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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens im erstinstanzlichen Rechtszug tragen die Klägerin im Umfang von 5/7 und die Beklagte im Umfang von 2/7. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer nachgehenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarabrechnungen der Klägerin für die Abrechnungsquartale I/2011 bis IV/2014.
3Bei der Klägerin handelt es sich um eine ehemalige Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) dreier Fachärzte für Urologie, die in X zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren. In den Quartalen I/2011 bis IV/2014 vergütete die Beklagte auf Grundlage zuvor abgegebener Sammelabrechnungen der Klägerin vertragsärztliche Leistungen, wobei sie in den Honorarabrechnungen – neben im vorliegenden Verfahren nicht streitigen ärztlichen Leistungen – u.a. folgende Gebührenordnungspositionen (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) berücksichtigte:
4GOP |
I/2011 |
II/2011 |
III/2011 |
IV/2011 |
I/2012 |
II/2012 |
III/2012 |
IV/2012 |
31102 F |
51 |
43 |
37 |
40 |
30 |
35 |
39 |
31 |
31102 G |
4 |
4 |
8 |
2 |
5 |
3 |
4 |
|
31503 G |
4 |
2 |
7 |
6 |
5 |
3 |
5 |
6 |
31609 G |
48 |
38 |
41 |
41 |
31 |
36 |
44 |
36 |
GOP |
I/2013 |
II/2013 |
III/2013 |
IV/2013 |
I/2014 |
II/2014 |
III/2014 |
IV/2014 |
31102 F |
46 |
39 |
55 |
39 |
52 |
53 |
53 |
49 |
31102 G |
0 |
0 |
1 |
1 |
0 |
0 |
3 |
1 |
31503 G |
5 |
3 |
4 |
5 |
5 |
5 |
4 |
1 |
31609 G |
42 |
41 |
47 |
37 |
53 |
54 |
47 |
44 |
Im Rahmen einer von Amts wegen durchgeführten Plausibilitätsprüfung (§ 106a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch <SGB > a.F.) äußerte die Beklagte im Februar 2014 Zweifel an der Richtigkeit der Honorarabrechnungen der Klägerin und bat diese, Patientenunterlagen (Karteikarten/Computerausdrucke, Operationsberichte, histologische Befundberichte, Bilder und Befunddokumentationen) für namentlich bezeichnete 42 Patienten vorzulegen. Auf den Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 24. Februar 2014 nebst Anlagen wird verwiesen.
6Die Klägerin reichte daraufhin unter dem 19. März 2014 anforderungsgemäß diverse Dokumente (Karteikartenausdrucke, Arztbriefe an den überweisenden Arzt) über die benannten 42 Behandlungsfälle zur Akte. Auf den Inhalt der Unterlagen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
7Als Ergebnis der Abrechnungsprüfung hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2015 die für die Quartale I/2011 bis IV/2014 bekanntgegebenen Honorarabrechnungsbescheide in Höhe des festgestellten Honoraranspruchs von insgesamt 138.748,77 € teilweise auf und forderte diesen Betrag von der Klägerin zurück. In keinem der geprüften 42 Behandlungsfälle seien der nach der GOP 31102 EBM (Dermatochirurgischer Eingriff der Kategorie A2) erforderliche histologische Befund und/oder eine Bilddokumentation vorgelegt worden. Die eingereichten Dokumentationen bestünden lediglich aus Karteikartenauszügen und Arztbriefen. Aus diesem Grund seien die in den geprüften Abrechnungsquartalen nach der GOP 31102 EBM abgerechneten Leistungen vollständig gestrichen und zugunsten der GOP 02302 EBM (kleinchirurgischer Eingriff III und/oder primäre Wundversorgung bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern) korrigiert worden. Auch die Voraussetzungen für eine Berechnung der Leistungen nach der GOP 31503 EBM (Postoperative Überwachung im Anschluss an die Erbringung einer Leistung entsprechend u.a. der GOP 31102 EBM) und der GOP 31609 EBM (Postoperative Behandlung nach der die Erbringung einer Leistung entsprechend u.a. der GOP 31102 EBM) seien nicht erfüllt. Bei dem sachlich fehlerhaften Ansatz der GOP handele es sich nicht um ein lediglich leichtes Versehen; vielmehr seien Abrechnungsbestimmungen außer Acht gelassen worden, die der Klägerin bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten bekannt sein müssen. Aufgrund der getroffenen Feststellungen seien die Abrechnung nachträglich zu berichtigen, das Honorar neu festzusetzen und der Differenzbetrag zurückzufordern. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 10. Juli 2015 nebst Berechnungsanlagen Bezug genommen.
8Dieser Entscheidung widersprach die Klägerin am 12. August 2015 schriftlich. Die Teilaufhebung der Honorarabrechnungsbescheide und die Festsetzung des Regresses seien rechtswidrig, da die Abrechnungsvorgabe einer histologischen Untersuchung und/oder einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes für die Durchführung einer Zirkumzision nach der GOP 31102 EBM rechtswidrig seien. Für dieses Abrechnungserfordernis fehle es an einem sachlichen Grund.
9§ 87 Abs. 2d SGB V trage die Abrechnungsbestimmung nicht. Die Norm solle sicherstellen, dass die notwendigen Qualitätsstandards eingehalten und die abgerechneten Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang begrenzt blieben. Die Vorschrift nehme Bezug auf die als Begriffselement des Wirtschaftlichkeitsgebots in § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Satz 2 SGB V enthaltene Vorgabe, dass Leistungen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und derartige Leistungen von den Leistungserbringern nicht erbracht werden dürften. Bei der angeordneten Dokumentationspflicht in Bezug auf Zirkumzisionen gehe es jedoch weder in erster Linie um die Feststellung, ob Leistungen vollständig erbracht worden seien, noch um die Einhaltung notwendiger Qualitätsstandards. Ebenso wenig diene die Dokumentationspflicht dem Nachweis, dass die abgerechneten Leistungen auf den medizinisch notwendigen Rahmen begrenzt gewesen seien. Es gehe vielmehr um die Dokumentation, ob eine medizinische Indikation für die Erbringung der Zirkumzision zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung oder ein nicht behandlungsbedürftiger Zustand vorgelegen habe.
