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1. Die Einführung einer Dienstpflicht, die es Beamten verbietet, in ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Religionszugehörigkeit erkennbar zu machen, bedarf ungeachtet der Frage ihrer generellen materiell-verfassungsrechtlichen Zulässigkeit als eine für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Entscheidung einer ausdrücklichen formellgesetzlichen Regelung durch den Parlamentsgesetzgeber.
2. Einzelfall einer rechtswidrigen, weil nicht beurteilungsfehlerfreien Ablehnung der Berufung einer muslimischen Bewerberin, welche bislang in Ausübung des Dienstes ein Kopftuch getragen hat und dies auch für den Fall ihrer Berufung weiterhin beabsichtigt, in das Beamtenverhältnis auf Probe.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt vom Beklagten ihre Einstellung als Beamtin auf Probe.
3Sie wurde am 00.0.1988 in I geboren, ist deutsche Staatsangehörige und bewarb sich unter dem 1. März 2007 beim Beklagten um eine Ausbildungsstelle als Inspektoranwärterin für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst. Ihre Bewerbungsunterlagen enthielten einen Lebenslauf mit einem Foto, welches sie ohne Kopftuch zeigt. Nach erfolgreichem Absolvieren eines Einstellungstestverfahrens fand am 18. April 2007 ein ca. 20minütiges Vorstellungsgespräch der Klägerin vor einer Personalauswahlkommission des Beklagten statt, welcher der Leiter des Haupt- und Personalamtes (Amt X) L, der stellvertretende Leiter des Haupt- und Personalamtes und zugleich Leiter der Abteilung Personalwesen (Abteilung XX) M, die Ausbildungsleiterin S und das Personalratsmitglied Q angehörten.
4Laut einem Gedächtnisprotokoll des Leiters der Abteilung XX, bestätigt durch den Leiter des Amtes X, vom 4. Juni 2012 verlief das Vorstellungsgespräch vom 18. April 2007 wie folgt: Die Klägerin sei mit einem Kopftuch erschienen. Das Gespräch sei zunächst nach einem für alle Bewerber vorgegebenen Fragenraster geführt worden, ohne dass eines der Kommissionsmitglieder die Klägerin auf das Tragen ihres Kopftuchs angesprochen habe. Auf die Schlussfrage des Leiters des Amtes X, ob die Klägerin noch Fragen an die Kommissionsmitglieder habe, habe die Klägerin diese gefragt, ob sie mit dem Tragen des Kopftuchs Probleme hätten. Der Leiter des Amtes X und der Leiter der Abteilung XX hätten dargelegt, ein Beamter habe durch sein äußeres Erscheinungsbild Neutralität und Unbefangenheit zu wahren, womit das Tragen eines Kopftuchs nicht vereinbar sei. Sie hätten Situationen der täglichen Arbeit beschrieben, in denen mangels ausreichender Neutralität und Unbefangenheit Schwierigkeiten im Umgang mit den Bürgern auftreten könnten. Das Tragen eines Kopftuchs führe auch möglicherweise zu betrieblichen Störungen, indem sich z.B. Mitarbeiter von dieser Lebensäußerung negativ angesprochen fühlten. Aus der Verpflichtung der Verwaltung zu politischer, religiöser und weltanschaulicher Neutralität ergebe sich das Erfordernis eines neutralen Auftretens im Publikumsverkehr. Daraufhin habe die Klägerin erklärt, wenn das Kopftuchtragen für sie – gemeint waren offensichtlich die Gesprächspartner im Vorstellungsgespräch bzw. im übertragenen Sinne die Personalverantwortlichen des Beklagten – ein Problem darstelle, verzichte sie darauf.
5Auf eine von Personalrat und Gleichstellungsbeauftragter gebilligte Einstellungsempfehlung der Abteilung XX hin und nach Feststellung ihrer gesundheitlichen Eignung durch amtsärztliches Gesundheitszeugnis vom 4. Juli 2007 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1. September 2007 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Kreisinspektoranwärterin ernannt.
6Im Rahmen ihrer dreijährigen Ausbildung beim Beklagten absolvierte die Klägerin Ausbildungsstationen im Amt für Schulen und Kultur, Abteilung Schulamt als untere staatliche Schulaufsichtsbehörde, im Rechts- und Ordnungsamt, Abteilung Ordnungsangelegenheiten, Wahlen, im Büro des Landrats, Abteilung Pressearbeit und Kommunikation, und im Sozialamt, Abteilung Integration und Soziale Planung. In den diesbezüglichen dienstlichen Beurteilungen erhielt sie Gesamtnoten zwischen gut und sehr gut.
7Zum Ende der Widerrufsbeamtenverhältnisse der Klägerin und der mit ihr zusammen ernannten Kreisinspektoranwärter hin fand am 29. Juni 2010 ein Gespräch dieser sog. Nachwuchskräfte mit dem Leiter des Amtes X und dem Leiter der Abteilung XX statt. Zu diesem heißt es in einer Gesprächsnotiz des Leiters der Abteilung XX vom selben Tag: Die Klägerin habe ihn am Mittag nach der Runde mit den Nachwuchskräften angesprochen und sich auf die Ansprache des Leiters des Amtes X an die gesamte Runde bezogen, wonach dieser mit einem Mitglied der Runde noch ein weitergehendes Gespräch führen wolle. Die Klägerin habe gemutmaßt, der Leiter des Amtes X wolle sie sicher wegen des Tragens ihres Kopftuchs ansprechen, was er – der Leiter der Abteilung XX – bejaht habe. Er habe deutlich gemacht, wie die Verwaltung ihr Auftreten mit dem Kopftuch bewerte. Ein Beamter habe in seinem Auftreten und auch im äußeren Erscheinungsbild auf absolute Neutralität zu achten. Diese könne mit dem Tragen eines Kopftuchs nicht sichergestellt werden. Die Klägerin habe erklärt, sie könne und wolle nicht auf das Tragen verzichten. Ihr sei bewusst, dass die Verwaltung sie dann nicht in das Beamtenverhältnis übernehme. Sie habe sich lange damit auseinandergesetzt, sich eine abschließende Meinung gebildet und die Konsequenz sei ihr bewusst. Sie habe erklärt, dass sie sich nicht unter Druck gesetzt fühle, sondern dass es ihre freie Entscheidung sei, ein Kopftuch zu tragen und damit die Übernahme in das Beamtenverhältnis zu verhindern. Er – der Leiter der Abteilung XX – habe hierüber den Leiter des Amtes X unterrichtet.
8Am 10. August 2010 schlossen Klägerin und Beklagter in Erwartung des erfolgreichen Bestehens der Prüfung für die Laufbahn des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes in den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Lande NRW (Laufbahnprüfung) am 23. August 2010 durch die Klägerin und der damit kraft Gesetzes eintretenden Beendigung des Widerrufsbeamtenverhältnisses einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 24. August 2010 bis zum 22. August 2012 mit einem Teilzeitumfang von 87,18 % der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit. Grundlage dieses Arbeitsvertrages war eine personalwirtschaftliche Vereinbarung des Beklagten mit seinem Personalrat, nach der allen Widerrufsbeamten mit erfolgreicher Prüfung ein auf zwei Jahre befristetes Teilzeitbeschäftigungsverhältnis als Tarifbeschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit in Abhängigkeit von der Prüfungsnote, der Option der Aufstockung der Arbeitszeit nach bestimmten Zeitabschnitten, sowie der Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe im Anschluss an das Zeitarbeitsverhältnis angeboten wird.
9Am 23. August 2010 bestand die Klägerin die Laufbahnprüfung mit der Gesamtnote befriedigend (acht Punkte).
10Am 5. November 2010 schloss die Klägerin die Ehe und nahm ihren jetzigen Familiennamen an.
11Mit Wirkung vom 24. November 2010 wurde der zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag dahin geändert, dass die bisherige Teilzeit in eine vollzeitige wöchentliche Arbeitszeit umgewandelt wurde. Vorangegangen war dieser Änderung eine E-Mail des Leiters der Abteilung Ordnungsangelegenheiten, Wahlen im Rechts- und Ordnungsamt des Beklagten an die Personalabteilung, nach der die dort eingesetzte Klägerin fleißig sei und sich gut in das ihr zugewiesene Aufgabengebiet eingearbeitet habe.
