nicht berufstätige Hilfspersonen Unterstützung leisten oder ob und aus welchen sachlich gerechtfertigten Gründen das Kind zu Fuß, mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Betreuungsort gebracht werden soll. Dabei können sich je nach Art der Transportnotwendigkeit unterschiedliche Höchstgrenzen für die noch zumutbare Entfernung und den noch zumutbaren Zeitaufwand ergeben.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2022 - 12 A 3520/19 -, juris Rn. 125 f., und Beschlüsse vom 13. Juli 2023 - 12 B 706/23 -, vom 17. März 2014 -, 12 B 70/14 -, juris Rn. 17 f., m. w. N., und vom 14. August 2013 - 12 B 793/13 -, juris Rn. 19.
17Dieser Prüfungsmaßstab unterscheidet sich nicht von demjenigen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, die der Antragsteller zitiert. Auch hiernach ist darauf abzustellen, wie sich das Bringen und Abholen des Antragstellers nach den konkreten Umständen des Einzelfalls gestalten wird, d. h. welches Verkehrsmittel für diese Wege regelmäßig genutzt werden soll.
18Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 28. März 2018- 4 B 40/18 -, juris Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8. Dezember 2016 - 12 S 1782/15 -,juris Rn. 42.
19Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist weder dem Gesetz noch den vorgenannten Entscheidungen zu entnehmen, dass sich die Sorgeberechtigten die Art der Beförderung frei aussuchen dürften. § 5 Abs. 1 SGB VIII eröffnet den Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Die persönliche Präferenz der Sorgeberechtigten des Antragstellers, den Y. -straße zur Kindertageseinrichtung zu Fuß zu bewältigen, betrifft weder die Auswahl der Einrichtung noch die Ausgestaltung der Leistung und ist damit nicht Ausfluss des Wunsch- und Wahlrechts. Vielmehr sind grundsätzlich alle Transportmittel und Nahverkehrsverbindungen zu berücksichtigen, die dem Antragsteller und seinen Eltern im Einzelfall zur Verfügung stehen,
20vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8. Dezember 2016 - 12 S 1782/15 -, juris Rn. 42,
21wobei je nach Konstellation aus sachlich gerechtfertigten Gründen einzelne Beförderungsvarianten ausscheiden können.
22Vgl. zu dieser Einschränkung: OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2022 - 12 A 3520/19 -, juris Rn. 125 f., m. w. N.
23Den vorstehenden Anforderungen ist hier mit dem seitens der Antragsgegnerin zum 1. August 2023 angebotenen Betreuungsplatz in der Kindertageseinrichtung M. N. hinreichend Rechnung getragen. Die Wegedauer vom Wohnort des Antragstellers (U.-straße 01, 00000 K.) zu dieser Einrichtung (S.-straße 00, 00000 K.) beträgt nach Google Maps mit dem Auto unter Nutzung der kürzesten Strecke von 4,3 km 8 Minuten, mit dem Fahrrad sind es bei einer Entfernung von 3,2 km 10 Minuten.
24Der gegen die räumliche Zumutbarkeit des angebotenen Betreuungsplatzes gerichtete Vortrag des Antragstellers verfängt nicht. Insbesondere hat er keine durchgreifenden sachlichen Gründe vorgetragen, die gegen die Nutzung eines Pkw oder Fahrrads sprechen.
25Der Antragsteller macht geltend, dass ein Transport mittels Pkw ausscheide, weil er sich "nur widerwillig anschnallen" lasse "und andernfalls erhebliche Schreianfälle" bekomme, "die ihn binnen kürzester Zeit durchschwitzen" ließen. Man könne "einem unter 3-jährigen Kind, was emotional noch nicht gefestigt" sei, "nicht zumuten, sich solcher Stresssituationen auszusetzen – insbesondere, wenn es anschließend alleine in einer Betreuungseinrichtung verbleiben" müsse. Selbiges gelte "für ein Anschnallen im Fahrradanhänger". Das Verhalten des Antragstellers könne "zu einer nicht hinnehmbaren Ablenkung […] und damit zugleich auch zu Verkehrsgefährdung führen". Daher kämen nur der öffentliche Personennahverkehr oder der Fußweg in Betracht.
