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1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
21.Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit den zuletzt wörtlich gestellten Anträgen,
31. die Antragsgegnerin wird einstweilig verpflichtet, den Betrieb von 350-E-Scootern im Stadtgebiet der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin ab dem 01.04.2024 zu dulden, bis über die Ablehnung des Sondernutzungsantrags vom 04.03.2024 rechtskräftig entschieden worden ist,
4hilfsweise,
52. der Antragsgegnerin wird einstweilig untersagt, den Betrieb von 350-E-Scootern im Stadtgebiet der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin für den Zeitraum ab dem 01.04.2024 oder später zu untersagen, bis über die Ablehnung des Sondernutzungsantrags vom 04.03.2024 rechtskräftig entschieden worden ist.
6hat keinen Erfolg.
7Die wörtlich gestellten Anträge sind gem. §§ 88, 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend dem Antragsbegehren der Antragstellerin sinngemäß auszulegen. Das Begehren der Antragstellerin ist darauf gerichtet, bis zu einer Entscheidung über ein gegebenenfalls noch zu erhebendes Hauptsacheverfahren ihren Betrieb, den Verleih von E-Scootern im Rahmen von „Sharing Mobility“, im Stadtgebiet der Antragsgegnerin durchzuführen. Dies setzt voraus, dass die Antragsgegnerin entweder diesen Betrieb vorläufig genehmigt oder dass die Antragsgegnerin auch ohne Genehmigung vorläufig nicht gegen diesen Betrieb einschreitet, ihn also „duldet“ bzw. nicht „untersagt“.
8Soweit demnach eine vorläufige Erteilung der Genehmigung durch die Antragsgegnerin für den Betrieb, den Verleih von E-Scootern im Rahmen von „Sharing Mobility“, begehrt wird, kann dieses Begehren allein im Wege einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO verfolgt werden.
9Soweit weiter – unabhängig vom Vorliegen einer Genehmigung – ein Nichteinschreiten gegen diesen Betrieb begehrt, er also „geduldet“ bzw. nicht „untersagt“ werden soll, ist festzuhalten, dass ein solches Einschreiten der Antragsgegnerin gegen den Betrieb der Antragstellerin jedoch durch Nummern 2 und 4 des Bescheids vom 4. März 2024 bereits – nach Fristablauf am 20. April 2024 vollziehbar – erfolgt ist. Das Antragsbegehren, die Fortführung des Betriebs, kann daher nur erreicht werden, wenn die Vollziehung der Untersagungsverfügung durch gerichtlichen Eilrechtsschutz verhindert wird. Um dies zu erreichen, bedarf es aber einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
10Die Anträge der Antragstellerin sind daher dahin auszulegen, dass beantragt wird,
111. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig bis zum Abschluss eines noch zu anhängig zu machenden Hauptsacheverfahrens die beantragte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen,
122. die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage hinsichtlich Nummer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. März 2024 wiederherzustellen und hinsichtlich Nummer 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. März 2024 anzuordnen.
13Auch die so verstandenen Anträge haben keinen Erfolg.
14Der Antrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrundeliegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO).
15Geht es nicht um eine nur vorläufige Maßnahme, sondern um eine Entscheidung, die die Hauptsache – jedenfalls vorübergehend – vorwegnimmt, sind strengere Maßstäbe anzustellen, denn eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache kommt daher nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache schlechthin unzumutbar wäre. Dies setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich durchzuführenden summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird. Für das zweite Begründetheitselement einer einstweiligen Anordnung, den Anordnungsgrund, bedeutet dies, dass die Antragstellerin glaubhaft machen muss, dass ihr ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. März 2024 - 6 B 3/24 -, juris Rn. 11 f., und vom 13. Dezember 2012 - 6 B 1274/12 -, juris Rn. 2.
17Die einstweilige Anordnung muss dann zur Abwendung erheblicher, über Randbereiche hinausgehender Rechtsverletzungen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können, ergehen, da anderenfalls die Gefahr fortschreitender Rechtsvereitelung besteht, es sei denn, der Anordnung stünden sonst gewichtige Gründe entgegen.
18Vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28. September 2009 - 1 BvR 1702/09 -, juris Rn. 12.