12Anlässlich des ab dem 2. Dezember 2010 geplanten Einsatzes der Klägerin in der Abteilung Ausländerwesen (Abteilung XXXX) des Rechts- und Ordnungsamtes (Amt XXX) des Beklagten führte der Amtsleiter des Amtes XXX K in einem internen Schreiben vom 23. November 2010 an den Leiter des Amtes X aus: Zur Vorbereitung des Einsatzes der Klägerin, die u.a. im Rahmen des Projekts „Neuausrichtung der Ausländerbehörde“ nach entsprechender (mit Landesmitteln geförderter) Qualifizierung als Anlaufstelle für Migranten fungieren solle, habe er der gesamten Abteilung seine Erwartungen mündlich und schriftlich mitgeteilt und mit den Personen, die eine kritische Einstellung bezüglich des Einsatzes gezeigt hätten, Einzelgespräche geführt. Dabei sei ihm signalisiert worden, dass es keine Probleme mit der Person der Klägerin geben werde. Formuliert worden seien lediglich Bedenken im Hinblick auf das Kopftuch. Insofern könnten Probleme im Publikumsverkehr entstehen. Er – der Amtsleiter – gehe davon aus, dass die Signale wahrheitsgemäß seien, könne dies aber nicht gewährleisten. Um die Klägerin nach ihren ersten negativen Erfahrungen in der Abteilung nicht allein zu lassen, wolle er ihr nach vorheriger Absprache Ansprechpartner zur Verfügung stellen, zu denen sie ein besonderes Vertrauensverhältnis habe. Ferner schlage er, um auch den von ihm – dem Leiter des Amtes X – genannten Problemen in der Frage des Kopftuchs zu begegnen, nach Rücksprache mit der Klägerin folgende Vereinbarung vor: „Für den Fall, dass aufgrund des Tragens des Kopftuchs Probleme bei der Dienstausübung entstehen, sichert Frau F zu, diese Probleme durch entsprechendes Verhalten zu lösen. Werden solche Probleme vorgetragen, findet – falls ein Beteiligter das Erfordernis erkennt – eine Gesprächsrunde bestehend aus Frau F, einem Vorgesetzten, einem Vertreter des Personalrats und einem Vertreter des Amtes X statt. In dieser Gesprächsrunde wird festgestellt, ob die Dienstausübung tatsächlich durch das Tragen des Kopftuchs beeinträchtigt wird; ggf. werden Frau F vertretbare Lösungswege aufgezeigt. Ist ein einvernehmliches Vorgehen in diesem Zusammenhang nicht möglich, trifft das Amt X unter Beachtung des Personalvertretungsrechts eine abschließende Entscheidung.“ Sofern dies für das Amt X ein gangbarer Weg sei, rege er an, das weitere Vorgehen gemeinsam unter Beteiligung des Personalrats und der Klägerin zu besprechen. Ggf. könne in diesem Kontext auch der weitere berufliche Werdegang der Klägerin erörtert werden.
13Am 2. Dezember 2010 wurde die Klägerin daraufhin auf eine Planstelle in der Abteilung XXXX umgesetzt.
14Laut einem Ereignisvermerk des Leiters der Abteilung XX des Beklagten soll am 14. Februar 2012 ein Gespräch zwischen ihm selbst, dem Leiter des Amtes X und Herrn B, interkultureller Berater der Stadt I, mit der Klägerin stattgefunden haben. In dem Vermerk heißt es: „Herr B hat danach mit Frau F gesprochen. Das Gespräch zeigte keine Wirkung auf ihr Verhalten.“
15Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten – offensichtlich mit Blick auf das am 22. August 2012 anstehende Ende des Zeitarbeitsverhältnisses – ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. In dem Schreiben wies sie darauf hin, dass sämtliche Kollegen desselben Ausbildungsjahrgangs, die mit ihr zusammen in befristete Arbeitsverhältnisse übernommen worden seien, mittlerweile in Beamtenverhältnisse übernommen worden seien, während dies bei ihr aufgrund des Tragens eines Kopftuchs nicht geschehen sei.
16Am 31. Juli 2012 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin, dem Leiter des Amtes X und dem Leiter der Abteilung XX statt. Zu diesem heißt es in einem Vermerk des Leiters der Abteilung XX vom selben Tag: Gegenstand des Gesprächs sei der auslaufende Zeitarbeitsvertrag gewesen. Aufgrund der nicht eingehaltenen Vereinbarungen zum Kopftuchtragen in der Dienstzeit und der seinerzeitigen Zusage, es bei dienstlichen Tätigkeiten auch abzunehmen, beabsichtige die Verwaltung keine Verlängerung des Vertrages bzw. Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Klägerin habe deutlich herausgestellt, dass es eine persönliche Entwicklung in ihrem Leben gegeben habe, die dazu geführt habe, dass sie das Kopftuch dauerhaft ohne Einschränkungen tragen werde. Dies habe sich bei ihr so entwickelt und sie sei sich dessen sicher. Das wolle sie heute klarstellen. Diese Entwicklung – das wisse sie – sei völlig anders gelaufen als das, was von ihr im Vorstellungsgespräch am 18. April 2007 den Verwaltungsvertretern zugesagt worden sei. Alle bisherigen Zusagen, nämlich die Abnahme des Kopftuchs bei dienstlichen Tätigkeiten, seien obsolet. Daraufhin sei der Klägerin gesagt worden, dass nicht beabsichtigt sei, sie in das Beamtenverhältnis zu übernehmen.
17Mit E-Mail vom selben Tag bat die Klägerin den Beklagten um Übersendung einer schriftlichen Begründung seiner Entscheidung.
18Am 3. August 2012 machte der Beklagte der Klägerin nach Intervention seines Personalrats noch ein Angebot für einen neuen Zeitarbeitsvertrag mit Beschäftigung im in seiner Mitträgerschaft stehenden Jobcenter, welches die Klägerin jedoch am 9. August 2012 ablehnte und um Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses bat.
19Am 22. August 2012 – dem Tag der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten – hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Ziel der Übernahme als Beamtin auf Probe durch den Beklagten.
20Zu den tatsächlichen Hintergründen bringt sie vor: Als Muslima trage sie aus religiösen Gründen ein Kopftuch. Sie bekenne sich freiwillig und aus Überzeugung zum Islam. Sie bete regelmäßig und faste im Monat Ramadan. Im Sinne ihrer Religionsausübung fühle sie sich als Frau mit Kopftuch wohler. Ihr sei dabei bewusst, dass der „Wohlfühlfaktor“ bei der Bekleidung eines Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht von Bedeutung sein könne. Jedoch trage sie das Kopftuch nicht aus modischen, sondern aus religiösen Gründen.
21Im Vorstellungsgespräch vom 18. April 2007, zu dem sie mit Kopftuch erschienen sei, habe sie von sich aus nachgefragt, ob das Tragen des Kopftuchs ein Problem sei. Sie habe die Bereitschaft bekundet, lediglich bei dienstlichen Problemen ihr Kopftuch abzunehmen. Schriftliche Zusagen in diesem Zusammenhang habe sie nicht erteilt. Man habe ihr mitgeteilt, dass das Tragen des Kopftuchs in bestimmten, insbesondere publikumsintensiven Bereichen Schwierigkeiten mit sich bringen könne, dass dies jedoch nicht sein müsse.
22Während der dreijährigen Ausbildung habe sie sodann während der Dienstzeit ein Kopftuch getragen. Aufgrund dessen sei es in keiner der mehreren Abteilungen, in der sie tätig gewesen sei, zu Schwierigkeiten gekommen. Da das Kopftuchtragen während der gesamten Ausbildung und auch darüber hinaus nicht problematisch diskutiert worden sei, sei sie davon ausgegangen, dass ihre Dienstausübung mit dem Tragen eines Kopftuchs vereinbar sei.
23Während ihrer ca. zweijährigen Tätigkeit in der Abteilung Ausländerwesen sei ihr ebenfalls kein Fall bekanntgeworden, bei dem das Tragen des Kopftuchs ein Problem dargestellt hätte. Sie sei sowohl mit den Kollegen als auch mit den Kunden gut zurecht gekommen. Aufgrund ihrer optischen Erscheinung habe sie sogar vermehrt positive Resonanz erhalten. Soweit in der Abteilung anfänglich Probleme in Bezug auf ihre Person aufgetreten seien, habe dies nicht am Tragen des Kopftuchs gelegen, sondern daran, dass sie durch den Abteilungsleiter missverständlich als Teamleiterin vorgestellt worden sei.
