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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks H. Straße 000 in Ahlen. Er wendet sich gegen das Vorhaben der Beigeladenen, in einer Entfernung von etwa 913 m bzw. 853 m südlich seines Wohnhauses zwei Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben.
4Durch Bescheid vom 27. Februar 2020 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen auf deren Antrag nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in einem förmlichen Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-141 EP4 TES mit einer Nabenhöhe von 129,40 m und einem Rotordurchmesser von 141 m, mithin einer Gesamthöhe von 199,90 m, in der Gemarkung Ahlen, Flur YYY, Flurstück ZZ (WEA 1) und Flur XX, Flurstück XY (WEA 2). Der Betrieb der WEA 2 wurde mit Blick auf ein Vorkommen des Rotmilans (potenziell besetzter Rotmilanhorst in 1.133 m bzw. 1.634 m Entfernung von den Anlagenstandorten) - entsprechend dem Antrag der Beigeladenen in der Zeit vom 15. Februar bis einschließlich 15. Oktober eines jeden Jahres zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht zugelassen (I.4.1). Die Genehmigung enthält ferner Nebenbestimmungen insbesondere in Bezug auf Geräuschimmissionen (V.3.2: an bestimmten Immissionsorten einzuhaltende Immissionswerte, V.3.4 ff.: Auflage einer FGW-konformen Abnahmemessung) und Schattenwurf (V.3.10 ff.).
5Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 1. April 2020 beim Verwaltungsgericht Münster Klage erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen 10 K 751/20 geführt worden ist. Zur Begründung der Klage beruft er sich auf durch die Windenergieanlagen verursachte akustische Beeinträchtigungen, deren optisch bedrängende Wirkung, potentielle Gesundheitsschädigungen durch Infraschall, eine unzumutbare Belastung durch Schattenwurf und die fehlende Standsicherheit der Anlagen sowie auf Verfahrensmängel.
6Vor Errichtung der Anlagen hat der Antragsgegner der Beigeladenen auf deren Antrag am 15. Dezember 2021 nach Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach § 7 Abs. 1 UVPG eine auf § 16 BImSchG gestützte Änderungsgenehmigung erteilt. Diese umfasst die Änderung des Anlagentyps - nunmehr: Enercon E-138 EP3 E2 TES mit einer Nabenhöhe von 130,80 m, einem Rotordurchmesser von 138,25 m und (wiederum) einer Gesamthöhe von 199,90 m - sowie die Zulassung des Betriebs der WEA 2 „im Tagzeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr“. Bezogen auf den Tagzeitraum ist der Anlagenbetrieb beider Anlagen - hinsichtlich der WEA 2 unter der Bedingung der vorherigen Realisierung einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme zum Schutz des Rotmilans (IV.1.2) und unter der Auflage temporärer Abschaltungen bei Mahd- und Ernteereignissen (V.4.1) - im Betriebsmodus 0s mit maximaler Nennleistung PN = 4.200 kW und einem Rotordrehzahlsollwert von 11,1 U/min genehmigt (I.3.I.). Im Nachtzeitraum (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) ist der Betrieb der WEA 1 im Betriebsmodus ls mit maximaler Nennleistung PN = 4.200 kW und einem Rotordrehzahlsollwert von 10,6 U/min (I.3.II.(1)), der Betrieb der WEA 2 im Betriebsmodus 0s mit maximaler Nennleistung PN = 4.200 kW und einem Rotordrehzahlsollwert von 11,1 U/min genehmigt (I.3.II.(2)). Die Anlagen sind nach Auflage V.3.4 der Änderungsgenehmigung solange im Nachtzeitraum außer Betrieb zu nehmen, bis das Schallverhalten des betreffenden Anlagentyps in den Betriebsmodi ls und 0s an einer der beantragten Windenergieanlagen selbst oder einer anderen Anlage desselben Typs durch eine FGW-konforme Vermessung belegt und der Nachtbetrieb vom Antragsgegner freigegeben wird. Der Änderungsgenehmigung liegt u.a. eine neue Schallimmissionsprognose der Q. GmbH vom 11. Dezember 2019 zugrunde, die nach dem Interimsverfahren erstellt wurde und die neben der Geräuschbelastung durch die beiden genehmigten Anlagen auch die Vorbelastung durch sechs auf dem Gebiet der Stadt I. errichtete Windenergieanlagen berücksichtigt, wobei für die Bestandsanlagen die in den Genehmigungsunterlagen der Stadt I. festgelegten Schallleistungspegel und für die streitbefangenen geplanten Anlagen der vom Hersteller prognostizierte Schallleistungspegel zzgl. eines Zuschlags im Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze in Höhe von 2,1 dB(A) berücksichtigt worden ist.