26Dieses Vorbringen hat der Antragsteller nicht in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht. Zwar hat seine Mutter die beim Anschnallen des Antragstellers entstehenden Schwierigkeiten eidesstattlich versichert. Unabhängig davon, ob die (im Übrigen allein nur) von der Mutter des Antragstellers abgegebene eidesstattliche Versicherung im erstinstanzlichen Verfahren mit dem Aktenzeichen 6 L 558/23, auf die sie sich in ihrer Beschwerdebegründung bezieht, den formalen Anforderungen genügt, lässt sich ihr nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass dem Antragsteller ein Transport per Auto oder mit dem Fahrrad nicht zumutbar wäre. Es bestehen bereits deshalb erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Erklärungsinhalts, weil die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 23. Mai 2023 noch vorgetragen hat, dass er "nur äußerst widerwillig im Auto" fahre, "so dass die Erreichbarkeit der Kindertageseinrichtung zu Fuß oder mit dem Fahrrad gegeben sein muss." Damit sind die Angaben der Prozessbevollmächtigten zur Möglichkeit einer Beförderung mit dem Fahrrad schon widersprüchlich. Unabhängig hiervon ist die Erklärung zur Glaubhaftmachung der behaupteten Unzumutbarkeit eines Transports mittels Pkw oder Fahrrads auch deshalb nicht geeignet, weil der eidesstattlich versicherte Vortrag nicht die erforderliche Substanz aufweist. Das Verhalten des Antragstellers beim Anschnallvorgang ist so vage und oberflächlich beschrieben, dass es nicht ansatzweise geeignet ist, den Vortrag glaubhaft zu machen. Selbständig tragend würde zudem ein glaubhaft gemachter Widerwille des Antragstellers gegenüber dem Anschnallen nicht ausreichen, um die Zumutbarkeit des angebotenen Betreuungsplatzes in Zweifel zu ziehen. Denn es entspricht der Lebenswahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller seinen Widerwillen bei entsprechender Gewöhnung ablegen wird. Soweit der Antragsteller hiergegen einwendet, dass das Patenkind seiner Mutter "noch mit 5 Jahren das Fahren mit dem Auto" verweigert habe, lässt dies keine Rückschlüsse auf die Bewältigung seiner eigenen Ängste zu.
27Der Antragsteller kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass der einzige in Betracht kommende Pkw "für die berufliche Tätigkeit benötigt" werde. Die Arbeitszeiten des Vaters des Antragstellers lägen "außerhalb der in Betracht kommenden Bring- und Holzeiten von Kindertageseinrichtungen". Seine Eltern hätten außerdem "überregionale Termine" wahrzunehmen, welche eine Abfahrt mit dem Pkw vor der regelmäßigen Öffnungszeit von Kindertageseinrichtungen erforderten. Damit haben die Eltern des Antragstellers das grundsätzliche Zurverfügungstehen eines Pkw nicht hinreichend substantiiert in Zweifel gezogen. Für die Frage der Verfügbarkeit des Fahrzeugs kommt es gerade darauf an, nachvollziehen zu können, wie oft und zu welchen Zeiten bzw. mit welchen Zielen der Pkw für die berufliche Tätigkeit benötigt wird. Diesen Anforderungen wird der pauschal und vage bleibende Vortrag des Antragstellers ersichtlich nicht gerecht. So werden die konkreten Arbeitszeiten seiner Eltern ebenso wenig benannt wie die Häufigkeit und die Dauer von Auswärtsterminen.
28Dem Senat erschließt sich auch nicht, warum es dem Vater des Antragstellers nicht möglich sein soll, seinen Sohn zur Kindertageseinrichtung zu befördern bzw. ihn von dort abzuholen. Er ist einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH mit einem Firmensitz (Q. Y.-straße 000), der lediglich 2,7 km von der Kindertageseinrichtung und 1,6 km vom Wohnort des Antragstellers entfernt liegt. Ungeachtet dessen könnte die Beförderung des Antragstellers jedenfalls von seiner Mutter bewerkstelligt werden, selbst wenn diese "einer Vollzeitbeschäftigung von 8 Stunden täglich" nachgeht. Sie übt ihre rechtsanwaltliche Tätigkeit nach eigenen Angaben selbständig "in Hauskanzlei" aus, ist mithin offensichtlich zeitlich flexibel und - abgesehen von Auswärtsterminen - grundsätzlich in der Nähe der dem Antragsteller angebotenen Kindertageseinrichtung. Selbst an Tagen, an denen ihr ein Pkw nicht zur Verfügung steht, wäre es ihr daher in aller Regel ohne weiteres möglich, den Antragsteller - wie ursprünglich beantragt - per Fahrrad zu befördern.