24Dass sie sich nicht an Vereinbarungen halte, treffe insgesamt nicht zu.
25In rechtlicher Hinsicht vertritt die Klägerin die Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Berufung in das Beamtenverhältnis. Aufgrund der Religionsfreiheit sei die erfolgte Ablehnung ihrer Verbeamtung nicht gerechtfertigt. Diese Ablehnung stelle desweiteren eine rechtswidrige Ungleichbehandlung gegenüber allen Mitprüflingen dar, die die Laufbahnprüfung wie sie mit der Gesamtnote befriedigend bestanden hätten, zwischenzeitlich jedoch – bereits innerhalb von wenigen Monaten nach Bestehen der Laufbahnprüfungen – verbeamtet worden seien.
26Die Klägerin beantragt,
27den Beklagten zu verpflichten, sie in das Beamtenverhältnis auf Probe zu berufen.
28Der Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30In tatsächlicher Hinsicht trägt er vor:
31Mit der Klägerin sei immer wieder mit unterschiedlichen Inhalten die Frage des Kopftuchtragens diskutiert worden. Gegen Ende der Ausbildung, am 29. Juni 2010, sei sie seitens des Haupt- und Personalamtes an ihre im Vorstellungsgespräch getätigte Zusage erinnert worden. In einem weiteren Gespräch am 23. August 2010 mit dem Leiter des Amtes X habe die Klägerin ausgeführt, sie trage das Kopftuch nicht aus religiösen Gründen, sondern, weil sie sich damit wohler fühle; der Hinweis des Amtsleiters, dass der Wohlfühlfaktor bei der Kleidung eines Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit nicht von Bedeutung sei, habe die Klägerin nicht beeindruckt. Seit ihrem Einsatz in der Abteilung Ausländerwesen ab dem 2. Dezember 2010 habe die Klägerin sodann anlässlich der Vorbehalte von Mitarbeitern gegen das Kopftuchtragen die grundsätzliche Bereitschaft erklärt, für den Fall, das aufgrund des Tragens des Kopftuches konkrete Probleme bei der Dienstausübung entstünden, diese Probleme durch entsprechendes Verhalten zu lösen. Am 14. Februar 2012 habe die Klägerin die Absicht bekundet, auch weiterhin während des Dienstes dauerhaft Kopftuch zu tragen. Am 29. Mai 2012 habe die Klägerin sodann zu seiner – des Beklagten – Überraschung die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe beantragt. Am 31. Juli 2012 habe sie dann erklärt, es habe einen Wandel in ihrem Leben gegeben, der dazu geführt habe, dass sie einschränkungslos Kopftuch tragen werde.
32In rechtlicher Hinsicht hält der Beklagte die Klägerin für charakterlich ungeeignet für eine Einstellung als Beamtin. Aufgrund der wechselnden und widersprüchlichen Aussagen der Klägerin im Hinblick auf ihre Bereitschaft, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten, sei ein irreparabler Vertrauensverlust eingetreten: Die Klägerin habe sich als unverlässlich im Hinblick auf getätigte Zusagen erwiesen. Bei ihr sei ein deutlicher Hang erkennbar, private Interessen ohne schützenswerten Grund und ohne Rücksicht auf dienstliche Belange durchzusetzen. Die Sprunghaftigkeit der Klägerin zeige sich im Übrigen auch im Hinblick auf die ihr angebotene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Jobcenter: Trotz anfänglichen Interesses habe sie dieses Angebot schließlich abgelehnt. Im Übrigen fehle es angesichts des ihm – dem Beklagten – zustehenden Beurteilungsspielraums hinsichtlich des Vorliegens der Einstellungsvoraussetzungen an der Spruchreife.
33Die Klägerin tritt den tatsächlichen Darstellungen und der Rechtsauffassung des Beklagten entgegen. Insbesondere könne sie sich nicht erinnern, dem Vorschlag des Leiters des Amtes XXX, konkrete Probleme bei der Dienstausübung durch das Kopftuchtragen durch entsprechendes Verhalten ihrerseits zu lösen, zugestimmt zu haben. Die vorgeschlagene Formulierung sei ihr von Anfang an zu schwammig und ungenau gewesen. Die Ablehnung des Jobcenter-Angebots habe daher gerührt, dass es sich – wieder – um einen Zeitvertrag handeln sollte und sie außerdem darauf verzichten sollte, eine Verbeamtung einzuklagen; mit Sprunghaftigkeit habe dies nichts zu tun. Insgesamt sei die Annahme einer fehlenden charakterlichen Eignung nicht nachvollziehbar. Aus der Luft gegriffen sei insbesondere, dass bei ihr ein deutlicher Hang erkennbar sei, private Interessen ohne schützenswerten Grund und ohne Rücksicht auf dienstliche Belange durchzusetzen. Fraglich sei vor allem, warum die Begründung fehlender charakterlicher Eignung durch den Beklagten erst im Klageverfahren erfolgt und nie ihr gegenüber geäußert worden sei.
34Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingehend zu ihrer Motivation in Bezug auf das Tragen eines Kopftuchs und zu diesbezüglichen Vorkommnissen vor und während ihrer Dienstzeit beim Beklagten befragt. Wegen der hierzu von der Klägerin gemachten Angaben wird Bezug genommen auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 8. November 2013. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Landrats des Beklagten verwiesen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Klage hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.
37Sie ist zulässig, dabei als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, weil das Begehren der Klägerin auf die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsakts, nämlich auf Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und damit auf die Begründung eines Beamtenverhältnisses in Form der Ernennung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) gerichtet ist. Ob der Beklagte den von der Klägerin unter dem 29. Mai 2012 gestellten Antrag auf Berufung in das Beamtenverhältnis am 31. Juli 2012 bereits ausdrücklich – mündlich – abgelehnt hat oder ob er diesen Antrag noch nicht ausdrücklich beschieden hat, kann dahinstehen, denn § 42 Abs. 1 VwGO erfasst sowohl den Fall eines abgelehnten als auch den Fall eines unterlassenen Verwaltungsakts. Auch für die Frage der Einhaltung der Klagefrist ist unerheblich, ob der Fall eines abgelehnten oder eines unterlassenen Verwaltungsakts vorliegt: Sollte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Verbeamtung am 31. Juli 2012 bereits ausdrücklich abgelehnt haben, gilt für die Klagefrist nicht die mangels Erforderlichkeit des Widerspruchsbescheides wegen § 104 Abs. 1 S. 1 Landesbeamtengesetz (LBG NRW) grundsätzlich einschlägige Frist von einem Monat ab Bekanntgabe dieser Ablehnungsentscheidung gemäß § 74 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 S. 2 VwGO, sondern angesichts einer jedenfalls unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Frist von einem Jahr ab Verkündung der Entscheidung, welche die Klägerin durch ihre am 22. August 2012 – knapp zwei Monate nach Entscheidungsverkündung – bei Gericht anhängig gemachte Klage eingehalten hat. Sollte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Verbeamtung hingegen noch nicht ausdrücklich beschieden haben, ist eine Klagefrist nicht zu beachten, sondern die Klage ist gemäß § 75 Sätze 1 und 2 VwGO als sogenannte Untätigkeitsklage zulässig, denn unterstellt, am 31. Juli 2012 erfolgte noch keine ausdrückliche Ablehnungsentscheidung, besteht kein zureichender Grund für den Beklagten, den Verbeamtungsantrag der Klägerin trotz sachlicher Einlassung hierzu im Klageverfahren bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und damit deutlich länger als drei Monate seit Antragstellung (immer) noch nicht beschieden zu haben.
38Die Klage ist nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
39Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO für eine Verpflichtung des Beklagten zur Berufung der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe durch das Gericht liegen nicht vollständig vor, weil die Ablehnung bzw. Unterlassung dieser Berufung durch den Beklagten zwar rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, die Sache jedoch nicht spruchreif ist. Daraus folgt aber zugleich, dass die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO für die ausgesprochene – als Minus zur Verbeamtungsverpflichtung vom Klagebegehren mitumfasste – Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, vorliegen.
