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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger betreibt im dritten Obergeschoss des Gebäudes S. Straße 0 in L. unter der Bezeichnung „W. “ eine Einrichtung, in der sog. „Tantra-Massagen“ sowie andere Formen erotischer, auf direktem Körperkontakt beruhender Massagen angeboten werden. Die Angebotspalette umfasst ausweislich des eigenen Internetauftritts neben Tantra-Massagen (auch den Genitalbereich erfassende Ganzkörpermassagen durch Frauen mit unbekleidetem Oberkörper) Body-to-Body-Massagen, Prostata-Massagen, Extra Lingam-Massagen (Massage der männlichen Genitalien) sowie gemeinsames Duschen.
3Am 30. November 2010 beantragte der Kläger für das dritte Obergeschoss des Gebäudes S. Straße 0 in L. die Erteilung einer Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Umnutzung einer Bürofläche in ein Wellnessstudio“. Laut Betriebsbeschreibung werden die Dienstleistungen „Nagelstudio, Wellness, Massage“ angeboten. Die Beklagte erteilte die beantragte Baugenehmigung mit dem Aktenzeichen 00/000/0000/0000 unter dem 2. Dezember 2010.
4Am 6. Februar 2013 zeigten von anderen Mietern des Gebäudes S. Straße 0 in L. beauftragte Rechtsanwälte der Beklagten an, dass es sich bei dem Betrieb des Klägers um eine Bordellnutzung handele, die formell und materiell illegal sei. Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2013 zum Erlass einer Ordnungsverfügung an. Der Kläger meldete sich am 4. März 2013 telefonisch bei der Beklagten und gab an, dass er über eine Baugenehmigung verfüge.
5Die Beklagte erließ sodann mit Bescheid vom 15. Mai 2013, dem Kläger am 16. Mai 2013 zugestellt, unter dem Aktenzeichen 00/000/0000/0000 eine Ordnungsverfügung, in der der Kläger aufgefordert wird, die Nutzung des 3. Obergeschosses des Gebäudes S. Straße 0 als Erotik-Betrieb einzustellen und künftig nicht wieder aufzunehmen. Sie begründet die Ordnungsverfügung damit, dass die vom Kläger ausgeübte Nutzung formell illegal erfolge und von der am 2. Dezember 2010 (Az.: 00/000/0000/0000) erteilten Baugenehmigung nicht gedeckt sei.
6Der Kläger hat am 4. Juni 2013 Klage erhoben.
7Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Betrieben werde ein Wellnessbetrieb, der auch erotische Massagen umfasse. Die Baugenehmigung umfasse ein „Wellnessstudio“. In den Bauvorlagen sei klargestellt, dass hierbei auch Massagen durchgeführt würden. Die streitgegenständliche Nutzung sei daher von einer Baugenehmigung gedeckt, denn sexuelle Handlungen wie entgeltlicher Geschlechtsverkehr würden im Betrieb des Klägers nicht angeboten.
8Die Ordnungsverfügung, konkret der Begriff „Erotik-Betrieb“, sei nicht hinreichend bestimmt. Eine gesetzliche oder von der Rechtsprechung entwickelte Definition existiere nicht. Die Wikipedia-Definition des Begriffes „Erotik“ erfasse auch Handlungen, die noch keinen zwingend sexuellen Charakter hätten.
9Die Ordnungsverfügung sei schließlich auch insoweit rechtswidrig, als ihm verboten werde, die Nutzung künftig nicht wieder aufzunehmen, also selbst dann, wenn einen Baugenehmigung beantragt und erteilt werden würde.
10Der Kläger beantragt,
11die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 15. Mai 2013 (Az.: 00/000/00000/0000) aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Im Betrieb des Klägers würden sehr wohl sexuelle Handlungen angeboten, etwa Lingam- bzw. Yoni-Massagen. Die Ordnungsverfügung sei auch hinreichend bestimmt. Erotik sei nach heutigem Sprachgebrauch gleichbedeutend mit Sexualität. Zu unterlassen seien sämtliche gewerblichen sexuellen Handlungen. Dies sei unmissverständlich.
15Die Forderung, die Nutzung auch künftig nicht wieder aufzunehmen, beziehe sich selbstverständlich auf die derzeitige Sach- und Rechtslage, d.h. auf den Zustand der formellen Illegalität. Sollte die Nutzung genehmigt werden, würde die Ordnungsverfügung selbstverständlich hinfällig.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist unbegründet.
19Die angefochtene Ordnungsverfügung der Beklagten vom 15. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
20Die Ordnungsverfügung verfügt mit der Vorschrift des § 61 Abs. 1 Satz 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) über eine taugliche Ermächtigungsgrundlage. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte als zuständige Bauaufsichtsbehörde solche Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften sicherzustellen.
21Die Ordnungsverfügung ist materiell rechtmäßig.