19Gemessen an diesen Maßstäben hat die Antragstellerin weder einen i. d. S. erkennbaren Anordnungsanspruch noch einen hinreichenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch, da die Antragstellerin einen materiellen, gebundenen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nicht glaubhaft gemacht hat.
20Rechtsgrundlage für die begehrte Erlaubnis zur Aufstellung von Verleih-E-Scootern auf öffentlichen Verkehrsflächen ist § 18 Abs. 2 Straßen- und Wegegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW), weil es sich angesichts des Aufstellungszwecks, den Abschluss von Mietverträgen zu bewirken, um eine Sondernutzung handelt.
21Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Oktober 2023 - 11 A 339/23 -, juris Rn. 52, und vom 11. Mai 2023 ‑ 11 B 96/23 ‑, juris Rn. 14.
22Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis nach § 18 Abs. 2 StrWG NRW voraussichtlich nicht ohne Weiteres zu. Denn die Erteilung der erforderlichen Sondernutzungserlaubnis steht im Ermessen der Behörde.
23Vgl. OVG NRW, Urteile vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris Rn. 55, und vom 7. April 2017 - 11 A 2068/14 -, juris Rn. 47.
24Als Ermessensentscheidung ist die Ablehnung der erstrebten Erlaubnis gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten richterlichen Überprüfung zugänglich. Das Gericht prüft ausschließlich, ob die Behörde in der Erkenntnis des ihr eingeräumten Ermessens alle zu berücksichtigenden Belange in ihre Erwägungen eingestellt hat, dabei von richtigen und vollständigen Tatsachen ausgegangen ist, die Gewichtung dieser Belange der Sache angemessen erfolgt ist und das Abwägungsergebnis vertretbar ist, insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.
25Im Rahmen des von § 18 Abs. 2 StrWG NRW eingeräumten Ermessens hat sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrundes und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Anlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d. h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße (Vermeidung einer „Übermöblierung“ des öffentlichen Straßenraums, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes und ähnliches). Es reicht, wenn einer von mehreren herangezogenen Gründen trägt, es sei denn, es sollten alle Gründe nur kumulativ tragen.
26Vgl. OVG NRW, Urteile vom 28. Mai 2021 - 11 A 390/19 -, juris Rn. 58, und vom 7. April 2017 - 11 A 2068/14 -, juris Rn. 54.
27Ein direkter Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis setzt eine Ermessensreduktion auf Null dergestalt voraus, dass sich beim Vollzug des § 18 StrWG NRW der durch den Gesetzgeber eingeräumte administrative Handlungsspielraum soweit reduziert hätte, dass sich bei der Anwendung der Ermessensvorschrift nur noch die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis als rechtmäßig erwiese, während alle übrigen Möglichkeiten ermessensfehlerhaft wären.
28Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 13. August 2010 - 1 B 152/10 -, juris Rn. 6.
29Gemessen an diesen Maßstäben hat die Antragstellerin das Vorliegen eines mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bestehenden Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat weder dargelegt noch ist im Übrigen von Amts wegen ersichtlich, dass hier die Voraussetzungen für eine entsprechende Ermessensreduktion auf Null und mithin für ein Vornahmeurteil in einem gedachten Hauptsacheverfahren gegeben wären. Die Erwägung der Antragsgegnerin, den Verleih von E-Scootern von einer Identitätsprüfung durch die Anbieter abhängig zu machen, erweist sich jedenfalls nicht als nach obigen Ausführungen erforderlich „erkennbar“ ermessensfehlerhaft. Die Frage, ob es sich dabei noch um eine im Rahmen des Straßen- und Wegerechts zulässige Erwägung handelt, ist nicht offensichtlich zu beantworten. Das von der Antragsgegnerin angeführte Schutzgut der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, welches mittelbar auch dem Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz – GG) der (weiteren) Verkehrsteilnehmer zu dienen bestimmt ist, ist jedenfalls nach obigen Ausführungen in der Rechtsprechung als straßenbezogener Grund im Rahmen des von der Behörde auszuübenden Ermessens anerkannt.