40Die fehlende Spruchreife, d.h. die für das Gericht fehlende rechtliche Möglichkeit zu einer abschließenden Entscheidung über den Erlass des von der Klägerin begehrten Verwaltungsakts, beruht darauf, dass dem Beklagten hinsichtlich der Voraussetzungen für die Berufung der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe ein Beurteilungsspielraum zusteht, der zugleich nicht auf nur eine Möglichkeit der Entscheidung reduziert ist.
41Gemäß Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Darauf fußend bestimmen § 9 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BeamtStG sowie § 15 Abs. 3 S. 1 LBG NRW, dass Berufungen in das Beamtenverhältnis nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen sind.
42Art. 33 Abs. 2 GG und die zu seiner Konkretisierung ergangenen einfachgesetzlichen Vorschriften begründen damit keinen Anspruch eines Bewerbers auf Berufung in das Beamtenverhältnis.
43Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 –, BVerfGE 39, 334 ff. = juris (Rn. 50); BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2003 – 2 A 1.02 – juris (Rn. 11), m.w.N.
44Die Entscheidung darüber, ob der Bewerber den Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens und der Laufbahn genügt, trifft der Dienstherr in Wahrnehmung einer Beurteilungsermächtigung. Sie bewirkt im Ergebnis, dass die Eignungseinschätzung von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt überprüft werden kann. Nur der Dienstherr soll durch die für ihn handelnden Organe nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Ernennungsbewerber den – ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes und der Laufbahn entspricht. Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt durch den Dienstherrn enthält dabei eine Prognose in Bezug auf die künftige Amtstätigkeit des Betroffenen, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt. Sie umfasst auch eine vorausschauende Aussage darüber, ob der Betreffende die ihm in dem angestrebten Amt obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten erfüllen wird. Bei diesem prognostischen Urteil steht dem Dienstherrn ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt sich darauf, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
45Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 ff. = juris (Rn. 35), und BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2003, a.a.O., jeweils m.w.N.
46Für eine Reduzierung des Beurteilungsspielraums des Beklagten auf nur eine Möglichkeit der Entscheidung – sei es Antragsablehnung oder Antragsstattgabe – ist nichts ersichtlich. Insbesondere liegt in der grundsätzlich fehlenden Bereitschaft der Klägerin, im Rahmen der Dienstausübung als Beamtin auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten, kein ungeachtet des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn zwingend anzunehmender Eignungsmangel. Ein solcher könnte nur bejaht werden, wenn eine Beamtin durch das Tragen des Kopftuchs im Dienst zwingend ihre beamtenrechtlichen Pflichten verletzen würde. Die Prognose über die Eignung eines Bewerbers um ein öffentliches Amt hat sich nämlich an den dem Beamten obliegenden Pflichten zu orientieren,
47vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris Rn. 35).
48Die Prognose, dass die Klägerin durch das Tragen des Kopftuchs im Dienst zwingend ihre beamtenrechtlichen Pflichten verletzen würde, scheitert aber daran, dass in Nordrhein-Westfalen eine Gesetzesnorm, aus der sich das generelle Verbot des Tragens eines Kopftuchs im Dienst durch eine Beamtin ableiten ließe, nicht existiert. Dienstpflichten, deren Erfüllung vom Bewerber erwartet wird, müssen nämlich gesetzlich hinreichend bestimmt sein und die durch seine Grundrechte gesetzten Grenzen beachten.
49Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris Rn. 35).
50Konkret bedarf die Einführung einer Dienstpflicht, die es Beamten verbietet, in ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Religionszugehörigkeit erkennbar zu machen, ungeachtet der Frage ihrer generellen materiell-verfassungsrechtlichen Zulässigkeit als eine für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Entscheidung einer ausdrücklichen formellgesetzlichen Regelung durch den Parlamentsgesetzgeber. Dies folgt daraus, dass eine solche Dienstpflicht in verfassungsgemäßer – unter anderem mit Art. 33 Abs. 3 GG vereinbarer – Weise nur begründet und durchgesetzt werden kann, wenn Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften dabei gleich behandelt werden, was nicht in gleichem Maße gewährleistet ist, wenn es den Behörden und Gerichten überlassen bleibt, über das Bestehen und die Reichweite einer solchen Dienstpflicht von Fall zu Fall nach Maßgabe ihrer Prognosen über das Einfluss- und Konfliktpotenzial von Erkennungsmerkmalen der Religionszugehörigkeit im Erscheinungsbild des jeweiligen Beamten zu entscheiden.
51Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris Rn. 66 ff., insb. Rn. 71).
52Eine diesbezügliche formellgesetzliche Regelung existiert in Nordrhein-Westfalen in Form von § 57 Abs. 4 Schulgesetz NRW allein in Bezug auf Lehrer, und zwar ungeachtet der Art des Dienstverhältnisses, nicht hingegen für Beamte, welche nicht als Lehrer tätig sind.
53Die Rechtswidrigkeit der Ablehnung bzw. Unterlassung der Berufung der Klägerin in das Beamtenverhältnis folgt daraus, dass die insoweit vom Beklagten – spätestens im Zuge des Klageverfahrens – in der Sache getroffene Entscheidung der gerichtlichen Kontrolle nicht standhält.
54Mangels Reduzierung des Beurteilungsspielraums des Beklagten auf nur eine Möglichkeit der Entscheidung ist die Ablehnung der Verbeamtung der Klägerin durch den Beklagten nur dann rechtswidrig, wenn er im Rahmen seiner Entscheidung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
55Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sind diese alternativ zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Beklagten führenden Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht erfüllt.
56Weil der Beklagte unabhängig von der Frage, ob er bereits am 31. Juli 2012 mündlich ausdrücklich den Antrag der Klägerin auf Verbeamtung abgelehnt hat, erstmals im Klageverfahren, und zwar in seinen Schriftsätzen vom 5. September und vom 30. Oktober 2012, überprüfbar dargelegt hat, von welchen Erwägungen er im Rahmen seiner Eignungseinschätzung ausgegangen ist bzw. ausgeht, müssen diese Erwägungen als für die gerichtliche Überprüfung maßgeblich angesehen werden.
57Der Beklagte ist im Rahmen seiner im gerichtlichen Verfahren für die Verneinung der Eignung der Klägerin für die Berufung in das Beamtenverhältnis angestellten Erwägungen in mehrfacher Hinsicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen.
58Der Beklagte ist zum einen unzutreffend von der objektiv nachprüfbaren und deshalb als Tatsache einzustufenden Feststellung ausgegangen, die Klägerin habe in Bezug auf die Frage des Tragens eines Kopftuchs im Dienst Zusagen wiederholt nicht eingehalten.
59Die Ausführungen des Beklagten dazu, was genau Inhalt der Zusage der Klägerin in Bezug auf die Frage des Tragens eines Kopftuchs im Dienst war, sind zunächst in sich widersprüchlich bzw. jedenfalls uneinheitlich. In seinem Schriftsatz vom 5. September 2012 legt der Beklagte zunächst im Rahmen seiner chronologischen Sachverhaltszusammenfassung (Bl. 2 des Schriftsatzes) dar, die Klägerin habe im Verlauf des Vorstellungsgesprächs vom 18. April 2007 ausdrücklich ihre Bereitschaft geäußert, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten. Dass diese Zusage mit irgendeiner Einschränkung verbunden gewesen wäre, legt der Beklagte nicht zugrunde. Demgegenüber legt der Beklagte im Rahmen seiner im selben Schriftsatz vorgenommenen rechtlichen Würdigung in tatsächlicher Hinsicht ausdrücklich zugrunde, die Klägerin habe im Vorstellungsgespräch erklärt, im Falle dienstlicher Probleme auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten (Bl. 5 des Schriftsatzes). Im Schriftsatz des Beklagten vom 30. Oktober 2012 ist dann wiederum – uneingeschränkt – von der im Rahmen des Vorstellungsgesprächs am 18. April 2007 von der Klägerin zugesicherten Bereitschaft, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten, die Rede (Bl. 1 des Schriftsatzes).
