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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
2Der Kläger ist am 00.00.1987 in Q. /Kasachstan geboren. Sein Vater ist nach den Antragsangaben der am 00.00.1963 geborene Herr B. H. , seine Mutter die am 00.00.1966 geborene P. H. , geb. O. . Beide Elternteile sind mit russischer Nationalität im Inlandspass angegeben. Als Großvater väterlicherseits ist der am 00.00.1930 geborene Herr Q1. H. vermerkt, der deutscher Volkszugehöriger gewesen sein soll.
3Der Kläger beantragte mit Datum vom 12.07.2019 beim Bundesverwaltungsamt (BVA) erstmals die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Er sei deutscher Volkszugehöriger. In seinem ersten wie in seinem aktuellen Inlandspass sei die russische Nationalität eingetragen. Im Elternhaus habe er von Beginn an Russisch und ab dem 5. Lebensjahr auch Deutsch gesprochen, das ihm vom Vater vermittelt worden sei. Er verstehe fast alles und seine Sprachfertigkeiten reichten für ein einfaches Gespräch auf Deutsch aus. Er sei Autoschlosser von Beruf. Als einzubeziehende Familienmitglieder waren die Ehefrau T. T1. (*00.00.1986) und die Tochter S. (*00.00.2012) angegeben.
4Mit Bescheid vom 23.06.2021 lehnte das BVA den Antrag ab. Der Kläger sei nicht deutscher Volkszugehöriger im Rechtssinne, weil er von dem Gegenbekenntnis, das in der Eintragung der russischen Nationalität in den Inlandspass zu sehen sei, nicht glaubhaft abgerückt sei. Die Eintragung der deutschen Nationalität in die Geburtsbescheinigung der Tochter und in den Inlandspass sei erst nach der Antragstellung erfolgt und könnten nicht als ein ernsthaftes Abrücken vom Passbekenntnis gewertet werden.
5Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. Eine Begründung erfolgte nicht.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2021 wies das BVA den Widerspruch als unbegründet zurück.
7Der Kläger hat am 16.09.2021 Klage erhoben. Er verweist darauf, dass in dem Bemühen, die Eintragung der deutschen Nationalität in den amtlichen Papieren zu erreichen, ein ausreichendes Abrücken vom vorangegangenen Passbekenntnis zu sehen sei.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 23.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2021 zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid nach dem BVFG zu erteilen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie betont, dass sich der Kläger mit der Eintragung der russischen Nationalität im Inlandspass zum russischen Volkstum bekannt habe. Dies setze nicht das seinerzeitige Bewusstsein voraus, zwischen verschiedenen Nationalitäten wählen zu können. Von diesem Gegenbekenntnis sei der Kläger durch die Aktivitäten zur Änderung des Nationalitäteneintrages nicht wirksam abgerückt.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des BVA Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 23.06.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedler.
16Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthaltes im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Diese richten sich nach §§ 4 und 6 BVFG. Danach kann nur ein deutscher Volkszugehöriger Spätaussiedler sein. Wer, wie der Kläger, nach dem 31.12.1923 geboren ist, ist nur dann deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder von einem deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann auch durch einen Nachweis deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 oder durch familiär vermittelte Sprachkenntnisse erbracht werden. Es muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können.
17Bei der Prüfung, ob der Kläger deutscher Volkszugehöriger ist, kann offen bleiben, ob er von deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt. Insbesondere bedarf es keiner abschließenden Prüfung, ob der Großvater väterlicherseits des Klägers, der einzig als Abstammungsperson in Betracht kommt, auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen als deutscher Volkszugehöriger im Rechtssinne zu identifizieren ist, namentlich als sog. „bekenntnisunfähiger Frühgeborener“ im Sinne des deutschen Volkstums geprägt wurde. Denn es fehlt beim Kläger selbst an dem erforderlichen Bekenntnis zum deutschen Volkstum, das bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebietes abgegeben werden muss. Eine Nationalitätenerklärung in seinem Inlandspass oder in anderen Personenstandsurkunden, die ihn als Deutschen ausweist, hat er zunächst gar nicht abgegeben. Vielmehr war er in seinem ersten Inlandspass nach seinen eigenen Angaben mit der russischen Nationalität seiner Eltern eingetragen. Ausweislich der Angaben im Antragsformular war dies noch in dem 2012 ausgestellten Inlandspass der Fall. Das hiernach gegebene Bekenntnis zum russischen Volkstum wird auch nicht etwa dadurch relativiert, dass der Kläger aufgrund der Rechtslage seinerzeit davon ausgegangen sein könnte, gar keine Wahl zwischen dem russischen und dem deutschen Volkstum zu haben. Denn ein Gegenbekenntnis zu einem anderen Volkstum, welches ein gleichzeitiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum ausschließt, setzt eine Wahlmöglichkeit nicht voraus. Ein positives Bekenntnis, zu einer bestimmten Nationalität zu gehören, liegt auch dann vor, wenn die Erklärung von einem bestimmten subjektiven Bewusstsein getragen wird und nach der Prägung in der Familie als selbstverständlich erscheint. Solange die Willenserklärung frei von äußerem Zwang abgegeben wurde und äußere Erklärung und innerer Wille übereinstimmen, fehlt dieser Erklärung der Bekenntnischarakter nicht deshalb, weil keine Wahlmöglichkeit bestand,
18vgl. BVerwG, Urteil vom 13.11.2003 - 5 C 40.03 -, juris, Rn. 20 und OVG NRW, Beschluss vom 13.01.2022 - 11 A 3008/21 -.
