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Die Verfügung der Beklagten vom 13. September 2018, Az.: F3.1-66-12-00 Bo. wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks T1.------- 0 in H. . Das Grundstück des Klägers verfügt über eine Zufahrt zur T1.------- . Über weitere Zufahrten verfügt das Grundstück nicht. Die T1.------- ist eine Gemeindestraße und mit einem von der Fahrbahn getrennten Gehweg ausgestattet. Straßenbaulastträgerin der Straße ist die Beklagte. Neben dem Grundstück des Klägers befindet sich das Nachbargrundstück T1.------- 0A. Die Zufahrt zu dem hierauf befindlichen Mehrfamilienhaus liegt von der Straße aus gesehen unmittelbar angrenzend links neben der Zufahrt zum Grundstück des Klägers.
3Im Bereich des Gehwegs, in dem die Zufahrt des Klägers liegt, sind Beschädigungen in Forms des Ausbruchs der Asphaltdecke vorhanden.
4Mit Schreiben vom 20. Juli 2018 wie die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Gehwegüberfahrt von ihm – dem Kläger – als Eigentümer des anliegenden Grundstücks gemäß § 20 Abs. 4 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) wieder ordnungsgemäß wiederherzustellen sei. Die Anlegung einer Grundstückszufahrt gelte grundsätzlich als erlaubnisfreier Straßenanliegergebrauch im Sinne des § 14 a Abs. 1 StrWG NRW. Demnach dürfte der Kläger die Zufahrt nutzen, um auf sein oder vom seinem Grundstück zu fahren. Durch die Benutzung der Zufahrt sei diese jedoch derart beschädigt, dass Fußgänger im Bereich der Gehwegüberfahrt nicht mehr gefahrlos den Bürgersteig benutzen könnten. Damit bestehe eine Gefahr für die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs, die den Gemeingebrauch erheblich beeinträchtige. Gemäß § 20 Abs. 4 i.V.m. § 18 Abs. 4 Sätze 1 und 2 sei der Erlaubnisnehmer bzw. im Kontext des § 14 a Abs. 1 StrWG NRW der Eigentümer oder Besitzer verpflichtet, die mit der Sondernutzung verbundenen Anlagen nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften und anerkannten Regeln der Technik zu errichten und zu unterhalten. Komme der Grundstückseigentümer bzw. Besitzer seiner Verpflichtung nach § 18 Abs. 4 StrWG NRW nicht nach, könne die zuständige Behörde gemäß § 22 Satz 1 StrWG NRW die erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der Auflagen anordnen. Die Beklagte gab dem Kläger abschließend Gelegenheit, die Zufahrt bis zum 23. August 2018 wieder instandzusetzen.
5Mit Schreiben vom 21. August 2018 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Vertretung des Klägers im Verwaltungsverfahren an und bat um rechtsmittelfähige Bescheidung. Die Beklagte erließ – nach vorheriger Anhörung – unter dem 13. September 2018 eine Ordnungsverfügung mit Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. 200,00 €. Hierin wurde der Kläger auf Grundlage von §§ 1 und 14 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) i.V.m. § 22 StrWG NRW aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung dieser Verfügung die Gehwegüberfahrt zu dem Grundstück des Klägers T1.------- 0 in H. instand zu setzen und die erforderlichen Arbeiten mit den Technischen Betrieben der Beklagten abzustimmen. Die Beklagte ordnete zugleich die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihre Ausführungen im Schreiben vom 20. Juli 2018. Gegen den Kläger wurde zudem ein Bußgeldverfahren nach § 59 Abs. 1 Nr. 5 StrWG NRW eingeleitet.
6Am 19. September 2018 hat der Kläger Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 13. September 2018 erhoben, und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von ihm erhobenen Klage gestellt. Dem Eilantrag ist mit Beschluss vom 18. Oktober 2018 im Verfahren 7 L 1460/18 stattgegeben worden.
