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1. Soweit die Antragstellerinnen den Antrag zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet, soweit sich die Antragstellerinnen mit der Klage im Verfahren 18 K 6973/19 gegen die Beanstandung von Ziffer 2.12.1 SNB 2021, von § 4 Satz 4 und der Anlage 1 des Infrastrukturnutzungsvertrags, Ziffer 2.12.4 SNB 2021, von Zeilen 2 und 3 der Tabelle in Ziffer 4.2.1.3 SNB 2021 und der Richtlinie 402.0203 Abschnitt 4 Absatz 4 in dem Beschluss vom 12.11.2019 wenden.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerinnen als Gesamtschuldnerinnen zu 11/16 und die Antragsgegnerin zu 5/16
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 200.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Soweit die Antragstellerinnen den Antrag zurückgenommen haben, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
3Der Antrag hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (I). Im Übrigen war der Antrag abzulehnen (II).
4I.
5Soweit sich die Antragstellerinnen gegen die Beanstandung der Neufassung von Ziffer 2.12.1 SNB 2021 sowie von § 4 Satz 4 und der Anlage 1 des Grundsatz-Infrastrukturnutzungsvertrags in dem Beschluss vom 12.11.2019 wenden, hat der Antrag Erfolg. Denn insoweit erweist sich der angegriffene Beschluss bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Die vorgenannten Regelungen sind zur Überzeugung des Gerichts nicht unangemessen i. S. d. §§ 10, 11 Eisenbahnregulierungsgesetz vom 29.8.2016, BGBl. I, 2082 i. d. F. des Gesetzes vom 8.7.2019, BGBl. I, 1040 (ERegG). Dabei geht das Gericht mit der Antragsgegnerin davon aus, dass eine Klausel dann unangemessen ist, wenn sie eine Vertragspartei unbillig benachteiligt.
6Vgl. VG Köln, Urteil vom 22.2.2019, - 18 K 11831/16 -,
7juris Rdnr. 124 ff.
8Eine derartige unbillige Benachteiligung der Zugangsberechtigten vermag das Gericht in den von den Antragstellerinnen vorgesehenen Regelungen nicht zu erblicken. Mit den von der Antragsgegnerin beanstandeten Regelungen verpflichten die Antragstellerinnen die Zugangsberechtigten dazu, eine Kundenselbstauskunft über ihre internen Prozesse abzugeben, mit denen sie sicherstellen, dass sie nur leise Güterwagen oder laute Güterwagen einsetzen, die eine Ausnahme nach § 4 des Gesetzes zum Verbot lauter Güterwagen vom 20.7.2017, BGBl. I., 2804, Schienenlärmschutzgesetz (im Folgenden: SchlärmschG) erfüllen oder für die eine Befreiung nach § 5 SchlärmschG vorliegt. Damit verfolgen die Antragstellerinnen das Ziel, ihrer Verpflichtung nach § 7 Abs. 3 SchlärmschG, keine lauten Güterwagen zuzuweisen und keine Nutzung von lauten Güterwagen zuzulassen, zu genügen. Dabei teilt das Gericht nicht die Auffassung der Beschlusskammer, dass die Antragstellerinnen mit diesen Regelungen die Zugangsberechtigten unangemessen in die Pflicht nähmen und ihnen in unangemessener Weise bürokratischen Aufwand zumuteten.
9Die Zugangsberechtigten werden von den Antragstellerinnen nicht in unangemessener Weise in die Pflicht genommen, weil die Antragstellerinnen selbst nach § 7 Abs. 3 SchlärmschG die Nutzung von lauten Güterwagen nicht zulassen dürfen. Wie die Vertreter der Antragstellerinnen im Erörterungstermin für das Gericht plausibel dargestellt haben, ist es ihnen weder technisch noch personell möglich, bei Einfahrt eines jeden Güterzuges auf ihre Infrastruktur zu prüfen, ob laute Güterwagen, die nicht die Voraussetzungen der §§ 4 oder 5 SchlärmschG erfüllen, in einen Zug eingestellt sind. Hinzu kommt, dass die Vorortkontrolle nachvollziehbar zu erheblichen Verzögerungen im Betriebsablauf führte. Es begegnet deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Antragstellerinnen ein Verfahren eingeführt haben, das es ihnen in der Sache ermöglicht, ihre Verpflichtung aus § 7 Abs. 3 Satz 1 SchlärmschG zu erfüllen und damit ein diesbezügliches Organisationsverschulden auszuschließen.
