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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Vertragsarztsitz in der L Mstraße 000 in E. In ihm sind zwei Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie, zwei Fachärzte für Orthopädie mit Schwerpunkt Chirotherapie sowie ein Facharzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Phlebologie angestellt. Davon sind ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und ein Facharzt für Orthopädie in der Zweigpraxis der Antragstellerin in der Tstraße 00 in E tätig.
4Unter dem 01.03.2016 beantragte die Antragstellerin die Genehmigung zur Anstellung des Facharztes für Allgemeinmedizin W N mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 13 Stunden (Anrechnungsfaktor 0,5). Dieser Arzt ist seit dem 01.01.1999 mit vollem Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft mit Vertragsarztsitz in der Tstraße 00 in E, die Zweigpraxen in der Cstraße 00 und in der S Straße 00 in E führt.
5Mit Beschluss vom 14.04.2016 (Bescheid vom 12.05.2016) lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf den Antrag ab: Er habe Bedenken, neben einer vollen Zulassung eine weitere Anstellung im vertragsärztlichen Bereich zu genehmigen, da Herr N dann mit mehr als einem Anrechnungsfaktor von 1,0 vertragsärztlich tätig wäre. Dazu komme, dass Herr N auch noch in der eigenen Praxis bzw. im eigenen MVZ im gleichen Planungsbereich mit einem Anrechnungsfaktor von 1,5 vertragsärztlich tätig wäre und in der Bedarfsplanung entsprechend anzurechnen wäre. Dies halte der Zulassungsausschuss nicht für zulässig.
6Einen hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Beschluss in seiner Sitzung vom 14.09.2016, ausgefertigt als Bescheid am 28.09.2016, zurück:
7Neben einem vollen Versorgungsauftrag für einen niedergelassenen Arzt sei keine vertragsärztliche Nebentätigkeit auch nur im Umfang einer wöchentlichen Arbeitszeit von 13 Stunden (Anrechnungsfaktor 0,5) zulässig. Ansonsten würde ein Anrechnungsfaktor von 1,5 erreicht. Dies widerspreche dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV und dagegen sprächen auch systematische Gründe.
8Am 15.09.2016 hat die Antragstellerin das Gericht um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes angerufen. Sie ist der Ansicht, ein ausdrückliches Verbot, neben der vollschichtigen Tätigkeit in eigener Praxis im Umfang von 13 Wochenstunden in einer MVZ-GmbH angestellt ärztlich tätig zu sein, existiere nicht. Insbesondere stehe § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV der Anstellung nicht entgegen. Herr N habe seine Praxis sehr effektiv organisiert und könne Sprechstunden im Umfang von mindestens 20 Wochenstunden in seiner eigenen Praxis und mindestens 10 Wochenstunden als angestellter Arzt im MVZ abhalten. Bedarfsplanungsrechtlich wären vorliegend ein 0,5-facher Anrechnungsfaktor für die Tätigkeit im Rahmen der Anstellung und ein 1,0-facher Anrechnungsfaktor
9für den vollen Versorgungsauftrag in eigener Praxis zu addieren. Das sei deshalb unschädlich, weil die Regelungen der Bedarfsplanung vornehmlich darauf abzielten zu vermeiden, dass durch Aufteilung eines Vertragsarztsitzes auf unverhältnismäßig viele Ärzte der Leistungsumfang für einen Vertragsarztsitz in unzulässiger Weise trotz Zulassungssperre erweitert werde. Eine solche Leistungserweiterung sei aber gerade im Rahmen der Anstellung auf einem anderen Vertragsarztsitz nicht zu befürchten. Die absolute Arztzahl im Planungsbereich bleibe gleich. Auch bleibe es bei den bestehenden Leistungsbeschränkungen. Ein Anordnungsgrund bestehe u.a. wegen der Gefahr einer Zulassungsentziehung, wenn Herr N keine ärztliche Tätigkeit bei der Antragstellerin ausübe.
10Die Antragstellerin beantragt,
11den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung - wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung - zu verpflichten, auf den Antrag der Antragstellerin vom 01.03.2016 die Anstellung des Facharztes für Allgemeinmedizin W N im MVZ E im Umfang von 13 Wochenstunden bis zur Entscheidung der Hauptsache zu genehmigen.
12Der Antragsgegner beantragt,
13den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
14Er nimmt zur Begründung Bezug auf seinen Beschluss vom 14.09.2016.
15Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
16II.
17Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war zurückzuweisen.
18Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
19Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt dabei grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund; vgl. zu diesen Voraussetzungen im Einzelnen z.B. LSG NRW, Beschluss vom 16.11.2015 - L 11 KA 42/15 B - m.w.N.).
20Ein Anordnungsanspruch besteht nicht.