7Zur Begründung hat der Kläger im Rahmen des Eilverfahrens ausgeführt: Die von der Beklagten zitierten §§ 20 Abs. 4 i.V.m. 18 Abs. 4 StrWG NRW führten für ihn nicht zu einer Handlungspflicht. Die Unterhaltungspflicht aus § 18 Abs. 4 StrWG NRW beziehe sich ausschließlich auf Anlagen, die zur Ermöglichung einer Sondernutzung erstellt worden seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall. § 18 Abs. 4 StrWG NRW finde auch nicht mittelbar über § 20 Abs. 4 StrWG NRW Anwendung. Denn dieser Verweis gelte ausschließlich für Zufahrten und Zugänge, die gemäß § 20 Abs. 3 StrWG NRW ausnahmsweise nicht erlaubnispflichtig seien, gleichwohl aber gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW eine Sondernutzungsmöglichkeit gewährten. Ausschließlich für solche Zufahrten solle die Kostenregelung des § 18 Abs. 4 StrWG NRW gelten. Eine Erstreckung auf solche Zufahrten, die lediglich im Rahmen des Anliegergebrauchs benutzt würden, sehe § 20 StrWG NRW gerade nicht vor. Vielmehr bleibe es insoweit bei der allgemeinen Regel, dass die Unterhaltungskosten vom Straßenbaulastträger zu tragen seien.
8Selbst im Falle seiner – des Klägers – (angenommenen) Handlungspflicht, sei diese vorliegend jedenfalls eingeschränkt, da die Verursachung der Beschädigungen eindeutig ausschließlich Drittverursachern – nämlich den Anliegern des Grundstücks T1.------- 0A – zuzuordnen seien, die die Fläche ebenfalls im Rahmen des Anliegergebrauchs benutzten mit der Folge, dass seine Nachbarn in Anspruch zu nehmen seien und seine Handlungspflicht daher ausscheide. Denn die Nutzung der Zufahrt durch ihn – den Kläger – beschränke sich auf den üblichen Anliegergebrauch ohne jede vermehrte Nutzung. Die Lage der an seiner Zufahrt angrenzenden Zufahrt zum Mehrfamilienhaus auf dem Nachbargrundstück führe dazu, dass der Ziel- und Quellverkehr zu diesem Mehrfamilienhaus nicht rechtwinklig in deren Zufahrt abbiege, sondern bereits zuvor diagonal über den Gehweg vor seinem Haus fahre. Aufgrund dieser massiven Mehrnutzung des Bürgersteigs sei es zu einer nicht unerheblichen Beschädigung des Asphaltbelags auf dem Gehweg vor seinem Grundstück gekommen.
9Der Kläger beantragt sinngemäß,
10die Ordnungsverfügung der Beklagten mit Androhung eines Zwangsgeldes vom 13. September 2018, Az.: F3.1-66-12-00 Bo. aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt sinngemäß,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend hat sie im Eilverfahren vorgetragen: Bei § 20 Abs. 4 StrWG NRW handele es sich um eine Ausnahmevorschrift zu § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StrWG NRW, wonach der Träger der Straßenbaulaust – für Gemeindestraßen gemäß § 47 Abs. 1 StrWG NRW die Gemeinden – die Straßen nach ihrer Leistungsfähigkeit zu unterhalten hätten. Die Norm des § 20 Abs. 4 StrWG NRW diene der Schließung einer Lücke. Vielfach bestünden Zufahrten von alters her kraft Gemeingebrauchs, ohne dass hinsichtlich der Unterhaltung besondere Regeln getroffen worden seien. Um Gefahrenquellen auszuschließen, sei es daher für notwendig erachtet worden, auch die Unterhaltung der Zufahrten und Zugänge von alters her ausdrücklich zu regeln und den Straßenbaubehörden ein Einschreiten zu ermöglichen, wenn eine ordnungsgemäße Unterhaltung unterbleibe oder Änderungen erfolgten. § 22 Satz 1 StrWG NRW räume in diesem Zusammenhang der zuständigen Behörde eine Anordnungsbefugnis ein.
14Dass die Schäden im Bereich der Gehwegüberfahrt ausschließlich auf das Überfahren durch die Bewohner des Nachbargrundstücks zurückzuführen seien, müsse bestritten werden. Das Schadensbild wäre – unterstellt diese Behauptung treffe zu – ein anderes. Jedenfalls setze die kraft Gesetzes den Anliegern auferlegte Pflicht zur Unterhaltung der Zufahrten und Zugänge nicht auch eine Verursachung von Schäden durch den Anlieger voraus.
15Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 3. und 5. Dezember 2018 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgangs verwiesen
17Entscheidungsgründe:
18Die Kammer entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
19Die als Anfechtungsklage statthafte Klage ist zulässig und begründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 13. September 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
20Mit Ordnungsverfügung vom 13. September 2018 wurde dem Kläger aufgegeben, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung dieser Verfügung die Gehwegüberfahrt zu seinem Grundstück T1.------- 0 in H. instand zu setzen. Für eine solche Verfügung besteht keine Rechtsgrundlage. Insbesondere kann die Beklagte die Ordnungsverfügung nicht auf § 22 Satz 1 i.V.m. §§ 20 Abs. 4, 18 Abs. 4 Satz 1 StrWG NRW stützen. Nach § 20 Abs. 4 StrWG NRW gelten die §§ 18 Abs. 4 Sätze 1 bis 2 StrWG NRW sowie § 22 StrWG NRW für die Unterhaltung der Zufahrten und Zugänge, die nicht auf einer Erlaubnis nach § 18 StrWG NRW beruhen, entsprechend. Gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 StrWG NRW ist der Erlaubnisnehmer verpflichtet, die mit der Sondernutzung verbundenen Anlagen nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften und anerkannten Regeln der Technik zu errichten und zu unterhalten. § 22 Satz 1 StrWG NRW räumt der zuständigen Behörde eine Anordnungsbefugnis ein. Hiernach kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
21Die Beklagte durfte dem Kläger auf dieser Grundlage die Instandsetzung der Gehwegüberfahrt zu seinem Grundstück T1.------- 0 nicht aufgeben. Die Voraussetzungen des § 22 Satz 1 i.V.m. §§ 20 Abs. 4, 18 Abs. 4 Satz 1 StrWG NRW liegen nicht vor.
22Bei der von der Beklagten in ihrer Ordnungsverfügung in Bezug genommenen Gehwegüberfahrt zum Grundstück des Klägers handelt es sich zwar um eine Zufahrt im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW.
23Nicht zu beanstanden wäre auch die Inanspruchnahme des Klägers als Zufahrtnehmer und Eigentümer des anliegenden Grundstücks. Die von § 20 Abs. 4 StrWG NRW für die Unterhaltung der Zufahrt angeordnete sinngemäße Anwendung des § 18 Abs. 4 Satz 1 StrWG NRW bedeutet, dass die in § 18 Abs. 4 Satz 1 StrWG NRW begründete Unterhaltungspflicht den Inhaber einer Zufahrt (anstelle des Erlaubnisnehmers) trifft. Der Kläger wäre – für den Fall, dass er für die Gehwegüberfahrt auch tatsächlich unterhaltungspflichtig wäre – für den Zustand seiner Zufahrt im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich auch verschuldensunabhängig verantwortlich, selbst dann, wenn seine Zufahrt zu Zwecken genutzt wird, die er nicht intendiert hat.
24Vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen (OVG Nds.), Beschluss vom 26. Mai 2006 – 12 LA 150/05 –, juris, Rn. 4 und Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig, Urteil vom 10. März 2005 – 6 A 162/04 –, juris, Rn. 14, 28 für die im Wesentlichen gleichlautenden §§ 20 Abs. 4, 22 und 18 Abs. 4 des Niedersächsischen Straßengesetzes.
25Den Kläger trifft vorliegend aber nicht die Unterhaltungspflicht für die in Rede stehende Gehwegüberfahrt. Der Inhaber einer Zufahrt, deren Anlage oder wesentliche Änderung keine Sondernutzung im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW wäre, ist nicht gemäß § 20 Abs. 4 StrWG NRW verpflichtet, die Zufahrt zu unterhalten. Von dieser Vorschrift sind vielmehr nur solche Zufahrten erfasst, die die (sachlichen) Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW erfüllen und damit grundsätzlich als Sondernutzung gelten, aber gleichwohl nicht auf einer Erlaubnis nach § 18 StrWG NRW beruhen.
26Dies gilt zunächst für diejenigen Zufahrten, die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW als Sondernutzung gelten, nach § 20 Abs. 3 StrWG NRW jedoch ausnahmsweise keiner Erlaubnis bedürfen. Vorrangig wollte der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 4 StrWG NRW aber eine mit der Einführung der Regelung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW entstandene Gesetzeslücke für Zufahrten schließen, die schon vor Inkrafttreten dieser Regelungen insbesondere kraft Gemeingebrauchs bestanden und seither nicht wesentlich geändert wurden. Insoweit sollte eine Angleichung der Unterhaltungspflichten in Bezug auf diese (fort-)bestehenden Zufahrten und denen, die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW nunmehr als Sondernutzung gelten, erreicht werden.