10Die Zugangsberechtigten werden durch die Kundenselbstauskunft auch nicht in unangemessener Weise mit zusätzlichem bürokratischem Aufwand belastet. Denn sie unterliegen nach § 3 SchlärmschG selbst dem Verbot, mit lauten Güterwagen auf dem Netz der Antragstellerinnen zu fahren. Um nicht schuldhaft gegen dieses Verbot zu verstoßen, sind die Zugangsberechtigten gehalten, ihrerseits Prozesse einzuführen, die organisatorisch sicherstellen, dass sie nur mit leisen oder gemäß §§ 4 und 5 SchlärmschG privilegierten Zügen auf dem Netz der Antragstellerinnen fahren. Die Antragstellerinnen verlangen deshalb von den Zugangsberechtigten nicht, weiteren bürokratischen Aufwand zu treiben, sondern fordern lediglich die Darstellung der Prozesse, die die Zugangsberechtigten ohnehin einführen müssen. Soweit die Vertreter der Antragsgegnerin im Erörterungstermin vom 31.1.2020 die diesbezügliche Anforderung einer umfangreichen Darstellung gerügt haben, haben die Vertreter der Antragstellerinnen deutlich gemacht, dass es lediglich um die Darlegung der organisatorischen Prüfungsschritte geht, die die Einhaltung der Verpflichtung aus § 3 SchlärmschG gewährleisten.
11Unabhängig davon ist eine unangemessene Benachteiligung der Zugangsberechtigten auch deshalb zu verneinen, weil das Eisenbahnbundesamt als gemäß § 9 SchlärmschG zuständige Aufsichtsbehörde die von den Antragstellerinnen vorgeschlagenen Regelungen mit den Antragstellerinnen erarbeitet hat und derartige Überprüfungen von den Antragstellerinnen erwartet. In einer Konstellation, in der die Aufsichtsbehörde von einem Rechtsunterworfenen eine bestimmte Vorgehensweise verlangt, kann regelmäßig nicht festgestellt werden, dass diese Vorgehensweise gegenüber dem Vertragspartner des Rechtsunterworfenen eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. §§ 10, 11 ERegG darstellt. Dies gilt umso mehr, wenn Aufsichtsbehörde und Regulierungsbehörde demselben Rechtsträger zugehören. Eine Ausnahme könnte sich nur dann ergeben, wenn die Regelungen, die die Aufsichtsbehörde erwartet, ihrerseits offensichtlich nicht im Einklang mit dem Eisenbahnrecht stünden. Dies vermag das Gericht jedoch nicht festzustellen.
12Vielmehr geht auch das Gericht davon aus, dass die von den Antragstellerinnen verlangte Selbstauskunft der Zugangsberechtigten nicht gegen Eisenbahnrecht verstößt. Soweit die Beschlusskammer geltend macht, es gebe keine rechtliche Grundlage für die Anforderung der Kundenselbstauskunft, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Antragstellerinnen mit den genannten Regelungen im Bereich des Privatrechts bewegen. Die Anforderung einer Kundenselbstauskunft dient einerseits dem Zweck, dass die Antragstellerinnen ihrer Verpflichtung aus § 7 Abs. 3 Satz 1 SchlärmschG nachkommen und andererseits dem Zweck, einem Organisationsverschulden i. S. d. § 13 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SchlärmschG zu entgehen. Ein Privater bedarf – anders als ein Träger hoheitlicher Gewalt – regelmäßig keiner rechtlichen Grundlage für die Anforderung von Unterlagen, die er selbst zur Erfüllung einer ihm gesetzlich auferlegten Pflicht benötigt. Auch soweit die Antragsgegnerin – vertreten durch die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur – geltend macht, dass die Anforderung einer Selbstauskunft der Zugangsberechtigten nicht in das Überwachungsregime des § 10 SchlärmschG passe, ist darauf hinzuweisen, dass die Vertreter des Eisenbahnbundesamtes im Erörterungstermin vom 31.1.2020 deutlich gemacht haben, dass das Eisenbahnbundesamt nur über geringe Personalkapazitäten verfüge, um eine Kontrolle nach § 10 SchlärmschG durchzuführen. Das Eisenbahnbundesamt erwarte deshalb, dass die Antragstellerinnen ihrerseits wirksame Maßnahmen ergriffen, um den Einsatz lauter Züge tatsächlich zu verhindern. Bei dieser Sachlage kann den Antragstellerinnen eine unangemessene Benachteiligung der Zugangsberechtigten i. S. d. §§ 10, 11 ERegG nicht vorgeworfen werden.