7Die Änderungsgenehmigung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 19. Januar 2022 in das anhängige Klageverfahren einbezogen.
8Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 5. April 2022 erklärt, dass der mit der Ursprungsgenehmigung genehmigte Anlagentyp nicht realisiert werde.
9Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit sodann durch Beschluss vom 8. April 2022 an das Oberverwaltungsgericht als aus seiner Sicht zuständiges Gericht unter Hinweis darauf verwiesen, dass die nach Inkrafttreten der Neufassung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO am 10. Dezember 2020 grundsätzlich fortbestehende erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts („perpetuatio fori“) hier durchbrochen werde, weil sich der Genehmigungsgegenstand in der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 im Vergleich zum Gegenstand der Genehmigung vom 27. Februar 2020 als ein „aliud“ darstelle.
10Am 5. Juli 2023 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er macht geltend: Die Beigeladene habe nunmehr mit vorbereitenden Bauarbeiten begonnen. Es sei verfahrensfehlerhaft, dass der Antragsgegner statt eines neuen Genehmigungsverfahrens nur ein Änderungsgenehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt habe. Im ursprünglichen Genehmigungsverfahren habe die Beigeladene selbst ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung beantragt. Außerdem sei eine Neugenehmigung erforderlich, weil es sich bei dem jetzt tenorierten Genehmigungsinhalt um ein „aliud“ handele. Selbst wenn die Genehmigung mit der Änderungsgenehmigung zu einer einheitlichen Genehmigung verschmolzen sein sollte, sei diese rechtswidrig und verletze ihn, den Antragsteller, in seinen Rechten. Das Nebeneinander der beiden Bescheide führe zu einer nachbarrechtlich relevanten Unbestimmtheit, weil nicht hinreichend klar sei, ob und wann die WEA 2 während des Tagzeitraums betrieben werden dürfe. Er sehe sich durch die genehmigten Windenergieanlagen unzumutbaren akustischen und optischen Wirkungen ausgesetzt. Von den Anlagen ginge unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats eine unzumutbare optisch bedrängende Wirkung aus; auch bei der Planung der Konzentrationszone, in der die Anlagenstandorte lägen, sei nicht mit so hohen Anlagen gerechnet worden.
11Im vorliegenden Eilverfahren beantragt der Antragsteller,
12die aufschiebende Wirkung der Klage 8 D 90/22.AK gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 27. Februar 2020 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 anzuordnen.
13Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
14den Antrag abzulehnen.
15II.
161. Der Senat ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zuständig, weil das Klageverfahren 8 D 90/22.AK (vormals 10 K 751/20 VG Münster) hier aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 8. April 2022, den der Senat gemäß § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG als für ihn bindend erachtet, anhängig ist. Der Senat teilt zwar die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die „perpetuatio fori“ werde im Falle der Erteilung einer Änderungsgenehmigung für einen geänderten Anlagentyp durchbrochen, nicht.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2022 ‑ 8 D168/22.AK -, juris Rn. 6.
18Die Voraussetzungen, unter denen einem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ausnahmsweise die Bindungswirkung abzusprechen ist, liegen hier indessen nicht vor. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wird nur bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen. So liegt es, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.
19Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2022 - 7 AV 1.21 -, juris Rn. 6, m. w. N.
20Das ist hier nicht der Fall, weil das Verwaltungsgericht sich in der Begründung seiner Auffassung mit dem Inhalt der Bescheide und mit von ihm als einschlägig erachteter Rechtsprechung auseinandergesetzt hat, ohne hierbei zu einem Ergebnis zu gelangen, das nicht mehr nachvollzogen werden könnte.
212. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (dazu a), aber nicht begründet (dazu b).
22a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig.
23aa) Er ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Die Klage gegen die Genehmigung vom 27. Februar 2020 in der Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 hat gemäß § 63 BImSchG keine aufschiebende Wirkung. Die Vorschrift ist auch auf Genehmigungen anwendbar, die vor Inkrafttreten der Neuregelung am 10. Dezember 2020 erteilt worden sind,
24vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 2021 - 8 B 875/21 -, juris Rn. 42 ff.,
25sowie auf Änderungsgenehmigungen,
26vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2023 - 8 B 230/23.AK -, juris Rn. 10 f., m. w. N.
27bb) Die gegen die Klagebefugnis des Antragstellers im Klageverfahren vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24. November 2020 und von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 7. Januar 2021 geltend gemachten Bedenken sind beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand jedenfalls insoweit nicht nachvollziehbar, als sie sich auf den anzunehmenden Schallimmissionspegel für die Gesamtbelastung von - in Anlehnung an den nächstgelegenen Immissionsort O - maximal etwa 42 dB(A) stützen. Für diesen Immissionsort beträgt die in der Schallimmissionsprognose der Q. GmbH vom 11. Dezember 2019 prognostizierte Zusatzbelastung bei Volllastbetrieb 41,8 dB(A), die Gesamtbelastung 42,5 dB(A). Das Grundstück des Antragstellers, welches nur etwa 160 m vom Immissionsort O entfernt liegt, dürfte sich danach jedenfalls im Einwirkungsbereich der Anlagen befinden (vgl. Nr. 2.2 der TA Lärm).
28b) Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.
29Die nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse der Beigeladenen einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers andererseits fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
30Die bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung hat sich insbesondere an den Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage in der Hauptsache zu orientieren. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollziehungsinteresse. Stellt er sich dagegen als offensichtlich rechtswidrig dar, überwiegt das Aussetzungsinteresse. Bei offenen Erfolgsaussichten kommt es auf eine Vollzugsfolgenabwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Dabei ist im Rahmen einer Drittanfechtungsklage nicht maßgeblich, ob der Verwaltungsakt objektiv in jeder Hinsicht rechtmäßig ist. Zur Aufhebung des Verwaltungsakts kann die Anfechtungsklage des Antragstellers nur dann führen, wenn er gerade aufgrund der Verletzung von Normen rechtswidrig ist, die ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers begründen, also drittschützend sind, und wenn - in Verfahren, auf die, wie hier, das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Anwendung findet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG) - ein etwaiger Rechtsfehler nicht nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG behoben werden kann.
31In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die - wie das vorliegende - von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO (Errichtung, Betrieb und Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern) erfasst werden, kann das Gericht einen behebbaren Mangel des angefochtenen Verwaltungsakts nach Maßgabe von § 80c Abs. 2 VwGO außer Acht lassen und eine Frist zur Behebung des Mangels setzen. Nach § 80c Abs. 3 Satz 1 VwGO soll das Gericht die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel auf diejenigen Maßnahmen des angefochtenen Verwaltungsaktes beschränken, bei denen dies erforderlich ist, um anderenfalls drohende irreversible Nachteile zu verhindern. Entscheidet das Gericht im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung, ist nach § 80c Abs. 4 VwGO die Bedeutung von Vorhaben besonders zu berücksichtigen, wenn ein Bundesgesetz feststellt, dass diese im überragenden öffentlichen Interesse liegen.
32Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2023 - 8 B 230/23.AK -, juris Rn. 14 ff., m. w. N.
33Dies zugrunde gelegt fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
34Dabei geht der Senat davon aus, dass Klagegenstand die Genehmigung vom 27. Februar 2020 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 ist. Die Einbeziehung des Änderungsbescheids in das anhängige Klageverfahren war im Übrigen sachgerecht und geboten, weil die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung die Ursprungsgenehmigung nicht gegenstandslos werden lässt, sondern vielmehr mit der Ursprungsgenehmigung verschmilzt, wenn der Betreiber sie umgesetzt oder wenn dieser - wie hier - während eines noch gegen die Ursprungsgenehmigung anhängigen Klageverfahrens unmissverständlich erklärt hat, von der Genehmigung in der ursprünglichen Form keinen Gebrauch mehr zu machen.
35Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2022 ‑ 8 D 168/22.AK -, juris Rn. 4 ff., und vom 9. Juni 2022 - 8 B 407/22 -, juris Rn. 17, m. w. N.; zur Einbeziehung von Änderungsbescheiden in ein anhängiges Klageverfahren vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 1. März 2021 - 8 A 1183/18 -, juris Rn. 57 ff.
36Die Genehmigung vom 27. Februar 2020 ist durch die Änderungsgenehmigung vom 15. Dezember 2021 zudem nicht vollständig, sondern nur teilweise ersetzt worden. Soweit in der Änderungsgenehmigung nichts anderes bestimmt ist, gelten die Bedingungen, Auflagen und Hinweise der Ursprungsgenehmigung weiter (vgl. den letzten Satz des Tenors der Änderungsgenehmigung).
37aa) Ausgehend von den Ausführungen in der Klage- und Antragsbegründung spricht gegenwärtig nichts Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung in formeller oder materieller Hinsicht gegen solche Rechtsvorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind und ihn in seinen Rechten verletzt. Dabei kann hier offenbleiben, ob die Klagebegründungsfrist gemäß § 6 UmwRG auch für einen während eines bereits anhängigen Klageverfahrens erlassenen und mit der ursprünglich erteilten Genehmigung verschmolzenen Änderungsbescheid gilt,
38vgl. dies in einem planfeststellungsrechtlichen Verfahren verneinend: OVG NRW, Urteil vom 31. August 2020 - 20 A 1923/11 -, juris Rn. 144 f.,
39und ob die hier vorliegende Klagebegründung, soweit sie sich auf eine Bezugnahme auf die im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Bedenken beschränkt, den Anforderungen des § 6 UmwRG genügt.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 100 ff.
41(1) Die Verfahrensrügen greifen aller Voraussicht nach nicht durch.
42Der Antragsteller beanstandet Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilten Änderungsgenehmigung sowie Mängel der Öffentlichkeitsbeteiligung und auch der Umweltverträglichkeitsprüfung betreffend sowohl das Änderungsgenehmigungsverfahren als auch das ursprüngliche, auf Antrag der Beigeladenen nach § 10 BImSchG durchgeführte Genehmigungsverfahren.
43(1.1.) Die Erteilung der Änderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG) im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG ist jedenfalls nach gegenwärtiger Rechtslage, die als nachträgliche Änderung zugunsten des Vorhabenträgers zu berücksichtigen ist, nicht zu beanstanden. Die Zuordnung von Änderungen erteilter Genehmigungen für Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen einschließlich einer Auswechslung des Anlagentyps zum vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG entspricht den gesetzlichen Vorgaben (vgl. die mit Wirkung vom 13. Oktober 2022 eingefügte Regelung in § 16b Abs. 7 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 BImSchG).
44Soweit der Senat früher die Auffassung vertreten hat, dass die Errichtung eines neuen und anders gearteten, von der bisherigen Genehmigung nicht umfassten Anlagentyps - sowohl dann, wenn die zunächst genehmigten Anlagen bereits errichtet worden sind und ersetzt werden sollen, als auch dann, wenn sie nie errichtet worden sind - eine Neugenehmigung erfordert,
45vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 113 ff.,
46wird daran mit Blick auf die derzeitige Rechtslage nicht festgehalten.
47(1.2.) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln des durchgeführten Genehmigungs- und Änderungsgenehmigungsverfahrens, die nach § 4 UmwRG einen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung begründen, ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch drängen sie sich im Übrigen auf.
48Eine UVP-Pflicht des ursprünglichen Vorhabens und demgemäß die Notwendigkeit, ein Verfahren gemäß § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, wurde nicht gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 UVPG dadurch ausgelöst, dass die Beigeladene die (auch erfolgte) Durchführung einer UVP beim Antragsgegner beantragt hat. Denn diese Vorschrift ist nur auf solche Neuvorhaben anwendbar, für die sonst zunächst nach den Absätzen 1 und 2 eine Vorprüfung erforderlich gewesen wäre.
49Vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 78 f.; OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2022 ‑ 8 D 346/21.AK ‑, juris Rn. 51.
50Das ist aber nach § 7 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 UVPG (Windfarm aus drei bis weniger als sechs Anlagen mit einer Gesamthöhe von über 50 m) bei nur zwei genehmigten Anlagen nicht der Fall. Es bestehen nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die zugelassenen WEA 1 und 2 eine Windfarm mit weiteren Anlagen, insbesondere den als Vorbelastung berücksichtigten Anlagen auf dem Gebiet der Stadt I., bilden würden. Anhaltspunkte für einen funktionalen Zusammenhang i. S. d. § 2 Abs. 5 Satz 1 UVPG sind nicht ersichtlich. Die Anlagen befinden sich insbesondere nicht in derselben Konzentrationszone (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 2 UVPG).
51Personen gemäß § 61 Nr. 1 VwGO können die Aufhebung einer UVP-pflichtigen Entscheidung wegen eines Verfahrensmangels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG im Übrigen nur verlangen, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten - also dem Antragsteller, nicht lediglich anderen Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit - die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat. Unter den Begriff des Verfahrensfehlers fallen dabei nur Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die die äußere Ordnung des Verfahrens, d. h. den Verfahrensablauf als solchen betreffen. Hierzu gehören etwa Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte, wie etwa die Durchführung einer UVP oder einer UVP-Vorprüfung. Nicht zum äußeren Verfahrensgang in diesem Sinne gehören dagegen der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Prozess der Willens- und Entscheidungsfindung, der sich im Umweltrecht regelmäßig auf der Grundlage von Fachgutachten vollzieht.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 ‑ 7 A 17.12 - juris Rn. 29; OVG NRW, Urteil vom 5. Oktober 2020 ‑ 8 A 893/17 -, juris Rn. 128 ff., m. w. N.
53Ein nach diesem eingeschränkten Maßstab relevanter Mangel der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung ist hier nicht erkennbar. Die Öffentlichkeit ist im Genehmigungsverfahren beteiligt worden. Die Möglichkeit des Antragstellers, zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen, ist erkennbar nicht beeinträchtigt worden. Er hat durch seine Prozessbevollmächtigten umfangreiche Einwendungen erhoben.
54Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG dürfte allerdings im Änderungsgenehmigungsverfahren eine Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung bereits deshalb bestanden haben, weil eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor Erteilung der Genehmigung vom 27. Februar 2020 tatsächlich durchgeführt worden ist. Um den Behörden komplizierte retrospektive Prüfungen zu ersparen, stellt die Vorschrift allein darauf ab, ob die Zulassung des bestehenden Vorhabens seinerzeit tatsächlich mit Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt ist oder nicht.
55Vgl. Mann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: Januar 2023, § 9 UVPG Rn. 1.
56Eine allgemeine Vorprüfung hat hier auch stattgefunden. Nach § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG kann ein drittbetroffener Privater im gerichtlichen Verfahren keine inhaltlichen Mängel einer durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung rügen, sondern nur Verfahrensfehler, wie etwa das Fehlen einer erforderlichen Umweltverträglichkeits(vor)prüfung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG), das Unterlassen einer erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) oder nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG sowie § 4 Abs. 1a, Abs. 1b UmwRG sonstige Verfahrensfehler. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG steht eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit, die nicht dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügt, einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG gleich. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG hat das Gericht die Einschätzung der zuständigen Behörde nur daraufhin zu prüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Das ist hier nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand unter Berücksichtigung der Entfernung der Anlagen zum potenziellen Rotmilanstandort und der angeordneten Schutzauflagen der Fall. Die Ausweitung der Betriebszeiten am Tag ist mit Blick auf den um 15 dB(A) höheren Immissionsrichtwert in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht offenkundig unbedenklich.