60Dass sich der Beklagte im Rahmen der Ablehnung des Verbeamtungsantrages der Klägerin selbst widerspricht bzw. sich nicht eindeutig festlegt, ob er nun von einer eingeschränkten oder einer uneingeschränkten Zusage der Klägerin ausgeht, macht die getroffene Entscheidung bereits fragwürdig. Jedenfalls aber handelt es sich in beiden der möglichen Fälle um unzutreffende Tatsachengrundlagen.
61Sollte der Beklagte in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen sein, die Klägerin habe im Vorstellungsgespräch vom 18. April 2007 eine uneingeschränkte Zusage in Bezug auf das Kopftuchtragen im Dienst gemacht, ist bereits dieser Ausgangspunkt unzutreffend. Laut dem eigenen Gedächtnisprotokoll des Leiters der Abteilung XX des Beklagten, bestätigt durch den Leiter des Amtes X, vom 4. Juni 2012 schränkte die Klägerin ihre im Vorstellungsgespräch vom 18. April 2007 gemachte Zusage dahingehend ein, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten, wenn dies für die Personalverantwortlichen des Beklagten ein Problem darstelle. Die Klägerin selbst hat in ihrem Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 und in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sich die von ihr gemachte Zusage ausschließlich auf den Fall bezog, dass durch das Kopftuchtragen dienstliche Probleme entstehen. Letzterer Aussagegehalt entspricht zur Überzeugung des Gerichts auch vor dem Hintergrund des Aussagekontextes, wonach die Klägerin ausweislich des Gedächtnisprotokolls vom 4. Juni 2012 vor ihrer Zusage auf mögliche konkrete Schwierigkeiten und betriebliche Störungen im Rahmen der täglichen Dienstausübung aufgrund des Tragens eines Kopftuchs hingewiesen wurde, der Sichtweise eines unbefangenen, objektiven Erklärungsempfängers in der konkreten Situation des Vorstellungsgesprächs vom 18. April 2007. Dass der aktenkundig gemachten Zusage der Klägerin ein anderer Bedeutungsgehalt beizumessen sein könnte, wurde vom Beklagten zu keinem Zeitpunkt schlüssig vorgebracht. Dagegen spricht zudem der Vereinbarungsvorschlag des Leiters des Amtes XXX vom 23. November 2010, der im Falle eines nicht auf dienstliche Probleme beschränkten Bedeutungsgehalts der Zusage der Klägerin keinen Sinn gemacht hätte. Auch die chronologische Übersicht des Leiters der Abteilung XX vom 4. Juni 2012 bestätigt das zutreffende Verständnis der Zusage der Klägerin, indem es dort unter „Ergebnisse“ heißt: „Abnahme des Kopftuches bei einer Notwendigkeit“.
62Sollte der Beklagte von einer in diesem Sinne eingeschränkten Zusage der Klägerin ausgegangen sein, wäre dies damit zwar in tatsächlicher Hinsicht zutreffend. Unzutreffend wäre jedoch in diesem Fall die tatsächliche Behauptung, die Klägerin habe sich nicht an diese Zusage gehalten. Diese Behauptung träfe nur zu, wenn die Klägerin trotz eines dienstlichen Problems in Ausübung des Dienstes die Abnahme des Kopftuchs verweigert hätte. Wann die Schwelle eines dienstlichen Problems überschritten ist, ist angesichts der Offenheit des Begriffs „Problem“ dem Beweis nicht zugänglich. Dies hätte es, um der Klägerin einen Verstoß gegen die von ihr getätigte Zusage vorwerfen zu können, im Falle eines vom Beklagten angenommenen dienstlichen Problems erfordert, ein solches gegenüber der Klägerin ausdrücklich oder jedenfalls in einer sinngemäßen Weise, die ihr die Erfüllung ihrer Zusage ermöglicht ‑ etwa durch die ausdrückliche Bitte oder Aufforderung, das Kopftuch aus konkretem Anlass abzunehmen ‑ zu benennen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung den einmaligen Vorfall im Rahmen eines Pressetermins benannt, bei dem sie seitens der Ausbildungsleiterin des Beklagten um Abnahme des Kopftuchs gebeten worden und dieser Bitte auch nachgekommen sei. Die Frage des Gerichts, ob sie über diesen Pressetermin hinaus von Vorgesetzten des Beklagten jemals ausdrücklich gebeten worden sei, das Kopftuch abzunehmen, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich verneint. Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. Auch aus den Akten ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für jemals ausdrücklich der Klägerin gegenüber benannte dienstliche Probleme, die für diese hätten Anlass sein können oder sogar müssen, auf das Kopftuchtragen zu verzichten. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus dem internen Schreiben des Leiters des Amtes XXX des Beklagten vom 23. November 2010. Aus diesem ergibt sich lediglich, dass er – der Amtsleiter – vor dem Dienstantritt der Klägerin in der Abteilung Ausländerwesen von den dortigen Mitarbeitern darauf hingewiesen wurde, dass durch das Tragen des Kopftuchs durch die Klägerin im Publikumsverkehr Probleme denkbar sind, nicht hingegen, dass solche Probleme bereits tatsächlich aufgetaucht sind. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob eine Vereinbarung zwischen Klägerin und Beklagtem auf der Grundlage des vom Leiter des Amtes XXX unter dem 23. November 2010 niedergelegten Vereinbarungsvorschlags tatsächlich zustandegekommen ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, obwohl die Beklagte an ihrer dementsprechenden anfänglichen Behauptung nach Bestreiten der Klägerin nicht mehr festgehalten hat, hätte die Bejahung eines Vereinbarungsbruchs durch die Klägerin als ersten Schritt die Benennung eines Problems bei der Dienstausübung durch das Tragen des Kopftuchs durch den Beklagten erfordert. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass eine solche Benennung jemals gegenüber der Klägerin erfolgt ist.
63Der Beklagte ist desweiteren im Rahmen der von ihm vorgenommenen zusammenfassenden Würdigung, die Klägerin habe „wechselnde und widersprüchliche Aussagen im Hinblick auf ihre Bereitschaft, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten“ gemacht, von einer jedenfalls nicht in Gänze zutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen, indem er angenommen hat, die Klägerin habe am 23. August 2010 gegenüber dem Leiter des Amtes X geäußert, sie trage das Kopftuch nicht aus religiösen Gründen.
64Dass der Beklagte im Rahmen seiner Ablehnungsentscheidung in tatsächlicher Hinsicht von einer derartigen Äußerung der Klägerin ausgeht, hat er in seinen Schriftsätzen vom 5. September (dort. Bl. 2) und 30. Oktober 2012 (dort ebenfalls Bl. 2) ausdrücklich betont.
65Diese objektiv dem Beweis zugängliche Prämisse erweist sich jedoch als unzutreffend.
66Aktenkundig ist die vom Beklagten behauptete Äußerung der Klägerin vom 23. August 2010 nicht. Über das an diesem Tag von ihr geführte Gespräch mit dem Leiter des Amtes X existiert keinerlei Vermerk oder sonstiges Dokument in den Akten des Landrats des Beklagten, was bereits gegen die Existenz der behaupteten Äußerung spricht. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die Klägerin nicht etwa ausdrücklich geäußert hat, sie trage das Kopftuch nicht aus religiösen Gründen, sondern dass der Leiter des Amtes X die unbestrittene Aussage der Klägerin, sie fühle sich wohler, wenn sie Kopftuch trage, in einem nicht religiösen Sinne fehlinterpretiert hat. Der Leiter des Amtes X hat offenbar aus der Aussage der Klägerin, sie fühle sich wohler, wenn sie Kopftuch trage, abgeleitet, sie würde religiöse Motive für das Kopftuchtragen verneinen. Die Klägerin hat demgegenüber in ihrem Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 und auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft klargestellt, in der Bejahung religiöser Motive und der Betonung, sich mit Kopftuch wohler zu fühlen, liege kein Widerspruch, sondern im Gegenteil sei ihre Aussage so zu verstehen, dass sie sich im Sinne ihrer Religionsausübung als Frau mit Kopftuch wohler fühle. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich die Klägerin auch am 23. August 2010 in diesem Sinne geäußert hat.