13Der Antrag hat ferner Erfolg, soweit sich die Klage im Verfahren 18 K 6973/19 gegen die Beanstandung der Neufassung von Ziffer 2.12.4 SNB 2021 richtet. Auch insoweit erweist sich der angegriffene Beschluss vom 12.11.2019 nach summarischer Prüfung als rechtswidrig. Denn die Regelungen Ziffer 2.12.4 SNB 2021 sind nicht unangemessen i. S. d. §§ 10, 11 ERegG. Damit verlangen die Antragstellerinnen von den Zugangsberechtigten stichprobenweise und im Nachhinein die Vorlage von Wagenlisten bezogen auf alle tatsächlich eingesetzten Güterwagen sowie bei mehrfach festgestellten Verstößen die Durchführung eines Audits.
14Die diesbezügliche Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die nachgelagerte Überprüfung, der Anwendungsbereich der Stichprobe und auch das von den Antragstellerinnen vorgesehene Audit stehen nach Auffassung des Gerichts im Einklang mit dem Eisenbahnrecht.
15Hinsichtlich der nachgelagerten Überprüfung gehen sowohl die Beschlusskammer als auch das Eisenbahnbundesamt davon aus, dass die Antragstellerinnen damit ihrer Verpflichtung aus § 7 Abs. 3 Satz 2 SchlärmschG genügen können. Nach dieser Bestimmung müssen die Betreiber der Schienenwege regelmäßig und in Stichproben bei der Nutzung der Schienenwegkapazität prüfen, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 1 SchlärmschG erfüllt sind. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 SchlärmschG dürfen die Betreiber der Schienenwege bei Güterzügen mit lauten Güterwagen nur solche Schienenwegkapazität zuweisen und solche Nutzungen der Schienenwegkapazität zulassen, bei denen eine Ausnahme gemäß § 4 oder eine Befreiung gemäß § 5 Abs. 1 vorliegen.
16Zwar könnte der Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 2 SchlärmschG „bei der Nutzung“ einen Hinweis darauf geben, dass diese Verpflichtung in zeitlicher Hinsicht zu verstehen wäre. Den Gesetzesmaterialien sind zu dieser Frage keine weitergehenden Anhaltspunkte zu entnehmen.
17Vgl. BR-Drs. 803/16, S. 23.
18In der dortigen Gesetzesbegründung zu der genannten Vorschrift (damals § 7 Abs. 2 Satz 2) wird ausgeführt: „Satz 2 verpflichtet die Betreiber der Schienenwege zu regelmäßigen stichprobenartigen Kontrollen, um sicherzustellen, dass die Schienenwegkapazität nur von Güterzügen genutzt wird, die mit Güterwagen gebildet sind, mit denen die maximal zulässige Schallemission nicht überschritten wird.“
19Nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist jedoch davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber nicht in erster Linie auf das zeitliche Moment ankam, sondern dass er letztlich zwei Anlässe festlegen wollte, bei denen die Einhaltung der Vorgaben des SchlärmschG vom Infrastrukturbetreiber überprüft wird, nämlich zum einen bei der Zuweisung und zum anderen bei der Nutzung der Schienenwegkapazität. Die Überprüfung bei der Nutzung soll sicherstellen, dass nicht nur auf Zuweisungsebene der Einsatz von lauten Güterwagen verhindert wird, sondern dass dies auch bei der tatsächlichen Nutzung der Schienenkapazität geschieht.