29Zieht der Antragsteller somit bereits die Zumutbarkeit der Erreichbarkeit der nachgewiesenen Einrichtung mit Kraftfahrzeug bzw. Fahrrad nicht ernstlich in Zweifel, kommt es auf seine Einwände gegen ein Bringen und Abholen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß nicht mehr an.
30Die weiteren Ausführungen des Antragstellers mit Schriftsätzen vom 26. Juli 2023, 30. Juli 2023 sowie 2. August 2023 sind nach Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erfolgt und bereits daher nicht berücksichtigungsfähig. Ungeachtet dessen verhelfen sie der Beschwerde ebenso wenig zum Erfolg.
31Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht der Erfüllung seines Rechtsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII nämlich nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des Angebots eines Platzes in der Kindertageseinrichtung M. N. am 14. Juni 2023 ein anderer Platz in der Einrichtung L.-E.-Haus frei war, den dessen Träger, der T. e. V. (im Folgenden: T. ), der Antragsgegnerin bereits am 12. Juni 2023 gemeldet hatte. Der Antragsteller beruft sich darauf, diesen Platz nach dem in § 5 SGB VIII statuierten Wunsch- und Wahlrecht für sich beanspruchen zu können.
32Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Der Wahl und den Wünschen soll nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII führt jedoch nicht dazu, dass der zuständige Jugendhilfeträger in jedem Fall freie Plätze in der von den Eltern des Kindes konkret gewünschten Einrichtung vorhalten und ggf. im Wege einer Kapazitätserweiterung schaffen muss. Denn dieses Recht findet seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Einrichtung (mehr) vorhanden oder verfügbar sind.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. August 2013- 12 B 793/13 -, juris Rn. 10.
34Sind bedarfsgerechte Plätze für die in einer bestimmten Einrichtung gewünschte Betreuung hingegen vorhanden und ist die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden, so ist der Jugendhilfeträger nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ("soll entsprochen werden") allerdings gehalten, der Wahl und den Wünschen des Leistungsberechtigten zu entsprechen, sofern kein atypischer Fall vorliegt, der ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigt.
35Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18. Oktober 2006- 4 LA 42/05 -, juris Rn. 9.
36Der Anspruch auf Förderung nach § 24 SGB VIII kann sich mit Rücksicht auf das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII daher auf den Besuch einer bestimmten Einrichtung "verdichten", wenn dort ein bedarfsgerechter und belegbarer Platz für die gewünschte Betreuung vorhanden ist und atypische Umstände nicht vorliegen.
37Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28. November 2014- 4 ME 221/14 -, juris Rn. 5.
38In diesem Fall darf ein Antragsteller ein ansonsten zumutbares Angebot für einen Betreuungsplatz ablehnen, ohne dass Erfüllung eingetreten wäre.
39Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 24. November 2014 - 1 B 251/14 -, juris Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - 4 ME 326/08 -, juris Rn. 10; Etzold, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, BeckOGK SGB VIII, Stand: 1. Juni 2023, § 24 Rn. 40.
40Gemessen hieran hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ein belegbarer Platz im L.-E.-Haus für die gewünschte Betreuung verfügbar ist.
41Dies folgt schon daraus, dass im L.-E.-Haus kein Platz frei ist, der dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausdrücklich beantragten "Betreuungsumfang von 45 Stunden wöchentlich" gerecht würde. Vielmehr betrifft die dortige Vakanz nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten lediglich ein Volumen von 35 Wochenstunden. Allein deshalb ist dieser Betreuungsplatz nicht geeignet, dem Begehren des Antragstellers zu entsprechen.
42Unabhängig hiervon hat der Antragsteller nach summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Anspruch auf den von ihm begehrten Platz in seiner Wunscheinrichtung.