22Sie ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW meint zum einen, dass der Inhalt der Ordnungsverfügung – gegebenenfalls im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen – für den Adressaten der Ordnungsverfügung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass dieser sein Verhalten danach ausrichten kann, und zum anderen, dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt der Ordnungsverfügung etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen zugrunde legen können.
23Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 37 Rn. 5.
24Für den Inhalt der Ordnungsverfügung wiederum ist der objektive Erklärungswert des in der Verfügung Mitgeteilten, wie er sich den Betroffenen darstellt und nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss, maßgeblich.
25Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 37 Rn. 7.
26In der angefochtenen Ordnungsverfügung gibt die Beklagte dem Kläger auf, die Nutzung des dritten Obergeschosses des Gebäudes S. Straße 0 „als Erotik-Betrieb“ einzustellen sowie künftig nicht wieder aufzunehmen. Der objektive Erklärungswert dieses Satzes und damit der Inhalt der Ordnungsverfügung ist klar und unzweideutig erkennbar, sodass der Kläger sein Verhalten ohne weiteres daran ausrichten kann. Dass, wie der Kläger einwendet, der Begriff des „Erotik-Betriebes“ bislang weder vom Gesetzgeber noch von der Rechtsprechung definiert worden ist, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass keine vernünftigen Zweifel darüber bestehen, welche Nutzung der Kläger zukünftig zu unterlassen hat. Dies ist hier der Fall. Der Begriffsteil „Betrieb“ bezeichnet unzweideutig die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit. Durch die Verbindung mit dem Begriffsteil „Erotik“ ergibt sich klar und eindeutig, dass nur eine solche gewerbliche Tätigkeit gemeint ist, die erotische Dienstleistungen bzw. Dienstleistungen mit erotischem Inhalt zum Gegenstand hat. In diesem Zusammenhang ist auch – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – zu berücksichtigen, dass dem Begriff „Erotik“ nach allgemeinem Sprachgebrauch kein wesentlich anderer Bedeutungsgehalt zukommt als dem Begriff „Sexualität“. Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, weil der Kontext, in dem die angegriffene Ordnungsverfügung der Beklagten steht und in dem die Beklagte den Begriff „Erotik-Betrieb“ verwendet, unzweideutig auf einen Gewerbebetrieb mit erotischen bzw. sexuellen Dienstleistungen hindeutet. Dies bedeutet umgekehrt ebenso unzweideutig, dass Dienstleistungen ohne erotischen bzw. sexuellen Charakter nicht von der angegriffenen Nutzungsuntersagung erfasst werden.
27Die vom Kläger in den fraglichen Räumen ausgeübte und von der Beklagten untersagte Nutzung stellt einen „Erotik-Betrieb“ im vorstehend beschriebenen Sinne dar. Dies ergibt sich aus den die konkrete Betriebsform kennzeichnenden Umständen sowie der spezifischen Art und Weise, mit der für den Betrieb im Internet sowie in der Tageszeitung „EXPRESS“ geworben wird.
28Die Angebotspalette umfasst ausweislich des eigenen Internetauftritts u.a. Tantra-Massagen (auch den Genitalbereich erfassende Ganzkörpermassagen durch Frauen mit unbekleidetem Oberkörper), Body-to-Body-Massagen, Prostata-Massagen, Extra Lingam-Massagen (Massage der männlichen Genitalien) sowie gemeinsames Duschen. Alle diese gegen Entgelt angebotenen Handlungen sind geeignet, sexuell erregend zu wirken, so dass es sich ohne weiteres um erotische Dienstleistungen bzw. um Dienstleistungen mit erotischem Inhalt handelt. Angeboten werden „sexuelle Handlungen“ im Sinne des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 – ProstG (BGBl. I 2001, 3983).
29Zu vergleichbaren Fällen vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 9. April 2003 – 2 S 5.03 – juris-Rn. 5 ff.; VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 3 L 571/12.NW – juris-Rn. 10 ff. Zur Einstufung als „bordellartiger Betrieb“ bzw. zum Begriff der Prostitution vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 9. Oktober 2008 – 2 Wx 76/08 – juris-Rn. 18.
30Ferner wirbt der Kläger für seinen Betrieb sowohl auf einschlägigen Internetseiten als auch im einschlägigen Anzeigenteil des Kölner „EXPRESS“. Im Internet wirbt der Kläger etwa auf den Seiten www. .de, www. .de/ - und www. de. Im Kölner „EXPRESS“ hat der Kläger jedenfalls in der Ausgabe vom 00.00.0000 im einschlägigen Anzeigenteil eine Anzeige für den Betrieb („Nähe F.----platz “) geschaltet. Mit dieser Form der Werbung wendet sich der Kläger an ein Publikum, welches erotische bzw. sexuelle Dienstleistungen nachfragt und tritt damit als „Erotik-Betrieb“ nach außen in Erscheinung.