30Selbst wenn sich die Erwägung der Antragsgegnerin, eine Identitätsfeststellung der E-Scooter-Nutzer zu verlangen, mangels Straßenbezugs als ermessensfehlerhaft darstellen würde, lägen damit aber die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO voraussichtlich trotzdem nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass allein die Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis rechtmäßig sein kann. Vielmehr sind weitere Erwägungen, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, den Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Anlieger oder Belange des Straßen- und Stadtbildes betreffen, nicht offensichtlich ausgeschlossen.
31Ungeachtet dessen fehlt aber auch die Glaubhaftmachung eines hinreichenden Anordnungsgrundes.
32Angesichts der hier begehrten – jedenfalls vorläufigen – Vorwegnahme der Hauptsache müsste nach den oben dargestellten Maßstäben ein Abwarten der Hauptsache für die Antragstellerin schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge haben. Solche sind hier nicht substantiiert vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin zu den ihr entstehenden Nachteilen im Wesentlichen und ohne jeden Nachweis vorträgt, dass ihr monatlicher Umsatz in Höhe von 67.000 Euro entginge sowie Vorhaltekosten in Höhe von monatlich 15.000 Euro entstünden, ist dieser Umstand nicht ausreichend, eine Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen. Zwar stellt die Versagung der Sondernutzungserlaubnis einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin nach Art. 12 GG dar. Allerdings sind die vorgetragenen finanziellen Auswirkungen, die der Antragstellerin bis zur Hauptsacheentscheidung entstehen könnten, gegebenenfalls im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs reparabel. Dass die Antragstellerin, die nach ihrem Bekunden international tätig ist und den Verleih von E-Scootern in einer Vielzahl weiterer Städte betreibt, durch ein Abwarten der Hauptsache in eine derartige wirtschaftliche Notlage geraten würde, dass die Existenz des Unternehmens bedroht wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
33Demgegenüber stehen der beabsichtigten Anordnung gewichtige Gründe entgegen. Die Versagung der Sondernutzungserlaubnis dient nach dem Bekunden der Antragsgegnerin der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, mithin dem Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 1 GG) der am Gemeingebrauch des Straßenraums teilnehmenden Dritten. Dass die Verweigerung der Sondernutzungserlaubnis völlig ungeeignet wäre, Unfälle im Straßenverkehr zu vermeiden, ist nicht ersichtlich.
34Auch ein etwaiger, als Minus enthaltener Antrag, die Antragsgegnerin zur vorläufigen Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten,
35vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 15 B 624/18 -, juris Rn. 66,
36ist ungeachtet der Frage, ob ein solcher Ausspruch durch Gerichte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO überhaupt möglich ist,
37vgl. bejahend zum Presserecht OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 15 B 624/18 -, juris Rn. 66; ablehnend zum Straßenrecht Sächs. OVG, Beschluss vom 13. August 2010 - 1 B 152/10 -, juris Rn. 4,
38jedenfalls mangels glaubhaft gemachten Anordnungsgrundes unbegründet. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zu fehlenden irreparablen Schäden für die Antragstellerin Bezug genommen.
39Der wie oben dargestellt ausgelegte Antrag zu 2. ist aufgrund des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bzw. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
40Die in Nummer 4 des Bescheids enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der in Nummer 2 des Bescheids enthaltenen Verpflichtung, die E-Scooter aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen, ist zunächst in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie ist gestützt auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und insbesondere hinreichend begründet im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass nur durch die unverzügliche Beendigung des nicht ordnungsgemäßen Zustands die Beeinträchtigung und Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer behoben werden könne. Ohne die Anordnung würde bei Einlegung eines Rechtsmittels die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf nicht absehbare Zeit verzögert. Damit hat sie ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung dargelegt, das über das Allgemeininteresse an der Durchsetzung behördlicher Maßnahmen hinausgeht. Ob zu Recht ein besonderes Vollzugsinteresse angenommen wurde, ist für die lediglich in formaler Hinsicht vorzunehmende Überprüfung der Vollziehungsanordnung regelmäßig – wie auch hier – nicht von Bedeutung.
41Die gerichtliche Entscheidung ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung die angefochtene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.
42Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer weiteren Interessenabwägung, in der zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, der Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt, und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall der Ablehnung seines Antrags und des erfolgreichen Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegenüberzustellen sind.