67Selbst wenn man abweichend von der gerichtlichen Überzeugung in tatsächlicher Hinsicht annimmt, die Klägerin habe am 23. August 2010 gegenüber dem Leiter des Amtes X ausdrücklich geäußert, sie trage das Kopftuch nicht aus religiösen Gründen, führt dies zur Annahme der Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung des Beklagten. Unter dieser Prämisse ist nämlich davon auszugehen, dass der Beklagte allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, indem er dieser Äußerung ein Gewicht beigemessen hat, welches ihm im Verhältnis zu allen sonstigen Äußerungen der Klägerin in Bezug auf das Tragen des Kopftuchs im Dienst nicht zukommt.
68Aus allen aktenkundigen Äußerungen der Klägerin, und zwar sowohl in der Zeit vor als auch in der Zeit nach dem 23. August 2010, geht zwar nicht ausdrücklich hervor, dass die Klägerin das Tragen eines Kopftuchs ausdrücklich als religiös motiviert bezeichnet hat, jedoch drängt sich für einen objektiven unbefangenen Erklärungsempfänger angesichts der aktenkundigen Betonung der Klägerin vom 29. Juni 2010, sie habe sich lange mit der Frage des Kopftuchtragens auseinandergesetzt, sich eine abschließende Meinung gebildet und es sei ihre freie Entscheidung, Kopftuch zu tragen und dadurch sogar möglicherweise die Übernahme in das Beamtenverhältnis zu verhindern, sowie der ebenfalls aktenkundigen Klarstellung der Klägerin vom 31. Juli 2012, es habe eine persönliche Entwicklung in ihrem Leben gegeben, die dazu führe, dass sie das Kopftuch dauerhaft ohne Einschränkungen tragen werde, der Schluss auf religiöse oder gewissensbestimmte Gründe für das Tragen des Kopftuchs auf. Sollte die Klägerin am 23. August 2010 tatsächlich ausdrücklich eine einer solchen sich aufdrängenden Motivationslage fundamental widersprechende Aussage zu ihren Gründen für das Kopftuchtragen getätigt haben, hätte der Beklagte der Ursache für eine derartige Aussage nachgehen müssen. Er hätte die Frage klären müssen, ob es sich möglicherweise um einen reinen Versprecher der Klägerin handelte, was zum Zeitpunkt der angeblichen Aussage kurze Zeit nach soeben bestandener mündlicher Prüfung im Rahmen der Laufbahnprüfung in einem denkbaren Zustand auf der Schwelle zwischen Euphorie und Erschöpfung nicht fernliegend ist. Er hätte jedenfalls keinesfalls ohne weitergehende Ergründung der Motive aus einer derartigen einmaligen, nicht in stimmigem Verhältnis zu allen sonstigen Äußerungen stehenden Aussage der Klägerin den im Schriftsatz vom 5. September 2012 (dort. Bl. 5) gezogenen Schluss ziehen dürfen, nach eigener Aussage der Klägerin sei das Tragen des Kopftuchs nicht religiös motiviert gewesen, um auf der Grundlage dieses Schlusses sodann die charakterliche Eignung der Klägerin in Frage zu stellen bzw. zu verneinen.
69Der Beklagte hat im Rahmen seiner im gerichtlichen Verfahren für die Verneinung der Eignung der Klägerin für die Berufung in das Beamtenverhältnis angestellten Erwägungen des Weiteren den verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt.
70Soweit der Beklagte die Prognose fehlender charakterlicher Eignung der Klägerin für das Beamtenverhältnis maßgeblich auch darauf stützt, die Klägerin habe aufgrund ihrer Absicht, in Ausübung des Dienstes grundsätzlich Kopftuch tragen zu wollen, den Hang, private Interessen ohne schützenswerten Grund und ohne Rücksicht auf dienstliche Belange durchzusetzen, hat er verkannt, dass es sich bei dem Tragen eines Kopftuchs durch die Klägerin nicht um „private Interessen ohne schützenswerten Grund“ handelt, sondern um ein Verhalten, welches in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG fällt und damit gemäß Art. 33 Abs. 3 GG, wonach die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig von dem religiösen Bekenntnis ist, auch für die Beurteilung der charakterlichen Eignung beachtlich ist.
71Der Beklagte hat zunächst – insoweit handelt es sich um einen weiteren Fall des Ausgehens von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage, nunmehr bezogen auf eine innere Tatsache – verkannt, dass das Tragen des Kopftuchs durch die Klägerin im Ergebnis religiös motiviert ist. Das Gericht hat an der religiösen Motivation der Klägerin insoweit keinerlei Zweifel. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung in beeindruckender Weise ihre religiöse Entwicklung seit der Pubertät, also dem Alter der sogenannten Religionsmündigkeit, und ihr daraus erwachsenes Motiv, aufgrund ihres muslimischen Glaubens Kopftuch zu tragen, geschildert. Sie hat insbesondere betont, sich im Laufe der Zeit persönlich religiös weiterentwickelt zu haben, ohne dass seit ihrer Eheschließung ihr Ehemann diese Entwicklung maßgeblich beeinflusst hätte. Auf die Frage des Gerichts, ob sie heute im dienstlichen Konfliktfall dennoch bereit wäre, das Kopftuch abzunehmen, erklärte sie, dass sie die konkrete Situation für sich prüfen müsse, dass die Abnahme des Kopftuchs aber in jedem Fall einen religiösen Gewissenskonflikt für sie bedeuten würde, denn ihr Gewissen sage ihr, dass sie das Kopftuch eigentlich tragen müsse.
72Dass die Klägerin Angaben gemacht hat, die nicht ihre wahre Motivationslage widerspiegeln, hält das Gericht für ausgeschlossen. Insbesondere weckt auch die Tatsache, dass die Klägerin bewusst und gezielt Bewerbungsfotos ohne Kopftuch von sich hat anfertigen lassen und sich mit diesen u.a. beim Beklagten beworben hat, keinen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der religiösen Motivation der Klägerin, denn die Klägerin hat nachvollziehbar erläutert, aus gutem Grunde – Verhinderung geringerer Chancen im Rahmen von Stellenbewerbungsverfahren – eine Ausnahme von ihrem grundsätzlichen religiösen Anspruch an sich selbst gemacht zu haben, in der Öffentlichkeit Kopftuch zu tragen, den sie überdies damals noch nicht in derselben Strenge wie heute gehandhabt habe.
73Hat der Beklagte also in tatsächlicher Hinsicht verkannt, dass das Tragen des Kopftuchs durch die Klägerin religiös motiviert ist, hat er zugleich in rechtlicher Hinsicht den verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, weil er übersehen hat, dass der Bezugspunkt der von ihm vorgenommenen Würdigung ein dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG unterfallendes Verhalten ist und es damit – in Anwendung des eigenen Vokabulars des Beklagten – sehr wohl einen „schützenswerten Grund“ für dieses Verhalten gibt.
74Art. 4 GG garantiert in Absatz 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Absatz 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Dies betrifft nicht nur imperative Glaubenssätze, sondern auch solche religiösen Überzeugungen, die ein Verhalten als das zur Bewältigung einer Lebenslage richtige bestimmen.
75BVerfG, Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris Rn. 37).
76Das Tragen eines Kopftuchs durch eine Beamtin auch in Ausübung des Dienstes fällt jedenfalls dann unter den Schutz der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgten Glaubensfreiheit, wenn sie das Tragen eines Kopftuchs als für sich von den Regeln ihrer Religion verbindlich vorgegeben oder auch nur richtig hält und das Befolgen dieser Bekleidungsregel für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses ist. Auf die umstrittene Frage, ob und inwieweit die Verschleierung für Frauen von den Regeln des islamischen Glaubens vorgeschrieben ist, kommt es dabei nicht an. Zwar kann nicht jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der besonders geschützten Glaubensfreiheit angesehen werden; vielmehr darf bei der Würdigung eines vom Einzelnen als Ausdruck seiner Glaubensfreiheit reklamierten Verhaltens das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft nicht außer Betracht bleiben. Eine Verpflichtung von Frauen zum Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit lässt sich aber nach Gehalt und Erscheinung als islamisch-religiös begründete Glaubensregel dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hinreichend plausibel zuordnen.
77Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris Rn. 40).
78In Anwendung dieser Grundsätze ist das von der Klägerin praktizierte Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit sowie deren Absicht, dieses für den Fall ihrer Verbeamtung auch grundsätzlich ausnahmslos in Ausübung des Dienstes zu tragen, vom Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG erfasst. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und für das Gericht zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass sie das Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit nach ihrem Selbstverständnis von den Regeln ihrer Religion, dem Islam, jedenfalls für richtig und für sie persönlich grundsätzlich verbindlich hält.