31Der Einwand des Klägers, dass der Begriff „Erotik“ auch solche Handlungen erfasse, die noch keinen zwingend sexuellen Charakter hätten, greift nicht durch. Der objektive Erklärungswert der angegriffenen Ordnungsverfügung bezieht sich – wie oben dargestellt – eindeutig nicht auf Dienstleistungen ohne erotischen bzw. sexuellen Charakter.
32Die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Die vom Kläger ausgeübte und von der Ordnungsverfügung adressierte Nutzung verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, konkret gegen § 75 Abs. 5 BauO NRW. Denn sie ist nicht von einer gültigen Baugenehmigung gedeckt und damit formell illegal.
33Die ausgeübte Nutzung „als Erotik-Betrieb“ wird auch nicht von der mit Bauschein vom 2. Dezember 2010 (Az.: 00/000/0000/0000) genehmigten Nutzung umfasst. Vielmehr stellt die ausgeübte Nutzung im Verhältnis zur genehmigten Nutzung eine Nutzungsänderung im Sinne der §§ 29 Abs. 1 BauGB, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW dar. Eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung liegt vor, wenn sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen) dergestalt unterscheidet, dass die Zulässigkeit des geänderten Vorhabens nach den Bauvorschriften anders beurteilt werden kann. In planungsrechtlicher Hinsicht ist eine Nutzungsänderung dann anzunehmen, wenn die rechtliche Qualität der bisherigen Nutzung so verändert wird, dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt; dies ist insbesondere der Fall, wenn die Änderung die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange berühren kann.
34Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 13. November 1995 – 11 B 2161/95 – BRS 57, Nr. 184 (1995); vgl. auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Oktober 2002 – 4 TG 2028/02 – NVwZ-RR 2003, 720 f. (Nutzungsänderung „Relaxzentrum“ in einen bordellartigen Betrieb).
35Dies ist hier gegeben, denn berührt werden jedenfalls die Belange von Freizeit und Erholung (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB). Seinerzeit genehmigt worden ist das Vorhaben „Nutzungsänderung Büro in Wellnessstudio“. In der Betriebsbeschreibung hat der Kläger angegeben, dass im Betrieb die Dienstleistungen „Nagelstudio, Wellness, Massage“ angeboten werden. Damit bezieht sich die Baugenehmigung auf Dienstleistungen ohne jeden erotischen bzw. sexuellen Charakter. Denn auch für die Ermittlung des Regelungsgehalts der Baugenehmigung kommt es auf deren objektiven Erklärungsgehalt an, wobei in Bezug auf die Art der Nutzung eine typisierte Betrachtungsweise maßgeblich ist. In Anwendung dieser typisierten Betrachtungsweise kommt dem Begriff „Wellnessstudio“ einerseits sowie den Begriffen „Nagelstudio, Wellness, Massage“ andererseits objektiv kein Erklärungsgehalt zu, der erotische oder sexuelle Dienstleistungen mit umfassen würde. Es liegt auf der Hand, dass ein – im planungsrechtlichen Sinne – „typisches“ Wellnessstudio bzw. ein „typischer“ Massagesalon andere bodenrechtliche Spannungen hervorruft als der vom Kläger in den fraglichen Räumen tatsächlich eingerichtete „Erotik-Betrieb“, in dem Dienstleistungen angeboten werden, die unter das ProstG zu subsumieren sind, so dass sich die Genehmigungsfrage jedenfalls in planungsrechtlicher Hinsicht neu stellt.
36Auch die gewählte Rechtsfolge, konkret die Nutzungsuntersagung, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. In Ausübung des der Beklagten als der zuständigen Bauaufsichtsbehörde in § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens ist sie nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) im Regelfall berechtigt, zur Wahrung der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts sogar sofort vollziehbare Nutzungsuntersagungen auszusprechen, wenn die ausgeübte Nutzung – wie hier – formell illegal ist.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2007 – 7 E 664/07 – BRS 71 Nr. 187; Beschluss vom 6. Juli 2009 – 10 B 617/09 – BRS 74 Nr. 203.
38Erst recht muss dieses gelten, wenn die Nutzungsuntersagung wie hier nicht für sofort vollziehbar erklärt wird. Gründe, warum die Beklagte im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht berechtigt gewesen sein soll, die Nutzung zu untersagen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist die Rechtsfolge auch nicht insoweit unverhältnismäßig, als dem Kläger untersagt wird, die Nutzung „als Erotik-Betrieb“ zukünftig nicht wieder aufzunehmen. Wie die Beklagte zu diesem Punkt zutreffend ausführt, betrifft diese Regelung ersichtlich nur den Zustand der formellen Illegalität. Die Begründung der Ordnungsverfügung ist hier eindeutig.
39Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.