10Die Dokumentationsanforderungen in Bezug auf Zirkumzisionen dienten dem Ziel, behandlungsbedürftige Vorhautverengungen (Phimosen) von rituell begründeten Zirkumzisionen ohne Bestehen eines medizinischen Behandlungsbedarfs abzugrenzen. Bereits in der Entstehungsgeschichte des EBM 2000plus zum 1. April 2005 habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärt, dass die Anforderung einer Bilddokumentation und/oder einer histologischen Untersuchung in Bezug auf die Zirkumzision sicherstellen solle, dass die Indikationsstellung abgrenzbar von medizinisch nicht indizierten Zirkumzisionen sei.
11Die Klägerin hat sich durch einen Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 37/08 B - in ihrer Beurteilung bestätigt gesehen. Danach sei der Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM nicht lediglich ein Unterausschuss des „Bundesmantelvertragspartners“, sondern repräsentiere den Normgeber in der besonderen Organisationsform „Vertragsorgan.“ Der Aufgabenbereich des Bewertungsausschusses sei daher auf den durch § 87 SGB V gezogenen Rahmen begrenzt. Die Regelung von Dokumentationsanforderungen zur Indikationsbegründung überschritten indes den Aufgabenbereich des Bewertungsausschusses.
12Im Übrigen seien die für Zirkumzisionen aufgestellten Dokumentationsanforderungen zur Indikationsbegründung aus medizinischen Erwägungen ungeeignet und auch deshalb rechtswidrig. Sie, die Klägerin, sei auch befugt, der streitigen Abrechnungsbestimmung medizinische Gründe entgegen zu halten. Soweit in der Rechtsprechung angenommen werde, dass medizinische Einwände einer im EBM normierten Abrechnungsbestimmung nicht entgegen gehalten werden könnten, betreffe dies Regelungen, die sich – anders als im Fall der hier streitigen Norm – im Rahmen des § 87 Abs. 2d SGB V hielten und/oder Bestandteil des im EBM beschriebenen Vergütungstatbestandes seien.
13Die Rechtswidrigkeit folge schließlich aus einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von ambulant operierenden Vertragsärzten im Verhältnis zu ambulant operierenden Krankenhäusern. Eine Ungleichbehandlung zwischen Vertragsärzten einerseits und Krankenhäusern andererseits bei der Durchführung ambulanter Operationen sei prinzipiell aus Wettbewerbsgründen unzulässig (Verweis auf BSG, Urteil vom 11. April 2002 - B 3 KR 25/01 R -). Hiernach seien ambulant operierenden Krankenhäusern in jeglicher Hinsicht bei der Vergütung mit den niedergelassenen Ärzten gleichzustellen. Darüber hinaus müssten gleiche Wettbewerbsbedingungen bei ambulanten Operationen durch den Gesetzgeber geschaffen werden. Bei ambulant operierenden Krankenhäusern seien die Anforderungen an die Abrechnungsfähigkeit einer Zirkumzision wesentlich gemindert.
14Der Anlage zum Bescheid sei überdies nicht zu entnehmen, welche konkreten Werte der Berechnung des Rückforderungsbetrages zugrunde lägen. So werde weder deutlich, inwieweit die unterschiedlichen Bewertungen des EBM in den jeweiligen Quartalen berücksichtigt worden seien, noch ob die praxisindividuellen Auszahlungspunktwerte der Kürzung zugrunde lägen. Maßgebend sei, die Gesamtpunktzahlanforderungen (auch soweit sie die Leistungsgrenze überschritten) durch den insgesamt ausgezahlten Betrag zu teilen.
15Zur „Diskussion“ stünden 1.118 operierte Patienten, bei denen in 212 Fällen Histologien durchgeführt worden seien. Daneben seien seit Anfang 2014 in 81 Fällen Bilddokumentationen angefertigt worden (in 50 Fällen präoperativ, in 31 Fällen prä- und postoperativ). Zum Beweis hat die Klägerin „Falllisten“ zur Akte gereicht. Diese gelisteten Fälle seien aus dem bezifferten Rückforderungsbetrag jedenfalls „herauszurechnen.“
16Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Gemäß Kapitel 31.2.2 EBM setze die Berechnung dermatochirurgischer Eingriffe eine obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes voraus. Diesen Leistungsinhalt habe die Klägerin nicht erbracht, weshalb Leistungen nach der GOP 31102 EBM (in Verbindung mit OPS-Code 5-640.3), der GOP 31503 EBM, der GOP 31608 EBM und der GOP 31609 EBM komplett gestrichen und durch die GOP 02302 EBM ersetzt worden seien. Bei der Neufestsetzung des Honorars stehe ihr ein weiteres Schätzungsermessen zu (Verweis auf BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6 RKa 86/95 -). Auf dieser Grundlage berechne sich ein Rückforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 138.748,77 €. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.
17Mit der am 5. Oktober 2015 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Aufhebungsbegehren weiterverfolgt. Sie hat ihre Auffassung wiederholt und vertiefend ausgeführt, dass die Vorgabe einer histologischen Untersuchung des entnommenen Materials und/oder einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes für die Durchführung von Zirkumzisionen nach der GOP 31102 EBM nicht auf § 87 Abs. 2d SGB V gestützt werden könne. Die Abrechnungsvorgabe des EBM beschränke den Leistungsanspruch unzulässig. Um seinen Versorgungsanspruch zu realisieren, sei der Patient gehalten, sein Einverständnis mit der Anfertigung einer Fotodokumentation aus dem intimen Körperbereich zu erteilen. Diese Koppelung des Leistungsanspruchs an die Anfertigung von Bildern aus dem Intimbereich eines Jungen werde der grundrechtlichen Gewährleistung nicht gerecht. Der einfachgesetzlich in § 23 Abs. 2 Kunsturhebergesetz (KUG) herausgehobene Schutz lasse eine zwangsweise oder eine als solche empfundene Vorgabe zur Realisierung eines Versorgungsanspruchs nicht zu.