27Seit der Neueinführung des § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Straßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (LStrG) vom 28. November 1961, GV.NRW 1961, S. 305 (weitgehend wortgleich mit § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW) gilt mit Wirkung vom 1. Januar 1962 (vgl. § 71 LStrG) die Anlage neuer oder die wesentliche Änderung bestehender Zufahrten zu einer Landesstraße oder einer Kreisstraße außerhalb geschlossener Ortschaften erstmals als Sondernutzung. Gleiches gilt, wenn eine Zufahrt gegenüber dem bisherigen Zustand einem wesentlich größeren oder andersartigen Verkehr dienen soll. Hierdurch wurde neben der grundsätzlichen Erlaubnispflicht nach § 18 Abs. 1 bis 3 StrWG zugleich die Unterhaltungspflicht des Zufahrtnehmers nach § 20 Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 StrWG NRW begründet.
28Da die Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 LStG (und auch die gleichgelagerte Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW in der heutigen Fassung) an die Anlage neuer Zufahrten anknüpft, werden Zufahrten, die seit alters her, d.h. vor dem Inkrafttreten dieser Regelung am 1. Januar 1962 vor allem kraft (vormaligen) Gemeingebrauchs außerhalb von Ortsdurchfahrten (an der freien Strecke) bestehen, von der Neuregelung nicht bzw. erst dann erfasst, wenn sie i.S.v. § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 LStrG bzw. StrWG NRW wesentlich geändert wurden oder einem wesentlichen größeren bzw. andersartigen Verkehr dienen sollen. Vor dem 1. Januar 1962 angelegte Zufahrten, die unverändert fortbestehen, genießen hingegen Bestandschutz und sind weiterhin als Straßennutzung kraft (gesteigerten) Gemeingebrauchs anzusehen.
29Vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage 1989, § 20 StrWG NRW Rn. 18; Stahlhut, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 26 Rn. 38; Walprecht/Cosson, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, § 20 Rn. 186.
30Für die Unterhaltungspflicht von Zufahrten, die allein aufgrund ihres Bestehens vor dem Inkrafttreten dieser Regelung und ihres unveränderten Fortbestands weiterhin zum erlaubnisfreien Gemeingebrauch zählen, bei Zugrundelegung der nunmehr bestehenden Regelung aber der Sache nach als Sondernutzung anzusehen wären, sah das Straßen- und Wegerecht hingegen keine Regelung vor. Diese Lücke sollte der mit dem zweiten Gesetz zur Änderung des Landesstraßengesetzes eingefügte § 20 Abs. 4 StrWG NRW ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs. 9/860 v. 3. Juli 1981, S. 66) schließen. Dort heißt es:
31„Absatz 4 schließt eine Lücke. Vielfach bestehen Zufahrten seit altersher kraft Gemeingebrauchs, ohne daß hinsichtlich einer Unterhaltung besondere Regelungen getroffen wurden. Um Gefahrenquellen für den Verkehr auszuschließen, ist es notwendig, auch ausdrücklich die Unterhaltung der genannten Zufahrten zu regeln und den Straßenbaubehörden ein Einschreiten zu ermöglichen, wenn eine ordnungsgemäße Unterhaltung unterbleibt oder Änderungen erfolgen. Deshalb werden § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie § 22 für entsprechend anwendbar erklärt.“
32Unter Berücksichtigung dieses vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks regelt § 20 Abs. 4 StrWG in Ergänzung zu § 20 Abs. 2 StrWG die Unterhaltungspflicht nur für solche Zufahrten, die – wäre § 20 Abs. 1 StrWG für sie anwendbar – nach dieser Regelung als Sondernutzung fingiert würden.
33So auch angedeutet in OVG Nds., a.a.O., juris, Rn. 4.
34Dafür, dass der Gesetzgeber in § 20 Abs. 4 StrWG NRW darüber hinaus die Unterhaltungspflicht allgemein für alle Zufahrten und Zugänge dem jeweiligen Zufahrtnehmer auferlegen wollte, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte.
35Vielmehr wollte der Gesetzgeber in § 20 Abs. 4 StrWG NRW nur für solche Zufahrten eine Unterhaltungspflicht des Zufahrtnehmers begründen, die die sachlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW grundsätzlich erfüllen und sich damit nach der bestehenden Rechtslage als sondererlaubnispflichtige Zufahrten erweisen würden. Ausweislich der oben bereits zitierten Gesetzesbegründung ging der Gesetzgeber davon aus, dass es zur Vermeidung von Gefahrenquellen für den Verkehr notwendig sei, „ausdrücklich die Unterhaltungspflicht der genannten Zufahrten zu regeln“. Die Bezugnahme auf die „genannten“ Zufahrten ist dabei als Verweis des Gesetzgebers auf die Zufahrten nach § 20 Abs. 1 StrWG NRW, d.h. solche die die Sondernutzungsfiktion nach sich ziehen (würden), zu verstehen.