21Das Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und die Ärzte-ZV gehen davon aus, dass einem Arzt insgesamt (nur) ein Vertragsarztsitz und (nur) ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet ist (BSG, Urteil vom 23.03.2016 - B 6 KA 7/15 R (Rn. 17)). Das kann auch dergestalt erfolgen, dass zwei hälftige Zulassungen an zwei örtlich getrennten hälftigen Vertragsarztsitzen erteilt werden (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R (Rn. 18 ff.)). Es gibt auch Zulassungen für zwei Fachgebiete (BSG, Urteile vom 20.01.1999 - B 6 KA 78/97 R -; vom 26.01.2000 - B 6 KA 53/98 R -) oder bei Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen die gleichzeitige Zulassung zur vertragsärztlichen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung (BSG, Urteil vom 17.11.1999 - B 6 KA 15/99 R -). Der Gesetzgeber hat ferner die Möglichkeit
22geschaffen, die ärztliche Tätigkeit auch an anderen Orten auszuüben, z.B. in Zweigpraxen und/oder ausgelagerten Praxisräumen (§ 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V i.V.m. § 24 Abs. 3 und Abs. 5 Ärzte-ZV). Weiterhin können der volle Versorgungsauftrag auf einen hälftigen reduziert (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV) und der Vertragsarztsitz verlegt werden (§ 24 Abs. 7 Ärzte-ZV). Diese Flexibilisierungsoptionen ändern aber nichts an dem Grundsatz, dass einem Arzt insgesamt (nur) ein Vertragsarztsitz und (nur) ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet ist (BSG, Beschluss vom 09.02.2011 - B 6 KA 44/10 B (Rn. 11)). Neben einer vollen Zulassung ist deshalb kein Raum für eine weitere Zulassung (BSG, Urteile vom 16.12.2015 - B 6 KA 5/15 R (Rn. 36); vom 11.05.2011 - B 6 KA 2/10 R (Rn. 23)). Einer "Doppelzulassung" mit mehr als einem Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) stehen insofern außer der bereits umfassenden Inpflichtnahme durch einen vollen Versorgungsauftrag insbesondere Gesichtspunkte der Bedarfsplanung und der vertragsärztlichen Honorarverteilung entgegen (BSG, Beschluss vom 03.12.2010 - B 6 KA 39/10 B (Rn. 4)).
23Dies gilt in gleicher Weise für die Anstellung eines Arztes, der bereits als zugelassener Vertragsarzt einen vollen Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) ausfüllt. Mit der Genehmigung der Besetzung eines Angestelltensitzes durch einen bereits mit vollem Versorgungsauftrag zugelassenen Vertragsarzt würde zugleich eine Rechtsposition begründet, die rechtlich nicht vorgesehen ist. Denn § 95 Abs. 9 b SGB V sieht ohne Ausnahmemöglichkeit vor, dass im Falle der vom anstellenden Arzt beantragten Umwandlung einer genehmigten Anstellung in eine Zulassung und bei Nichtbeantragung einer Nachbesetzung der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung wird. Die in diesem Fall entstehende Option auf den Erhalt einer rechtlich nicht vorgesehenen "Doppelzulassung" schließt die Genehmigungsfähigkeit der Anstellung eines mit vollem Versor-
24gungsauftrag zugelassenen Vertragsarztes bei einem anderen Vertragsarzt aus (SG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2015 - S 33 KA 299/15 ER -).
25So liegen die Verhältnisse hier. Der Arzt N ist mit einem vollen Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zwar hat die Antragstellerin bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes, aber eben nicht jedes Arztes. Sofern an der Anstellung des Arztes N festgehalten werden sollte, müsste dieser seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte reduzieren (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 19/15 R (Rn. 35)).
26Es besteht auch kein Anordnungsgrund. Soweit die Antragstellerin vorträgt, ihr drohe die hälftige Entziehung, wenn der Arzt N nicht alsbald mit Genehmigung angestellt würde und Leistungen erbringe, führt dies nicht weiter. Ein Anordnungsgrund besteht dann nicht, wenn behauptete "schwere und nicht anders abwendbare Nachteile" erst als Folge von eigenverantwortlichen Dispositionen der betroffenen Ärzte eintreten, die der Auffassung sind, ihre Beurteilung der Anspruchs- und Rechtslage werde sich trotz entgegenstehender gesetzlicher und vertraglicher Regelungen im Ergebnis durchsetzen (LSG NRW, Beschluss vom 05.12.2012 - L 11 KA 121/12 B ER - m.w.N.). Die Folgen unternehmerischer Entscheidungen, hier ggf. die nur eingeschränkte Möglichkeit, einen erworbenen Vertragsarztsitz wirtschaftlich nutzbar zu machen, trägt die Antragstellerin; das rechtfertigt keine Modifikation der rechtlichen Vorgaben.
27Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).