43Gemessen an diesem Maßstab überwiegt hier das öffentliche Vollzugsinteresse das Individualinteresse der Antragstellerin an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung. Denn die angefochtene Ordnungsverfügung erweist sich hinsichtlich der Nummern 2 und 3 bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig, weshalb ein gedachter Rechtsbehelf auch insoweit in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
44Rechtsgrundlage für die Anordnung zum Entfernen der E-Scooter aus dem öffentliche Verkehrsraum ist § 22 Satz 1 StrWG NRW. Danach kann die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde dann, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird, die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen.
45Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Satz 1 StrWG NRW sind offensichtlich erfüllt. Die Antragstellerin übt – wie bereits oben dargelegt – durch das Aufstellen der Verleih-E-Scooter auf öffentlichen Verkehrsflächen eine Sondernutzung ohne die dafür erforderliche Erlaubnis aus.
46Die Aufforderung zum Entfernen der E-Scooter ist auch auf der Rechtsfolgenseite nicht zu beanstanden. § 22 StrWG NRW räumt der zuständigen Behörde Ermessen ein. Das Gericht ist dabei nur zur Prüfung der Frage befugt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, § 114 Satz 1 VwGO.
47Eine Maßnahme nach § 22 Satz 1 StrWG NRW ist regelmäßig allein schon wegen formeller Illegalität der Sondernutzung ermessensgerecht und damit rechtmäßig, wenn der Sondernutzer keinen offensichtlichen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis hat, der die Berufung der Straßenbaubehörde auf das Fehlen dieser Erlaubnis ausschließen könnte. Die Straßenbaubehörde ist aufgrund der im Vordergrund stehenden formellen Illegalität des Verhaltens des Sondernutzers im Regelfall auch nicht zu weiteren Darlegungen verpflichtet.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. November 2011 - 11 A 2511/10 -, juris Rn. 54, Beschlüsse vom 30. Oktober 1996 - 23 B 2398/96 -, juris Rn. 16, und vom 21. Oktober 1996 - 23 B 2966/95 -, juris Rn. 27; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn. 466.
49Die Antragstellerin verfügt – wie sich aus den Ausführungen zum Antrag zu 1. ergibt – weder über die erforderliche Sondernutzungserlaubnis noch ist offensichtlich, dass ihr ein Anspruch auf Erteilung einer solchen zustünde.
50Schließlich ist auch die Androhung der Ersatzvornahme rechtmäßig. Sie beruht auf den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 1, 58, 59 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen.
51Die von der Kammer hinsichtlich des Antrags zu 2. weiter vorzunehmende Interessenabwägung fällt angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Bescheids zu Lasten der Antragstellerin aus. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, die öffentlichen Verkehrsflächen schnellstmöglich wieder zu ihrem öffentlich-rechtlichen Widmungszweck nutzen zu können. Demgegenüber ist ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin daran nicht erkennbar, weiterhin die E-Scooter im öffentlichen Straßenraum ungenutzt „abzustellen“, zumal die von der Antragstellerin ausgeworfenen Kosten von 5.000,00 Euro zum Einsammeln und Wiederausbringen der E-Scooter in Relation zu den vorgetragenen Umsatzeinbußen marginal sind.
52Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
532.Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht dem von der Kammer geschätzten wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Dabei ist gemäß der Empfehlung in Nummer 4.3.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei Sondernutzungserlaubnissen der zu erwartende Gewinn bis zur Grenze des Jahresbetrags, mindestens 500,00 Euro, anzusetzen. Die Kammer berücksichtigt bei der Schätzung dabei die von der Antragstellerin gemachten Angaben zu monatlichen Vorhaltekosten für Lager, Werkstatt und Mitarbeiter von 15.000 Euro und zum monatlichen Umsatzausfall von 67.000 Euro sowie zu den einmaligen Fixkosten in Höhe von 5.000 Euro für das Einsammeln und Wiederausbringen der E-Scooter. Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, der Streitwert sei auf den Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro festzusetzen, überzeugen ihre Ausführungen nicht.
54Rechtsmittelbelehrung:
55Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
56Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
57Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
58Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
59Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
60Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
61Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.