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Paragraphenzeichen und Richterhammer
Quelle: panthermedia.net / Sebastian Duda

Internationales Erbrecht

Erbfall mit Auslandsbezug

Neue Erbrechtsregelung ab 17.08.2015

Wann liegt ein grenzüberschreitender Erbfall vor?

Ein grenzüberschreitender Erbfall ist ein Erbfall mit Bezug zu mehreren Ländern (internationaler Erbfall):

  • Erblasser lebte nicht in seinem Heimatland.
  • Erblasser hatte Vermögenswerte in mehreren Ländern.

In grenzüberschreitenden Erbfällen können die Gerichte mehrerer Länder mit der Erbsache befasst sein:

  •  Gericht im Heimatland des Erblassers 

und 

  • Gericht im Wohnsitzstaat (Aufenthaltsstaat) des Erblassers.

Bei der Anwendung des Erbrechts in grenzüberschreitenden Erbfällen können in Betracht kommen:

  • das nationale Erbrecht des Lageorts der Immobilie des Erblassers,
  • das nationale Erbrecht des Wohnsitzstaats (Aufenthaltsort) des Erblassers,
  • das nationale Erbrecht des Heimatrechts (Staatsangehörigkeit) des Erblassers.

Bei Immobilien kann es in Einzelfällen auch zur Spaltung des Nachlasses hinsichtlich des beweglichen und des unbeweglichen Vermögens kommen.

Inhaltsverzeichnis

Wann findet die Europäische Erbrechtsverordnung Anwendung?

Die Europäische Erbrechtsverordnung findet auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die am 17.08.2015 oder danach verstorben sind.
Für die vor dem 17.08.2015 verstorbenen Personen bleibt es bei den bisherigen Regelungen.

  

Wo findet die Europäische Erbrechtsverordnung Anwendung?

Die Europäische Erbrechtsverordnung findet Anwendung in den nachfolgend genannten EU-Mitgliedstaaten: 

 

EU-Mitgliedstaat Datum
Belgien 17.08.20215
Bulgarien 17.08.2015
Dänemark ./.
Deutschland 17.08.2015
Estland 17.08.2015
Finnland 17.08.2015
Frankreich 17.08.2015
Griechenland 17.08.2015
Irland ./.
Italien 17.08.2015
Kroatien 17.08.2015
Lettland 17.08.2015
Litauen 17.08.2015
Luxemburg 17.08.2015
Malta 17.08.2015
Niederlande 17.08.2015
Österreich 17.08.2015
Polen 17.08.2015
Portugal 17.08.2015
Rumänien 17.08.2015
Schweden 17.08.2015
Slowakei 17.08.2015
Slowenien 17.08.2015
Spanien 17.08.2015
Tschechische Republik 17.08.2015
Ungarn 17.08.2015
Zypern 17.08.2015

In 

  • Dänemark

    und

  • Irland

findet die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) unmittelbar keine Anwendung; 
sie sind insoweit "Drittstaaten".
Gerichte in Dänemark und Irland wenden daher die Europäische Erbrechtsverordnung nicht an. 

Deutsche Gerichte wenden dagegen die Europäische Erbrechtsverordnung auch im Verhältnis zu Dänemark und Irland an.

 

Findet die Europäische Erbrechtsverordnung auch in Drittstaaten Anwendung?

Nur mittelbar, nicht unmittelbar.
Deutsche Gerichte wenden die Europäische Erbrechtsverordnung auch gegenüber Drittstaaten an.

Gerichte in den Drittstaaten wenden die Europäische Erbrechtsverordnung dagegen nicht an.  

Wann findet deutsches Erbrecht Anwendung?

Deutsches Erbrecht findet im Regelfall Anwendung, falls der letzt Wohnsitz/Aufenthaltsort des Erblassers in Deutschland war.
Auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers kommt es nicht mehr an.

 

Gib es Ausnahmefälle?

Ja.
Soweit eine wirksame Rechtswahl getroffen wurde, richtet sich das nationale Erbrecht (Erbrechtsstatut) nach der Rechtswahl.

Ferner sind die bestehenden Staatsverträge zu berücksichtigen, da diese nach Art. 75 I EuErbVO vorrangig zu beachten sind.

Die mit Deutschland  geschlossenen Staatsverträge gelten nach h. M. jedoch nicht für Staatsangehörige mit Vermögen in ihrem Heimatland (Land ihrer Staatsangehörigkeit).

Wann finden die mit Deutschland geschlossenen Staatsverträge keine Anwendung?

Nach h. M. gelten die mit Deutschland geschlossenen Staatsverträge nicht für Staatsangehörige mit Vermögen in dem Land ihrer Staatsangehörigkeit, da insoweit ein Schutz nicht erforderlich ist.

