Oberverwaltungsgericht in Münster
Quelle: Justiz NRW

Oberverwaltungsgericht NRW: Veröffentlichung eines behördlichen Warentests zu Ebersperma war rechtswidrig

Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen war nicht berechtigt, die auf Grundlage der Ergebnisse des 10. Warentests für Mastferkel vorgenommene Bewertung der Genetik der Eber des Klägers, einer staatlich anerkannten Tierzuchtorganisation auf dem Gebiet der Schweinezucht, zu veröffentlichen. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute festgestellt und damit das vorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts Münster insoweit geändert.

Die beklagte Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen hatte im Rahmen des 10. Warentests für Mastferkel bestimmte genetische Eigenschaften der sogenannten Endprodukteber von vier verschiedenen Zuchtorganisationen (unter anderem des Klägers) untersucht. Zu diesem Zweck wurden aus dem Sperma der Eber der teilnehmenden Zuchtorganisationen Mastschweine gezüchtet und miteinander verglichen. Die Landwirtschaftskammer bewertete die Herkunft der Eber des Klägers bei dem Test insgesamt mit der Note „befriedigend+“, während diejenigen der Mitbewerber die Noten „gut+“ und „gut“ erhielten. Die Durchführung des Tests hatte ein Verlag der Landwirtschaftskammer angetragen, die die Testergebnisse dem Verlag zur Veröffentlichung in einer von diesem herausgegebenen Zeitschrift zur Verfügung stellte. Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung war zunächst sowohl beim Verwaltungsgericht als auch beim 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts erfolglos gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen (Beschluss vom 02.06.2022 - 3 B 23.21 -). Nach der Entscheidung des nunmehr zuständigen 21. Senats des Oberverwaltungsgerichts hatte die Klage des Klägers nunmehr Erfolg.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 21. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Die Veröffentlichung der auf Grundlage der Ergebnisse des 10. Warentests für Mastferkel vorgenommenen Bewertung der Genetik der Eber des Klägers stellt eine Beeinträchtigung seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit dar, weil damit seine Marktbedingungen negativ beeinflusst werden. Für eine solche staatliche Beeinträchtigung bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage. Eine solche ist hier nicht in der von der Landwirtschaftskammer herangezogenen alten Fassung des Landwirtschaftskammergesetzes zu sehen. Dabei handelt es sich nur um eine sogenannte Aufgabennorm, die nicht die Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Diesem Umstand hat auch zwischenzeitlich der Landesgesetzgeber Rechnung getragen und erstmals eine Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung der Ergebnisse eines vergleichenden Produkttests geschaffen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 21 A 2111/19 (I. Instanz: VG Münster 11 K 5015/16)

§ 2 des Gesetzes über die Errichtung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWKG NRW) – alte Fassung:

(1) Die Landwirtschaftskammer hat die Aufgabe, die Landwirtschaft und die in ihr Berufstätigen zu fördern und zu betreuen und im Rahmen ihrer Aufgaben den ländlichen Raum zu stärken. Insbesondere erstreckt sich ihr Aufgabenbereich darauf,

a) die Wirtschaftlichkeit, die Umweltverträglichkeit und den Verbraucherschutz bei der landwirtschaftlichen Erzeugung durch geeignete Einrichtungen und Maßnahmen, insbesondere Agrarumweltmaßnahmen, sowie den ökologischen Landbau zu fördern und auf eine flächenbezogene und artgerechte Tierhaltung hinzuwirken;

b) die nicht pflichtschulmäßige Berufsausbildung und die berufliche Fortbildung des Berufsnachwuchses sowie die berufsbezogene Weiterbildung aller in der Landwirtschaft Tätigen durchzuführen und die Betriebe in ihrer nachhaltigen Entwicklung durch Beratung zu unterstützen;

c) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in allen beruflichen und sozialen Belangen zu fördern;

d) in Fragen der Bewirtschaftung, der Verwertung und der Regelung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse beratend mitzuwirken, das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen, Erzeugergemeinschaften, Erzeugerzusammenschlüsse und deren Vereinigungen sowie die Regionale Vermarktung zu fördern;

e) die Behörden und Gerichte in Fragen der Landwirtschaft, vor allem durch die Erstattung von Gutachten und die Bestellung von Sachverständigen zu unterstützen;

f) Richtlinien über das Sachverständigen- und Buchführungswesen herauszugeben;

g) in rechtlichen Angelegenheiten der Landwirtschaft nach den besonderen gesetzlichen Vorschriften mitzuwirken, insbesondere Vorschläge zu machen und Beisitzende für die in Landwirtschaftssachen zuständigen Gerichte zu benennen;

h) bei der Verwaltung und den Preisnotierungen der Produktenbörsen sowie der Märkte, insbesondere der Viehmärkte nach den für die Behörden und Märkte zu erlassenden Bestimmungen teilzunehmen;

i) zusätzliche Produktions-, Absatz- und Einkommenspotenziale insbesondere bei nachwachsenden Rohstoffen und erneuerbaren Energien zu erschließen und die Erwerbsgrundlagen durch Schaffung mit der Landwirtschaft verbundener Einkommenskombinationen zu verbreitern;

j) die Belange einer nachhaltigen Landwirtschaft und die besondere Bedeutung der Landwirtschaft für Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz in die Gesellschaft zu vermitteln und den Dialog mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen zu fördern;

k) auf eine Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Landwirtschaft hinzuwirken;

l) die internationale Zusammenarbeit in allen Bereichen der Landwirtschaft zu unterstützen;

m) die Tierseuchenkasse als Sondervermögen nach Maßgabe des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz in der jeweils geltenden Fassung zu verwalten.

[…]

§ 2 des Gesetzes über die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWKG NRW) – neue Fassung:

(1) Die Landwirtschaftskammer hat die Aufgabe, die Landwirtschaft und die in ihr Berufstätigen zu fördern und zu betreuen und im Rahmen ihrer Aufgaben den ländlichen Raum zu stärken. Insbesondere erstreckt sich ihr Aufgabenbereich darauf,

[…]

14. zur Förderung der Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe oder der in der Landwirtschaft Berufstätigen vergleichende Tests von Produkten selbst durchzuführen oder durch Beauftragung einer geeigneten Stelle durchführen zu lassen, wobei die Ergebnisse der Tests in oder von landwirtschaftlichen Betrieben im Rahmen ihrer betrieblichen Praxis genutzt werden können.

(2) Die Testergebnisse nach Absatz 1 Nummer 14 sind den Betrieben in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen, sie können veröffentlicht werden. Bei der Auswahl der zu testenden Produkte, der Durchführung der Tests und der Veröffentlichung der Ergebnisse sind die Gebote der Sachlichkeit und Neutralität zu beachten. […]