18Während des Klageverfahrens hat die Klägerin bezogen auf 79 Patienten Bilddokumentationen zur Akte gereicht. Darüber hinaus hat sie für 212 Patienten pathologisch-anatomische Untersuchungsergebnisse vorgelegt. Ergänzend hat die Klägerin vorgetragen, nach nochmaliger Prüfung der Quartale I/2011 bis IV/2014 ergebe sich eine Gesamtzahl von 692 operierten Patienten. In 184 Fällen liege eine Histologie vor; in 81 Fällen sei eine Bilddokumentation gefertigt worden. Die Patienten mit Histologie seien mit den Bilddokumentationen nicht identisch, weshalb in insgesamt 256 Fällen der erforderliche Nachweis erbracht sei. Die Bilder seien mit privaten Kameras aufgenommen worden. Die entsprechenden Speicherkarten seien anschließend gelöscht worden. Hintergrund sei, dass die Praxis unter keinen Umständen wegen solcher – erst recht noch gespeicherter - Fotos in eine öffentliche Diskussion habe geraten wollen. Die Qualität der Bilder reiche aus, um Details der dargestellten Körperorgane zu erkennen. Die Vor- und Nachnamen, Geburtsdaten und Operationsdaten könnten ggf. von Klägerseite nachgetragen werden. Soweit nicht von allen Patienten eine postoperative Fotokontrolle des Befundes vorliege, könne der Nachweis, dass eine Operation stattgefunden habe, auch mit anderen Dokumentationsmitteln geführt werden. Da sämtliche Personalien bekannt seien, könne die Beklagte eine Nachprüfung ohnehin selbst vornehmen. Dies zugrunde gelegt, seien die erforderlichen Nachweise in 38,29 % der Gesamtfallzahl erbracht worden. Die Rückforderungssumme von 138.748,77 € sei daher auf 85.621,87 € zu reduzieren.
19In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Beklagte den Rückforderungsbetrag „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ im Wege eines Teilanerkenntnisses auf 100.000,00 € reduziert. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
20Die Klägerin hat sodann noch beantragt,
21den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015 aufzuheben.
22Die Beklagte hat beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie hat die getroffenen Feststellungen verteidigt. Die Reduzierung des Rückforderungsbetrages auf 100.000,00 € folge daraus, dass – ausgehend von insgesamt 727 korrigierten Ansätzen – in 212 Fällen histologische Befunde vorgelegt worden seien. Dieses entspreche einem Anteil von 29,16 %. Bei den vorgelegten Fotografien handele es sich lediglich um Bilddokumentationen des präoperativen, nicht jedoch auch des postoperativen Befundes. Ohne dass es darauf noch ankomme, sei die Qualität der Bilddokumentationen zudem nicht ausreichend, weil auf diesen lediglich ein unvollständiger Name mit Geburtsdatum handschriftlich vermerkt sei. Weitere Angaben wie Behandlungsdaten fehlten indes komplett. Es falle nicht in den Aufgabenbereich der Beklagten, eine ordnungsgemäße Zuordnung der Bilder zu den Patienten vorzunehmen.
25Während des anhängigen Klageverfahrens hat die Klägerin bei dem SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Anfechtungsrechtsbehelfs gegen den Honorarrückforderungsbescheid beantragt. Mit Beschluss vom 11. Januar 2016 hat das SG die Vollziehung der Rückforderung aus dem Bescheid vom 10. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2015 bis zur erstinstanzlichen Erledigung des Hauptsacheverfahrens auf 100.000,00 € begrenzt und im Übrigen den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Auf die Gründe des Beschlusses vom 11. Juli 2016 wird verwiesen (S 2 KA 380/15). Auf die Beschwerde der Beklagten hat der erkennende Senat den Beschluss vom 11. Januar 2016 geändert und den Antrag auf Suspendierung der Honorarrückforderung insgesamt abgelehnt (Beschluss vom 27. Juni 2016 <L 11 KA 7/16 B ER>).
26Nach mündlicher Verhandlung hat das SG die Klage mit Urteil vom 31. Januar 2018 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen
27Gegen das ihr am 15. Februar 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. März 2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Die Beklagte sei nicht zur nachgehenden sachlich-rechnerischen Berichtigung berechtigt. Zwar setze das Kapitel 31.2.2 EBM für „definierte operative Eingriff an der Körperoberfläche“ nach seinem Wortlaut für die Berechnung dermatochirurgischer Eingriffe eine obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes voraus; diese Abrechnungsvoraussetzungen seien jedoch wegen Fehlens eines sachlichen Grundes sowie mangels einer ausreichenden Rechtsgrundlage aus den im erstinstanzlichen Verfahren dargelegten Gründen rechtswidrig. Diese Problematik sei vor dem SG nicht erörtert worden; vielmehr habe es die Abrechnungsvoraussetzungen zulasten der Klägerin schlichtweg verneint.
28Der Normgeber des EBM dürfe seine Vorstellungen hinsichtlich der indikationsbegründenden Dokumentation nicht an die Stelle des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) setzen. Die ärztlichen Dokumentationsanforderungen seien durch das ärztliche Berufsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung hinreichend entwickelt. Abrechnungsvorschriften des EBM seien nicht dazu bestimmt, zusätzliche Dokumentationspflichten zu statuieren, zumal wenn diese in unrechtfertigender Weise in die Rechte des betroffenen Patienten eingriffen.
29Daneben übersehe das SG, dass die für Zirkumzisionen aufgestellten Dokumentationsanforderungen zur Begründung einer medizinischen Indikation ungeeignet und deshalb rechtswidrig seien. Weder eine obligate histologische Untersuchung des entnommenen Materials noch die Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes könnten eine behandlungsbedürftige Erkrankung darstellen. Mit dieser Frage habe sich das SG nicht auseinandergesetzt. Vielmehr habe sich dies auf die Feststellung beschränkt, dass es nicht einem einzelnen Vertragsarzt obliege, über die Sinnhaftigkeit von Abrechnungsbestimmungen zu befinden.
30Die grundrechtliche Problematik der Dokumentationspflicht verkenne das Gericht in seiner Gesamtheit. Das Gericht habe sich nicht mit der Zulässigkeit des Grundrechtseingriffs mit Blick auf den schwerwiegenden Eingriff in die Intimsphäre der Betroffenen auseinandergesetzt. Sowohl die histologische Untersuchung als auch insbesondere die Anfertigung von (notwendigerweise) Nacktbildern stellten einen Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen dar. Dieser könne nicht allein mit abrechnungstechnischen Erwägungen gerechtfertigt werden.
31Die Klägerin beantragt,
32das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2018 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015 aufzuheben.
33Die Beklagte beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Wortlaut der in Kapitel 31.2.2 EBM enthaltenen Regelung sei eindeutig. Es werde eine obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation eines prä- und postoperativen Befundes gefordert. Die Richtigstellung der Abrechnung der Klägerin in den Fällen, in denen weder eine Histologie noch eine Bilddokumentation erfolgt sei, sei daher nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle die Anfertigung von histologischen Befunden bzw. von Bilddokumentationen keinen Eingriff in etwaige Patienten- bzw. Grundrechte dar. Dabei gelte die streitige Abrechnungsbestimmung nicht nur für Zirkumzisionen, sondern allgemein bei operativen Eingriffen an der Körperoberfläche.
36Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten unstreitig gestellt, dass die von der Beklagten nicht anerkannten Ansätze der GOP 31102 EBM sowie der auf diese verweisenden Gebührenpositionen einen Betrag von wenigstens 100.000,00 € ausmachen.
37Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten betreffend das dem vorliegenden Rechtsstreit vorausgegangenen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (SG Düsseldorf <S 2 KA 380/15 ER>; LSG Nordrhein-Westfalen <L 11 KA 7/16 B ER>). Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
38Entscheidungsgründe:
39Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 31. Januar 2018 hat keinen Erfolg. Die Berufung ist zulässig (hierzu II.), aber nicht begründet (hierzu III.).
40I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015, soweit mit diesem im Wege nachgehender sachlich-rechnerischer Richtigstellung die Honorarabrechnungen der Klägerin für die Quartale I/2011 bis IV/2014 hinsichtlich der Leistungen nach GOP 31102 EBM, GOP 31503 EBM und GOP 31609 EBM teilweise aufgehoben und vertragsärztliches Honorar in einem Umfang von 100.000,00 € zurückgefordert wurde. Soweit die Beklagte mit dem angefochtenen Verwaltungsakt in seiner ursprünglich bekanntgegebenen Fassung eine weitergehende Teilaufhebung und Honorarrückforderung in Höhe von 138.748,77 € geregelt hatte, hat sie diesen Betrag im Hinblick auf die im Verfahren vorgelegten histologischen Untersuchungsbefunde im Rahmen eines Teilanerkenntnisses auf einen Betrag von 100.000,00 € reduziert. Im Umfang des von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
41II. Die am 15. März 2018 bei dem LSG Nordrhein-Westfalen eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 15. Februar 2018 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf vom 31. Januar 2018 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
42III. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015 ist mit seinem im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch wirksamen Regelungsgehalt nicht aufzuheben. Die auf dessen Aufhebung gerichtete Klage ist zulässig (hierzu 1.), aber nicht begründet (hierzu 2.).
431. Die Klage ist zulässig.
44a) Für das Rechtsschutzziel der Klägerin, die Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015, ist die isolierte Anfechtungsklage statthaft (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG). Werden vertragsärztliche Honorarabrechnungen – wie im vorliegenden Fall bezogen auf die Quartale I/2011 bis IV/2014 – im Wege einer nachgehenden Richtigstellung korrigiert, ist eine isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) die statthafte Rechtsschutzform. In diesem Fall ist es nur geboten, den Richtigstellungsbescheid zu beseitigen, um die ursprünglich bekanntgegebene weiterreichende Bewilligung des Honorar wieder ungeschmälert zu erlangen (BSG, Urteil vom 29. November 2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 17; BSG, Urteil vom 13. Februar 2010 - B 6 KA 56/17 R - SozR 4-5531 Br, 39790 Nr. 1; BSG, Urteil vom 13. Februar 2019 - B 6 KA 58/17 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 22). In einem solchen Sachverhalt bestünde für ein Leistungsbegehren kein Rechtsschutzbedürfnis (Clemens, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V,4. Aufl. 2020, § 106d Rn. 78). Nur wenn die streitige Richtigstellung bereits im Rahmen des Honorarfestsetzungsbescheides vorgenommen und dem Kläger damit von vornherein ein geringeres Honorar ausgezahlt wird (sog. quartalsgleiche Richtigstellung), bedarf es zur Realisierung des Klagebegehrens einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 66/07 R - juris, Rn. 14; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2012 - B 6 KA 5/12 R - SozR 4-2500 § 115 Nr. 1; BSG; Urteil vom 26. Juni 2019 - B 6 KA 68/17 R - SozR 4-2500 § 106d Nr. 6; BSG, Urteil vom 26. Juni 2019 - B 6 KA 8/18 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 36).
45b) Die Klage ist fristgerecht am 5. Oktober 2015 binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2015 erhoben worden (§ 87 Abs. 1 Satz 1, § 90, § 64 Abs. 1, Abs. 3, § 63 SGG).
46c) Die Klägerin ist auch im Sinne des § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Dem steht nicht entgegen, dass Herr Dr. B zwischenzeitlich als Mitglied aus der BAG ausgeschieden ist (BSG; Urteil vom 7. Februar 2007 - B 6 KA 6/06 R -; vgl. zur Beteiligtenfähigkeit einer GbR auch BSG, Urteil vom 4. März 2004 - B 3 KR 12/03 R - SozR 4-5425 § 24 Nr. 5, Rn. 13; BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 45/03 R - SozR 4-1500 § 86 Nr. 2, Rn. 8). Dem Ausscheiden dieses Mitglieds der BAG hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten durch entsprechende Rubrumsberichtigung Rechnung getragen (vgl. zur Rubrumsberichtigung im Fall der GbR auch Bundesgerichtshof <BGH>, Urteil vom 15. Januar 2003 - XII ZR 300/99 - NJW 2003, 1043-1044).
472. Die Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 8. Mai 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2013 beschwert die Klägerin mit seinem derzeit noch wirksamen Regelungsgehalt nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Mit seinem im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Gehalt ist der Verwaltungsakt rechtmäßig.
48a) Ermächtigungsgrundlage für die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist § 106a SGB V a.F. . Nach Absatz 1 dieser Vorschrift prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität in der vertragsärztlichen Versorgung. Gemäß § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind (vgl. etwa BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 27/14 R - m.w.N.; zu § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä: BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R - m.w.N.; Senat, Urteil vom 28. Oktober 2015 - L 11 KA 39/14 - juris; Senat, Urteil vom 28. September 2016 - L 11 KA 55/15 - juris).
49Die Erstattungspflicht des Vertragsarztes nach erfolgter sachlich-rechnerischer Richtigstellung folgt aus § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (<SGB X>, ständige Rechtsprechung, etwa BSG, Urteil vom 24. Januar 2018 - B 6 KA 48/16 - SozR 4-2500 § 101 Nr. 20; BSG, Urteil vom 13. Februar 2019 - B 6 KA 58/17 R -; BSG, Urteil vom 15. Mai 2019 - B 6 KA 65/17 R -; vgl. zur Frage der maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Rückforderung Clemens, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 106d Rn. 52.1).
