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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7a L 1200/18.A

Datum:
12.07.2018
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7a. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7a L 1200/18.A
ECLI:
ECLI:DE:VGGE:2018:0712.7A.L1200.18A.00
 
Schlagworte:
Diplomatische Zusicherung Widerruf Abschiebungsverbot Rechtskraft Anordnung der sofortigen Vollziehung Menschenrechtsverhältnisse Tunesien Folter Unmenschliche Behandlung Erniedrigende Behandlung Beachtliche Wahrscheinlichkeit Foltergefahr Presseberichterstattung Gefährder Terrorverdacht Terror Terrororganisation Menschenrechtslage
Normen:
VwGO § 80 Abs 5 VwGO; § 121; AsylG § 75 Abs 1; AsylG § 75 Abs 2 Satz 3; AsylG § 73c; AufenthG § 60 Abs 2; EMRK Art 3
Leitsätze:

Eine in der Hauptsache erhobene und statthafte Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, mit dem ein nach § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes alter Fassung AufenthG a.F. festgestellte Abschiebungsverbot widerrufen wurde, hat grundsätzlich gemäß § 75 Abs. 1 AsylG analog i.V.m. § 73c AsylG analog aufschiebende Wirkung.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Widerrufsbescheides durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist grundsätzlich gemäß § 75 Abs. 2 Satz 3 AsylG zulässig. Eine Einschränkung oder Anwendungssperre für Widerrufs- und Rücknahmefälle lässt sich weder dem (weiten) Wortlaut der Vorschrift noch der Gesetzesbegründung entnehmen.

Entsprechend § 73c Abs. 2 AsylG ist die Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Neue Tatsachen müssen eine veränderte Grundlage für die Gefahrenprognose im Hinblick auf das festgestellte Abschiebungsverbot geschaffen haben.

Ist die Feststellung des Abschiebungsverbots in Erfüllung eines rechtskräftigen Verpflichtungsurteils ergangen, steht die Rechtskraft dieses Urteils einer behördlichen Widerrufsentscheidung nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat. Erforderlich ist eine nicht nur vorübergehende und grundlegende Änderung der Umstände, die zur Folge hat, dass der bislang Schutzberechtigte tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erleiden.

Lässt sich nach summarischer Prüfung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes - trotz einer Verbesserung der Menschenrechtslage im Herkunftsstaat - nicht feststellen, dass im Einzelfall die (mit rechtskräftiger Entscheidung zuvor bejahte) Gefahr von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unter das erforderliche Maß der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gesunken ist, geht dies nach den allgemeinen Grundsätzen zu Lasten der Behörde, die den Widerrufsbescheid erlassen hat. Sie trägt die materielle Beweislast für das Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts spricht vieles dafür, dass bei der sich nach summarischer Prüfung darstellenden Menschenrechtslage in Tunesien bezogen auf einen Betroffenen, der in der Presse als ehemaliger Leibwächter Osama bin Ladens bezeichnet und von den deutschen Behörden als Gefährder eingestuft wird, eine entsprechende individualbezogene diplomatische Zusicherung zu fordern wäre, damit von einer nicht mehr beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgegangen werden könnte.

Eine gegenüber der Presse abgegebene (mündliche) Zusage eines Regierungsmitglieds ist mit einer zwischenstaatlichen, auf diplomatischer Ebene abgegebener schriftlicher Zusicherung nicht vergleichbar. Gegenüber der Presse getätigten Äußerungen kommt insbesondere keine vergleichbare Verbindlichkeit zu.

 
Tenor:
 
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