 

Welche Regelungen enthält das Deutsch-Iranische Nachlassabkommen?

Nach Art. 8 III des Deutsch-Iranischen Nachlassabkommens ist für das nationale Erbrecht das Heimatrecht des Erblassers (Staatsangehörigkeit) maßgeblich. 

Dies gilt sowohl für das bewegliche Vermögen als auch für das unbewegliche Vermögen (Grundstücke und Immobilien).

Besitzt der Erblasser sowohl die deutsche Staatsangehörigkeit als auch die iranische Staatsangehörigkeit, findet das Deutsch-Iranische Nachlassabkommen keine Anwendung. 

Wann findet der Deutsch-Sowjetische Konsularvertrag keine Anwendung?

Für das bewegliche Vermögen findet der Deutsch-Sowjetische Konsularvertrag keine Anwendung;
für das bewegliche Vermögen gelten insoweit die Regelungen der Europäischen Erbrechtsverordnung.

Nach h. M. gelten die mit Deutschland geschlossenen Staatsverträge nicht für Staatsangehörige mit Vermögen in dem Land ihrer Staatsangehörigkeit, da insoweit ein Schutz nicht erforderlich ist.

 

Wo findet der Deutsch-Sowjetische Konsularvertrag Anwendung?

Dieser Vertrag gilt im Verhältnis zu den Nachfolgestaaten der Sowjetunion:

  • Armenien,
  • Aserbaidschan,
  • Belarus,
  • Georgien,
  • Kasachstan,
  • Kirgistan
  • Moldawien,
  • Russland,
  • Tadschikistan,
  • Ukraine,
  • Usbekistan.

 

Die baltischen Staaten

  • Estland
  • Lettland
  • Litauen

sind keine Nachfolgestaaten der Sowjetunion;
der Deutsch-Sowjetische Konsularvertrag gilt daher für diese Staaten nicht.

Nach h. M. gelten die mit Deutschland geschlossenen Staatsverträge nicht für Staatsangehörige mit Vermögen in dem Land ihrer Staatsangehörigkeit, da insoweit ein Schutz nicht erforderlich ist.

 

Welche Regelungen gelten im Verhältnis zur Türkei?

Der Deutsch-Türkische Konsularvertrag enthält als Anlage zu Artikel 20 ein Nachlassabkommen.

Nach § 14 des Nachlassabkommens bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnissse

  • für bewegliches Vermögen nach den Gesetzen des Heimatlandes des Erblassers 
    (Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers),
  • für das unbewegliche Vermögen nach den Gesetzen des Landes, 
    in dem das Grundstück/die Immobilie liegt (Recht des Belegenheitsortes).

Gehören Grundstücke zum Nachlass, richtet sich das nationale Erbrecht (Erbrechtsstatut) nach der Belgenheitsort.

Liegt das Grundstück in Deutschland, findet für das Grundstück deutsche Erbrecht Anwendung.

Liegt dagegen das Grundstück in der Türkei, findet für das Grundstück türkisches Erbrecht Anwendung.

Für das bewegliche Vermögen richtet sich das nationale Erbrecht (Erbstatut) nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers.

Bei Tod eines in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen findet daher im Regelfall deutsches Erbrecht Anwendung. 

Wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland hat und dennoch möchte, dass sich im Fall seines Todes das Erbrecht seines Heimatlandes (Staatsangehörigkeit) anwendbar sein soll, muss eine Rechtswahl treffen.

Eine Rechtswahl muss entweder in der Form eines Testaments/eines Erbvertrages erfolgen oder sich aus der vorgenannten letztwilligen Verfügung ergeben, Art. 22 EuERbVO.
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine ausdrückliche Rechtswahl zu empfehlen..

Das Testament/Der Erbvertrag kann als Inhalt auch lediglich die Rechtswahl als solches enthalten. 

Eine vor dem 17.08.2015 getroffene Rechtswahl nach nationalem Recht bleibt wirksam.

Der Erblasser hat bei der Rechtswahl folgende Wahlmöglichkeiten:

  • nationale Erbrecht nach dem Heimatrecht des Erblassers (Staatsangehörigkeit) zum Zeitpunkt der Rechtswahl

oder

  • nationale Erbrecht nach dem Heimatrecht des Erblassers (Staatsangehörigkeit) zum Zeitpunkt seines Todes.

Unerheblich ist die Tatsache, ob es sich hierbei um 

Die Wahl des gewählten nationalen Erbrechts bleibt auch dann gültig, wenn der Erblasser diese Staatsangehörigkeit verliert.
Der spätere Verlust der Staatsangehörigkeit ist daher unbeachtlich.