43Er trägt insoweit vor, dass es sich bei dem freien Platz im L.-E.-Haus um einen Optionsplatz im Sinne von § 2 Abs. 6 der zwischen der Antragsgegnerin und der T. V. gGmbH am 5. April 2016 abgeschlossenen Rahmenvereinbarung (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) handele, über den gemäß § 4 Abs. 2 Rahmenvereinbarung nur die Antragsgegnerin verfügen könne und dürfe. Dieses Recht sei weder zeitlich befristet noch anderweitig eingeschränkt. Die Antragsgegnerin müsse ihm in Erfüllung seines Wunsch- und Wahlrechts diesen Optionsplatz verschaffen. In jedem Fall sei es der Antragsgegnerin über die Regelung in § 2 Abs. 6.4 Rahmenvereinbarung möglich, auf den T. dahingehend einzuwirken, dass ein weiterer Optionsplatz vereinbart werde, der sodann dem Antragsteller zuzuweisen sei.
44Mit diesen Einwendungen dringt der Antragsteller nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht durch, weil der Platz im L.-E.-Haus kein Optionsplatz im Sinne der Rahmenvereinbarung sein dürfte. Insoweit unterscheidet die Rahmenvereinbarung zwischen Überbelegungs- und Optionsplätzen (vgl. § 2 Abs. 5 und § 2 Abs. 6 Rahmenvereinbarung) und enthält zu beiden Platzarten differenzierte Entstehungsvoraussetzungen und Verteilungsmechanismen. Soweit die Beteiligten den freien Platz zunächst übereinstimmend als Optionsplatz angesehen haben, handelt es sich - anders als der Antragsteller meint - nicht um "unstreitigen Sachverhalt", sondern um eine rechtliche Subsumtion, an die der Senat nicht gebunden ist. Überdies hat jedenfalls die Antragsgegnerin zuletzt zwischen Options- und Überbelegungsplätzen differenziert (Schriftsatz vom 28. Juli 2023, S. 2).
45Zu Optionsplätzen ist in der Rahmenvereinbarung geregelt, dass Einrichtungsträger und Jugendamt ein verbindliches Kontingent pro Einrichtung festlegen können (§ 2 Abs. 6.1 Rahmenvereinbarung) und das Jugendamt diese Plätze im Bedarfsfall aktiviert. Nach § 4 Abs. 2.1 Rahmenvereinbarung werden die "unter § 2 vereinbarten, möglichen Optionsplätze […] ausschließlich vom Jugendamt belegt".
46Allerdings dürfte der freie Platz im L.-E.-Haus - entgegen der Annahme des Antragstellers - voraussichtlich kein Optionsplatz im Sinne dieser Regelung sein. Insoweit hat die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, dass sie derzeit mit den Einrichtungsträgern keine Vereinbarung über Optionsplätze abgeschlossen habe. Dies ergibt sich aus ihrem an die "Kitaleitungen und Träger von Kindertageseinrichtungen" gerichteten Schreiben vom 5. Dezember 2022, wonach die Rahmenstruktur für das Kindergartenjahr 2023/2024 "erstmalig statt einer Vereinbarung von Optionsplätzen eine Einschätzung" enthalte, ob die Antragsgegnerin sich "wegen einer Anfrage zur Überbelegung" beim jeweiligen Einrichtungsträger melden werde. Gleiches ist der dem Schreiben beigefügten Anlage zu entnehmen, in dem sich die Antragsgegnerin- anders als der Antragsteller offenbar annimmt - nicht etwa ein Kontingent an Optionsplätzen sichert, sondern lediglich gegenüber dem Einrichtungsträger ankündigt, sich ggf. "zur Vereinbarung von einzelnen Überbelegungsplätzen" zu melden. Damit fehlt bereits "ein verbindliches Kontingent von Optionsplätzen" im Sinne von § 2 Abs. 6.1 Rahmenvereinbarung, das von der Antragsgegnerin nach § 2 Abs. 6.1 Rahmenvereinbarung "aktiviert" bzw. gemäß § 4 Abs. 2.1 Rahmenvereinbarung vergeben werden könnte.