20Diesen Anforderungen können die Antragstellerinnen mit der nachträglichen stichprobenweisen Überprüfung genügen. Die Vertreter der Antragstellerinnen haben in dem Erörterungstermin vom 31.1.2020 für das Gericht überzeugend dargelegt, dass die Antragstellerinnen in der Lage sind, nachträglich die tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten zwischen zwei Betriebsstellen nachzuvollziehen. Ferner können anhand der Wagenlisten die tatsächlich eingesetzten Güterwagen überprüft werden. Schließlich können die Ausnahmen und Befreiungen nach §§ 4 und 5 SchlärmschG auch im Nachhinein nachvollzogen werden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die nachträgliche Kontrolle mindestens so effektiv wie die Kontrolle während der Zugfahrt. Die nachträgliche Kontrolle hat jedoch den erheblichen Vorteil, dass sie Schienenwegkapazität schont, indem sie keine Verzögerungen im Betriebsablauf hervorruft. Außerdem ist sie weitaus weniger personalintensiv.
21Die Anforderung der Wagenlisten entspricht ferner auch den Vorgaben des § 7 Abs. 3 Satz 2 SchlärmschG als die Antragstellerinnen die Stichprobe aus allen gefahrenen Güterzügen ziehen wollen. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer daraus, dass die Antragstellerinnen die Nutzung von lauten Güterzügen nach § 7 Abs. 3 Satz 2 SchlärmschG nicht zulassen dürfen. Um diese umfassende Verpflichtung erfüllen zu können, genügt es nicht, nur diejenigen Güterzüge in die Stichprobe einzubeziehen, für die laute und nach §§ 4 und 5 SchlärmschG privilegierte Güterwagen angemeldet waren. Denn es gibt auch den Fall, dass Zugangsberechtigte nur leise Güterwagen anmelden, aber tatsächlich auch laute und nicht nach §§ 4 und 5 SchlärmschG privilegierte Güterwagen einsetzen. Dieser Fall wäre bei dem Verständnis der Beschlusskammer von vornherein der Kontrolle der Antragstellerinnen entzogen. Nimmt man den Gedanken hinzu, dass die Zugangsberechtigten wegen der bestehenden Transparenz des Verfahrens die Kontrollmöglichkeiten der Antragstellerinnen genau kennen, bestünde ein Anreiz, leise Güterwagen anzumelden und ggf. dann mit lauten und nicht nach §§ 4 und 5 SchlärmschG privilegierten Güterwagen zu fahren. Denn die Zugangsberechtigten könnten in diesem Fall sicher sein, jedenfalls einer Kontrolle seitens des Infrastrukturbetreibers zu entgehen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine derart lückenhafte und damit ineffektive Kontrolle seitens der Infrastrukturbetreiber gewollt haben könnte.
22Die Beschränkung der Stichprobe nur auf die Güterwagen, die als laut und privilegiert angemeldet worden sind, ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die nachträgliche Kontrolle genauso effektiv sein muss, wie die zeitlich unmittelbar bei der Nutzung durchgeführte Kontrolle. Unmittelbar bei der Nutzung würde aber stets überprüft, ob tatsächlich laute und nicht privilegierte Wagen eingesetzt werden. Nur so könnte der in der Gesetzesbegründung niedergelegten Intention genügt werden, „sicherzustellen, dass die Schienenwegkapazität nur von Güterzügen genutzt wird, die mit Güterwagen gebildet sind, mit denen die maximal zulässige Schallemission nicht überschritten wird“.
23Unabhängig davon ist eine Unangemessenheit der beanstandeten Klausel i. S. d. §§ 10, 11 ERegG auch hier zu verneinen, weil das Eisenbahnbundesamt als zuständige Aufsichtsbehörde eine derartige stichprobenweise Kontrolle von den Antragstellerinnen erwartet.