79Der Beklagte hat damit einhergehend in rechtlicher Hinsicht verkannt, dass das unter den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG fallende grundsätzlich ausnahmslose Tragen eines Kopftuchs durch die Klägerin in der Öffentlichkeit bzw. deren Absicht, im Falle ihrer Verbeamtung auch in Ausübung des Dienstes grundsätzlich ein Kopftuch zu tragen, aufgrund von Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG, wonach u.a. die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig von dem religiösen Bekenntnis ist, auch bei der Beurteilung der charakterlichen Eignung einer Bewerberin mit dem ihm zukommenden verfassungsrechtlich geprägten Stellenwert zu beachten ist.
80Der Beklagte hat die Verneinung der charakterlichen Eignung der Klägerin u.a. aus von ihm als wechselnd und widersprüchlich gewürdigten Aussagen der Klägerin im Hinblick auf ihre Bereitschaft, auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten, abgeleitet. Das Gericht nimmt an, dass der Beklagte – obwohl er dies nicht einmal deutlich zum Ausdruck gebracht hat – aufgrund der bezeichneten Aussagen der Klägerin die charakterliche Eignung deshalb verneint hat, weil er aus diesen darauf geschlossen hat, die Dienstauffassung und Loyalität, welche Bestandteil der charakterlichen Eignung ist,
81vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 – 5 ME 268/10 -, IÖD 2011, 31 ff. = juris (Rn. 6),
82sei bei der Klägerin nicht hinreichend ausgeprägt. Der Schluss von sämtlichen Aussagen der Klägerin im Hinblick auf die Bereitschaft, auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten, auf eine unzureichende Dienstauffassung und Loyalität ist jedoch nicht zwingend und deshalb vom Beklagten im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums darzulegen, was er aber nicht getan hat.
83Im Rahmen einer solchen Darlegung hätte der Beklagte zwingend die Bedeutung der grundrechtlich geschützten religiösen Motivation der Klägerin für das Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit in seine Würdigung miteinbeziehen müssen und der Frage nachgehen müssen, ob sich auf der Grundlage dessen nicht sämtliche Aussagen der Klägerin im Hinblick auf ihre Bereitschaft, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten, in einer Weise erklären lassen, die ihre Dienstauffassung und Loyalität gerade nicht in Frage stellt.
84Dabei hätte er in Bezug auf die Dienstauffassung der Klägerin überdies berücksichtigen müssen, dass nicht jedes Sichtbarwerdenlassen der eigenen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft durch einen Amtsträger im Rahmen der Amtsausübung zwingend die Verpflichtung des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität beeinträchtigt,
85vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris, Rn. 54).
86Für die Verpflichtung des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität gilt gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
87Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris, Rn. 42 f.),
88Folgendes:
89„Das Grundgesetz begründet für den Staat als Heimstatt aller Staatsbürger in Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 sowie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG die Pflicht zu weltanschaulich- religiöser Neutralität. Es verwehrt die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 33, 23 <28>; 93, 1 <17>). Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten (vgl. BVerfGE 19, 1 <8>; 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 93, 1 <17>) und darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren (vgl. BVerfGE 30, 415 <422>; 93, 1 <17>). Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes ist gekennzeichnet von Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen und gründet dies auf ein Menschenbild, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geprägt ist (vgl. BVerfGE 41, 29 <50>).
90Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist indes nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet auch in positivem Sinn, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (vgl. BVerfGE 41, 29 <49>; 93, 1 <16>). Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>). Auch verwehrt es der Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität dem Staat, Glauben und Lehre einer Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten (vgl. BVerfGE 33, 23 <29>).“
91Dass angesichts dessen nicht jedes Sichtbarwerdenlassen der eigenen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft durch einen Amtsträger im Rahmen der Amtsausübung zwingend die Verpflichtung des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität beeinträchtigt, folgt daraus, dass im Hinblick auf die Wirkung religiöser Ausdrucksmittel danach zu unterscheiden ist, ob das in Frage stehende Zeichen auf Veranlassung des Dienstherrn oder aufgrund eigener Entscheidung eines einzelnen Amtsträgers verwendet wird, der hierfür das individuelle Freiheitsrecht des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Anspruch nehmen kann. Duldet der Staat eine Bekleidung von Amtsträgern in Ausübung ihres Amtes, die diese aufgrund individueller Entscheidung tragen und die als religiös motiviert zu deuten ist, so kann dies etwa mit einer staatlichen Anordnung, religiöse Symbole in öffentlichen Gebäuden anzubringen, nicht gleichgesetzt werden: Der Staat, der eine mit dem Tragen eines Kopftuchs verbundene religiöse Aussage einer einzelnen Amtsträgerin hinnimmt, macht diese Aussage nicht schon dadurch zu seiner eigenen und muss sie sich auch nicht als von ihm beabsichtigt zurechnen lassen. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass eine Amtsträgerin allein durch das Tragen eines Kopftuchs daran gehindert wäre, ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen sowie bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen und sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten (vgl. § 33 Abs. 1 BeamtStG). Auch das Mäßigungsgebot, wonach der Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren hat, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amts ergibt (vgl. § 33 Abs. 2 BeamtStG), erfasst den Fall des religiös motivierten Tragens eines Kopftuchs nicht. Dasselbe gilt für die Pflicht des Beamten, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen, die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen und sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes danach auszurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert (vgl. § 34 BeamtStG).
92Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003, a.a.O. (juris, Rn. 54, Rn. 60).
93Nach Aktenlage haben die Personalverantwortlichen des Beklagten L und M in Verkennung der sich aus dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Verfassungsrechtslage mehrfach, erstmals während des Vorstellungsgesprächs, gegenüber der Klägerin sinngemäß geäußert, das Tragen eines Kopftuchs durch eine Beamtin im Dienst sei nicht mit der Verpflichtung des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität vereinbar. Selbst für den Fall, dass sich der Beklagte im Rahmen seiner Ablehnungsentscheidung diese Äußerungen nicht (mehr) zueigen gemacht hat, wofür seine mehrfache Betonung im Klageverfahren spricht, die Ablehnung der Verbeamtung der Klägerin erfolge nicht aufgrund des Tragens eines Kopftuchs im Dienst als solchem, hätte er würdigen müssen, dass sämtliche Äußerungen der Klägerin in Bezug auf das Kopftuchtragen im Dienst von Anfang an auf der Grundlage der fehlerhaften Auskünfte seiner Personalverantwortlichen zur Rechts- und Verfassungslage und einer darauf fußenden verfassungswidrigen Erwartungshaltung erfolgt sind.
94Ist aber – wie bereits zuvor ausgeführt – das von der Klägerin praktizierte Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit sowie deren Absicht, dieses für den Fall ihrer Verbeamtung auch grundsätzlich ausnahmslos in Ausübung des Dienstes zu tragen, vom Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG erfasst und hat der Beklagte im Rahmen seiner Ablehnungsentscheidung jedenfalls nicht hinreichend berücksichtigt, dass nicht jedes Sichtbarwerdenlassen der eigenen Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft des Islam durch die Klägerin im Rahmen der Amtsausübung zwingend die Verpflichtung des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität beeinträchtigt, und darf zudem die Ablehnung der Verbeamtung der Klägerin nicht entgegen Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG in Abhängigkeit von deren religiösem Bekenntnis erfolgen, hätte es einer all diese Aspekte einbeziehenden besonderen Begründung des Beklagten bedurft, warum die Aussagen der Klägerin im Hinblick auf eine Bereitschaft, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten, deren charakterliche Eignung im Sinne unzureichender Dienstauffassung und Loyalität in Frage stellen. Ohne eine solche besondere Begründung lässt sich der Einwand nicht ausräumen, der Beklagte habe der Klägerin gerade doch in Abhängigkeit von ihrem religiösen Bekenntnis die Berufung in das Beamtenverhältnis verwehrt.