47Die hiergegen gerichtete Argumentation des Antragstellers, es handele sich um einen Optionsplatz, weil die Antragsgegnerin bei einem Überbelegungsplatz nicht hätte involviert zu werden brauchen und weil ein Antragsformular gemäß § 2 Abs. 5.3 Rahmenvereinbarung nicht vorgelegt worden sei, verfängt nach vorläufiger Prüfung nicht. Aus der Beteiligung der Antragsgegnerin und einem nicht präsentierten Antragsformular kann nicht zwingend der Schluss gezogen werden, es müsse sich bei dem freien Platz im L.-E.-Haus um einen Optionsplatz handeln. Hierfür spricht auch nicht, dass die Antragsgegnerin den T. darum gebeten hat, die Vakanz im L.-E.-Haus bis zu einer Entscheidung im gerichtlichen Verfahren noch nicht zu besetzen, weil dies ersichtlich nicht in Ausübung eines Rechts, sondern auf ausdrücklichen Wunsch des Verwaltungsgerichts in seiner Verfügung vom 11. Juli 2023 geschehen ist. Auch ein etwaiges dreiwöchiges Notfall-Belegungsrecht, das überdies in der Rahmenvereinbarung schon keinen Niederschlag gefunden hat, dürfte keinen Optionsplatz begründen, der nach § 2 Abs. 6.1 Rahmenvereinbarung nämlich nur "[i]m Zusammenhang mit der Vereinbarung der Rahmenstrukturen […] festgelegt" werden kann. Da ein Optionsplatz mithin schon nicht entstanden sein dürfte, kommt es auf den Vortrag des Antragstellers zu einer aus seiner Sicht nicht erfolgten "Rückgabe" dieses "Notfall-" Platzes an den Einrichtungsträger und zu einer nach seiner Auffassung willkürlichen Vergabe nicht an. Überdies wäre die dreiwöchige Frist mittlerweile ohnehin abgelaufen. Auch der weitere Einwand, die mit Schreiben vom 5. Dezember 2022 vorgelegte Anlage sehe nur eine Gruppengröße von zehn Kindern vor, so dass der freie elfte Platz im L.-E.-Haus ein Optionsplatz sein müsse, da die Anlage anderenfalls insgesamt elf Plätze ausgewiesen hätte, dürfte ins Leere gehen. Denn während die Rahmenstruktur gemäß § 2 Abs. 1 Rahmenvereinbarung einmal jährlich vereinbart wird, können Überbelegungsplätze- wie vorliegend die zusätzlichen Plätze im L.-E.-Haus - auch unterjährig entstehen. Anders als der Antragsteller meint, ist damit nicht jeder Platz, der die in der Rahmenstruktur definierte Gruppengröße überschreitet, ein Optionsplatz.
48Vielmehr dürfte der bei dem in der Einrichtung L.-E.-Haus noch vorhandene Platz ein Überbelegungsplatz im Sinne von § 2 Abs. 5.1 Rahmenvereinbarung sein. Hiernach gilt als Überbelegung jeder Platz, der die für die in der Anlage zum Kinderbildungsgesetz für die jeweilige Grundform festgelegte Platzzahl überschreitet. Der freie Platz im L.-E.-Haus betrifft die Gruppenform IIb, die eine Kinderzahl von zehn vorsieht. Nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten geht der streitgegenständliche Platz im L.-E.-Haus über diese regulären Kapazitäten nach § 28 Abs. 2 Satz 2 KiBiz i. V. m. der Anlage zu § 33 KiBiz hinaus und dürfte sich damit als Überbelegungsplatz darstellen. Dies hat die Antragsgegnerin zuletzt mit Schriftsatz vom 28. Juli 2023 auch bestätigt. Ein solcher Überbelegungsplatz ist zwar vom Jugendamt zu genehmigen (§ 2 Abs. 5.2 Rahmenvereinbarung). Die Verteilung dieses Platzes fällt voraussichtlich jedoch mangels anderweitiger Regelung gemäß § 4 Abs. 1.1 Rahmenvereinbarung in die Zuständigkeit des Einrichtungsträgers. Es dürfte sich insoweit um "einen unbelegten Platz der für ein Kindergartenjahr vereinbarten Rahmenstruktur" handeln, da er in dieser aufgrund des dort enthaltenen Hinweises, dass eine "Anfrage zur Überbelegung wahrscheinlich" sei, bereits angelegt ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann die Antragsgegnerin auch nicht gemäß § 4 Abs. 2.1 Rahmenvereinbarung über solche Überbelegungsplätze verfügen, da diese Regelung nur für Optionsplätze gilt. Eine Anwendung der Vorschrift auf Überbelegungsplätze im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung,