24Schließlich stellt sich das von den Antragstellerinnen eingeführte Audit nicht als unangemessen i. S. d. §§ 10, 11 ERegG dar. Denn es enthält ein Instrumentarium, das die Zugangsberechtigten bei mehrfachen Verstößen nicht gleich von der Nutzung der Infrastruktur – jedenfalls im Netzfahrplan – ausschließt, sondern ihnen Gelegenheit gibt, ihre Prozesse zu optimieren, um sodann wieder Anmeldungen für den Netzfahrplan vornehmen zu können. Insoweit stellt sich die Verpflichtung zur Durchführung eines Audits als weniger einschneidende Maßnahme gegenüber den Zugangsberechtigten dar als ein sofortiger Ausschluss von der Nutzung.
25Auch hier gilt, dass die Antragstellerinnen im Bereich des Privatrechts keine rechtliche Grundlage dafür benötigen, um den Zugangsberechtigten ein solches Verfahren vorzugeben, soweit sie ihrerseits ihrer Verpflichtung aus § 7 Abs. 3 Satz 2 SchlärmschG genügen müssen.
26Unabhängig davon scheidet eine Unangemessenheit nach §§ 10, 11 ERegG auch hier schon deshalb aus, weil die Antragstellerinnen das Verfahren gemeinsam mit dem Eisenbahnbundesamt erarbeitet haben und das Eisenbahnbundesamt dieses Vorgehen ausdrücklich befürwortet hat. Auch in diesem Zusammenhang geht das Gericht davon aus, dass die zugrunde liegende Rechtsauffassung des Eisenbahnbundesamtes jedenfalls nicht abwegig ist.
27Der Antrag hat zuletzt auch Erfolg, soweit die Antragstellerinnen in Zeilen 2 und 3 der Tabelle in Ziffer 4.2.1.3 SNB 2021 und in der Richtlinie 402.0203 Abschnitt 4 Absatz 4 die Fahrlagenberatung einführen und diese in den genannten Vorschriften nicht an die Erweiterung der Konstruktionsspielräume knüpfen. Insoweit ist der Beschluss vom 12.11.2019 seinerseits voraussichtlich rechtswidrig. Denn diejenigen vorgesehenen Regelungen über die Fahrlagenberatung, die keine Verknüpfung mit der Erweiterung der Konstruktionsspielräume enthalten, verstoßen isoliert betrachtet nicht gegen Eisenbahnrecht. Das Gericht vermag – anders als die Antragsgegnerin – auch nicht festzustellen, dass die vorgenannten Regelungen so untrennbar mit der Erweiterung der Konstruktionsspielräume verknüpft wären, dass sie für sich genommen keinen sinnvollen Regelungsgehalt hätten. Denn die Vertreter der Antragstellerinnen haben in dem Erörterungstermin vom 31.1.2020 für die Kammer überzeugend dargelegt, dass die Fahrlagenberatung – gerade nach Wegfall der rahmenvertraglichen Bindungen – für sie unabhängig von dem Anreiz des Beibehaltens der bisher geltenden Konstruktionsspielräume ein wichtiges Instrument sei, um möglichst frühzeitig die Erstellung des Netzfahrplans vorzubereiten. Das Instrument werde von den Zugangsberechtigten gerne in Anspruch genommen. Mit Rücksicht darauf war es jedenfalls nicht erforderlich, auch diejenigen Regelungen zur Fahrlagenberatung zu beanstanden, die keinen unmittelbaren Bezug zu den Konstruktionsspielräumen haben und die ihrerseits sinnvollerweise unabhängig von der Ausweitung der Konstruktionsspielräume Bestand haben können.
28II.