50b) Der in formeller Hinsicht, insbesondere von der für die Entscheidung über die Richtigstellung zuständigen (§ 106a Abs. 2 SGB V a.F., § 2 Abs. 1 AbrPr-RiL) Beklagten erlassene Verwaltungsakt ist mit seinem noch wirksamen Regelungsgehalt materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung sind erfüllt <hierzu aa)>. Die Höhe des Rückforderungsbetrages ist nicht zu beanstanden (hierzu bb)>. Ermessen war von der Beklagten bei Erlass des Richtigstellungsbescheides nicht auszuüben <hierzu cc)>.
51aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung sind erfüllt. Die Klägerin hat die in den Quartalen I/2011 bis IV/2014 abgerechneten Leistungen nach der GOP 31102 EBM, der GOP 31503 EBM sowie der GOP 31609 EBM, soweit diese von dem angefochtenen Bescheid in seiner den Gegenstand des Verfahrens bildenden Fassung berichtigt werden, nicht ordnungsgemäß erbracht. Berechnungsfähig sind Gebührenpositionen nur, wenn deren Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist (Abschnitt I Nr. 2.1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM; vgl. auch § 6 Abs. 2 Nr. 2 der auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V a.F. vereinbarten „Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen“). Die Leistungserbringung ist vollständig, wenn die obligaten Leistungsinhalte erbracht worden sind und die in den Präambeln, Leistungslegenden und Anmerkungen aufgeführten Dokumentationspflichten – auch die der Patienten- bzw. Prozedurenklassifikation (z. B. OPS, ICD 10 GM) – erfüllt, sowie die erbrachten Leistungen dokumentiert sind (Abschnitt I Nr. 2.1 Satz 5 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM).
52(1) Die Klägerin hat den Leistungsinhalt der streitigen Gebührenpositionen nicht vollständig erbracht. Die GOP 31102 EBM regelt die berechnungsfähigen Leistungen für dermatochirurgische Eingriffe der Kategorie A2. Deren obligater Leistungsinhalt erfasst chirurgische Eingriffe an der Körperoberfläche der Kategorie A2 entsprechend Anhang 2. Zu den dermatochirurgischen Eingriffen der Kategorie A2 gehören die Wiederherstellung und Rekonstruktion von Haut und Unterhaut, die chirurgische Wundtoilette (Wunddebridement) und Entfernung von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut bei Verbrennungen und Verätzungen, freie Hauttransplantationen (Empfängerstelle großflächig), freie Hauttransplantationen (Empfängerstelle kleinflächig), Inzisionen an Haut und Unterhaut bei Verbrennungen und Verätzungen, Lappenplastiken an Haut und Unterhaut, lokale Lappenplastiken an Haut und Unterhaut bei Verbrennungen und Verätzungen, lokale Lappenplastiken an Haut und Unterhaut, Operationen am Nagelorgan, radikale und ausgedehnte Exzision von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut, temporäre Weichteilverdeckungen, temporäre Weichteilverdeckung bei Verbrennungen und Verätzungen (großflächig), temporäre Weichteildeckung (großflächig) sowie Operationen am Präputium. Eine der Kategorie A2 zuzuordnende Operation am Präputium ist allein die Frenulum- und Präputiumplastik (OPS 5-640.3), nicht die reine Zirkumzision nach dem OPS 5-640.2, die systematisch der Kategorie A1 zugeordnet ist.
53Nach der „Allgemeinen Bestimmung“ der GOP 31102 EBM kann in deren Anschluss für die postoperative Überwachung die GOP 31503 EBM und für die postoperative Behandlung die GOP 31608 EBM oder GOP 31609 EBM berechnet werden. Die nach dieser Regelungssystematik auf die GOP 31102 EBM aufbauende GOP 31503 EBM erfasst die postoperative Überwachung im Anschluss an die Erbringung einer Leistung entsprechend der GOP 31102 EBM. Deren obligater Leistungsinhalt umfasst die Kontrolle von Atmung, Kreislauf, Vigilanz sowie die erforderlichen Abschlussuntersuchungen. Die GOP 31609 EBM umfasst die postoperative Behandlung u.a. nach der Erbringung einer Leistung entsprechend den GOP 316102 EBM mit dem obligaten Leistungsinhalt einer Befundkontrolle und Befundbesprechung, einmalig im Zeitraum von 21 Tagen nach Erbringung einer Leistung des Abschnitts 31.2.
54Bei sämtlichen o.g. und von der Beklagten berichtigten GOP`en handelt es sich um arztgruppenübergreifende spezielle Gebührentatbestände des Kapitels 31.2.2 EBM, der die Berechnungsfähigkeit von „definierten operativen Eingriffe an der Körperoberfläche“ regelt. Die Berechnung dermatochirurgischer Eingriffe setzt nach der Präambel zum Kapitel 31.2.2 EBM die obligate histologische Untersuchung entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes voraus.
55(2) Der Inhalt der Leistungslegende der berichtigten Gebührenpositionen einschließlich der in der Präambel normierten Abrechnungsvorgabe ist wirksam. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch den Bewertungsausschuss als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen sind gemäß § 87 Abs. 2d SGB V Regelungen einschließlich Prüfkriterien vorzusehen, die sicherstellen, dass der Leistungsinhalt der in den Absätzen 2a bis 2c genannten Leistungen und Pauschalen jeweils vollständig erbracht wird, die jeweiligen Qualitätsstandards eingehalten, die abgerechneten Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang begrenzt sowie die Abrechnung der Fallpauschalen nach Absatz 2c die Mindestanforderungen zu der institutionellen Ausgestaltung der Kooperation der beteiligten Ärzte eingehalten werden; dazu kann die Abrechenbarkeit der Leistungen an die Einhaltung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss und in den Bundesmantelverträgen beschlossenen Qualifikations- und Qualitätssicherungsanforderungen sowie an die Einhaltung der gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu erbringenden Dokumentationsverpflichtungen geknüpft werden. Bei der Bestimmung von Inhalt und Verhältnis der Leistungen kommt dem Bewertungsausschuss ein weitgehender Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, den die Rechtsprechung nur mit großer Zurückhaltung kontrolliert (BSG, Urteil vom 16. Mai 2001 - B 6 KA 20/00 R - SozR 3-2500 § 87 Nr. 29; BSG, Urteil vom 29. August 2007 - B 6 KA 36/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 39; BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 6 KA 9/07 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 42; BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 50/07 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 17; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 6 KA 24/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 70; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - B 6 KA 12/14 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 30; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 - B 6 KA 42/14 R - SozR 4-5531 Nr. 06225 Nr. 1; Engelmann, NZS 2000, 1, 7; Engelmann, NZS 2000, 76, 79 f.; Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 87 Nr. 154; Hamdorf, in: Hauck/Noftz, SGB, Stand 12/2019, § 87 SGB V, Rn. 501).