57(1.3.) Ein formeller Mangel ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen, dass die Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung in nachbarschutzrelevanter Weise unbestimmt sei. Die Betriebszeiten bei Tag (6.00 Uhr bis 22.00 Uhr) und bei Nacht (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) sowie die jeweils zulässigen Betriebsmodi sind in der Änderungsgenehmigung eindeutig bestimmt. Damit ist die in der Ursprungsgenehmigung vorgesehene, ersichtlich allein artenschutzrechtlich begründete Abschaltung zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang insgesamt unmissverständlich ersetzt worden.
58(2) Die angefochtene Genehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung ist aller Voraussicht nach nicht in nachbarschutzrelevanter Weise zu Lasten des Antragstellers materiell rechtswidrig.
59(2.1.) Mit Blick auf die gesetzliche Wertung des § 249 Abs. 10 BauGB sind die Errichtung und der Betrieb der in Rede stehenden, jeweils 199,90 m hohen Windenergieanlagen an dem geplanten Vorhabenstandort für den Antragsteller nicht in unzumutbarer Weise optisch bedrängend.
60Nach dieser Vorschrift, die als eine dem Vorhabenträger günstige Rechtsänderung in dem Klageverfahren 8 D 90/22.AK zu berücksichtigen ist, steht der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Vorhaben nach § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB, das der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dient, in der Regel nicht entgegen, wenn der Abstand von der Mitte des Mastfußes der Windenergieanlage bis zu einer zulässigen baulichen Nutzung zu Wohnzwecken mindestens der zweifachen Höhe der Windenergieanlage entspricht. Satz 2 der Vorschrift bestimmt die Höhe im Sinne des Satzes 1 als die Nabenhöhe zuzüglich Radius des Rotors.
61Der Abstand zwischen dem Wohnhaus und den Anlagen beträgt hier etwa 913 m bzw. 853 m und damit jeweils deutlich mehr als das Vierfache der Gesamthöhe. Bei dieser Entfernung hätte die Annahme einer unzumutbaren optisch bedrängenden Wirkung selbst nach den vor Inkrafttreten des § 249 Abs. 10 BauGB in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben, wonach bei einem Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage, der mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage beträgt, regelmäßig nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung auszugehen war,
62grundlegend OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, juris Rn. 51 ff., 73 ff., 91 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 4 B 72.06 -, juris Rn. 3 ff.; siehe zuletzt etwa OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2022 - 8 D 311/21.AK -, juris Rn. 38 ff.,
63fern gelegen. Allein die Sichtbarkeit der Anlagen vom Grundstück des Antragstellers aus begründet kein Abwehrrecht.
64(2.2.) Von dem Betrieb der Anlagen sind keine schädlichen Einwirkungen auf das Grundstück des Antragstellers in Form von Lärm und Infraschall zu erwarten.
65Es spricht alles dafür, dass die am Wohnhaus des Antragstellers maßgeblichen Lärmrichtwerte nach den Vorgaben in der streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hinreichend sicher eingehalten werden.
66Das Grundstück des Antragstellers liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB, so dass die in Anlehnung an die für Dorf- und Mischgebiete nach Nr. 6.1 lit. d) TA Lärm 2017 festgelegten Richtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts maßgeblich sind.
67Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 2022 ‑ 8 D 346/21.AK ‑, juris Rn. 62, und vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 ‑, juris Rn. 119.
68Die Einhaltung dieser Immissionsrichtwerte schreibt die Nebenbestimmung V.3.2 der Änderungsgenehmigung in Bezug auf die in der Schallimmissionsprognose der q. GmbH vom 11. Dezember 2019 untersuchten Immissionsorte, darunter auch das Wohnhaus H. Straße 001 als Immissionsort O, verbindlich fest. Der Immissionsort O liegt in der Nähe des Grundstücks des Antragstellers, jedoch näher an den geplanten und den als Vorbelastung berücksichtigten Windenergieanlagen in I. Für diesen Immissionsort beträgt die in der Schallimmissionsprognose der Q. GmbH vom 11. Dezember 2019 prognostizierte Zusatzbelastung durch die Windenergieanlagen der Beigeladenen bei Volllastbetrieb 41,8 dB(A); die Gesamtbelastung einschließlich der auf dem Gebiet der Stadt I. vorhandenen Anlagen beträgt 42,5 dB(A).