29Der Antrag war abzulehnen, soweit die Antragstellerinnen in Ziffer 2.12.6 SNB 2021 eine Freistellung von einer Geldbuße nach § 13 SchlärmschG geregelt haben. Die Kammer teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass diese Freistellung unangemessen i. S. d. §§ 10, 11 ERegG ist. Die diesbezügliche Beanstandung in dem angegriffenen Beschluss vom 12.11.2019 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Dabei sieht das Gericht einen Zusammenhang zwischen den Regelungen über die Kundenselbstauskunft und die Überprüfung der Wagenlisten einerseits und der Freistellung von der Geldbuße nach Ziffer 2.12.6 SNB 2021 andererseits. Soweit es den Antragstellerinnen – entsprechend den Ausführungen unter Ziffer I. des vorliegenden Beschlusses – gestattet ist, nach Ziffer 2.12.1 SNB 2021 im Vorhinein eine Kundenselbstauskunft und entsprechend Ziffer 2.12.4 SNB 2021 im Nachhinein stichprobenweise die Wagenlisten von den Zugangsberechtigten zu verlangen, erweist sich die Freistellung von der Geldbuße in Ziffer 2.12.6 SNB 2021 als unangemessen i. S. d. §§ 10, 11 ERegG. Denn die Antragstellerinnen sind durch die Regelungen zur Kundenselbstauskunft und zu den Wagenlisten regelmäßig von einem Organisationsverschulden befreit. Es ist regelmäßig nicht davon auszugehen, dass ihnen bei Einhaltung dieser Vorschriften ein Organisationsverschulden nach § 13 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SchlärmschG angelastet werden könnte. Die Antragstellerinnen benötigen keine weitere Sicherung in Gestalt der Freistellung von einer Geldbuße. In diesem Sinne hat auch der Vertreter der Antragstellerinnen in dem Erörterungstermin vom 31.1.2020 eingeräumt, dass er derzeit keinen Fall benennen könne, in dem die Antragstellerinnen voraussichtlich von der Freistellung von einer Geldbuße Gebrauch machen müssten. Dem gegenüber sind Fälle jedenfalls denkbar, in denen die Antragstellerinnen – auch bei falschen Auskünften seitens der Zugangsberechtigten und bei zu hohen von den Zugangsberechtigten gefahrenen Geschwindigkeiten – ein Verschulden trifft. Dies wäre etwa bei kollusivem Zusammenwirken mit den Zugangsberechtigten oder aber auch dann vorstellbar, wenn die Antragstellerinnen die vorgesehenen Regelungen überhaupt nicht anwendeten und ihnen deshalb ein Organisationsverschulden anzulasten wäre. In diesen Fällen wäre es angemessen, dass eine Geldbuße nach § 13 SchlärmschG tatsächlich von den Antragstellerinnen zu entrichten wäre und nicht auf die Zugangsberechtigten abgewälzt werden könnte. Besteht mithin für die Antragstellerinnen kein anzuerkennendes Schutzbedürfnis für die angestrebte Freistellung von der Geldbuße, sind aber andererseits Fälle denkbar, in denen die Antragstellerinnen selbst eine wirkungsvolle Sanktion treffen sollte, erweist sich die angestrebte Freistellung von einer Geldbuße im Verhältnis zu den Zugangsberechtigten als unbillig.
30Der Antrag hat ferner keinen Erfolg, soweit die Antragstellerinnen eine Ausweitung der Konstruktionsspielräume auf überlasteten Schienenwegen nach Ziffer 4.2.1.6 und Absätzen 2 bis 4 der Ziffer 4.3.5 SNB 2021, in Abschnitt 3 Absatz 2 der Richtlinie 402.0203 und nach Abschnitt 5 Absatz 7 der Richtlinie 402.0203 anstreben. Die Antragsgegnerin hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 12.11.2019 voraussichtlich zu Recht beanstandet, dass die diesbezüglichen Regelungen gegen § 52 Abs. 4 ERegG verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat der Betreiber der Schienenwege das Recht, innerhalb vertretbarer Grenzen Schienenwegkapazität anzubieten, die von der beantragten Kapazität abweicht. Die von den Antragstellerinnen in den o. g. Regelungen vorgesehenen erweiterten Konstruktionsspielräume überschreiten auch nach Auffassung des Gerichts das Maß des Vertretbaren. Dabei berücksichtigt das Gericht zum einen, dass mit § 52 Abs. 4 ERegG grundsätzlich eine Leistung angeboten werden soll, die mit der beantragten Leistung im Wesentlichen übereinstimmt und die letztlich nur aus Praktikabilitätsgründen geringfügig modifiziert wird. So geht auch die Gesetzesbegründung zu § 52 Abs. 4 ERegG,
31vgl. BR-Drs. 22/16, S. 309 f.,
32davon aus, dass geringfügige Abweichungen von den Anträgen der Zugangsberechtigten für diese noch akzeptabel sein werden. Selbst beim vertakteten Verkehr werde es oft Spielräume von mehreren Minuten geben.