56Die Beschlüsse des Bewertungsausschusses sind als Bestandteil der Bundesmantelverträge Rechtsnormen mit der Folge der bei einer Normsetzung typischen weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Normurhebers. Zudem sind sie ihrem Ursprung nach Teil des umfassenden und auf Interessenausgleich angelegten Vertragskonzepts, das die vertragsärztliche Versorgung prägt. Schließlich kann das System autonomer Leistungsbewertung, das der Bewertungsausschuss nach § 87 SGB V erarbeiten soll, nur funktionieren, wenn Eingriffe von außen möglichst unterbleiben (Freudenberg, a.a.O.). Insbesondere dürfen Gerichte grundsätzlich nicht mit punktuellen Entscheidungen in das Gefüge des EBM eingreifen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 6 KA 16/17 R - SozR 4-5531 Nr. 33076 Nr. 1). Ausnahmen sind nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar, wenn die zur Bewertung der ärztlichen Leistungen berufenen Selbstverwaltungsorgane ihren Regelungsspielraum überschritten oder ihre Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt haben (BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 6 KA 15/14 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 13 m.w.N.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Selbstverwaltungsorgane von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen (BSG, Urteil vom 11. Februar 2015 - B 6 KA 15/14 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 13 m.w.N.; BSG, Urteil vom 20. Januar 1999 - B 6 KA 9/98 R - SozR 3-2500 § 87 Nr. 21).
57Nach diesen Maßstäben ist die jeweils maßgebliche Leistungslegende einschließlich der in der Präambel zum Kapitel 31.2.2 EBM normierten Abrechnungsvorgabe nicht zu beanstanden. Weder begegnet die einheitliche leistungsrechtliche Behandlung unterschiedlicher dermatochirurgischer Eingriffe in die Kategorie A2 durchgreifenden Bedenken <hierzu (a)>. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass der Normgeber Operationen am Präputium in Form einer Frenulum- und Präputiumplastik (OPS 5-640.3) der Gruppe A2 zugeordnet hat <hierzu (b)>. Dass zur Abrechnung von ärztlichen Leistungen nach der GOP 31102 EBM und (mittelbar) den an diese anknüpfenden GOP 31609 EBM und GOP 31503 EBM als obligate Voraussetzung eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes verlangt wird, bewegt sich ebenfalls im Rahmen der Regelungskompetenz des Normgebers <hierzu (c)>. Da anstelle einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes auch eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials leistungslegendenkonform ist, kann der Senat die Frage offen lassen, ob Bilddokumentationen bei Operationen am Präputium zulässig sind <hierzu (d)>. Die Leistungsinhalte und Abrechnungsbestimmungen verletzen schließlich keine Grundrechte der Klägerin <hierzu (e)>.
58(a) Die einheitliche Zuordnung verschiedener dermatochirurgischer Eingriffe in die Gruppe A2 begegnet keinen durchgreifenden Bedenken und bewegt sich im Rahmen des dem Normgeber nach § 87 SGB V eingeräumten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums bei der Regelung der Vergütungstatbestände. Nach der gesicherten Rechtsprechung hat der Bewertungsausschuss – wie vorstehend dargelegt – bei der Regelung von Vergütungstatbeständen eine umfassende und von der Rechtsprechung weitgehend zu respektierende Gestaltungsfreiheit. Der Bewertungsausschuss kann im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität der Vergütungsordnung insbesondere auch generalisierende, pauschalierende, schematisierende und typisierende Regelungen treffen (etwa BSG, Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 82/03 R - SozR 4-5533 Nr. 653 Nr. 1; BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 55/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 9 Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2004 - 1 BvR 528/04 - u.a.).
59Die typisierende Zuordnung diverser chirurgischer Eingriffe am Körperorgan Haut durch den Normgeber ist nicht sachwidrig. Diese medizinischen Eingriffe sind durch wesentliche einheitliche Merkmale gekennzeichnet, die es – gerade im Interesse einer praktischen Handhabung – rechtfertigen, hinsichtlich der vertragsärztlichen Leistungsanforderungen einheitlich behandelt zu werden. Die Befugnis des Normgebers, dermatochirurgische Eingriffe in diesem Sinne zusammenfassend zu bewerten, stellt die Klägerin mit dem Berufungsvorbringen auch nicht in Abrede.
60Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass der Normgeber die vollständige Leistungslegende an zusätzliche obligate Voraussetzungen geknüpft hat, nämlich zumindest entweder eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes. Diese Vorgabe betrifft nicht lediglich die im vorliegenden Verfahren strittige Abrechnung von operativen Eingriffen am Präputium, sondern unterwirft die vertragsärztliche Berechnung sämtlicher dermatochirurgischer Eingriffe qualitätssichernden Begleitmaßnahmen (vgl. zur Zulässigkeit von Abrechnungsvorgaben zur Qualitätssicherung auch BSG, Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 82/03 R - SozR 4-5533 Nr. 653 Nr. 1). Soweit die Klägerin mit ihrem Vorbringen geltend macht, der Normgeber habe eine Dokumentationspflicht zur Indikationsbegründung bei Zirkumzisionen statuiert, übersieht sie bei dieser Reduktion, dass die Vorschrift eine Vorgabe für die Berechnungsfähigkeit von dermatochirurgischen Eingriffen schlechthin enthält.
61Der Senat hat nicht über die Frage zu entscheiden, ob eine histologische Untersuchung und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes in jedem Fall eines dermatochirurgischen Eingriffs medizinisch indiziert ist. Vielmehr obliegt auch die Bewertung der medizinischen Sinnhaftigkeit dieser Abrechnungsvoraussetzung und die Vorgabe ihrer verpflichtenden Durchführung bzw. Dokumentation für sämtliche dermatochirurgischen Eingriffe dem Bewertungsausschuss, solange sich dieser – wie hier – nicht von sachwidrigen Erwägungen leiten lässt. Zu Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass der Bewertungsausschuss im Rahmen seiner Regelungskompetenz als Normgeber darüber befinden kann, das Erfordernis einer histologischen Untersuchung bzw. einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes zu streichen bzw. eingriffsbezogen zu modifizieren, sofern er zu der Überzeugung gelangt, dass diese zwingende Untersuchungs- bzw. Dokumentationsanforderung bei einzelnen bzw. sämtlichen dermatochirurgischen Eingriffen nicht zweckmäßig ist.