36Dies wird auch durch die Systematik des § 20 StrWG NRW gestützt. Der Gesetzgeber hat in dessen Abs. 1 Satz 2 und 3 im Sinne einer Legaldefinition zunächst vorangestellt, dass die Anlage neuer oder die wesentliche Änderung bestehender „Zufahrten und Zugänge zu einer Landesstraße, einer Radschnellverbindung des Landes oder einer Kreisstraße außerhalb von Ortsdurchfahrten“ als Sondernutzung gilt. Im Nachfolgenden beschränkt er sich lediglich auf das Begriffspaar der „Zufahrten und Zugänge“, selbst im Fall des § 20 Abs. 2 StrWG NRW, der ersichtlich nur diejenigen Zufahrten und Zugänge meint, die die weiteren Voraussetzungen der Sondernutzungsfiktion gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW erfüllen. Entsprechend dieser Systematik ist auch § 20 Abs. 4 StrWG NRW zu lesen.
37Für eine solche Auslegung spricht zudem, dass § 20 Abs. 4 StrWG eine Ausnahme zur grundsätzlich dem Straßenbaulastträger nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 StrWG NRW obliegenden Unterhaltungspflicht darstellt und daher eng auszulegen ist.
38Vgl. VG Aachen, Urteil vom 5. Juni 2008 – 6 K 165/08 –, juris, Rn. 29, 31; OVG Nds., a.a.O., juris, Rn. 4.
39Hiervon ausgehend handelt es sich bei der Zufahrt des Klägers nicht um eine Zufahrt, die nach § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW als Sondernutzung gilt und daher auch nicht unter § 20 Abs. 4 StrWG NRW fällt. Denn die Sondernutzungsfiktion nach § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW findet – anders als hier bei einer Zufahrt zur T1.------- als Gemeindestraße – nur für Zufahrten oder Zugänge zu einer Landesstraße, einer Radschnellverbindung des Landes oder einer Kreisstraße außerhalb von Ortsdurchfahrten Anwendung.
40Im Umkehrschluss aus der Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 StrWG NRW ergibt sich, dass Zufahrten und Zugänge zu den Landes- und Kreisstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage i.S.v. § 5 StrWG NRW und – wie hier – zu den Gemeindestraßen sowie den sonstigen öffentlichen Straßen nach der gesetzlichen Wertung grundsätzlich zur Straßennutzung im Rahmen des erlaubnisfreien (gesteigerten) Gemeingebrauchs zählen.
41Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 16. Juni 2014 – 11 A 1097/12 –, juris, Rn. 50 das die Anlage einer Zufahrt als Anliegergebrauch nach § 14 a StrWG NRW ansieht; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15. Dezember 1972 – IV C 112/68 –, NJW 1973, 913, 914 für eine Zufahrt zur Bundesstraße innerhalb der Ortsdurchfahrt im Umkehrschluss zu § 8 Abs. 4 FStrG; Fickert, a.a.O., § 20 Rn. 3; Stahlhut in: Kodal, a.a.O., Kapitel 26 Rn. 34.
42Eine Ausnahme hiervon besteht allenfalls, wenn im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine – ggf. im Vergleich zum allgemeinen Anliegergebrauch nach § 14 a StrWG NRW oder zum Gemeingebrauch – übermäßige Nutzung der Zufahrt in Rede steht und daher eine Sondernutzung unmittelbar nach § 18 StrWG NRW gegeben sein könnte. Solche Anhaltspunkte wurden aber weder vorgetragen und noch drängen sie sich dem Gericht auf.
43Die auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 und Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) gestützte Zwangsgeldandrohung ist wegen der Aufhebung der Grundverfügung ebenfalls aufzuheben.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
45Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
46Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben.
47Rechtsmittelbelehrung:
48Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
49Die Berufung ist nur zuzulassen,
501. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
512. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
523. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
534. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
545. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
55Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Zulassungsantrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster; Postanschrift: Postfach 6309, 48033 Münster) einzureichen. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss.
56Der Antrag auf Zulassung der Berufung und dessen Begründung können in schriftlicher Form oder auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745), und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803) eingereicht werden.
57Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, sowie die ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigte zugelassen.