33Auch die Kommentarliteratur,
34vgl. Ernert in: Staebe, Eisenbahnregulierungsgesetz,
35§ 52 Rdnr. 2,
36nimmt an, dass § 52 Abs. 4 ERegG die Möglichkeit eröffne, „leicht von der Antragstellung abweichende Schienenwegkapazität anzubieten.“ Das Angebot müsse für den Zugangsberechtigten allerdings noch vertretbar sein.
37Unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des § 52 Abs. 4 ERegG ist jedenfalls auszuschließen, dass es dem Infrastrukturbetreiber danach gestattet sein soll, dem Zugangsberechtigten ein Aliud gegenüber seinem ursprünglichen Zugangsantrag anzubieten.
38Die von den Antragstellerinnen vorgesehenen Konstruktionsspielräume von ± 30 Minuten im Personenverkehr würden etwa dazu führen, dass eine Trasse von Köln nach Hamburg, für die nach der Anmeldung 4,5 Stunden veranschlagt sind, mit 5,5 Stunden angeboten werden dürfte. Dies führte dazu, dass der Zugangsberechtigte nur ein viel weniger attraktives und damit viel weniger konkurrenzfähiges Produkt anbieten könnte. In der Sache handelte es sich in diesem Beispielsfall deshalb um ein Aliud.
39Auch die für die anderen Verkehrsarten vorgesehenen Konstruktionsspielräume überschreiten entsprechend den vorgenannten Maßstäben das Maß des Vertretbaren nach § 52 Abs. 4 ERegG.
40Ferner ist zu beachten, dass es sich bei den Konstruktionsspielräumen in der Sache um regulierungsfreie Räume handelt. Während die Antragstellerinnen im Übrigen jede Trassenablehnung der Antragsgegnerin anzeigen müssen, wären sie bei großen Konstruktionsspielräumen in der Lage, die Interessen bestimmter Zugangsberechtigter eher zu berücksichtigen als die Interessen anderer Zugangsberechtigter, ohne dass die Antragsgegnerin hiervon auch nur Kenntnis erhielte. Nimmt man die Überlegung hinzu, dass die Antragstellerinnen die mehrfachen Ablehnungen eines Trassenangebots nach ihrem Regelwerk sanktionieren, könnte dies zu einer Diskriminierung von Zugangsberechtigten ohne Kenntnis und Eingriffsbefugnis der Antragsgegnerin führen.
41Die Antragstellerinnen haben zwar in dem Erörterungstermin vom 31.1.2020 für das Gericht nachvollziehbar erläutert, dass auf den überlasteten Schienenwegen eine hohe Knappheit von Schienenwegkapazität herrscht und dass hier nach dem Wegfall der rahmenvertraglichen Bindungen die Trassenkonstruktion innerhalb der Netzfahrplanperiode erheblich schwieriger geworden ist. Auch haben sie im Einzelnen erläutert, aus welchen Gründen erweiterte Konstruktionsspielräume die Konstruktion weiterer Trassen ermöglichten. Dennoch ist das Gericht der Auffassung, dass die in den SNB 2021 vorgesehenen erweiterten Konstruktionsspielräume auf den überlasteten Schienenwegen nicht im Einklang mit § 52 Abs. 4 ERegG stehen. Jedenfalls für eine derart umfangreiche Erweiterung bedürfte es nach Auffassung des Gerichts einer gesetzlichen Grundlage, die über die Regelungen des § 55 ERegG hinaus eine diesbezügliche Ausnahme für überlastete Schienenwege schaffte.