49vgl. zur ergänzenden Vertragsauslegung bei öffentlich-rechtlichen Verträgen: BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 - 3 C 8.95 -, juris Rn. 37, m. w. N.,
50dürfte ausscheiden, weil es in Anbetracht von § 4 Abs. 1.1 Rahmenvereinbarung voraussichtlich an einer Regelungslücke fehlt; zudem dürfte es einem gerechten Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien nicht entsprechen, die unterstellte Lücke durch die Anwendung von § 4 Abs. 2.1 Rahmenvereinbarung zu schließen, der sich einseitig zugunsten nur eines Vertragspartners auswirken würde, indem er diesem ein ausschließliches Recht zur Vergabe (auch) von Überbelegungsplätzen einräumen würde. Der streitgegenständliche Überbelegungsplatz dürfte daher vom T. in eigener Trägerautonomie zu vergeben sein, ohne dass die Antragsgegnerin hierauf Einfluss nehmen könnte. Es stand dem Antragsteller frei, an dem Verfahren zur Vergabe dieses Platzes durch den freien Träger teilzunehmen. Dieser hat jedoch bereits in seiner an die Antragsgegnerin gerichteten E-Mail vom 2. August 2023 mitgeteilt, dass seine Wahl nicht etwa auf den Antragsteller, sondern auf das Kind einer anderen Familie gefallen sei.
51Damit fehlt es bereits an einem freien Platz im L.-E.-Haus, auf den sich der Anspruch auf Förderung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII mit Rücksicht auf das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verdichten könnte.
52Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang ferner geltend macht, dass es der Antragsgegnerin über § 2 Abs. 6.4 Rahmenvereinbarung oder allgemeine Grundsätze möglich sei, auf den T. in der Weise einzuwirken, dass ein weiterer Optionsplatz entsteht, der dann an ihn zu verteilen sei, ist dieser Vortrag für das vorliegende Eilverfahren nicht entscheidungsrelevant. Denn auf noch nicht vorhandene, sondern erst zu schaffende Plätze kann sich ein Förderungsanspruch nicht verdichten. Vielmehr begründet das Wunsch- und Wahlrecht des § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII keinen Anspruch auf die Schaffung neuer Dienste und Einrichtungen.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. April 2016 - 12 A 1262/14 -, juris Rn. 44, und Beschluss vom 14. August 2013 - 12 B 793/13 -, juris Rn. 10.
54Dementsprechend beschränkt es sich in gleicher Weise auf die tatsächlich vorhandenen Plätze in einer bestimmten Einrichtung.
55Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die in diesem Zusammenhang vom Antragsteller zitierte Senatsentscheidung,
56vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9 Juni 2023 - 12 B 458/23 -, juris Rn. 10 f.,
57da sie eine andere Fallkonstellation betraf. Anders als in dem dort entschiedenen Verfahren ist dem Antragsteller hier ein bedarfsgerechter und zumutbarer Betreuungsplatz angeboten worden.
58Aufgrund des dem Antragsteller nachgewiesenen Platzes, kommt es weder auf die Frage, ob das Verwaltungsgericht den Antragsteller in seinem Beschluss zu Recht auch auf eine Kindertagespflegestelle verwiesen hat, noch auf die damit zusammenhängende Frage der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens an. Ebenso wenig brauchte der Senat zu entscheiden, ob die vom Verwaltungsgericht tenorierte Wegstrecke von 30 Minuten rechtmäßig ist. Denn dem Antragsteller wurde ein Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung angeboten, die - wie dargelegt - in weniger als 15 Minuten vom Wohnhaus seiner Eltern mit dem Fahrrad oder mit dem Auto zu erreichen ist und daher dem ursprünglichen Begehren des Antragstellers entspricht.
59Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
60Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).