Presse: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Quelle: Justiz NRW

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Jahrespressegespräch 2025

Entscheidungen am Puls der Zeit bei zunehmenden Klageverfahren

Im Jahr 2024 hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Verfahren aus zahlreichen Lebensbereichen entschieden, die Gegenstand öffentlicher Diskussionen waren, leitete Dr. Siegbert Gatawis, Präsident des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das diesjährige Gespräch mit Vertretern der Presse ein. Neben den beispielhaften Fragen, ob ein Gesichtsschleier aus religiösen Gründen beim Führen eines Fahrzeugs getragen werden darf, ob Corona-Soforthilfen aufgrund einer formularmäßigen Verzichtserklärung zurückgefordert werden durften, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Stadt einer Partei den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen verweigern darf, wie konkret Fragen eines Bürgerbegehrens zu formulieren sind, wann auf einer Fahrradstraße nachträgliche Verkehrszeichen angeordnet werden dürfen, wann eine Gemeinde Immobilieneigentümer verpflichten kann, den Abriss ihrer unbewohnbar gewordenen Wohngebäude zu dulden, wenn eine Modernisierung oder Instandsetzung nicht möglich ist (sog. „Schrottimmobilien“), waren versammlungsrechtliche Eilverfahren wegen Demonstrationen aus unterschiedlichsten Anlässen zu entscheiden.

Die gesellschaftliche Aktualität der Entscheidungen setzte sich zum Jahresbeginn 2025 fort. Das Verwaltungsgericht ist mit mehreren Klageverfahren im Zusammenhang mit der Krankenhausreform befasst. In diesen suchen Klinikträger Rechtsschutz gegen Feststellungsbescheide des Landes, das ihnen einen geringeren Versorgungsauftrag als bisher zugewiesen hat, um Krankenhausleistungen zu konzentrieren. Teilweise sollten die Änderungen zum 1. April 2025 umgesetzt werden. In einigen bereits entschiedenen Eilverfahren hat das Gericht die umfangreichen Verwaltungsvorgänge mit teilweise mehreren tausend Seiten auf Ermessensfehler geprüft. Seit Jahresbeginn gingen hunderte Besoldungsklagen von Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richtern bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein.

Vizepräsident Herfort sowie die Pressesprecher Herr Dr. Kuznik und Frau Dr. Vogelsang berichteten über weitere aktuell entschiedene sowie anhängige Verfahren.

Zur Geschäftslage erklärte Dr. Gatawis, die weitere Zunahme von Asylverfahren und Klageverfahren im klassischen Verwaltungsrecht fordere die Beschäftigten des Gerichts heraus.

In seinem Überblick über statistische Daten des Vorjahres stellte der Präsident die auf 3.210 Verfahren gestiegene Zahl eingegangener Asylverfahren dar. Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr (2.846) um rd. 13 Prozent setzt den signifikanten Anstieg neuer Asylverfahren im Vorjahr (rd. 78 Prozent) abgeschwächt fort. Bei dem Gericht sind damit mehr Asylverfahren als im Vorjahr eingegangen. Gleichwohl gelang es den Richterinnen und Richtern des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, den Anstieg der neuen Asylverfahren mit beinahe 12 Prozent mehr erledigter Asylverfahren aufzufangen. In 2024 konnten 3.213 Asylverfahren erledigt werden (2023: 2.872). Bei ungefähr konstant gebliebener Anzahl der erledigten Eilverfahren im Asylrecht (über 800) haben die Richterinnen und Richter des Verwaltungsgerichts nahezu 400 Hauptsacheverfahren im Asylrecht mehr als im Vorjahr erledigt. Diese Verfahren bringen mitunter aufwendige Anhörungen und Aufklärungen zu Tatsachen im Herkunftsstaat der Asylklägerinnen und -kläger mit sich. Die Eingänge klassisch verwaltungsrechtlicher Klageverfahren stiegen in etwa um 11 Prozent an (2024: 5.927, 2023: 5.365). Auch wenn zum Jahresende 2024 insgesamt mehr Verfahren anhängig waren (8.635) als im Vorjahr (7.866), belegen die deutlich gestiegenen Erledigungszahlen der Asylverfahren das enorme Engagement sämtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gerichts, wie Dr. Gatawis zufrieden feststellte.

Zum Januar 2025 erhielt das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Personal für eine weitere Kammer zugewiesen, die ausschließlich Asylverfahren bearbeitet. Die mit zwei Stellen in einer Serviceeinheit und drei Richtern ausgestattete Kammer bearbeitet Klagen betreffend die Herkunftsländer Albanien und Serbien sowie Türkei. Die bereits im letzten Jahr stark angestiegenen Asylverfahren aus dem Herkunftsland Türkei sind gegenwärtig auf fünf Asylkammern aufgeteilt. Die Konzentration von Asylverfahren nach Herkunftsländern in den Kammern des Gerichts ist bereits jahrzehntelange Praxis am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

Weiter hohe Eingangszahlen sind im Staatsangehörigkeitsrecht durch sogenannte Untätigkeitsklagen von Einbürgerungsbewerbern zu verzeichnen, über deren Einbürgerungsanträge überwiegend aufgrund behördlicher Überlastungen dort nicht innerhalb gesetzlicher Fristen entschieden wurde. Der starke Anstieg dieser Verfahren setzte sich im vergangenen Jahr fort. Im Jahr 2024 gingen doppelt so viele Klagen ein wie im Vorjahr. Der Anteil dieser Untätigkeitsklagen beträgt in den letzten beiden Jahren etwa 50 Prozent der staatsangehörigkeitsrechtlichen Streitverfahren vor dem Verwaltungsgericht.

Über die Rechtsprechungstätigkeit hinaus öffnete das Verwaltungsgericht – das im Jahr 2024 sein 75-jähriges Bestehen feierte – am Tag des offenen Denkmals im September 2024 seine Pforten für zahlreiche interessierte Besucherinnen und Besucher. Nur durch besonderes Engagement der Gerichtsangehörigen war dies möglich, wie Dr. Gatawis hervorhob. Zuvor besuchten anlässlich der Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum 75 Studierende im Mai 2024 das Verwaltungsgericht.