62(b) Diese Grundsätze zugrunde gelegt, ist es zur Überzeugung des Senats auch nicht sachwidrig, Operationen am Präputium in Form einer Frenulum- und Präputiumplastik (OPS 5-640.3) der Gruppe A2 zuzuordnen. Auch die Zuordnung dieses konkreten dermatochirurgischen Eingriffs entspricht vielmehr dem vereinheitlichenden Regelungskonzept des Bewertungsausschusses bei der Bestimmung des Inhalts der berechnungsfähigen dermatochirurgischer Leistungen. Dass auch nach dem allgemeinen Sprachverständnis eine Operation am Präputium, also an der Vorhaut, eine Operation am Körperorgan Haut darstellt, ist offenkundig. Eine Herausnahme dieses einzelnen dermatochirurgischen Eingriffs aus dem Regelungskonzept des EBM durch die Kassenärztliche Vereinigung oder die Rechtsprechung liefe zudem auf einen grundsätzlich unzulässigen punktuellen Eingriff in das Bewertungssystem des EBM hinaus.
63(c) Soweit der Bewertungsausschuss zur Abrechnung von dermatochirurgischen Eingriffen einheitlich eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials und/oder eine Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes für sinnhaft erachtet, ist diese Entscheidung durch den Senat nicht zu beanstanden. § 87 Abs. 2d Satz 1 Halbs. 2 SGB V ermächtigt den Bewertungsausschuss, zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben die Abrechenbarkeit der Leistungen an die Einhaltung bestimmter Vorgaben zu knüpfen. Zu diesen Vorgaben gehören neben den vom G-BA und in den Bundesmantelverträgen beschlossenen Qualifikations- und Qualitätssicherungsmaßnahmen; zum anderen die gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu erfüllenden Dokumentationsverpflichtungen.
64Dies zugrunde gelegt, ist es auch rechtlich unerheblich, dass der Vertreter der Klägerin auf Befragung des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung bekundet hat, dass Histologien bei älteren Patienten durchgeführt würden, da die zur Operation führende Indikation bei diesem Patientenklientel regelmäßig eine sekundäre Phimose sei. Soweit er die Sinnhaftigkeit einer histologischen Untersuchung bei Kindern mit der Begründung verneint hat, bei diesem Personenkreis fehle es an relevanten Nebenbefunden, wie etwa bösartigen Erkrankungen, kommt es auf diese medizinische Einschätzung nicht an. Denn auch wenn eine histologische Untersuchung bei Patienten bestimmten Alters nicht zwingend medizinische notwendig sein sollte, wäre hieraus nicht abzuleiten, dass der Bewertungsausschuss seine Rechtssetzungskompetenz überschritten hätte. Dessen schematisierende und typisierende Betrachtung bewegt sich nämlich in dem ihm bei der Gestaltung der Vergütungstatbestände zustehenden Gestaltungsspielraum (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 82/03 R - SozR 4-5533 Nr. 653 Nr. 1 = juris, Rn. 20).
65(d) Da nach der Präambel zum Kapitel 31.2.2 EBM anstelle einer Bilddokumentation ausdrücklich auch eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials zulässig ist, lässt der Senat die Frage ausdrücklich offen, inwieweit das Verlangen von Bilddokumentationen des prä- und postoperativen Befundes bei Operationen am Präputium zulässig sind. Dass nach dem Wortlaut der Regelung die Erfüllung der Abrechnungsvorgabe sowohl durch eine histologische Untersuchung als auch durch eine Bilddokumentation möglich ist, folgt unmittelbar aus der Kombination der Wörter „und/oder“. Auch die Beklagten geht von einem entsprechenden Verständnis der Abrechnungsvorgabe aus und reduziert diese gerade nicht auf die Vorlage einer Bilddokumentation.
66(e) Die hier maßgeblichen Abrechnungsbestimmungen des EBM verletzten auch keine Grundrechte der Klägerin.
67(aa) Durch die in der Präambel zu Kapitel 31.2.2 EBM enthaltene Abrechnungsvorgabe wird Art. 12 Abs. 1 GG nicht verletzt. Bei dem Erfordernis einer histologischen Untersuchung des entnommenen Materials bzw. einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes handelt es sich um eine bloße Berufsausübungsregelung ohne statusrechtliche Relevanz. Diese ist unter Abwägung der Eingriffsintensität und den der Regelung zugrunde liegenden Gemeinwohlbelangen von vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt (vgl. hierzu etwa BSG, SozR 3-2500 § 72 Nr. 11 S. 30-32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 8. September 2004 – B 6 KA 82/03 R – SozR 4-5533 Nr. 653 Nr. 1; BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2004 – 1 BvR 1128/01 – unter II 2a). Die von dem Normgeber generalisierend und typisierend geregelte Abrechnungsvorgabe dient nämlich der Gewährleistung eines hohen Maßes an Qualität des Gesundheitsschutzes.
68(bb) Der Senat lässt im vorliegenden Verfahren offen, inwieweit eine für die Abrechnungsfähigkeit des Vertragsarztes erforderliche Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Patienten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) beinhaltet und ggf. durch die leistungserbringungsrechtlichen Vorschriften gerechtfertigt ist. Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung des Senats, unter welchen Voraussetzungen der zugelassene Vertragsarzt bzw. – wie hier – eine BAG befugt ist, eine behauptete Grundrechtsverletzung des Patienten zu rügen. Hierzu ist eine gerichtliche Entscheidung nicht veranlasst, da – wie dargelegt – die Bilddokumentation gerade nicht die einzige Möglichkeit zum Nachweis der Berechnungsfähigkeit eines dermatochirurgischen Eingriffs ist. Für die Annahme, dass eine histologische Untersuchung des entnommenen Materials das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Patienten verletzt, besteht kein Anhaltspunkt.