42Schließlich hat der Antrag auch insoweit keinen Erfolg als die Antragstellerinnen in Abschnitt 3 Absatz 8 der Richtlinie 402.305 eine Ausweitung der Konstruktionsspielräume bei Baumaßnahmen anstreben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin in dem angegriffenen Beschluss vom 12.11.2019 das Regelwerk der Antragstellerinnen voraussichtlich zu Recht beanstandet. Denn auch diese Regelung verstößt gegen § 52 Abs. 4 ERegG. Zu der Auslegung von § 52 Abs. 4 ERegG kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Auch angesichts der Tatsache, dass im Bereich der Baumaßnahmen eine ganz besonders große Knappheit an Schienenwegkapazität besteht, stellen sich die in der soeben genannten Richtlinie vorgesehenen Konstruktionsspielräume nicht mehr als vertretbar dar. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass § 44 Abs. 1 Sätze 2 bis 6 ERegG ein eigenständiges Verfahren für Baumaßnahmen vorsieht. Die Antragstellerinnen haben nicht dargetan, dass dieses Verfahren von vornherein ungeeignet wäre, mit der Folge, dass allein durch eine Erweiterung der Konstruktionsspielräume eine Verbesserung des Zuweisungsverfahrens im Bereich der Baumaßnahmen zu erreichen wäre. Soweit die Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen haben, dass es für die Zugangsberechtigten günstiger sei, überhaupt eine Trasse – ggf. zu veränderten Zeiten – zu erhalten als völlig leer auszugehen, ist darauf hinzuweisen, dass Zugangsberechtigte, die vor der Entscheidung stehen, ggf. gar keine Trasse zu erhalten, regelmäßig bereit sein werden, im Koordinierungsverfahren Zugeständnisse zu machen. In diesem Zusammenhang haben die Antragstellerinnen zwar in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass diejenigen Zugangsberechtigten, die im Zuweisungsverfahren die höchste Priorität genießen, regelmäßig nicht bereit seien, Zugeständnisse zu machen. Alle anderen Zugangsberechtigten, die nicht wissen können, mit welcher anderen Verkehrsart sie in einem Trassenkonflikt stehen, werden jedoch geneigt sein, Zugeständnisse zu machen, wenn sie stattdessen Gefahr laufen, völlig leer auszugehen.
43Mit Rücksicht darauf können die von den Antragstellerinnen vorgesehenen großen Konstruktionsspielräume auch bei Baumaßnahmen nicht als vertretbar i. S. d. § 52 Abs. 4 ERegG angesehen werden.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 155 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Antrag insgesamt acht inhaltliche Regelungsbereiche (Pilotierungen und Betriebsversuche, Autoreisezüge, Einarbeitung von § 4 Satz 2 SchlärmschG, Kundenselbstauskunft, Überprüfung von Wagenlisten, Freistellung von der Geldbuße, Fahrlagenberatung und Konstruktionsspielräume bei überlasteten Schienenwegen und Konstruktionsspielräume bei Baustellen) umfasst hat, wovon hinsichtlich dreier Regelungen der Antrag zurückgenommen wurde und hinsichtlich weiterer zweier Regelungen der Antrag abgelehnt wurde. Demgegenüber wurde dem Antrag hinsichtlich der Regelung zu Fahrlageberatung und Konstruk-tionsspielräumen teilweise sowie hinsichtlich der Kundenselbstauskunft und der Wagenlisten vollständig stattgegeben.
45Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Dabei hat die Kammer für jede der acht inhaltlichen Regelungen im Hauptsacheverfahren einen Streitwert von 50.000,- Euro angesetzt, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes halbiert wurde.
46Rechtsmittelbelehrung
47Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, ist die Entscheidung unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 VwGO).
48Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
49Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
50Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
51Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
52Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
53Gegen Ziffer 3 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
54Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
55Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
56Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.