95Das Gericht sieht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keinen Anlass, allein aufgrund der aktenkundig gegenüber den Personalverantwortlichen des Beklagten in Bezug auf das Kopftuchtragen getätigten Äußerungen der Klägerin an deren zureichender Dienstauffassung und Loyalität zu zweifeln. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sämtliche diesbezüglichen Äußerungen der Klägerin Ausdruck ihrer religiösen Entwicklung sind. Wie bereits ausgeführt, ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass sich die von der Klägerin im Vorstellungsgespräch vom 18. April 2007 gemachte Zusage, das Kopftuch im Dienst abzunehmen, ausschließlich auf den Fall bezog, dass durch das Kopftuchtragen dienstliche Probleme entstehen. Zwar ist die Würdigung des Beklagten, dass insoweit ein „Wechsel“ der Aussagen der Klägerin im Hinblick auf ihre Bereitschaft, auf das Tragen des Kopftuchs zu verzichten, stattgefunden hat, insofern nicht zu beanstanden, als dass die Klägerin unstreitig – und zudem durch den Vermerk des Leiters der Abteilung XX des Beklagten vom 29. Juni 2010 belegt – durch ihre Äußerungen an diesem Tag von ihrer im Vorstellungsgespräch gegebenen Zusage abrückte, indem sie erklärte, nunmehr uneingeschränkt nicht mehr auf das Tragen eines Kopftuchs verzichten zu können und zu wollen. Zur Überzeugung des Gerichts ist diese Äußerung der Klägerin aber gerade nichts anderes als Ausdruck ihrer religiösen Entwicklung dahingehend, sich durch die Regeln ihrer Religion nunmehr in grundsätzlich ausnahmslosem und damit strengerem Maße als noch zur Zeit des Vorstellungsgesprächs persönlich verpflichtet zu sehen, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen. Diese Aussage ist damit als solche legitim und weder geeignet, die Dienstauffassung und Loyalität der Klägerin in Frage zu stellen, noch, der Klägerin entgegen Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG den Zugang zu einem öffentlichen Amt zu verwehren. Wie bereits ausgeführt, war und ist die Klägerin mangels dementsprechenden ausdrücklichen formellgesetzlichen Verbots in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich berechtigt, als Beamtin im Dienst ein Kopftuch zu tragen. Dementsprechend war und ist sie auch berechtigt, dies gegenüber ihrem Dienstherrn zum Ausdruck zu bringen und zuvor gemachte Zusagen, unter bestimmten Umständen bereit zu sein, auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten, zu widerrufen. Nichts anderes hat sie am 29. Juni 2010 getan. Gleiches gilt für die von der Klägerin am 31. Juli 2012 gegenüber den Personalverantwortlichen gemachten, durch Aktenvermerk vom selben Tag dokumentierten und ebenfalls insgesamt unstreitigen Angaben. Indem die Klägerin ausweislich des Aktenvermerks deutlich herausgestellt hat, dass es eine persönliche Entwicklung in ihrem Leben gegeben habe, die dazu geführt habe, dass sie das Kopftuch dauerhaft ohne Einschränkungen tragen werde, hat sie schlichtweg noch einmal ihre bereits am 29. Juni 2010 gemachte Aussage bekräftigt. Lediglich die einzige streitige, laut Behauptung des Beklagten am 23. August 2010 gefallene Aussage der Klägerin in Bezug auf ihre Motivation, ein Kopftuch zu tragen, würde sich, sofern sie tatsächlich gefallen sein sollte, nicht mit der religiösen Entwicklung der Klägerin erklären lassen. Dass es mögliche andere Erklärungsansätze für eine solche Äußerung der Klägerin geben kann und dass der Beklagte diesen hätte nachgehen müssen, bevor er sie zulasten der Klägerin würdigt, hat das Gericht bereits ausgeführt.
96Im Rahmen seines Schlusses von dem von ihm angenommenen Hang der Klägerin, private Interessen ohne schützenswerten Grund und ohne Rücksicht auf dienstliche Belange durchzusetzen, hat der Beklagte ferner allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, indem er die Tragweite der dienstlichen Belange im Verhältnis zur Religionsfreiheit des einzelnen Beamten – und damit auch der Klägerin – verkannt hat.
97Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte zum einen den „schützenswerten Grund“ der Religionsfreiheit für das von ihm als „Hang, private Interessen durchzusetzen“ bezeichnete Verhalten der Klägerin, während der Dienstausübung Kopftuch zu tragen, und zum anderen die nur eingeschränkte Relevanz dieses Verhaltens für „dienstliche Belange“, weil nicht jedes Sichtbarwerdenlassen der eigenen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft durch einen Amtsträger im Rahmen der Amtsausübung zwingend die Verpflichtung des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität beeinträchtigt, verkannt. Damit war es ihm im Rahmen seiner Entscheidung von vornherein nicht möglich, die konkurrierenden Verfassungsgüter in einem angenommenen konkreten Konfliktsfall in einen schonenden und verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen.
98Schließlich sind die vom Beklagten im Rahmen seiner im gerichtlichen Verfahren für die Verneinung der Eignung der Klägerin für die Berufung in das Beamtenverhältnis angestellten Erwägungen insoweit sachfremd, als dass er diese Eignungsverneinung auf eine von ihm angenommene Sprunghaftigkeit der Klägerin stützt und diese Sprunghaftigkeit aus einem zwar anfänglichen Interesse, aber einer später folgenden Ablehnung des Angebots eines neuen Zeitarbeitsvertrags mit Beschäftigung im Jobcenter ableitet. Weder erläutert der Beklagte noch ist für das Gericht abstrakt oder konkret ersichtlich, welche Auswirkungen dies auf die charakterliche Eignung eines Beamtenbewerbers haben soll. Vor allem aber ist der Schluss von der Ablehnung des Arbeitsvertragsangebots durch die Klägerin auf deren Sprunghaftigkeit unzulässig und damit sachwidrig, wenn nicht zugleich die möglichen Beweggründe der Klägerin für die Ablehnung des Angebots in die Betrachtung miteinbezogen werden. Der von der Klägerin im Klageverfahren gegebenen Begründung, sie habe zunächst über das Angebot nachgedacht, dieses jedoch erst abgelehnt, nachdem der Beklagte ihr nachträglich eröffnet habe, dass es sich zum einen um einen Zeitarbeitsvertrag handeln solle und dieser zum anderen unter der Bedingung stehen solle, dass sie auf eine Klage auf Verbeamtung verzichte, ist der Beklagte nicht entgegengetreten. Sollte diese Begründung so zutreffen, würde es sich zur Überzeugung des Gerichts um eine sachlich nachvollziehbare Ablehnung des Angebots handeln, die keinen Anlass zur Annahme einer Sprunghaftigkeit im negativen Sinne böte.
99Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass der Beklagte im Rahmen seiner Ablehnungsentscheidung zu jedenfalls nicht unerheblichen Teilen von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist und dass sich die getroffene Nichteignungsfeststellung in einem unzureichenden rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Rahmen bewegt.
100Durch die Rechtswidrigkeit der Ablehnung bzw. Unterlassung der beantragten Berufung in das Beamtenverhältnis ist die Klägerin auch in ihren Rechten verletzt, nämlich konkret in ihrem sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, §§ 9 BeamtStG, 15 Abs. 3 LBG NRW ergebenden subjektiven öffentlichen Recht auf eine beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag.
101Sämtliche vorstehend dargelegten, zur Rechtswidrigkeit der erfolgten Ablehnung der Verbeamtung der Klägerin führenden Fehler wird der Beklagte im Rahmen seiner (erneuten) Entscheidung über den Antrag der Klägerin zu vermeiden haben.
102Er wird auf der Basis einer insgesamt zutreffenden Tatsachengrundlage unter Vermeidung sachwidriger Erwägungen eine unter Beachtung des gesamten beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmens, insbesondere des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie der grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 33 Abs. 2 und Abs. 3 GG, sowie unter Beachtung allgemeingültiger Wertmaßstäbe – insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtender Abwägung sämtlicher für und gegen die Klägerin sprechender Belange im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung – eine nunmehr sachgerechte Entscheidung über die Berufung der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe zu treffen haben.
103Darüber hinaus sei der Beklagte auf die Ausführungen des OVG NRW in seinem Beschluss vom 17. Oktober 2013
104- 1 E 799/13 -, www.nrwe.de = juris,
105hingewiesen.
106Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO.
107Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).