69(cc) Soweit die Klägerin einwendet, das Abrechnungserfordernis benachteilige sie sachwidrig gegenüber ambulant operienden Krankenhäusern, die die streitige ärztliche Leistung im Rahmen des nach § 115b SGB V geschlossenen Vertrages über „Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus – (AOP-Vertrag)“ erbringen, hat sie eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht aufgezeigt. Hierzu bedarf es auch keiner Entscheidung des Senats, welche rechtliche Konsequenz ein etwaiger Verstoß der untergesetzliche Norm gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat (hierzu BSG, Urteil vom 20. Januar 1999 – B 6 KA 9/98 R – SozR 3-2500 § 87 Nr. 21).
70Der Bewertungsausschuss ist nämlich im Rahmen seines normativen Gestaltungsspielraums nicht verpflichtet, bei der Ausgestaltung der Vergütungsregelungen des EBM eine Regelung zu treffen, die inhaltlich den Vereinbarungen des AOP-Vertrages entspricht, zumal dieser auf einer anderen Ermächtigung – § 115b SGB V – beruht.
71(3) In Anwendung der – nach den vorstehenden Kriterien wirksamen – Voraussetzungen der Leistungslegende einschließlich der in der Präambel enthaltenen Abrechnungsbestimmung ist die sachlich-rechnerische Richtigstellung in dem noch streitbefangenen Rahmen nicht zu beanstanden.
72(a) Soweit die Klägerin im gerichtlichen Verfahren die erforderlichen histologischen Untersuchungsbefunde des entnommenen Materials vorgelegt hat, hat die Beklagte dem durch das erstinstanzlich erklärte Teilanerkenntnis Rechnung getragen. Einwände gegen die Berechnung hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht.
73(b) Soweit die abgerechneten Leistungen der streitigen GOP nicht durch histologische Untersuchungen des entnommenen Materials vollständig erbracht worden sind, hat die Klägerin im Übrigen auch ausreichende Bilddokumentationen des prä- und postoperativen Befundes nicht vorgelegt. Die als Anlagenkonvolut K2 vorgelegten „Fotodokumentationen“ genügen den Abrechnungsvorgaben nicht ansatzweise. Bei den vorgelegten Ablichtungen handelt es sich – auch nach eigenem Vortrag der Klägerin – um (Kopien von) Fotos, die mit privaten Kameras des Arztes angefertigt und zwischenzeitlich gelöscht worden sind (Schreiben vom 31. März 2017). Auf den Bildern ist teilweise handschriftlich der Nachname eines Patienten vermerkt worden. Nicht einmal der vollständige Vorname ist dokumentiert, sondern nur dessen Anfangsbuchstabe. Auf einem beachtlichen Teil der Kopien ist überdies nicht einmal ein Name notiert. Schon gar nicht ist hinreichend deutlich gemacht, ob es sich jeweils um den prä- und/oder postoperativen Befund handelt. Der jeweilige zeitliche Zusammenhang zum durchgeführten Eingriff ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Auch ein Abgleich mit den jeweiligen individuellen Karteikartenaufzeichnungen des jeweiligen Patienten ist nicht möglich. Die Annahme der Klägerin, es handele sich bei den Unterlagen um eine ausreichende Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes, hält der Senat – auch unter Einbeziehung der Sachkunde seiner ehrenamtlichen Richter – vor diesem Hintergrund für geradezu fernliegend.
74bb) Die Höhe der noch streitigen Teilaufhebung und Rückforderung ist nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nicht sämtliche ursprünglich abgerechneten Behandlungsfälle überprüft hat. Es existiert zwar kein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach eine in bestimmten Fällen implausibel oder fehlerhaft abgerechnete Leistung damit zwangsläufig auch in anderen Fällen implausibel und fehlerhaft ist (Senat, Urteil vom 28. September 2016 - L 11 KA 55/15 – juris, Rn. 29); allerdings durfte die Beklagte die Abrechnungen der Klägerin in den streitigen Quartalen I/2011 bis IV/2014 im Wege einer Schätzung berichtigen. Der nach der Rechtsprechung hierfür erforderliche grob fahrlässige Fehlansatz der Gebührenpositionen ist zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Sachverhalt gegeben (im Einzelnen hierzu BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5550 § 35 Nr. 1; vgl. zu den Anforderungen einer Schätzung auch BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R - SozR 4-5520 § 32 Nr. 44; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 6 KA 35/10 R - SozR 4-1300 § 63 Nr. 16 Rn. 18). Die Anforderungen der hier maßgebenden Leistungslegende sind nach Überzeugung des Senats unmissverständlich gefasst und hinsichtlich des zwingenden Erfordernisses einer histologischen Untersuchung des entnommenen Materials und/oder einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes keineswegs unklar. Es ist auch weder ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen worden, dass die Beklagte durch unklare oder missverständliche Hinweise eine Fehlvorstellung der Klägerin hinsichtlich der streitigen Rechtsgrundlagen und ihrer Auslegung verursacht hat.
75Es ist zudem nicht zu beanstanden, dass die Beklagte an Stelle der von der Klägerin in Ansatz gebrachten Gebührenpositionen die GOP 02302 EBM „zugesetzt“ hat. Zwar werden bei einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung die zu Unrecht abgerechneten Leistungen in der Regel gestrichen. Aber wenn die Beklagte berechtigt war, die Vergütung für die nicht entstandene Leistung insgesamt zu verweigern, ist die Klägerin durch die Zubilligung einer geringeren Vergütung nicht beschwert (Senat, Urteil vom 7. Juni 2006 - L 11 KA 26/05 -; Senat, Urteil vom 28. September 2016 - L 11 KA 55/15 -, jeweils juris).
76cc) Ermessen war bei der Entscheidung der Beklagten über die sachlich-rechnerische Richtigstellung nicht auszuüben (zum Maßstab für die gerichtliche Kontrolle von behördlichen Ermessensfehlern vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die bereichsspezifische Sonderregelung zur Korrektur vertragsärztlicher Honorarbescheide in § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. bzw. § 106d Abs. 2 Satz 1 SGB V sieht – anders als § 45 SGB X, den sie verdrängt (BSG, Urteil vom 24. Oktober 2018 – B 6 KA 34/17 R – SozR 4-2500 § 106d Nr. 2) – keine Verpflichtung zur Ermessensausübung vor, sondern enthält eine gebundene Entscheidung.
77Die Kostenentscheidung folgt § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat hat die für das erstinstanzliche Verfahren getroffene Kostenregelung geändert, um dem von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnis der Beklagten Rechnung zu tragen.
78Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Die grundsätzlichen Fragen der Regelungskompetenz des Bewertungsausschusses als Normgeber des EBM sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Im Übrigen handelt es sich um Anwendungsfragen in einem Einzelfall.