19Zwar kann ein derartiges Gegenbekenntnis nach der aktuellen Rechtslage noch bis zur Aussiedlung revidiert werden. Denn es genügt, wenn das Bekenntnis zum deutschen Volkstum bei der Aussiedlung vorliegt. Jedoch sind an die Feststellung eines Bewusstseinswandels besondere Anforderungen zu stellen, denn das innere Bewusstsein, einem bestimmten Volkstum anzugehören, ist in der Regel mit der Bekenntnisfähigkeit abgeschlossen. Deshalb bedarf es eines positiven Verhaltens des Betroffenen, aus dem sich eindeutig der Wille ergibt, abweichend von dem früheren Bekenntnis jetzt nur noch dem deutschen Volkstum und keinem anderen Volkstum anzugehören. Der Bewusstseinswandel muss einen ernsthaften Willen zum Abrücken von dem Gegenbekenntnis zum Ausdruck bringen und nach außen erkennbar sein. Diese Anforderungen sind in aller Regel nicht erfüllt, wenn die Hinwendung zum deutschen Volkstum erst in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem Aufnahmeantrag erfolgt. In diesem Fall liegt darin lediglich der Wille, nach Deutschland auszuwandern,
20,
21vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 5.20 -, juris, Rn 22 f.; OVG NRW, Urteil vom 11.06.2021 - 11 A 4703/19 -, juris.
22Allein der Umstand, dass der Kläger in zeitlichen Zusammenhang mit den Ausreisebemühungen der Familie den Nationalitätseintrag ändern ließ, lässt vor diesem Hintergrund noch nicht auf eine Abkehr von dem gegebenen Gegenbekenntnis schließen. Denn um eine frühere Erklärung zu einer anderen als der deutschen Nationalität rückgängig zu machen, reicht es nicht aus, wenn eine Lebensführung, die ohne das Gegenbekenntnis die Annahme der deutschen Volkszugehörigkeit aufgrund schlüssigen Gesamtverhaltens gerechtfertigt hätte, lediglich beibehalten wurde. Vielmehr bedarf es eines darüber hinausgehenden positiven Verhaltens, aus dem sich eindeutig der Wille ergibt, nur zum deutschen Volkstum und keinem anderen Volkstum zuzugehören.
23BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 - 1 C 5.20 -, juris, Rn. 23 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 29.08.1995 - 9 C 391.94 -, BVerwGE 99, 133 (146).
24Es fällt auf, dass der Kläger die Änderungen im Inlandspass und der Geburtsbescheinigung der Tochter erst nach Antragstellung beim BVA erfolgreich abschloss. Da er zuvor das ursprüngliche Passbekenntnis über 1 ½ Jahrzehnte aufrechterhielt, ist von einem gefestigten Volkstumsbewusstsein auszugehen. Denn das Bewusstsein, einer bestimmten Volksgruppe anzugehören, formt sich im Laufe des Lebens aus und verfestigt sich regelmäßig. Es bedarf deshalb besonderer Umstände, die den Schluss auf einen inneren Bewusstseinswandel nachvollziehbar erscheinen lassen. Allein das Erlernen der deutschen Sprache reicht hierzu nicht aus. Es ist dem Kläger durchaus zuzugeben, dass es schwerfällt, abstrakt festzustellen, welche Indizien den Schluss auf einen solchen Bewusstseinswandel zulassen. Eine ablehnende Entscheidung wird sich regelmäßig dem Vorwurf ausgesetzt sehen, nur aufzuführen was nicht für die Feststellung eines Bewusstseinswandels ausreicht. Dies ist aber lediglich Ausdruck der Tatsache, dass der Wandel des Volkstumsbewusstseins eines Menschen eben die Ausnahme von der Regel ist. Insbesondere dann, wenn dieser Wandel erst unmittelbar vor der angestrebten Ausreise dargelegt ist, sind durchgreifende Zweifel angebracht. Den Bemühungen des Klägers gegenüber kasachischen amtlichen Stellen zur Feststellung der deutschen Nationalität zu gelangen, ist deshalb kein maßgeblicher Beweiswert beizumessen.
25Auch muss dem Beweisantrag aus der mündlichen Verhandlung schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil er sich auf das Bemühen des Klägers bezieht, seinen Vater zu einer Änderung der Eintragung seiner Nationalität zu bewegen. Hierin drückt sich, da es sich um einen Umstand im engsten Familienkreis handelt, kein nach außen erkennbarer Bewusstseinswandel aus.
26Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
27Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
28Rechtsmittelbelehrung
29Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
301. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
37Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
38Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
39Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
40Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
41Beschluss
42Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
435.000,00 Euro
44festgesetzt.
45Gründe
46Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG).
47Rechtsmittelbelehrung
48Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
49Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
50Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
51Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
52Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.