69Die Annahme, dass am Haus des Antragstellers keine höhere Geräuschbelastung zu erwarten ist, erscheint bei dieser Sachlage ohne weiteres plausibel.
70Die Einwände des Antragstellers sind unsubstantiiert. Auf den konkreten Regelungsinhalt der Änderungsgenehmigung und der dieser zugrundeliegenden Immissionsprognose geht er nicht näher ein. Soweit er Bedenken darauf stützt, dass hinsichtlich des nunmehr genehmigten Anlagentyps noch kein Vermessungsbericht vorliegt, sondern die Immissionsprognose einen vom Hersteller prognostizierten Schallleistungspegel zugrunde legt, berücksichtigt er weder, dass in der Schallimmissionsprognose ein Sicherheitszuschlag berücksichtigt worden ist, noch dass der Antragsgegner - entsprechend der Anregung des Antragstellers im Verwaltungsverfahren - die Aufnahme des Nachtbetriebs von einer FGW-konformen Vermessung einer der hier genehmigten Windenergieanlagen oder einer anderen Windenergieanlage des gleichen Typs abhängig gemacht hat (Auflage V.3.4 der Änderungsgenehmigung).
71Ein Zuschlag auf den prognostizierten Lärmimmissionswert war nicht wegen des typischen charakteristischen Geräuschs von Windenergieanlagen zu vergeben. Die Regelungen der TA Lärm sehen dies nicht vor.
72Vgl. OVG NRW, Urteile vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 229 ff., und vom 3. Februar 2023 ‑ 7 D 299/21.AK -, juris Rn. 68.
73Ein Zuschlag für Impulshaltigkeit wird nach der TA Lärm nur vergeben, wenn besonders hohe Pegeländerungen einen außergewöhnlichen Grad an Störung erreichen.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, juris Rn. 28 ff.
75Das ist bei modernen Windenergieanlagen grundsätzlich nicht zu erwarten, wäre aber gegebenenfalls vor Aufnahme des Nachtbetriebs zu berücksichtigen, wenn sich bei der vom Antragsgegner geforderten Vermessung Hinweise auf eine relevante Impulshaltigkeit ergeben sollten. Tonhaltige Anlagengeräusche wären von der Genehmigung nicht gedeckt (Nebenbestimmung V.3.3 der Änderungsgenehmigung).
76Unzumutbare Beeinträchtigungen durch Infraschall sind beim Betrieb der Windenergieanlagen ebenfalls nicht zu erwarten. Die Rechtsprechung des beschließenden Gerichts und auch anderer Obergerichte geht davon aus, dass Infraschall ‑ wie auch tieffrequenter Schall ‑ durch Windenergieanlagen nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren führt. Sämtliche dem Senat bekannten Studien und Stellungnahmen dazu sind lediglich Teil des wissenschaftlichen Diskurses, den der Senat seit Jahren fortlaufend verfolgt und auswertet. Bisher ergibt sich daraus allerdings kein begründeter Ansatz für relevante tieffrequente Immissionen oder Infraschall durch Windenergieanlagen mit nachweisbaren gesundheitsschädlichen Auswirkungen.
77Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 27. April 2023 - 8 D 368/21.AK -, juris Rn. 188 ff., und vom 24. Februar 2023 - 7 D 316/21.AK -, juris Rn. 140, sowie Beschluss vom 29. März 2023 - 22 B 176/23.AK -, juris Rn. 32, jeweils m. w. N.
78Die folglich nach derzeitigem Erkenntnisstand allein bestehende hypothetische Gefährdung durch Infraschall löst keine staatliche Vorsorgepflicht aus.
79Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 2022 ‑ 8 D 297/21.AK ‑, juris Rn. 115, vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 -, juris Rn. 168, und vom 5. Oktober 2020 - 8 A 894/17 -, juris Rn. 244.
80(2.3.) Der pauschale Einwand des Antragstellers, die genehmigten Anlagen beeinträchtigten sein Grundstück durch Schattenwurf in unzumutbarer Weise, ist aller Voraussicht nach ebenfalls unbegründet.
81Seine Auffassung, dass die Anlagen mit einer Null-Minuten-Programmierung zu versehen seien, trifft nicht zu. Die nach der Nebenbestimmung V.3.11 der streitbefangenen Änderungsgenehmigung maximal zugelassene Beschattungsdauer von 30 Stunden im Jahr / 30 Minuten am Tag ist nach ständiger Rechtsprechung zumutbar.
82Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2012 ‑ 8 A 339/12 -, juris Rn. 20.
83Es ist davon auszugehen, dass diese Werte auch an den schützenswerten Räumen im Haus des Antragstellers nicht überschritten werden. Das Haus ist als Immissionsort Q in der Schattenwurfprognose der Q. GmbH vom 3. Dezember 2019 untersucht worden. Danach ergibt sich eine Beschattungsdauer von 15:22 Stunden/Jahr und 30 Minuten/Tag. Der Regelung einer automatischen Abschaltung (siehe dazu Nebenbestimmungen V.3.10 bis V.3.15) bedurfte es in Bezug auf diesen Immissionsort danach nicht. Die Prognose liegt ersichtlich auch auf der sicheren Seite, weil sie auf einer worst-case-Betrachtung der astronomisch möglichen Beschattung beruht; die tatsächliche Beschattung wird niedriger liegen.
84(2.4.) Ebenfalls pauschal und nicht näher konkretisiert ist der Einwand, dass die Anlagen nicht hinreichend standsicher seien. Soweit der Antragsteller damit etwaige Unfallgefahren anspricht, ergibt sich aus seinem Vorbringen keine unzumutbare Beeinträchtigung.
85Nachbarn von Windenergieanlagen können nicht die Abwehr jeder theoretisch denkbaren Gefahr beanspruchen, sondern nur den Schutz vor einer konkreten Gefahr. Eine völlige Risikolosigkeit ist weder rechtlich gefordert noch faktisch möglich.
86Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. November 2021 ‑ 8 A 973/15 ‑, juris Rn. 194 ff., und Beschluss vom 13. September 2017 ‑ 8 B 1373/16 -, juris Rn. 49.
87Konkrete Anhaltspunkte für darüber hinaus gehende typ- oder standortbedingte Unfallgefahren sind hier nicht ersichtlich.
88(2.5.) Auf die naturschutzrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegen die Aufnahme des Tagbetriebs kommt es nicht an. Etwaige Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände (§ 44 BNatSchG) kann der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen, weil die Norm nicht drittschützend ist.
89bb) Selbst wenn man die Erfolgsaussichten der Klage - entgegen den vorstehenden Ausführungen - als offen ansehen wollte, überwiegen bei der dann gebotenen Vollzugsfolgenabwägung das öffentliche Vollzugsinteresse sowie das private Interesse der Beigeladenen das Aufschubinteresse des Antragstellers.
90Die gesetzliche Wertung in § 63 BImSchG, wonach die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Zulassung der in Rede stehenden Windenergieanlagen keine aufschiebende Wirkung hat, wird verstärkt durch § 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 1 EEG, wonach die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Dies ist gemäß § 80c Abs. 4 VwGO im vorliegenden Verfahren besonders zu berücksichtigen.
91Grundsätzliche und vom Antragsteller mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machende Bedenken gegen den gewählten Anlagenstandort und nach § 4 UmwRG zur Aufhebung der Genehmigung führende Rechtsverstöße sind nach den vorstehenden Ausführungen mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Unzumutbare Beeinträchtigungen durch den Anlagenbetrieb sind ebenfalls nicht zu erwarten, könnten aber nötigenfalls - wofür hier derzeit nichts spricht - durch ergänzende Nebenbestimmungen vermieden werden.
92Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind aus Gründen der Billigkeit erstattungsfähig, weil sie einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
93Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat orientiert sich in Fällen der vorliegenden Art an Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und setzt im Hauptsacheverfahren bis zum Erreichen einer Obergrenze von 60.000,- Euro je Windenergieanlage einen Streitwert in Höhe von 15.000,- Euro fest. Der sich danach ergebende Betrag ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens zu halbieren.
94Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).